Titel: | Ueber den Wolframstahl; von Carl Appelbaum in Königsberg i. Pr. |
Autor: | Carl Appelbaum |
Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. XXXIX., S. 123 |
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XXXIX.
Ueber den Wolframstahl; von Carl Appelbaum in Königsberg i. Pr.
Appelbaum, über den Wolframstahl.
Bei Besprechung des Wolframstahls in der Versammlung der Mitglieder des Vereins für
Gewerbfleiß in Preußen, im October 1858, wurde angeführt: „Die Qualität
dieses Stahls sey eine ganz vorzügliche, guter gehärteter Hundsmanstahl lasse
sich bequem mit Drehstählen aus Wolframstahl abdrehen und viertelzölliges Eisen
mit einem dergleichen Beile durchhauen, ohne daß die Schneide leidet.Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleißes in Preußen,
1858 S. 144; polytechn. Journal Bd.
CLI S. 74 Da man bis jetzt gehärteten Stahl nur mit dem Diamant abzudrehen im
Stande war, so erschien mir diese Mittheilung von der größten Wichtigkeit und
ich verschaffte mir daher von Franz Mayr in Leoben
(Steiermark), welcher das Wolframmetall zuerst in der Gußstahlfabrication im
Großen in Anwendung brachteMan s. die Berichte über den Wolframstahl von den HHrn. Wurm und Sperl im
polytechn. Journal Bd. CLII S.
178 und Bd. CLIII S.
265., eine Quantität Wolframstahl, um damit Versuche anzustellen.
Ein Drehstahl für den Support, welchen ich von Wolframstahl anfertigte, bis zur
Rosenröthe erhitzte, und dann auf die gewöhnliche bekannte Art in Wasser härtete,
leistete mir später beim Abdrehen eines Stücks englischen Gußstahls, den ich vorher
ausgeglüht hatte, beinahe gar nichts; nach 30 bis 40 Umgängen des Drehstücks schnitt
der Stichel nicht mehr, und ich fand die Spitze nicht etwa ausgebrochen, sondern
abgeschliffen. Ein Drehstahl von gewöhnlichem englischen Gußstahl leistete besseres,
und genügte vollständig den Ansprüchen, welche man an derartige Werkzeuge zu machen
berechtigt ist.
Da ich meinen Wolframstahl-Stichel nicht angelassen hatte, sondern ihn
glashart zur Anwendung brachte, so kam ich auf die Vermuthung, daß der Stahl nicht hart sey,
und prüfte ihn mit der englischen Feile. Die Feile griff den Stahl aber auch nicht
im geringsten an, und ich sah mich deßhalb in meiner Annahme widerlegt. –
Hierauf fertigte ich einen Hartmeißel von Wolframstahl und ließ ihn nach der Härtung
dunkelgelb an, also auf einen Härtegrad, bei welchem erfahrungsgemäß englischer
Gußstahl, zu demselben Zwecke verwendet, auszuspringen pflegt. Nach dem ersten Hiebe
auf weiches Eisen drückte sich die Schneide, und der Meißel war somit zu weich,
obgleich die englische Feile ihn nur sehr wenig angriff. Mit einem Lochbohrer und
mit einem Gewindebohrer erging es mir eben so, und ein Körner verlor seine Spitze
nach dem zwölften Hiebe.
Zufällig wurde ich veranlaßt das Schweißverfahren mit diesem Wolframstahle zu
versuchen, wobei ich sehr günstige Resultate erhielt. Der hiesige Schlossermeister
Hr. Saacke
jun. schweißte mit großer Sorgfalt ein sehr kleines
Stückchen Wolframstahl mit einem sehr derben Stücke Kanteisen, und schmiedete
solches darauf zu einem Hartmeißel aus, der jetzt bereits seit mehreren Monaten in
seiner Werkstatt mit bestem Erfolge gebraucht wird. Der Stahl schweißt sich durchaus
nicht schwer, ohne eines künstlichen Schweißmittels zu bedürfen, und leistet nach
Angabe des Hrn. Saacke jedenfalls eben so viel als der
beste englische Gußstahl.
Nach dieser Erfahrung glaubte ich mich zu der Annahme berechtigt, daß Wolframstahl
bei der Härtung einen größeren Hitzegrad beansprucht als der englische Gußstahl, und
ich härtete sonach die angefertigten und vorerwähnten Werkzeuge nochmals, indem ich
dieselben erst zwischen Hellroth und Weiß ablöschte. Die nun angestellten Versuche
fielen ganz anders, und bei weitem günstiger aus als die ersten. Der Hartmeißel,
welchen ich zwischen Kirschroth und Blau angelassen hatte, stand auf Eisen ganz
vorzüglich, und erst nach etwa achtzig Hieben war eine ganz unbedeutende Abstumpfung
der Schneide wahrzunehmen. Der Körner und der Lochbohrer leisteten ebenfalls ganz
Vorzügliches, nur der Supportstichel diente mir nicht besser, als ein von englischem
Gußstahl angefertigter.
Mit diesem Supportstichel unternahm ich nun folgende Operation: ich ließ ihn
dunkelroth werden, und löschte ihn dann in einer Mischung von 5 Theilen
pulverisirtem gelben Harz, 3 Theilen Thran und 2 Theilen Talg ab, worauf ich ihn
nochmals ins Feuer brachte, sehr hellroth (beinahe weiß) werden ließ, und ihn dann
wie gewöhnlich in nicht zu kaltem Wasser (voll etwa 12° R.) ablöschte. Die
jetzt angestellten Versuche befriedigten vollständig, und seine Leistungsfähigkeit
war weit höher anzuschlagen als die des englischen Gußstahls. Gehärteten
Hundsmanstahl griff dieser Stichel aber auch nicht im geringsten an und brach bei
jedem Versuche aus,
weßhalb ich die Eingangs erwähnte Mittheilung für eine Uebertreibung halte.
Daß dieser Wolframstahl sich seiner vorzüglichen Eigenschaften wegen sehr bald
Eingang verschaffen wird, ist außer allem Zweifel, und er wird seiner Schweißbarkeit
wegen den englischen Gußstahl für viele Fälle entbehrlich machen.
Uebrigens werden Feilen von Wolframstahl in der hiesigen Maschinenfabrik der HHrn.
Gebrüder Meyer schon seit längerer Zeit benützt, und der
Werkmeister dieser Fabrik spricht sich sehr lobend über dieselben aus.
Der hiesige Mechanicus Hr. Beuthien benützt ebenfalls
schon seit längerer Zeit Drehstähle von Wolframstahl und bezeichnet solche als die
besten.