Titel: | Ueber Photogeometrie. – Anwendung der Photographie zur Messung von horizontalen Entfernungen und von Höhen; von Dr. H. Briegleb in Göttingen. |
Autor: | H. Briegleb |
Fundstelle: | Band 152, Jahrgang 1859, Nr. CXIX., S. 449 |
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CXIX.
Ueber Photogeometrie.
– Anwendung der Photographie zur Messung von horizontalen Entfernungen und von
Höhen; von Dr. H. Briegleb
in Göttingen.
Briegleb, über Photogeometrie.
Da ich diese Anwendung der Photographie, mit welcher ich mich seit einiger Zeit
beschäftige, bisher noch nirgends erwähnt gefunden habe, so glaube ich dieselbe
einer öffentlichen Mittheilung unterziehen zu dürfen, um so die allgemeinere
Verbreitung dieser Methode der Messung zu veranlassen. In den Händen von praktischen
Meßkundigen wird diese Methode, von der ich hier nur die Grundzüge mittheilen will,
alsdann bald weiter ausgebildet werden und so die erforderliche Genauigkeit und
Leichtigkeit der Ausführung erreichen.
Das Verfahren besteht darin, daß an dem Gegenstand, dessen Dimensionen man zu
erfahren wünscht, ein Maaßstab von hinreichender Größe und einer gegen die Färbung
des Gegenstandes gut abstechenden Farbe lothrecht angebracht wird. Anstatt eines
Maaßstabes kann man auch zwei oder mehrere solche Maaßstäbe anbringen, die entweder
in derselben Lage, nur etwas entfernt von dem ersten und in seiner geradlinigen
Verlängerung, oder noch besser, mit ihrer dem Beobachter zugekehrten Fläche
rechtwinkelig gegen die entsprechende Fläche des ersten Maaßstabes aufzustellen
sind. Nachdem diese Anordnungen getroffen sind, stellt man einen photographischen
Apparat mit einfachem Objectiv und starker Blendung, wie er zur Aufnahme von
Landschaftsbildern fast allgemein angewendet wird, in einer geeigneten Entfernung
auf, und verschafft sich nun nach einer der bekannten photographischen
Verfahrungsweisen ein Bild des Gegenstandes. Nach Vollendung dieses Bildes hat man
ein getreues verjüngtes Abbild des Gegenstandes sammt den daran befestigten
Maaßstäben. Es ist nun ein Leichtes, aus diesem Bilde die wahren Dimensionen des
Gegenstandes herzuleiten. Man hat hierzu nur nöthig, zuerst die Dimension des
Maaßstabes auf dem Bilde mit der ganzen Dimension des Bildes des zu messenden
Gegenstandes zu vergleichen. Dieß geschieht auf irgend eine der bekannten Weisen;
mit jedem in solchen Fällen gebräuchlichen Instrument ist eine solche Messung leicht
auszuführen. Hat man hierdurch gefunden, in welchem Verhältniß der auf dem Bilde
dargestellte Maaßstab zu dem ganzen Bild des Gegenstandes steht, so braucht man nur
den hierbei erhaltenen Quotient mit der realen Größe des Maaßstabes zu
multipliciren, um unmittelbar die Dimension des Gegenstandes in Ganzen und Bruchtheilen des
angewendeten Maaßstabes zu erhalten. Wenn m = dem
Maaßstabe auf dem Bilde, d = der Dimension des zu
messenden Gegenstandes auf dem Bilde, M = der realen
Größe des angewendeten Maaßstabes ist, so haben wir für x, das heißt die gesuchte wirkliche Dimension des zu messenden
Gegenstandes, die höchst einfache Formel x = d/m . M.
Vergleichen wir die Einfachheit dieses Verfahrens mit den sonst gebräuchlichen
Meßmethoden, so ist der Vortheil ganz entschieden auf Seite der neuen Methode,
sowohl was die zur Ausführung nöthige Geschicklichkeit, als was die Dauer der
Operation betrifft, da wir ja gegenwärtig schon im Besitz sehr vollkommener
photographischer Methoden sind, deren Verbesserung zudem noch keineswegs
abgeschlossen erscheint.
Mit der Einfachheit des Verfahrens hängt auch die Wohlfeilheit desselben zusammen.
Denn der hierzu nöthige Apparat mit einfachem Objectiv kann sammt Zubehör nicht so
theuer zu stehen kommen, als ein vollständiger Meßtisch. Außerdem wird in den
meisten Fällen vom Geometer eine Zeichnung oder wenigstens ein Abriß über die von
ihm ausgeführte Arbeit verlangt, eine Forderung, welche bei dieser Methode von dem
genauesten und schnellsten aller Zeichner, dem photographischen Apparat, ohne
Vergleich besser und wohlfeiler erfüllt wird. Jeder Irrthum, der sonst während einer
Messung und darauf folgenden graphischen Darstellung begangen werden kann, ist hier
ausgeschlossen. Falsches Ablesen, Unrichtigkeiten und Unvollkommenheiten der
Meßkette und der übrigen Instrumente, Fehler in den Berechnungen, Alles dieses ist
hier vermieden. Ferner kann diese Methode noch in Fällen angewendet werden, wo uns
die anderen Meßmethoden im Stich lassen. Dieß ist unter anderm der Fall, wenn man
einen Gegenstand weder direct mit der Meßkette ausmessen kann, noch im Stande ist
eine geeignete Standlinie für eine trigonometrische Messung aufzustellen, während
man doch einen Maaßstab bis an den Gegenstand zu transportiren und dort aufzuhängen
vermag. In Fällen, wo über die Resultate solcher Messungen bei Behörden Documente zu
hinterlegen sind, ist diese Methode deßhalb besonders wichtig, weil es fast nicht
möglich ist, daß bei ihrer Anwendung eine wissentliche Abweichung von der Wahrheit
vorkommen kann; man hat sich bei der Ausführung der Operation nur der Richtigkeit
des Maaßstabes zu versichern, was Jedermann zu thun im Stande ist. Jede späterhin
hierüber entstehende Streitigkeit kann sofort durch die Existenz und nöthigenfalls
durch die sachverständige Controle des hinterlegten Messungs-Documents
niedergeschlagen werden.
Was endlich die theoretische Genauigkeit des Verfahrens betrifft, so gibt es gewisse
Voraussetzungen, die hierbei gemacht werden müssen, die aber in Wirklichkeit nicht
immer eintreffen, und daher eine absolute theoretische Richtigkeit unmöglich machen;
so z.B. nimmt man an, daß ein Gegenstand, dessen Höhe man schlechtweg mißt, wirklich
senkrecht auf der als seine Basis angenommenen Linie stehe etc., was bei keinem
Gegenstande vollkommen der Fall ist. Allein diese Voraussetzungen gelten mehr oder
weniger für alle Maaßmethoden; jeder Fachmann wird sich
für die einzelnen Fälle leicht seine Meinung bilden können. Andere theoretische
Mängel, die dem Verfahren eigenthümlich sind, liegen in der Krümmung der Linse, und
in der Zusammenziehung des Collodiums auf der Glasplatte, falls man feuchtes
Collodium anwendet, die ja auch nicht absolut gleichmäßig
seyn kann. Praktische Versuche haben mir nun gelehrt, daß die Krümmung der Linse,
wie zu erwarten war, keinen bemerkbaren Einfluß auf die Genauigkeit ausübt, wenn man
die einfache Linse mit starker Blendung anwendet, und für eine hinreichende
Entfernung des Gegenstandes vom photographischen Apparat sorgt. Die Entfernung,
welche durch die Brennweite der meisten gebräuchlichen Objective bestimmt wird,
reicht hin. Ebenso ist die Zusammenziehung des Collodiums eine so regelmäßige, daß
sie der Genauigkeit, die man verlangen kann, keinen Eintrag thut. Von der
perspektivischen Verkürzung des Bildes in Folge des Standpunktes des
photographischen Apparates, der nicht in der von der Mitte des Gegenstandes
ausgehenden Verlängerungslinie stehen kann, wie auch der Maaßstab nicht in der Mitte
des zu messenden Gegenstandes angebracht werden kann, ist nichts zu fürchten, da ja
der Maaßstab die nämliche Verkürzung erleidet. Das Bild ist ein wahres verjüngtes
Bild in einem bekannten Maaßstabe. Uebrigens kann man diesen Umstand durch
hinreichende Entfernung des photographischen Apparates vom Bilde fast unbemerkbar
machen.
Um den Grad der Genauigkeit in der praktischen Ausführung des Verfahrens zu prüfen,
habe ich folgenden Versuch angestellt. An einem Hause hing ich zwei gleich große
Maaßstäbe von 1 Meter auf, in der nämlichen Lage, nur daß der eine in der Nähe des
Daches, der andere in der Nähe des Straßenpflasters sich befand. Wenn also durch
irgendwelche Umstände die Genauigkeit der Methode bei dem Versuch beeinträchtigt
gewesen wäre, so hätte sich dieß sogleich in einer Differenz der Größe der Bilder
beider Maaßstäbe zeigen müssen. Allein dieselben zeigten eine vollkommene
Gleichheit. Ebenso verhielt es sich, wenn man die Maaßstäbe so anordnete, daß der
eine auf dem Bilde rechtwinkelig gegen den andern stand. Diese Anordnung kann bei
jeder Ausführung von Messungen getroffen werden, und dient, um die Operation jedesmal durch sich
selbst zu controliren, wie dieß schon Oben erwähnt wurde.
Die beschriebene Methode kann mit gewissen Abänderungen auch dienen, um
topographische Vermessungen und Darstellungen auszuführen. Doch sind die
Schwierigkeiten hier schon größer. Ich hoffe übrigens in einiger Zeit auch über
diesen Gegenstand einige nähere Mittheilungen machen zu können.