Titel: | Ueber das Pergamentpapier; Bericht von Prof. Dr. A. W. Hofmann in London. |
Fundstelle: | Band 152, Jahrgang 1859, Nr. CI., S. 380 |
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CI.
Ueber das Pergamentpapier; Bericht von Prof. Dr.
A. W. Hofmann in
London.
Aus dem Practical Mechanics' Journal, October 1858, S.
175 und dem Journal de Pharmacie et de Chimie, Februar 1859, S.
120.
Hofmann, über das Pergamentpapier.
Das PergamentpapierMan s. die Notiz darüber im polytechnischen Journal Bd. CXLIV S. 154., welches man auch vegetabilisches Pergament nennen könnte, fängt an sich in
England zu verbreiten. Die HHrn. Thomas und Delarue in London übergaben Hrn. Dr. Hofmann mehrere Proben von diesem Pergament, um eine
genaue chemische Untersuchung desselben vorzunehmen und namentlich dessen
Eigenschaften im Vergleich mit dem gewöhnlichen Pergament zu bestimmen.
Um ungeleimtes Papier in vegetabilisches Pergament zu verwandeln, taucht man es
einige Secunden lang in Schwefelsäure, welche vorher mit ihrem gleichen Volum Wasser
verdünnt und dann auf die Temperatur von 15°,5 C. (12°,4 R.) abgekühlt
worden ist. Das Verfahren scheint also ein höchst einfaches zu seyn; Dr. Hofmann fand aber bald,
daß es seine praktischen Schwierigkeiten hat. Der Concentrationsgrad der Säure, die
Dauer der Operation, die etwas mehr oder weniger erhöhte Temperatur, sind Umstände,
welche man innerhalb sehr enger Gränzen einhalten muß und von denen sich nicht einer
durch den andern compensiren läßt; wenn man z.B. eine etwas schwächere Säure
anwendet, gelingt es nicht den Fehler durch eine etwas längere Dauer des Eintauchens
oder durch eine etwas höhere Temperatur wieder auszugleichen. Es ist durchaus
nothwendig, jede der drei erwähnten Bedingungen streng zu erfüllen, und erst nach wiederholten
Versuchen gelang es Hrn. Hofmann selbst und mit Leichtigkeit das Pergamentpapier
darzustellen.
Uebrigens bestätigt er, daß die Eigenschaften des Pergamentpapiers ganz identisch mit
denjenigen des gewöhnlichen Pergaments sind; jenes besitzt dasselbe Ansehen,
dieselbe durchscheinende Beschaffenheit, die gleiche Cohäsion, dieselbe
Geschmeidigkeit im feuchten Zustande und wird eben so wenig vom Wasser durchdrungen
wie dieses.
Wirkung der Schwefelsäure auf das Papier. – Die
Schwefelsäure übt bei der erwähnten Operation lediglich eine Molecularwirkung aus;
es geht von ihr nichts in die Constitution der neuen Substanz überMehrere Stücke Pergamentpapier wurden in destillirtem Wasser zwölf Stunden
lang gekocht; die filtrirte Flüssigkeit wurde hernach auf das Volum von
einigen Tropfen abgedampft, welche nicht die geringste Spur von freier Säure
zeigten., deren Zusammensetzung, welche genau bestimmt wurde, vollkommen identisch
mit derjenigen der Cellulose oder Pflanzenfaser ist. Es findet also nur eine neue
Molecularanordnung der Elemente statt, daher man annehmen kann, daß die
Schwefelsäure in derselben Weise die Cellulose in Pergamentpapier verwandelt, wie
sie dieselbe durch länger dauernde Einwirkung in Dextrin umändert.
Besonders wichtig ist es bei der Darstellung des Pergamentpapiers, alle Schwefelsäure
wieder zu entfernen, denn wenn Schwefelsäure in dem Producte zurückbleibt, würde
dasselbe einer sicheren Zerstörung ausgesetzt seyn. Man unterwirft also das Papier
nach dem Eintauchen in Schwefelsäure einem methodischen Waschen mit kaltem Wasser,
welches lange fortgesetzt wird, taucht es sodann in eine verdünnte Ammoniaklösung
und wäscht es endlich mehreremal mit Wasser.
Festigkeit des Pergamentpapiers. – Um die
Festigkeit des Pergamentpapiers in Vergleich mit derjenigen des Papiers und des
gewöhnlichen Pergaments zu bestimmen, nahm man Streifen von Pergamentpapier und von
Pergament von 22,2 Millim. Breite und möglichst gleicher Dicke, und brachte jeden
dieser Streifen auf einem horizontalen Cylinder in der Art an, daß die beiden Enden
des Streifens an der oberen Seite des Cylinders über einander gelegt und durch
Preßschrauben befestigt wurden und der Streifen nach Art eines Ringes herabhing. In
den ringförmigen Streifen legte man sodann einen kleinen hölzernen Cylinder, welcher
über beiden Rändern des Streifens hervorstand und an seinen Enden durch Schnüre eine
Schale trug, auf welche man Gewichte legte, die nach und nach so lange vermehrt
wurden, bis der Streifen zerriß. Durch eine Reihe auf diese Art ausgeführter
Versuche ergab sich, daß das Pergamentpapier eine ungefähr fünfmal so große
Festigkeit besitzt als das Papier, aus welchem es gemacht wurde, und daß bei gleichem
Gewicht das Pergamentpapier etwa drei Viertel der Festigkeit des gewöhnlichen
Pergaments hat. Außerdem fand man, daß Streifen von Pergamentpapier, die von
verschiedenen Bogen derselben Sorte abgeschnitten waren, eine große Uebereinstimmung
zeigten, während das gewöhnliche Pergament sehr ungleich in der Dicke ist und selbst
an Streifen, die von demselben Stücke abgeschnitten sind, sehr große Verschiedenheit
zeigt.
Dauerhaftigkeit des Pergamentpapiers. – Wenn auch
das Pergamentpapier dem Pergament in Bezug auf Festigkeit nicht gleich kommt, so
übertrifft es dasselbe bedeutend in der Widerstandsfähigkeit gegen Einwirkung
chemischer Agentien, und namentlich des Wassers. Das Pergamentpapier absorbirt eben
so wie das gewöhnliche Pergament das Wasser, und wird vollkommen weich und biegsam;
es kann aber mit dem Wasser Tage lang in Berührung bleiben und selbst damit gekocht
werden, ohne daß es im mindesten angegriffen wird, und wenn man es darauf wieder
trocknet, besitzt es wieder die frühere Festigkeit und das ursprüngliche Ansehen.
Das gewöhnliche thierische Pergament wird dagegen durch Kochen mit Wasser schnell
angegriffen und allmählich in Leim verwandelt; selbst bei gewöhnlicher Temperatur
ist es sehr geneigt in Gegenwart von Feuchtigkeit in faulige Zersetzung überzugehen,
während das stickstofffreie vegetabilische Pergament der Feuchtigkeit ausgesetzt
werden kann, ohne die mindeste Veränderung zu erleiden. Wenn man die chemische
Beschaffenheit dieser neuen Substanz, ihre Festigkeit, ihr Verhalten gegen Wasser
und andere Stoffe in Betracht zieht, so gelangt man zu der Ueberzeugung, daß sie
eine vorzügliche Dauerhaftigkeit besitzt, Jahrhunderte lang sich erhalten kann und
unter verschiedenen Umständen sogar dauerhafter ist als das thierische
Pergament.
Anwendungen des Pergamentpapiers. – Wegen dieser
werthvollen Eigenschaften erscheint das Pergamentpapier zu mancherlei Anwendungen
als geeignet, namentlich als Material für Documente und Urkunden,
Versicherungsscheine, Werthpapiere, wichtige Register und überhaupt alle
Schriftstücke, deren Erhaltung von Wichtigkeit ist. In Amerika und jetzt auch in
England werden derartige Schriften häufig zum Schutz gegen Feuersgefahr in
besonderen Sicherheitskästen oder Schränken aufbewahrt, deren Doppelwände mit einer
Schicht Wasser in fester Form, d.h. mit krystallisirten Salzen welche viel chemisch
gebundenes Wasser enthalten, z.B. mit Alaun, ausgefüllt sind. Wenn ein solcher
Kasten der Hitze ausgesetzt ist, so füllt er sich mit Dampf von hoher Temperatur und
es ist kein Zweifel, daß auf Pergamentpapier geschriebene Documente der Einwirkung
des Wasserdampfes weit besser widerstehen und folglich mehr Garantie der guten Erhaltung
darbieten würden als diejenigen, welche auf gewöhnlichem Papier oder Pergament
geschrieben sind.
Ein anderer Vorzug des Pergamentpapiers in Vergleich mit dem gewöhnlichen Pergament
besteht darin, daß ersteres viel weniger als letzteres der Zerstörung durch Insecten
ausgesetzt ist. Um die Sicherheit, welche das Pergamentpapier in dieser Hinsicht
darbietet, noch zu vergrößern, kann man dem Papier vor der Umwandlung gewisse
Stoffe, z.B. Quecksilbersalze, welche man mit so großem Vortheile bei der
Fabrication des zu Urkunden etc. bestimmten Papiers angewendet hat, einverleiben.
Das Pergamentpapier bietet ferner den Vortheil dar, daß man ein darauf geschriebenes
Wort nur schwierig verlöschen und durch ein anderes Wort ersetzen kann, was eine
gewisse Sicherheit gegen Fälschung gewährt.
Die Festigkeit und Dauerhaftigkeit des Pergamentpapiers läßt dasselbe zu Plänen und
Zeichnungen, namentlich zu Bauzeichnungen, die meist nicht besonders vorsichtig
behandelt werden und nicht selten der Nässe ausgesetzt sind, als besonders geeignet
erscheinen. Die dünnen Blätter, welche durchscheinend sind, bilden ein sehr
dauerhaftes Pauspapier. Ferner kann das Pergamentpapier zum Einbinden von Büchern
ausgedehnte Anwendung finden; damit eingebundene Bücher zeichnen sich eben so durch
Schönheit als durch Dauerhaftigkeit des Einbandes aus. – Bücher, Karten etc.,
die zum Schulgebrauch bestimmt sind, können zweckmäßig auf Pergamentpapier gedruckt
werden, damit sie dauerhafter sind. Der Druck geschieht wie gewöhnlich, jedoch am
besten auf das fertige Pergamentpapier und nicht auf das Papier vor der Behandlung
mit Schwefelsäure, da dasselbe sich bei dieser Behandlung zusammenzieht. Das
Pergamentpapier zeichnet sich durch die Leichtigkeit aus, mit welcher es sowohl die
Druckschwärze als gewöhnliche Tinte annimmt, und durch sein Anziehungsvermögen für
die Farbstoffe im Allgemeinen, die es zum Theil leichter fixirt als Kattun.
Man könnte das Pergamentpapier gewiß auch in der Haushaltung, in Apotheken und
Laboratorien in manchen Fällen mit Vortheil anwenden, namentlich statt gewöhnlichen
Papiers oder der Blase zum Verschließen von Gläsern mit eingemachtem Obst, mit
Extracten, Syrupen etc., zur Verbindung der Theile von Destillir- und anderen
Apparaten, in Form kleiner durch Eiweiß an den Rändern zusammengeleimter Säcke zum
Kochen und Dämpfen von Speisen etc. Wahrscheinlich könnten auch die porösen Zellen
der galvanischen Batterien mit Vortheil aus Pergamentpapier gemacht werden.