Titel: | Ueber Dr. Dauglish's neues Verfahren der Brodbereitung; Bericht von W. Odling. |
Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. XLIII., S. 149 |
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XLIII.
Ueber Dr. Dauglish's neues Verfahren der Brodbereitung;
Bericht von W.
Odling.
Vorgetragen in der British Association for the Advancement of
Science, 1859 –
Aus dem Engineer, vol. VIII No. 202.
Dauglish's neues Verfahren der Brodbereitung.
Die von Dr. Dauglish erfundene
neue Methode der Brodbereitung, welche jetzt in ziemlich großem Maaßstabe in London
ausgeübt wird, ist sehr beachtenswerth, nicht nur aus dem chemischen Gesichtspunkte,
sondern auch hinsichtlich der erleichterten Fabrication und der sanitätlichen
Vortheile.
Die blasige Textur des gewöhnlichen Brodes entsteht bekanntlich durch das Freiwerden
von kohlensaurem Gas aus einer gleichmäßig gegohrenen Teigmasse, denn außerdem würde
das Brod, statt schwammig und locker, ein dichter Klumpen seyn.
In gegohrenem Brod ist das kohlensaure Gas, welches in der Teigmasse erzeugt wurde,
das Zersetzungsproduct von einem der Bestandtheile des Mehles, nämlich der Stärke
oder des daraus entstandenen Zuckers. Bei dem nun zu beschreibenden Verfahren
hingegen wird das kohlensaure Gas unabhängig vom Mehle erzeugt und demselben
hinzugefügt, daher dieses keinerlei Veränderung oder Zersetzung zu erleiden hat.
Das kohlensaure Gas wird bei dem neuen Verfahren in einem gewöhnlichen Gasbehälter
vorräthig gehalten und von demselben in ein cylindrisches, Wasser enthaltendes Gefäß
gepumpt, um dieses Wasser mit dem Gase zu sättigen. Das so erhaltene kohlensaure
Wasier mischt man unter Druck mit dem Mehl, und der dadurch entstehende Teig wird
nach dem Aufheben des Druckes blasig (geht auf), wornach man ihn in Laibe zertheilt
und backt.
Gegenwärtig wird das kohlensaure Gas noch in ähnlicher Weise wie bei der Fabrication
der künstlichen Mineralwässer erzeugt. Man läßt nämlich ein Gemisch von Kreide und
Wasser in einen großen hölzernen Behälter laufen, worin ein mittelst Riemen von
einer Dampfmaschine getriebenes Rührwerk die Masse in fortwährender Bewegung erhält.
Die erforderliche Schwefelsäure fließt durch ein Bleirohr, dessen Ende in einer mit
der Säure gefüllten bleiernen Schale ausmündet, durch deren Ueberlaufen die Säure
fortwährend in die Kreidemischung tropft; das so erzeugte kohlensaure Gas gelangt in
einen gewöhnlichen Gasometer von 1000 Kubikfuß Inhalt, in welchem es für den
Gebrauch aufbewahrt wird.
In der Folge wird man aber das kohlensaure Gas nach einem andern, bereits erprobten
Verfahren gewinnen, nämlich durch Glühen der Kreide. In fünf kleinen eisernen
Retorten, ähnlich denen welche man zur Leuchtgasbereitung anwendet, wird die Kreide
3 bis 4 Stunden lang erhitzt. Die ersten Gasportionen, welche reichlich mit
atmosphärischer Luft und Wasserdampf gemischt sind, läßt man entweichen; die übrigen
ziehen unmittelbar in den Gasbehälter. Auf diese Weise kann man reine Kohlensäure in
reichlicher Menge und billig gewinnen; der in den Retorten zurückbleibende Kalk ist
zwar nicht vollständig, aber nahezu caustisch und löscht sich ziemlich gut mit
Wasser.Dieses Verfahren kann nur dann von Erfolg seyn, wenn während des Glühens der
Kreide das kohlensaure Gas mittelst eines Exhaustors aus der Retorte
entfernt wird. A. d. Red.
Vom Gasbehälter wird das Gas gewöhnlich direct in den Wasserbehälter gepumpt,
zuweilen jedoch in einem besonderen Behälter verdichtet, von welchem aus es dann
durch seine eigene Spannkraft in den Wasserbehälter tritt. Im letztern Falle benutzt
man zwei Pumpen, welche mit einem Druck von 200 Pfd. per
Quadratzoll wirken; steigt der Druck höher, so öffnet sich ein Ventil, durch welches
Gas in den Gasbehälter zurückgelangt. Die Pumpen stehen beim Betriebe in einer mit Wasser gefüllten
Cisterne, und die von denselben abführenden Röhren sind in einem Condensator nach
Liebig's Construction eingeschlossen, um die bei der
Verdichtung des Gases freiwerdende Wärme abzuleiten.
Der Wasserbehälter ist ein geschlossener kupferner Cylinder mit halbkugelförmigen
Enden, im Innern verzinnt; er ist beiläufig 5 Fuß hoch und 1 Fuß weit. Durch einen
Hahn steht der obere Theil dieses Cylinders mit einem direct über ihm angebrachten
Wasserreservoir, und durch einen zweiten Hahn mit einem zum oberen Theile des
Knet- oder Mischgefäßes führenden Rohre in Verbindung. Der Knet- oder
Mischapparat ist eine hohle gußeiserne Kugel von 3 Fuß Durchmesser, deren rotirende
horizontale Achse mit den Knetarmen oder Gabeln versehen ist. Der obere Theil dieser
Kugel communicirt durch ein Rohr mit dem obern Theile des Wassercylinders, und ihr
unterer Theil durch ein anderes Rohr mit dem untern Theile des Cylinders. Diese
Knetvorrichtung ist mit zwei kreisförmigen Oeffnungen von fast 1 Fuß Durchmesser
versehen, einer am Scheitel und einer am Boden. Diese Oeffnungen werden mit Deckeln
geschlossen, welche kreisförmige Ansätze haben, die in entsprechende Nuthen der
Kugel passen; als Dichtungsmaterial wird vulcanisirter Kautschuk verwendet, und
durch den Druck einer Schraube gegen den Deckel vollständige Dichtheit erzielt.
Der Gang der Brodbereitung ist nun folgender:
„Man läßt ein bestimmtes Quantum Wasser, etwa 200 Pfund, in den
Wassercylinder laufen, so daß er auf circa 3/4
seines Volums gefüllt wird; an einem an seiner Seite angebrachten (Blasrohr mit
Scala kann man das eingelassene Quantum ablesen. Nachdem nun die untere Oeffnung
des Knetapparats dicht verschlossen wurde, führt man in die obere Oeffnung
desselben ein aus Segeltuch bestehendes Rohr ein und schüttet durch dasselbe,
von einem oberhalb belegenen Behälter aus, einen Sack Mehl nebst 3 bis 4 Pfd.
Salz in die Kugel. Das Rohr wird dann entfernt und die Oeffnung mit ihrem Deckel
dicht verschlossen. Nun bringt man den geschlossenen Knetapparat mit dem
Wassercylinder durch das obere Rohr in Verbindung, und setzt dann eine direct
mit dem Knetapparat verbundene Luftpumpe in Betrieb, wodurch nach zwei Minuten
in den beiden mit einander verbundenen Gefäßen eine Luftverdünnung von 29 Zoll
erreicht wird. Durch dieses vorläufige Auspumpen bezweckt man, daß der nachher
einzuführenden Kohlensäure keine Luft beigemischt wird, weil ein großer Theil
der Kohlensäure fortwährend wieder verwendet werden muß. Nachdem das
erforderliche Vacuum hergestellt ist, führt man Kohlensäure ein, entweder direct aus dem
Gasometer vermittelst einer Druckpumpe, oder von dem mit verdichtetem
kohlensaurem Gase gefüllten Zwischenbehälter aus. Die Kohlensäure wird am Boden
des Wassercylinders eingeführt, zieht durch die in demselben enthaltene
Wassersäule in den obern leeren Raum desselben hinauf, und gelangt von dort aus
in den Knetapparat. Durch diese Anordnung wird die vollständige Sättigung des
Wassers mit Kohlensäure erzielt, wozu noch der Umstand beiträgt, daß das Gas
durch eine mit sehr kleinen Oeffnungen versehene Brause zugelassen wird, und
daher nicht in Masse, sondern allenthalben gleichmäßig vertheilt durch das
Wasser hinaufzieht. Die Pumpen werden so lange in Thätigkeit erhalten, bis der
Druck in beiden Gefäßen 100 Pfd. per Quadratzoll
erreicht hat. Alsdann wird ein am Boden des Cylinders befindlicher Hahn
geöffnet, und das kohlensaure Wasser strömt nun durch seine eigene Schwere in
den tiefer liegenden Knetapparat, dessen horizontale, mit Annen versehene Achse
jetzt behufs des Knetens in Thätigkeit gesetzt wird. Der Proceß des Knetens
unterscheidet sich aber wesentlich von demjenigen, welcher bisher mittelst der
Knetmaschinen bewerkstelligt wurde, denn man hat es im vorliegenden Falle nicht
mit einer dichten und blasigen Teigmasse, welcher Mehl einverleibt werden soll,
sondern nur mit einer blasenfreien Masse von Mehl und Wasser zu thun. Die Dauer
des Knetens variirt von 3 bis 10 Minuten. Es gilt als Regel, daß je weniger das
Mehl geknetet wurde, desto weißer und schöner das Brod wird; bei geringeren
Mehlsorten muß jedoch das Kneten 10 Minuten lang fortgesetzt werden, damit der
Kleber hinreichend elastisch und zähe wird, um die Kohlensäure zurückzuhalten;
bei gutem Mehl ist ein 3 bis 4 Minuten dauerndes Kneten ausreichend. Nach
beendigtem Kneten wird der Teig durch die Spannkraft der in ihm enthaltenen
Kohlensäure aus dem Apparat gedrückt. Die Austrittsöffnung für den Teig ist von
eigenthümlicher Construction. In dem untern Verschluß des Knetgefäßes befinden
sich nämlich zwei länglich-viereckige Oeffnungen, jede 2 Zoll lang und
1/4 Zoll weit, welche durch innere Vorsprünge gegen die directe Pressung des
Gases geschützt sind. Von denselben laufen zwei Zinnröhren aus, welche sich
allmählich trompetenförmig erweitern, dann zusammentreffen und sich zu einer
kreisförmigen Mündung von 4 Zoll Durchmesser vereinigen. Der Zweck dieser
Anordnung ist, eine plötzliche Ausdehnung des Teiges zu verhindern, wenn er von
dem Druck im Knetapparat befreit wird; der Querschnitt des Teiges bei seinem
Entweichen aus dem Apparat beträgt daher nur 1 Quadratzoll, der Teig passirt
dann durch das sich nach und nach bis zu 12 Quadratzoll erweiternde
Trompetenrohr, wornach er sich frei ausdehnen kann. Der diese Operation
überwachende Knabe regulirt dieselbe mittelst eines Kreisschiebers, welcher den Austritt des
Teiges durch das Rohr unterbricht oder gestattet. Bei einiger Uebung kann er die
austretende Teigmasse in ziemlich gleich schwere Stücke von je 2 Pfd. 4 Unzen
Gewicht zerschneiden, welche er in untergehaltenen Weißblechformen oder
geflochtenen Körben auffängt. Der in Blechformen aufgefangene Teig wird sofort
auf die Sohle des Backofens gebracht, der in Körben befindliche aber umgestürzt
und mittelst hölzerner Schaufeln in den Ofen eingeschossen.
Der Ofen ist ein sogenannter continuirlicher. Die Sohle oder die Plattform desselben
bildet einen Theil einer über zwei Trommeln sich bewegenden endlosen Kette, deren
Geschwindigkeit regulirbar ist. Auf der einen Seite des Ofens werden die geformten
Laibe eingesetzt, und auf der andern Seite kommen sie als ausgebackene Brode
heraus.
Als Vortheile dieses neuen Verfahrens sind zu bezeichnen:
1) Die Reinlichkeit. Während der Teig bei dem gewöhnlichen
Verfahren mit nackten Armen gemischt und eben so oder gar mit den Füßen geknetet
wird, ist eine Berührung desselben bei dem neuen Verfahren, von dem Einschütten des
Mehles in den Knetapparat bis zum Herausnehmen des fertigen Brodes aus dem Ofen,
fast unmöglich.
2) Große Schnelligkeit. Anderthalb Stunden sind zur
vollständigen Umwandlung eines Sackes Mehl in fertige Brode hinreichend, während bei
dem gewöhnlichen Verfahren schon 4 bis 5 Stunden zur Bildung des Teiges und weitere
Zeit zum Kneten, nochmaligen Gähren und Ausbacken desselben erforderlich sind.
3) Verhütung des Verderbens des Mehles. In gewissen
Mehlsorten entsteht durch die andauernde Einwirkung von Wärme und Feuchtigkeit eine
Veränderung des Stärkmehls, welches sich in Dextrin umsetzt, wodurch das Brod fest
(klosig) und schwarz wird. Um dieß zu verhüten, setzen die englischen Bäcker solchen
Mehlsorten Alaun zu; bei dem neuen Verfahren ist aber die zu dieser Veränderung des
Stärkmehls erforderliche Zeit abgeschnitten.
4) Sicherheit und Gleichförmigkeit in der Fabrication.
Wegen ungleichartigen Verlaufs der Gährung in Folge wechselnder Temperatur,
verschiedener Qualität der Bärme etc., kommen bei der Brodbereitung nach dem
gewöhnlichen Verfahren häufig Unregelmäßigkeiten vor, welche bei der neuen Methode
unmöglich sind.
5) Die Güte des Brodes. Das Mehl wird bei dem neuen
Verfahren weniger zu seinem Nachtheil verändert, d.h. der Gehalt des so bereiteten
Brodes an Extractivstoffen ist ein geringerer. Das neue Brod wurde in Guy's Hospital und von vielen Londoner Aerzten geprüft,
welche bestätigen, daß dasselbe der Gesundheit sehr zuträglich ist. Bekanntlich können die Ueberreste
von Ferment, welche das gegohrene Brod enthält, in gewissen Fällen den Personen mit
schwachem Magen nachtheilig werden.
6) Größere Oekonomie. Die Kosten sind bei Benutzung der
Kohlensäure geringer als bei Anwendung der Bärme oder des Sauerteiges. Ueberdieß
fällt der zwar geringe, aber bei der Bereitung gegohrenen Brodes unvermeidliche
Verlust an zuckerbildenden Bestandtheilen des Mehles bei dem neuen Verfahren ganz
weg.
7) Die Sicherheit der Arbeit und deren Unschädlichkeit für die
Gesundheit. Bei dem neuen Verfahren wird die Handarbeit ganz durch
Maschinenarbeit ersetzt. Das Geschäft der Bäckergesellen ist aber wegen der
beständigen Nachtarbeit und des anstrengenden Knetens ein sehr ungesundes.
In nationalökonomischer Hinsicht ist die Erfindung insofern wichtig, als die Bäckerei
dadurch aus der Reihe der Handwerke in die Classe der Fabricationszweige eintritt,
welche mit Maschinen betrieben werden; das neue Verfahren ist auch
selbstverständlich mit Vortheil nur in großem Maaßstabe, nicht aber in kleinen
Bäckereien anwendbar.