Titel: | Ueber die oxydirende und zerstörende Wirkung, welche das Eisenoxyd auf Holz, Gewebe, Farbstoffe und andere organische Substanzen ausübt; von Friedr. Kuhlmann. |
Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. XII., S. 31 |
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XII.
Ueber die oxydirende und zerstörende Wirkung,
welche das Eisenoxyd auf Holz, Gewebe, Farbstoffe und andere organische Substanzen
ausübt; von Friedr.
Kuhlmann.
Aus den Comptes rendus, August 1859, Nr.
7.
Kuhlmann, über die oxydirende und zerstörende Wirkung, welche das
Eisenoxyd auf Holz, Gewebe etc. ausübt.
Ich hatte Gelegenheit, auf den Werften von Dünkirchen die Trümmer eines Schiffes zu
untersuchen, welches abgetragen wurde, und bemerkte dabei, daß die hölzernen Planken
der Schiffsbekleidung an allen Stellen, wo eiserne Nägel oder Bolzen darin gesteckt
hatten, sehr verändert waren. An jeder solchen Stelle war das Holz bis zu einem
Abstande von einigen Centimetern ringsum gewissermaßen halb verkohlt und ganz mürbe,
so daß die verkohlten Theile sich leicht ablösen ließen und die Holzfaser ihre
Elasticität gänzlich verloren hatte. An den Stellen wo das Holzwerk durch kupferne
oder hölzerne Stifte befestigt gewesen war, zeigte sich hingegen durchaus nichts
Aehnliches. Wie ich später erfuhr, ist diese Beobachtung ganz allgemein und man
betrachtet daher das Anbringen der eisernen Nägel, Bolzen etc. in der Holzbekleidung
der Schiffe als eine Hauptveranlassung zur baldigen Zerstörung derselben.
Ich erklärte mir diese Wirkung des Eisens durch die Annahme, daß das Eisen unter dem
fortdauernden Einflüsse des Meerwassers und der Luft alsbald in Rost übergeht, und
daß das entstandene Oxyd in Berührung mit dem Holze an die Elemente desselben
Sauerstoff abgibt und dadurch zu Oxydul wird. Das so entstandene Oxydul nimmt wieder
Sauerstoff aus der Luft auf und gibt denselben wieder an die Elemente des Holzes ab,
und so fort, wodurch eine Art langsamer Oxydation oder Verwesung desselben bewirkt
wird. Das Eisenoxydul spielt also hier die Rolle eines Ueberträgers, ähnlich wie das
Stickstoffoxydgas bei der Fabrication der Schwefelsäure.
Man kann sich leicht davon überzeugen, daß die Wirkung des Eisens in der That auf
diesem Vorgangs beruht. Die Veränderung und Zersetzung des Holzes zeigt sich nämlich
an allen Stellen wo Eisenoxyd ist und erstreckt sich parallel zur Richtung der
Holzfasern, so weit als das Eisen, durch irgend ein Lösungsmittel fortgeführt,
zwischen die Fasern gedrungen ist.
Wenn die Zersetzung sich auf das Eichenholz beschränkte, so hätte man sich zu fragen,
ob nicht der Gerbstoff bei der Veränderung des Holzes von Einfluß sey; es zeigen sich
aber dieselben Erscheinungen auch bei dem Tannenholze, daher ihre Ursache
entschieden nur in dem Eisenoxyd liegt. Uebrigens habe ich mich überzeugt, daß das
Eisen nicht in der ganzen Masse des Holzes auf gleicher Oxydationsstufe ist, sondern
die äußeren Theile enthalten hauptsächlich Eisenoxyd, wogegen man in den inneren
Theilen des Holzes durch rothes Blutlaugensalz Eisenoxydul nachweisen kann.
Die vorstehende Erklärung setzt voraus, daß das Eisenoxyd durch bloße Berührung mit
organischen Stoffen, welche noch nicht in Fäulniß übergegangen sind, theilweise
reducirt werden kann. Ich habe folgende Versuche angestellt, um zu beweisen, daß
dieß in der That der Fall ist:
1) Schüttelt man Eisenoxydhydrat in der Kälte mit Lösungen verschiedener Farbstoffe,
so entfärben sich dieselben, indem Lackfarben entstehen. Diese Lackfarben enthalten
das Eisen meistens als Oxydul, welches dadurch entsteht, daß das Eisenoxyd durch
einen Theil des Farbstoffs reducirt wird. Die Farbstoffe, auf welche das Eisenoxyd
in dieser Art energisch einwirkt, sind die von Blauholz, Brasilienholz, Cochenille,
Curcuma und Mahagoniholz; Indigo und Lackmus brachten dagegen fast gar keine
reducirende Wirkung hervor.
2) Ich kochte Lösungen von Rohrzucker, Traubenzucker und Gummi mit Eisenoxydhydrat;
dabei wirkte der Traubenzucker stark reducirend, beim Rohrzucker war die Wirkung
geringer, und beim Gummi trat nur eine schwache Wirkung ein. Der Traubenzucker
reducirt das Eisenoxyd schon in der Kälte.
3) Bittermandelöl, mit getrocknetem Eisenoxydhydrat bei 100° C. behandelt,
geht in Benzoesäure über, welche sich mit dem Eisenoxydul verbindet.
Wirkungen, bei denen eine organische Substanz, welche sich nicht in Fäulniß befindet,
durch Eisenoxyd zerstört wird, kommen übrigens täglich vor. Wenn man Leinen-
oder Baumwollengewebe, in welchen sich Tintenflecke befinden, wiederholt mit Lauge
behandelt, so werden die Stellen, an denen diese Flecken waren, mürbe oder es
entstehen auch geradezu Löcher. Die Rostfarbe aus Eisenoxydhydrat, welche man in der
Druckerei auf Kattun etc. anbringt, zeigt ähnliche Uebelstände, und die schwarz
gefärbten Stoffe nehmen oft einen braunen Ton an, wo man dann, da sie dabei zugleich
an Festigkeit verloren, gewöhnlich sagt, daß sie beim Färben verbrannt seyen.
Ich will noch folgende Beobachtungen mittheilen, welche einer meiner Schüler, Hr. Dietz, bei einer langen Beschäftigung mit der Bleicherei
gemacht hat:
a) Wenn die Innenwand der eisenblechernen Bäuchkufen bloß
gelegt wird, indem man die kalkigen Incrustationen, welche sich darauf bildeten,
beseitigt, und die Gewebe dann mit dem Eisen unmittelbar in Berührung kommen, so
überziehen dieselben sich in den oberen Theilen, wo die Luft leicht hinzu kann, mit
Rost, und an allen Stellen, wo sie Rostflecken erhalten haben, wird ihre Schwächung
unvermeidlich.
b) Wenn in den aus den Abfällen der Baumwolle
gefertigten ordinären Geweben Theile von Eisen, die z.B. von den Krempeln herrühren,
sich befinden, so oxydiren sich dieselben während der Operationen des Bleichens, und
in vier bis fünf Tagen ist das Gewebe an den Stellen, wo der Rost sich abgesetzt
hat, durchlöchert.In den Zeugdruckereien pflegt man bekanntlich Rostgelb und Schwarzbraun
(Bisterfarbe) auf die Art darzustellen, daß man die Kattune mit einer
Auflösung von schwefelsaurem Eisenoxydul oder Manganoxydul tränkt, trocknet,
dann in eine Aetzkaliküpe taucht und nach dem Herausziehen aus derselben das
auf dem Gewebe befestigte Eisen- oder Manganoxydul an der Luft sich
oxydiren läßt. Hierbei werden die Zeuge oft geschwächt. Hr. Eduard Schwarz erklärt diese Schwächung durch die
Annahme, daß eine Substanz, indem sie sich oxydirt, auch die Oxydation des
mit ihr in Berührung befindlichen Körpers veranlaßt, selbst wenn dieser im
isolirten Zustande nicht oxydirbar ist (Persoz, Traité de l'impression des
tissus. vol. I p. 311). Anstatt durch
eine solche Oxydation mittelst Uebertragung, wird dagegen nach meiner
Ansicht die Schwächung der Zeuge durch eine Aufeinanderfolge von Reactionen
veranlaßt, welche erst mit der Zerstörung der brennbaren Substanz
aufhört.
Ich glaube daß diese energische Wirkung des Eisenoxyds mit zu den Ursachen gehört,
welche die so oft vorkommenden freiwilligen Entzündungen der Abfälle von Baumwolle
oder Wolle bedingen. Die Oxydation des Oels, womit diese Abfälle meist imprägnirt
sind, begünstigt allerdings diese Entzündung, doch mag oft Eisenoxyd, welches
irgendwo in denselben sich gebildet hat, die Veranlassung und den Ausgangspunkt
derselben bilden.
Was die Erhaltung des Holzwerks der Schiffe betrifft, so braucht man nur, um die
zerstörende Wirkung des Eisenrostes zu vermeiden, in Zukunft Nägel und Bolzen von
Kupfer, oder solche von verzinntem oder verzinktem Eisen anzuwenden.
––––––––––
Die Comptes rendus, August 1859, Nr. 9 enthalten eine
Entgegnung auf vorstehende Abhandlung von Hervé Mangon. Derselbe glaubt, daß nicht Eisenoxyd im freien Zustande die
Oxydation der organischen Stoffe bewirkt, sondern das Eisen zunächst mit einer
organischen Substanz eine
Verbindung eingeht, in welcher es zu der abwechselnden Oxydation und Reduction
besonders geeignet ist. Er stützt sich dabei auf das Verhalten eisenhaltiger
organischer Stoffe, die er in der Ackererde gefunden hat und deren Eigenschaften an
die Quellsäure und Quellsatzsäure von Berzelius erinnern.
Diese Stoffe sind, wenn sie das Eisen als Oxydul enthalten, in Wasser löslich; setzt
man die Lösung der Luft aus, so absorbirt sie Sauerstoff und setzt in reichlicher
Menge einen ockerfarbigen Niederschlag ab; bei Abschluß der Luft erleidet dieser
Niederschlag wieder eine Reduction (durch die in ihm enthaltene organische
Substanz), wird schwärzlichblau und löst sich zum Theil wieder auf. Mit dieser
Lösung können dieselben Erscheinungen wiederholt hervorgebracht werden.Compte rendu, 25. August 1856.
Eine ähnliche eisenhaltige Substanz fand Mangon in dem
Wasser von Gruben, aus denen verfaulte Pfähle ausgehoben waren.Polytechn. Journal Bd. CXLVI S.
423.
In den Drainröhren entstehen zuweilen ockerige Absätze, welche dieselben verstopfen
können. Derartige Absätze welche Mangon untersuchte,Polytechn. Journal Bd. CXLII S.
126. bestanden ebenfalls aus diesem Eisensalz mit organischer Säure. Als man die
Enden der Drainröhren verschloß und das Wasser einige Tage darin stehen ließ,
verschwanden die Absätze, indem die unlösliche Eisenoxydverbindung in eine lösliche
Eisenoxydulverbindung überging. Mangon glaubt, daß diese
Eisenverbindung, deren Säure er für Quellsäure hält, bei der Oxydation der
organischen Stoffe in der Ackererde eine große Rolle spielt.