Titel: | Apparat zur Bestimmung des specifischen Gewichtes von Leuchtgas; von N. H. Schilling. |
Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. LX., S. 194 |
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LX.
Apparat zur Bestimmung des specifischen Gewichtes
von Leuchtgas; von N. H.
Schilling.
Aus dem Journal für Gasbeleuchtung, December 1859, S.
370.
Mit einer Abbildung auf Tab. III.
Schilling's Apparat zur Bestimmung des specifischen Gewichtes von
Leuchtgas.
Angeregt durch Bunsen's
„Gasometrische Methoden“ , habe ich den in Fig. 8 abgebildeten
Apparat zur spec. Gewichtsbestimmung für Leuchtgas construirt.
A ist eine cylinderförmige Glasröhre von 1 1/2 Zoll
innerem Durchmesser und etwa 18 Zoll Länge. Das obere Ende derselben ist in einen
Messingdeckel eingekittet, durch welchen das Einströmungsrohr a einmündet, und der in seiner Mitte das Ausströmungsrohr b trägt, während zugleich ein Thermometer durch ihn
hindurchgeht, und mit seiner Kugel in den Cylinder hineinreicht. Das
Einströmungsrohr ist ein Messingrohr von 1/8 Zoll lichter Weite, oberhalb des
Deckels umgebogen und mit einem Hahn versehen. Es wird durch einen übergeschobenen
Gummischlauch mit der
festen Gasleitung in Verbindung gebracht. Das Ausströmungsrohr b ist 1/2 Zoll weit, und oben mittelst einer Platte von
Platinblech geschlossen. Im Centrum dieser Platte befindet sich eine, mittelst einer
feinen Nadel hergestellte und nachher ausgehämmerte Oeffnung, welche dem Gase als
Ausströmungsöffnung dient. Das Rohr hat einen Hahn, durch welchen einmal der
Cylinder abgeschlossen, zweitens die Verbindung zwischen dem Cylinder und der
Ausströmungsöffnung, drittens die Verbindung zwischen dem Cylinder und der
atmosphärischen Luft hergestellt werden kann. B, B ist
ein cylinderförmiges Gefäß von 5 Zoll innerer Weite, welches so weit voll Wasser
gefüllt wird, daß dieses bis nahe an den oberen Rand tritt, sobald der Cylinder mit
Luft oder Gas gefüllt in denselben hineingebracht wird. Dieser Wasserstand ist durch
eine Marke am Glase bezeichnet. Der innere Cylinder hat zwei Marken c, c₁, deren Entfernung von einander 1 Fuß
beträgt, und von denen c um 2 1/2 Zoll vom untern Rande
des Cylinders entfernt ist.
Die Anwendung des Apparates gründet sich auf den bekannten und bereits mehrfach
benutzten Satz, daß sich beim Ausströmen zweier Gase aus engen
Oeffnungen in dünner Platte die specifischen Gewichte dieser Gase nahezu
verhalten, wie die Quadrate ihrer Ausströmungsgeschwindigkeiten. Hat ein Gas vom
specifischen Gewichte s die Ausströmungsgeschwindigkeit
g, und ein anderes vom spec. Gewichte s₁ die Ausströmungsgeschwindigkeit g₁, so ist die Relation zwischen der
Ausflußgeschwindigkeit und dem spec. Gewichte ausgedrückt durch
s₁/s = g₁²/g².
Wird s oder das specifische
Gewicht des einen Gases, resp. der atmosphärischen Luft = 1 gesetzt, so erhält man
das spec. Gewicht des anderen Gases aus der Formel
s₁ = g₁²/g².
Man kann auch statt der Ausströmungsgeschwindigkeiten g und g₁ die
Ausströmungszeiten t und t₁ substituiren, weil diese Functionen aus den Geschwindigkeiten,
Querschnitten und dem Druck sind, und sich Ausströmungsquerschnitt und Druck für
alle Versuche gleich bleiben. Demnach hat man zur unmittelbaren Benützung:
s₁ = t₁²/t².
Die Manipulation mit dem Apparate ist folgende: Man taucht zunächst den mit
atmosphärischer Luft gefüllten Cylinder A in das mit
Wasser richtig gefüllte
Gefäß B ein, und stellt es auf den Boden desselben
vertical auf. Wenn man den inneren Cylinder von recht massivem Glase herstellt, so
erreicht man den Vortheil, daß er vermöge seiner eigenen Schwere steht, während man
ihn sonst niederhalten muß. Das Wasser wird bis zu einer gewissen Höhe in den
Cylinder eintreten, aber noch unterhalb der Marke c
bleiben. Nun öffnet man den Hahn im Ausflußrohr, so daß die Luft aus der Oeffnung in
der Platinplatte entweicht. Das Wasser tritt langsam in dem Meßcylinder in die Höhe.
Sobald es die Marke c passirt, fängt man nach einer
Secundenuhr zu beobachten an. Ich lasse den Markstrich c
sowohl wie c₁ horizontal um die ganze Glaswandung
herumgehen, um schärfer beobachten zu können, was um so nothwendiger ist, als man
durch eine Wasserschicht hindurch sehen muß. Die Luft braucht etwa 5 Minuten, bis
sie zur Marke c₁ aufsteigt, der Zeitpunkt wo sie
die Marke passirt, wird wieder notirt; zugleich wird der Stand des Thermometers
abgelesen, der Ausflußhahn geschlossen, und die erste Beobachtung ist fertig. Weiter
wird zunächst die Verbindung des Einflußrohrs mit der Gasleitung durch ein
Kautschukrohr hergestellt, der Einlaßhahn geöffnet und Gas eingelassen, indem man
den Cylinder mit der Hand langsam aus dem Wasser heraushebt. Ist er beinahe gefüllt,
so gibt man dem Auslaßhahn die Seitenstellung, welche die Verbindung des Cylinders
mit der atmosphärischen Luft herstellt, und treibt den ganzen Inhalt durch diese
Oeffnung hinaus, indem man den Cylinder wieder in das Wasser eintaucht. Dieses
Füllen und Leeren wiederholt man mehreremal, um alle atmosphärische Luft, die vom
ersten Versuch oberhalb des Wasserspiegels übrig geblieben war, zu entfernen. Dann
füllt man noch einmal, schließt den Auslaßhahn, und stellt den Cylinder wieder auf
den Boden des Gefäßes. Nach Oeffnen des Auslaßhahnes strömt das Gas aus der Oeffnung
in der Platinplatte aus, ebenso wie vorher die atmosphärische Luft. Man beobachtet
wieder die Zeitpunkte, wo das Wasser die beiden Marken c
und c₁ passirt, notirt den Thermometerstand, und
hat damit die zur spec. Gewichtsbestimmung nöthigen Daten gesammelt.
Beispielsweise sey die Ausströmungszeit, welche die atmosphärische Luft gebraucht
habe:
t = 285 Secunden
und die Ausströmungszeit für das Gas
t₁ = 209 Secunden,
so ist das (uncorrigirte) specifische Gewicht des Gases
s₁ = t₁²/t² = 43681/81225 =
0,538.
Der Einfluß der Temperatur bleibt noch zu berücksichtigen. Das
Gas dehnt sich für jeden Grad Celsius um 0,00367 seines
Volumens aus. Ist die Temperatur des Gases eine andere, wie diejenige der Luft, so
verhält sich die abgelesene Ausströmungszeit zu der corrigirten (d.h. zu derjenigen,
die man abgelesen haben würde, wenn das Gas die Temperatur der atmosphärischen Luft
gehabt hätte) wie
1 : t/(1 ± 0,00367 ∙
α).
Hier bezeichnet α die
Anzahl Grade am Celsius-Thermometer, um welche die
Temperatur abweicht. Demnach ergibt sich das corrigirte specifische Gewicht durch
die Formel
s₁ = t₁²/(1 ± 0,00367 α) t².
Ist das Gas kälter als die atmosphärische Luft, so gilt das
Plus-Zeichen, im entgegengesetzten Falle das Minus-Zeichen.
Wäre im obigen Beispiele das Gas um 3 Grad wärmer gewesen als die Luft, so würde das
corrigirte specifische Gewicht desselben seyn
s₁ = 43681/[(1 – 0,00367 × 3)
× 81225] = 0,544.