Titel: | Ueber den im Kreuzdorn enthaltenen grünen Farbstoff; von Hrn. Rommier. |
Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. LXIV., S. 204 |
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LXIV.
Ueber den im Kreuzdorn enthaltenen grünen
Farbstoff; von Hrn. Rommier.
Aus den Comptes rendus, Januar 1860, Nr.
2.
Rommier, über den im Kreuzdorn enthaltenen grünen
Farbstoff.
Ich lasse die noch frische Rinde des Kreuzdorns (gemeinen Wegdorns, Rhamnus catharticus
Linn.) mit einer hinreichenden Menge Wasser
kochen, so daß sie vollständig eingetaucht ist; dann lasse ich erkalten und das
Ganze 48 Stunden lang stehen; ich decantire hernach Abends und verdünne die
Flüssigkeit mit einem Drittel ihres Volums Kalkwasser. Am andern Morgen gieße ich
eine gesättigte Alaunauflösung hinein, 7 bis 8 Gramme per Liter, und lasse 24 Stunden lang absetzen. Nach Verlauf dieser Zeit
setze ich per Liter 4 bis 5 Gramme kohlensaures Natron
in Auflösung zu, lasse 1–2 Stunden absetzen, dann decantire oder filtrire
ich. Das Kalkwasser, der Alaun und das kohlensaure Natron bilden braune
Niederschläge, welche man nicht jedesmal abzufiltriren braucht.
Nach dieser Reinigung ist die Flüssigkeit brauchbar. Will man mit derselben färben,
so braucht man nur einen baumwollenen oder leinenen Stoff darin einzutauchen, und
ihn dann im Schatten aufzuhängen, damit er sogleich trocknet, wornach er grün
gefärbt erscheint. Nach vier- bis fünfmaligem Eintauchen und Trocknen erhält
man die stärkste Nüance, welche sich auf diesem Wege erzielen läßt; sie ist aber
stets ein wenig blaß, und bei künstlichem Licht wenig lebhaft.
Will man, anstatt direct auf Baumwolle zu färben, den Farbstoff fällen und so die dem
Lo-Kao der ChinesenMan sehe die Zusammenstellung der bisherigen Untersuchungen über das
chinesische Grün im polytechn. Journal Bd.
CLI S. 288. analoge Substanz erhalten, so benutzt man dazu die Flüssigkeit welche von dem durch
das kohlensaure Natron erzeugten Niederschlage abfiltrirt worden ist; diese
Flüssigkeit ist hellgelb; man setzt sie in sehr flachen Gefäßen der Sonne aus. Es
entsteht alsdann ein brauner Niederschlag, welcher fast sogleich grün wird; aber
diese Fällung hört bald auf. Um sie fortzusetzen, gibt man von Zeit zu Zeit und
abwechselnd einige Tropfen Alaun- und Sodalösung zu, oder statt letzterer
besser Zuckerkalk. Nachdem die Flüssigkeit zwei bis drei Tage lang der Sonne
ausgesetzt war, ist die Operation beendigt. Man sammelt den Niederschlag auf einem
Filter, wascht ihn, und löst ihn in Essigsäure auf. Man erhält so eine grüne
Auflösung, aus welcher Ammoniak den grünen Farbstoff fällt. Dieser wird auf einem
Filter gesammelt und getrocknet.
Wie man aus diesen Versuchen ersieht, ist das chinesische Grün als solches nicht in
der Rinde des Kreuzdorns vorhanden; es entsteht erst durch Zersetzung einer noch
unbekannten Substanz unter dem Einfluß des Lichts bei Gegenwart von Alkalien (freiem
Kalk, Zuckerkalk oder kohlensaurem Natron). Merkwürdig ist es aber, daß, während die
Sonne zur Fällung des Farbstoffs nothwendig ist, man sie beim Färben des Gespinnstes
oder Gewebes vermeiden muß; letztere begünstigen als poröse Körper ohne Zweifel eine
Ueberoxydation des chineschen Grüns in Gegenwart der Sonnenstrahlen. Die Chinesen
können auch nur im Winter bei trockner Witterung färben; der Farbstoff unseres
Kreuzdorns ist aber wahrscheinlich weniger veränderlich, denn ich habe meine
Färbeversuche von den kalten Tagen des Januar angefangen, bis zu den heißesten Tagen
des Juli wiederholt, und es gelang mir stets sowohl auf Baumwolle zu färben, als den
grünen Farbstoff zu fällen.
Wie das Lo-Kao der Chinesen ist dieser grüne Farbstoff in Essigsäure löslich,
sowie in den Auflösungen von Alaun, kohlensaurem Natron, phosphorsaurem Natron, und
schwach in Ammoniak; letzteres scheint vorzugsweise den gelben Bestandtheil
desselben aufzulösen. Seine größte Analogie besteht aber in dem Verhalten zum
Zinnchlorür und Schwefelammonium, deren Reactionen nach Persoz für das Lo-Kao charakteristisch sind.
Das saure Zinnchlorür verwandelt den Farbstoff in Orangegelb, und der Luft ausgesetzt
nimmt er seine grüne Farbe wieder an.
Das Schwefelammonium löst den Farbstoff schwach auf und verwandelt ihn in Purpurroth
mit einem Stich in Braun; taucht man dann einen seidenen oder baumwollenen Stoff
hinein und setzt denselben hernach der Luft aus, so färbt er sich grün, aber die
Nüance ist nicht schön.
Im kochenden Seifenwasser löst sich der Farbstoff nicht auf.
Der aus dem Kreuzdorn dargestellte Farbstoff zeigt also nahezu das chemische
Verhalten des Thonerdelacks Lo-Kao; aber das Gelb ist darin nicht lebhaft,
daher er in der Färberei nur für den Grund verwendbar wäre.