Titel: | Ueber die Construction von Blitzableitern für Gebäude; von C. Kuhn in München. |
Autor: | Carl Kuhn [GND] |
Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. LXXXIV., S. 273 |
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LXXXIV.
Ueber die Construction von Blitzableitern für
Gebäude; von C. Kuhn in
München.
Kuhn, über die Construction von Blitzableitern für
Gebäude.
Die erste Anwendung, welche man von der Elektricitätslehre machte, bestand darin,
Gebäude und andere für die Zwecke des Lebens und des Verkehrs dienende Einrichtungen
gegen die von den Gewitterwolken herbeigeführten elektrischen Entladungen zu
schützen. Diese Anwendung der ersten Grundsätze der Elektricität auf die
Construction von Blitzableitern ist nunmehr über hundert Jahre alt; man hat in den
ersten fünfzig Jahren alle Hindernisse zu bewältigen gesucht, welche sich in so
mächtiger Weise der Verbreitung der Franklin'schen
Apparate entgegensetzten; man hat in derselben Periode viele Erfahrungen zu sammeln
nicht unterlassen, die einerseits die Nützlichkeit dieser Einrichtungen
herauszustellen, andererseits aber die Erlangung einer größeren Vollkommenheit
derselben zum Zwecke hatten, und es ist auch wirklich den unermüdeten Forschern der
zweiten HälfteHätfte des vorigen Jahrhunderts, welche das Studium der atmosphärischen
Elektricität zu einer Hauptaufgabe ihrer wissenschaftlichen Thätigkeit machten
– wie Franklin, Kinnersley, Beccaria, Toaldo, Le Roy, Watson, Nairne, Hemmer, Landriani, Reimarus und vielen Anderen – gelungen, durch die vielen
Materialien, die in sachgemäßer Weise angesammelt und benutzt wurden, einen Grad der
Vollkommenheit für die Einrichtung von Blitzableitern erreichen zu können, der nicht
bloß mit dem damaligen Standpunkte der Wissenschaft und Technik in gehörigem
Einklang stand, sondern der auch für die Gegenwart in mancher Beziehung noch als
maaßgebend betrachtet werden dürfte.
Obgleich nun im Laufe dieses Jahrhunderts bedeutende Fortschritte im Gebiete der
Elektricitätslehre gemacht worden sind, und sogar Manches, von dem nur schwache
Ahnungen damals vorhanden waren, zu den erfolgreichsten Entdeckungen geführt hat, so
erscheint es dennoch nicht als nothwendig, die älteren Principien und
Anschauungsweisen über die Wirksamkeit der Blitzableiter umzustoßen, und die hierauf
gegründeten Einrichtungen zu ändern; es ist vielmehr gegenwärtig nur die Aufgabe,
jene Principien in gehöriger Weise zu modificiren, und solche Berichtigungen
vorzunehmen, wie sie den dermaligen Fortschritten der Wissenschaft und Technik
entsprechen.
Schon im Jahre 1823 wurde von der physikalischen Section der französischen Akademie
der Wissenschaften nach ähnlichen Grundsätzen eine Instruction für die Anlegung von
Blitzableitern in Frankreich entworfen, und die Arbeiten aus jener Zeit haben durch
die neuere französische akademische Commission in der Mitte des vorigen Jahrzehents
manche Aenderungen und Vervollkommnungen erfahren.
In den letzten Jahren sind nun manche Vorschläge über specielle Anordnungen an
Blitzableitern durch die Zeitschriften zur Oeffentlichkeit gekommen, welche erkennen
lassen, daß diese Angelegenheit noch nicht in dem Grade erlediget ist, wie die
gegenwärtig zu Gebote stehenden Hülfsmittel es zulassen dürften. Außerdem zeigen uns
mannichfache Erfahrungen, daß die Einrichtung der Blitzableiter, wie sie bei uns
ausgeführt sind, einer bedeutenden Verbesserung bedarf. Es mag daher nicht ohne
Nutzen und Interesse seyn, diesem Gegenstande einige Betrachtungen zu widmen.
Wenn ich im Folgenden solche Betrachtungen vornehme, so beabsichtige ich nicht die
theoretischen Grundsätze hier aufzuführen, welche der Einrichtung der Blitzableiter
als Grundlage dienen, und eben so wenig werde ich die sämmtlichen Thatsachen hier
mittheilen, welche uns berechtigen, für die Construction der Blitzableiter bestimmte
Anordnungen zu wählen. Der Zweck dieser Betrachtungen soll einzig und allein darin
bestehen, in Kürze aus einander zu setzen, welche Anordnungen wir im Allgemeinen bei
Blitzableitern vorzunehmen berechtigt sind, die durch Theorie und Erfahrung als
begründet angesehen werden können.
Die Anforderungen, denen ein Blitzableiter – ohne Rücksicht auf specielle
Umstände – Genüge leisten muß, mögen etwa folgende seyn:
1. Das ganze System von metallischen Leitern, welches den eigentlichen Blitzableiter
bildet, muß eine von dem hervorragendsten Theile des Gebäudes ausgehende
continuirlich angeordnete Metallstrecke seyn.
2. Der über dem Gebäude hervorragende Theil – die sog. Auffangstange nämlich
– soll die größte Länge haben, die überhaupt bei der Construction angewendet
werden kann. Das obere Ende dieser Stange soll in eine möglichst vollkommene Spitze
von großer Länge ausgehen; das Material der Spitze soll aus einem Metalle von
möglich größter elektrischer Leitungsfähigkeit gefertigt werden, das den
atmosphärischen Einwirkungen widersteht, und einen hohen Schmelzpunkt besitzt.
3. Die Leitung selbst soll aus einem Metalle gewählt werden, das eine möglichst große
Leitungsfähigkeit für das Zustandekommen elektrischer Entladungsströme besitzt. Sie
muß, im Falle sie als cylindrisch angenommen werden kann, einen Querschnitt haben,
der ihrer Länge und dem Leitungswiderstande des Metalles, aus dem sie gefertigt ist,
entspricht damit der
Entladungsstrom keine Wirkungen in derselben hervorbringen kann, die wir als
schädlich ansehen müssen.
4. Die Leitung soll möglichst und so tief in den Boden einmünden, daß sie mit
feuchtem und stets feucht bleibendem Erdreich in
Verbindung bleibt, und soll hier mit großer Oberfläche mit dem Boden in Berührung
stehen. Diese sog. Bodenleitung muß nämlich so angeordnet seyn, daß der
Blitzableiter als vollkommen unisolirt betrachtet werden
kann.
5. Darf eine durch Gewitterwolken in der Nähe des Gebäudes herbeigeführte elektrische
Influenz sich nur allein auf den Blitzableiter selbst erstrecken, und sonst auf
keinen in der Umgebung befindlichen Körper.
6. Darf durch die in Folge jener Influenz im Blitzableiter etwa eintretende Ladung
weder durch Vertheilung, noch in dem Augenblicke, in welchem der Entladungsstrom
selbst zum Vorschein kommt, ein Object in der Umgebung eine Einwirkung erfahren.
Diese Anforderungen im Auge behaltend, wollen wir nun die einzelnen Theile eines
einzigen Blitzableiters in Kürze betrachten.
Was vor Allem die sog. Auffangstange betrifft, so erwähne ich bloß, daß dieselbe
ihrer ganzen Ausdehnung nach nur kreisförmige Querschnitte haben darf, und daß der
oberste Querschnitt, an welchem die Spitze angebracht wird, bei Stangen aus
Schmiedeeisen niemals einen kleineren Durchmesser haben soll, als der ist, den eine
Leitung aus Rundeisen besitzen muß. Da nun die Erfahrung zeigt, daß der Durchmesser
einer cylindrischen Leitung aus Schmiedeeisen in keinem Falle geringer als 6 Pariser
Linien seyn darf, so hat man der Anordnung der Spitze halber den Durchmesser des
obern Endes der Auffangstange nicht unter 7 bis 8 Par. Linien, und überhaupt immer
um 1 bis 2 Linien größer zu nehmen, als den einer cylindrischen Leitung aus
Schmiedeeisen.
Was nun die Spitze selbst anbelangt, so hat man bisher entweder einen Kupferkegel
gewählt, der in die Stange zuweilen gesteckt, zuweilen eingeschraubt wurde. Diese
Spitze war ferner entweder vergoldet oder nicht. Bei kleineren Auffangstangen hat
man selten eine eigene Spitze angebracht, sondern man ließ gewöhnlich die Stange
selbst bloß spitzig ausstrecken. Da nun in der Praxis schon seit Franklin's Zeiten (der bekanntlich schon das Kupfer als
Material der Spitze in Vorschlag brachte) nicht bloß bei jedem vorkommenden
Blitzschlag die erste Verletzung, welche selbst bei untadelhaften Ableitern
eintreten kann, die Spitze traf, indem diese jedesmal entweder gekrümmt oder sogar
abgeschmolzen wurde, sondern auch selbst bei geräuschlosen Entladungen die Spitzen
der Blitzableiter nach kürzerer oder längerer Zeit unwirksam wurden, so hat man
bezüglich der Anordnung der Spitze der Auffangstange die mannichfachsten Neuerungen vorgeschlagen. Ich
übergehe die Aufzählung der letzteren, und theile nur kurz das mit, was die
akademische Commission zu Paris im J. 1854 hierüber anordnete. Hiernach soll nämlich
die Spitze ein massiver Kegel aus Platin seyn, dessen Durchmesser gleich dem des
obersten Endes der Auffangstange ist, und dessen Spitzenwinkel nie unter 28 bis 30
Grad herabsinkt, dessen Höhe also beziehungsweise das 2,005 bis 1,87 fache des
Durchmessers der Basis seyn soll. Diese Spitze soll ferner unmittelbar in die
eiserne Auffangstange an deren oberem Ende eingeschraubt und nach dem Einschrauben
mit Schlagloth verlöthet werden. Diese Anordnungen sind nun im Allgemeinen sehr
sorgfältig, und sind der Nachahmung auch wirklich zu empfehlen. Was aber das
Material der Spitze betrifft, so muß ich bemerken, daß die oben angegebenen Gründe
das Platin mir für diese Zwecke nicht als geeignet erscheinen lassen können. Man hat
zwar bis zum heutigen Tage immer annehmen zu müssen geglaubt, daß die Spitze aus
einem Metalle bestehen müsse, das den möglich höchsten Schmelzgrad besitzt, um durch
Blitzesentladungen niemals verletzt zu werden. Aus diesem Grunde hat man schon im J.
1823 das Platin vorgeschlagen, aber da selbst diese Anordnungen in der Praxis sich
nicht bewährten, so hat man im Jahre 1854 den Spitzenwinkel so beträchtlich
vergrößert, daß schon in der Nähe der Spitze der Querschnitt des Kegels ein nicht zu
geringer werde. Indem ich nun das, was bezüglich der Verbindungsweise der Spitze mit
der Auffangstange von der französischen Commission angeordnet wurde, als maaßgebend
ansehe, bemerke ich, daß unter den gegenwärtig bekannten Metallen kein anderes als
chemisch reines Silber für die Spitze als geeignet
gewählt werden kann. Das reine Silber hat außer den hier zu berücksichtigenden
Eigenschaften noch die, daß es sich sehr leicht bearbeiten und mit allen Metallen
gut metallisch vereinigen läßt. Sein Schmelzpunkt ist unter Anwendung gewöhnlicher
Wärmequellen zwar weit geringer, als der des Platin, aber immerhin nicht gering,
denn das reine Silber geht bekanntlich erst, wenn es bis zu einer Temperatur von
800° R. erhitzt wird, in den wasserförmigen Zustand über; aber unter
Einwirkung von Entladungsströmen (und anderer Stromquellen) wird unter sonst
gleichen Umständen ein Silberdraht noch gar nicht erwärmt, wo hingegen das Platin
schon weißglühend wird und sogar zu schmelzen beginnt. Diese Eigenschaft des reinen
Silbers gestattet daher auch, den Silberspitzen für Blitzableiter einen noch etwas
kleineren Winkel zu geben, als denen aus Platin, und es möchte bei jenen immer die
Höhe gleich dem 2,4 fachen des Durchmessers der Basis genommen werden dürfen.
In Beziehung auf die Leitung hat man außer den oben (unter
Nr. 3) aufgestellten Anforderungen noch einige andere Bedingungen bei der Wahl des
Materiales derselben zu berücksichtigen. Vor allem muß die Leitungsfähigkeit der
metallenen Leitung groß genug seyn, um bei mäßiger Dicke unter keinerlei Umständen
eine wahrnehmbare Wärmewirkung zu erfahren, wenn in dem Blitzableiter ein
Entladungsstrom zu Stande kommen sollte. Außerdem soll auch die Leitung geschmeidig
und überhaupt so aufzustellen und anzulegen seyn, daß zur Einrichtung derselben die
einfachsten Mittel ausreichend sind. Es sollen schadhafte Stellen leicht
ausgebessert und durch neue Leitungsstücke ersetzt werden können, ohne daß dabei die
ganze Leitung irgend wie beeinträchtigt wird. Das Leitungsmaterial soll sowohl durch
Einwirkung von schwächeren oder stärkeren elektrischen Entladungsströmen, als auch
durch eintretende Abkühlungen oder Erhitzungen an einzelnen Stellen etc., keinerlei
Aenderung in seinem Gefüge erleiden, und zu allen Zeiten nahezu dieselbe Dehnbarkeit
und ausreichende Festigkeit behalten. Endlich sollen die Kosten einer brauchbaren
Leitung in einem passenden Verhältnisse zu den Anlegekosten des Gebäudes etc.
stehen, für dessen Schutz sie bestimmt ist.
Die hierüber angestellten Untersuchungen zeigen, daß für lange Leitungen sich nur das
Kupfer, das Eisen und das verzinkte Eisen eignen, das Messing aber für diese Zwecke
nicht empfohlen werden kann. Das Eisen und das verzinkte Eisen können sowohl in Form
von cylindrischen Stäben oder auch in Seilform zur Anwendung kommen, während das
Kupfer nur in seinem reinsten Zustande auch in Seilform, das gewöhnliche Kupfer aber
nur als einfacher Draht zur Benutzung vorgeschlagen werden kann. Zum Schutze gegen
atmosphärische Einwirkungen etc. bedarf aber jede eiserne Leitung ihrer ganzen
Ausdehnung nach eines Anstriches mit einem geeigneten Oelfirniß, während die übrigen
Metallsorten derlei schützende Bedeckungen nur an solchen Stellen bedürfen, wo sie
zufälligen nachtheiligen Einwirkungen ausgesetzt sind, wie dieß z.B. in der Nähe
geheizter Kamine oder an den Dachflächen überhaupt der Fall ist.
Was nun die Stärke der cylindrischen Leitung aus Eisen, verzinktem Eisen oder Kupfer
betrifft, so richtet sich diese im Allgemeinen nach der Länge der Strecke, welche
sie von der Auffangstange aus bis zur Einmündung in den Boden zu durchlaufen hat.
Die hierüber gesammelten Erfahrungen, wie sie aus wirklich eingetretenen
Blitzentladungen hervorgehen, zeigen, daß der Durchmesser einer cylindrischen
Leitung aus Schmiedeeisen niemals unter 6 Par. Linien genommen werden darf. Mit
Zugrundelegung dieser Annahme und unter Berücksichtigung des specifischen Leitungswiderstandes der
verschiedenen Metallsorten, ihrer Dichten etc. erhält man die nachstehenden
Resultate:
Blitzableiter-Material
Durchmesser derDraht- odercylindrischen
Leitung.
Gewichteines Par.
F.Blitzableiterdraht.
Preiseines Par.Fuß Blitzableiterdr.
Bemerkung.
Eisen
6 Par.
Lin.
362,1 Grm.
7 4/5 kr.
Chemisch reines Kupfer
2,42
„ „
67,8 „
10,9 „
[Verzinktes Eisen
6 „
„
362,1 „
15 1/2 „]
Die Dichte, wie die
Blei
7,77
„ „
893,2 „
23,9 „
Leitungsfähigkeit gleich
Messing
4,724 „
„
241,6 „
32,4 „
der des Eisens angenom.
Silberdraht
2,221 „
„
–
–
Aus den vorstehenden Zahlen ergibt sich, daß selbst für gewöhnliche Gebäude, welche
Leitungen von nicht großer Länge erfordern, die Messingdrahtseile, wie sie bei uns
noch gegenwärtig in Anwendung sich befinden, nicht den Querschnitt besitzen, welchen
dieselben nach den aus der Erfahrung sich ergebenden Bestimmungen haben sollten. Vom
verzinkten Eisen wurde hier angenommen, daß es mit dem Schmiedeeisen gleiche Dichte
und Leitungsfähigkeit besitze, wogegenwodurch die Versuche wahrscheinlich günstigere Resultate ergeben werden, und da
außerdem der Preis der für diese Zwecke nöthigen Drahtseile ebenfalls geringer ist,
als der hier zu Grunde gelegte, so werden der Anwendung der verzinkten
Eisendrahtseile kaum bedeutende Hindernisse sich entgegenstellen. Diese Zahlen sind
nur so lange als gültig anzuwenden, als die Länge der Leitung eine bestimmte Gränze
nicht überschreitet; bei noch größeren Längen muß die Leitungsfähigkeit dem
zunehmenden Leitungswiderstande entsprechend vergrößert werden. So ergibt sich z.B.
aus den von mir zu Grunde gelegten Erörterungen, daß für eine Länge der Leitung von
256 Fuß das Gewicht eines Pariser Fußes Rundeisen etwa 1,45 Kilogramme, das eines
Pariser Fußes Blitzableitermaterial aus Kupferdraht 271,4 Grm. betragen müßte.
– In wie weit diese Annahmen mit den aus der Erfahrung entnommenen Thatsachen
und Resultaten übereinstimmen, habe ich bei einer andern Gelegenheit
nachgewiesen.
Es reicht aber nicht aus, der Leitung einen solchen Querschnitt zu geben, daß, wenn
in dem Blitzableiter ein Entladungsstrom zu Stande kömmt, auch die stärksten bis
jetzt aus der Erfahrung bekannt gewordenen Blitzschläge eine wahrnehmbare Wärmewirkung
nicht hervorzubringen vermögen; es ist nämlich unbedingt nothwendig, daß der den
Blitzableiter durchströmenden Elektricität auch an allen Stellen dieser wirkliche
Querschnitt dargeboten werde, und daß keine Stelle des Ableiters eine so große
elektrische Dichte anzunehmen fähig ist, um auf die Umgebung schädlich einwirken zu
können. Es muß daher der Blitzableiter auf seiner ganzen Strecke die gehörige
metallische Continuität besitzen, und zwar die, vermöge welcher auch keine
Verbindungsstelle einen größeren Leitungswiderstand darzubieten vermag, als irgend
ein Theil der Leitung etc. selbst. Die richtige metallische Verbindung der Leitung
mit der Auffangstange, so wie die wirkliche metallische Vereinigung der
Leitungsstücke unter sich, ist daher von größter Wichtigkeit. Solche Verbindungen
können nur nach vorher vorgenommener metallischer Reinigung der an einander zu
fügenden Stellen durch Löthen in sachgemäßer Weise vorgenommen werden, und es ist
selbst ein Schutzmittel für diese Löthstellen, wie ein solches eine dicke Schichte
aus Gutta-percha darbietet, mit welcher dieselben umpreßt werden können,
nicht überflüssig. Jede andere Verbindungsweise aber kann nicht als eine metallische
angesehen werden, und es ist daher das bisher übliche Verfahren, bei welchem die
Blitzableiterseile bloß um die Auffangstangen und um die Stifte gewunden, und dann
die Stücke der Leitung aus Drahtgeflechten unter sich nur verknüpft worden sind,
unbedingt zu verwerfen. Durch dieses Verfahren werden nur unterbrochene
Blitzableiter hergestellt, die bei sonst auch untadelhafter Anordnung das sog.
Abspringen des Blitzes herbeiführen müssen, wenn das betreffende Gebäude je einmal
von einem Blitzschlage getroffen würde.
Nicht unwichtig ist die Art und Weise, wie die Führung der
Leitung von der Auffangstange aus bis zum Boden vorgenommen wird. Durch die Führung
beabsichtigt man nämlich der Leitung eine bestimmte, und zwar eine fixe Richtung zu
geben, welche durch äußere Einwirkungen niemals alterirt werden kann. Ob man die
Führung isolirt an dem Dache, sowie an den Mauerwänden anzulegen für zweckmäßig und
nothwendig anzunehmen hat, habe ich bei einer anderen Gelegenheit erörtert, und ich
bemerke daher hier nur, daß eine solche Isolirung bei untadelhaften Blitzableitern
überflüssig ist, selbst wenn man im Stande wäre, eine vollkommene Isolation, die
auch unter allen Umständen unverändert bleiben würde, auszuführen, daß hingegen bei
sonst mangelhaften Blitzableitereinrichtungen durch die Isolation der Führungsstifte
oder Krampen etc. die Leitung in keinen vollkommeneren Zustand versetzt wird.
Sehr nützlich dürfte es aber seyn, die Führung der Leitung so vorzunehmen, daß diese
nicht den atmosphärischen Einwirkungen, oder sogar den willkürlichen Beschädigungen
beständig ausgesetzt bleibt. Nach meinem Dafürhalt en sollte man daher bei
Aufführung von Neubauten dadurch auf die Anlage des Blitzableiters, resp. der
Leitung Rücksicht nehmen, daß man an den Mauerwänden durch Rinnen etc., die während
des Baues zu diesem Zwecke vorgesehen werden, die Führungen ersetzt, und durch jene
die Leitung hindurchgehen läßt. An Gebäuden, bei welchen die Leitung auch über die
Dachflächen oder Dachkanten in größerer Ausdehnung sich erstreckt, dürfte die
Anlegung gemauerter und durch geeignete Hohlziegel etc. ausführbarer Rinnen, welche
die Leitung aufzunehmen haben, und die dann mit passenden Ziegeln in fixer Weise zu
verdecken wären, als zweckmäßige Führung betrachtet werden.
Bei bestehenden Bauwerken aber, so wie bei solchen, welche derartige Anordnungen
nicht zulassen, können die bisherigen Hülfsmittel auch fortan in Anwendung kommen.
Die einzige Abänderung welche hier vorgenommen werden dürfte, besteht darin, daß die
Stifte und Krampen, welche als Träger und Führer der Leitung dienen, an allen
Stellen wohl abgerundet werden, daß dieselben – bei Anwendung von Kupfer als
Leitungsmaterial – verzinkt seyn, und daß sie mit der Leitung in solcher
Weise verbunden werden sollen, um als Theile des Schließungsbogens, nämlich als
wirkliche Theile der Leitung angesehen werden zu können.
Die ausreichende Stärke der Leitung, ihre vollkommene metallische Continuität und
endlich die richtige und sachgemäße Anordnung der Bodenleitung müssen als die wichtigsten Elemente bei der Anlegung von
Blitzableitern angesehen werden. Nicht bloß die theoretischen und die unter
Anwendung von Thatsachen geführten Erörterungen deuten vorzüglich auf diese
Bedingungen hin, sondern die Erfahrung zeigt uns unmittelbar bei allen bis jetzt
bekannt gewordenen Blitzschlägen, die unglückliche Folgen verursachten, daß immer
nur entweder eines oder das andere der eben genannten Elemente bei den betreffenden
Blitzableitern mangelhaft, und sogar in vielen Fällen fehlerhaft berücksichtigt
worden war. Es muß daher zugestanden werden, daß man einer Einrichtung, die zum
Schutze gegen Blitzesentladungen dienen soll, nicht den Namen eines Blitzableiters
beilegen könne, wenn den oben aufgeführten Anforderungen nicht in der möglich
vollkommensten Weise Genüge geleistet wird.
Aus diesem Grunde kann ich mich daher auch nicht entschließen, irgend einer der
bisher bei uns im Gebrauche gestandenen und noch gebräuchlichen Einrichtungen der
Bodenleitung wie sie mir bekannt geworden sind, meine Anerkennung zuzutheilen. Es
läßt sich sogar nachweisen, daß die meisten Blitzschläge an Gebäuden, welche man der
nicht ausreichenden Wirkungssphäre des Blitzableiters zuzuschreiben für nöthig hielt, sich durch die
fehlerhast angelegten Bodenleitungen gründlich erklären lassen, während die sog.
Wirkungssphäre (über deren Kenntniß übrigens allerdings noch ein gewisses Dunkel
herrscht) dabei gar nicht in Betracht zu kommen hatte. Indem ich die Aufführung
aller hieher gehörigen Einzelheiten bei dieser Gelegenheit umgehe, so stelle ich die
Principien zusammen, von welchen man bei Anlegung der Bodenleitung auszugehen hat,
wenn man den gestellten Anforderungen genügen will:
1. Ist für den unterirdischen Theil der Leitung eine Metallsorte zu wählen, die nicht
leicht eine Veränderung durch den wechselnden feuchten und trockenen Zustand der
Bodenschichten, in die sie zu liegen kommt, erfährt. Hiefür möchte das verzinkte
Eisen in Seil-, Blech- oder Röhrenform am besten sich eignen.
2. Der unterirdische Theil der Leitung muß auf der ganzen Strecke von der Einmündung
der Leitung in den Boden bis zur eigentlichen Bodenleitung mit allen Erdschichten
selbst entweder unmittelbar oder durch metallische Leiter in Berührung stehen, und
muß ebenso, wie die oberirdische Leitung eine vollkommene metallische Continuität
besitzen. – Das Einlegen der Leitung in sog. Versenkungscanäle aus Steinen
oder Holz etc. ist unzulässig, und die Benützung von Holzkohlen für diese Zwecke hat
nicht den Werth, den man gewöhnlich ihrer Mitwirkung zuschreibt. Die Holzkohlen
würden allerdings zur Conservirung der unterirdischen Metallstrecke des
Blitzableiters beitragen, wenn sie in frisch ausgebranntem oder ausgeglühtem
Zustande zur Anwendung kommen, und dann auch nach längerer Zeit diese absorbirenden
Eigenschaften beibehalten würden. Da aber ihre Wirksamkeit in dieser Beziehung nur
unter ganz besonderen Umständen andauert, so schützen dieselben die Leitung auch
nicht auf die Dauer gegen chemische Veränderung der letzteren; ihre Rolle hingegen
als Leiter der Elektricität ist so geringfügig, daß sie für den in Rede stehenden
Zweck gar nicht in Betracht kommen kann.
3. Muß für die eigentliche Ausleitung in den Boden immer ein ausgedehntes Gewässer
aufgesucht oder gewählt werden.
4. Müssen, wenn offene, unbegränzte Gewässer sich nicht in der Umgebung befinden,
Brunnenschachte hiefür von solcher Weite gegraben werden, daß sie das Ende der
Leitung aufzunehmen fähig sind. Die Zahl derselben richtet sich nach der
Terrainbeschaffenheit und anderen Umständen, die namentlich mit der
Leitungsfähigkeit der Materialien, die bei der Construction des zu schützenden
Gebäudes verwendet werden, ferner mit der Beschaffenheit des Grundes und Bodens, auf
dem dasselbe ruht etc. zusammenhängen.
5. Die größte Tiefe, in welcher das Ende der Bodenleitung sich befinden soll, richtet
sich nach dem durch Erfahrungen vorher zu erholenden niedersten Wasserstande der
disponiblen Wassermassen.
6. Hat man stets auf die Leitungsfähigkeit der durchnäßten oberen Bodenfläche bei
etwa eintretendem Regen Rücksicht zu nehmen, und zwar ist diese insbesondere da zu
beachten, wo durch Brunnenbohrungen das Ausleiten des Blitzableiters in das
Bodenwasser etc. vermittelt werden muß. Man soll daher schon unmittelbar unter der
Oberfläche der Erde von dem Hauptstamme aus, der die Bodenleitung bildet, mehrere
Aeste seitwärts nach gesenkten Stellen hin, die der Durchnässung von den
meteorischen Niederschlägen am meisten ausgesetzt sind, gehen lassen, die eine
genügende Länge haben.
7. Bei jeder Bodenleitung hat man insbesondere dafür zu sorgen, daß jedesmal die
Leitung im Boden vom Gebäude hinweg immer nach tiefer liegenden und geneigten
Stellen, nie aber in horizontaler Richtung oder gar nach höher liegenden Stellen
geführt werde. Die Stellen, wo die unterirdische Leitung in ihre eigentliche
Ausleitung ausmündet, müssen unter allen Umständen so tief als nur möglich unter der
Horizontalebene, bei welcher die oberirdische Leitung in den Boden geführt wird, zu
liegen kommen.
8. Die Ausleitung in den Boden darf nie in der unmittelbaren Nähe anderer und
benachbarter Gebäude gewählt werden.
Man könnte vielleicht diese Anforderungen für zu umfassend halten; bedenkt man aber,
daß der eigentliche Entladungsstrom schon vor dem sog. Einschlagen eine Ausleitung
an Stellen des Bodens ausgewählt hat, daß also, wenn man derartige Stellen nicht für
die Bodenleitung des Blitzableiters selbst wählt, dieselben vom Blitze auf anderem
Wege aufgesucht werden, so wird man sogar bei Anlegung der Bodenleitung in
ängstlicherer Weise zu verfahren sich veranlaßt finden, als dieß bisher geschehen
ist. – Ob die Anlagekosten höher kommen, oder nicht, wie bei den gewöhnlichen
– übrigens bei uns nur im Allgemeinen üblichen – Anordnungen, kann
hier nicht als entscheidendes Element gelten; aber bemerken will ich, daß in den
meisten Fällen der Praxis selbst ein derartiger Einwurf sich nicht als stichhaltig
zeigen wird, wenn man die hierauf Einfluß habenden Verhältnisse gehörig dabei
berücksichtiget.
Nachdem ich nun für einen einzigen Blitzableiter die Grundzüge dargestellt habe,
welche bei Anlegung von Blitzableitern als Ausgangspunkte berücksichtigt werden
sollen, so ist es nöthig, auch einige Bemerkungen über die Zahl der Blitzableiter,
mit denen ausgedehnte Gebäude versehen werden sollen anzufügen. Es hat sich aus dem
vorigen Jahrhundert bis
auf den heutigen Tag eine Ansicht vererbt, nach welcher man bei sorgfältigen
Blitzableitereinrichtungen die Zahl der Auffangstangen bestimmt, mit denen man ein
Gebäude versehen muß, um von den an ihm anzubringenden Blitzableitersystemen den
sicheren Schutz gegen Blitzesentladungen zu erhalten. Nach dieser Regel – die
Charles'sche genannt – (die übrigens von Landriani schon früher aufgestellt wurde) soll nämlich
die Wirkungssphäre eines Blitzableiters bestimmt seyn durch die doppelte Länge der
Auffangstange, so daß also ein Blitzableiter nach jeder Seite hin seine schützende
Wirkung auf eine Distanz, die gleich der doppelten Höhe der Stange ist, auszuüben
vermöchte. Abgesehen von der Unbestimmtheit, mit welcher diese Regel an und für sich
aufgestellt wurde, so sind bis jetzt noch gar keine Thatsachen vorhanden, welche die
Aufstellung einer solchen Regel zulassen. Außerdem wurde diese Regel in der Praxis
bis jetzt in der willkürlichsten Weise ausgelegt. Manche faßten die Bedeutung
derselben so auf, daß ein Blitzableiter nach jeder Seite hin einen Schutz ausübe,
dessen Halbmesser bestimmt sey durch das Doppelte der von der äußersten Stelle des
zu schützenden Objects auf die Verlängerung der verticalen Auffangstange gezogenen
Senkrechten. Man nahm also an, daß wenn ein an dem Dache oder an der äußeren Seite
des Gebäudes befindliches Object überhaupt in der Horizontalebene, die man durch
seine hervorragendste Stelle gelegt denken kann, von der Verticalen durch die
Auffangstange um weniger entfernt ist, als das Doppelte der Entfernung dieser
Horizontalebene unter der Spitze des Blitzableiters beträgt, jenes Object durch den
Blitzableiter geschützt sey, oder in der sog. Sphäre der Wirksamkeit des
Blitzableiters liege. Diese Auslegung der obigen Regel muß nun ganz und gar als eine
absolut willkürliche angesehen werden, und hat keinen größeren Werth, als jene
Annahmen, wo ein Wirkungskreis eines Blitzableiters ohne Rücksicht auf die Höhe der
Auffangstange festgesetzt werden will.
Es kann nicht in Abrede gestellt werden, daß es wirklich eine Sphäre der Wirksamkeit
für jeden Blitzableiter gibt, denn wir wissen aus den vielen bis jetzt gesammelten
Erfahrungen, welche sich sowohl auf Blitzesereignisse an festen Bauwerken, als auch
auf solche bei Schiffen, sowohl auf Blitzschläge auf dem Lande, als auf solche auf
der See beziehen, daß die Blitzesentladungen immer gegen die hervorragendsten
Objecte erfolgen, von welchen aus der Entladung der geringste
Leitungswiderstand bis zum Innern der Erde sich darbietet. Dieß ist auch
die sachgemäße Bedeutung einer anderen Regel, welche man in der Praxis als
maaßgebend einführte, und vermöge welcher, wie man gewöhnlich sich ausdrückt:
„der Blitz von der Spitze des Ableiters auf dem möglich kürzesten Wege zum Boden
übergeführt werden soll.“ – Wenn also die Auffangstange
möglichst hoch, mit einer brauchbaren Spitze versehen ist, und der ganze
Blitzableiter untadelhaft angelegt worden ist, so kann man eine Sphäre der
Wirksamkeit von demselben erwarten. Wie groß aber diese ist, darüber geben Theorie
und Erfahrung bis jetzt gar keinen Aufschluß, es muß sogar noch bemerkt werden, daß
eine allgemeine Regel hiefür, die auf alle möglichen Fälle der Praxis angewendet
werden könnte, wohl niemals, auch wenn später einmal eine ausreichende Zahl von
Thatsachen hiefür zur Benutzung vorhanden seyn wird, aufgestellt werden kann. Eine
solche Regel ließe sich höchstens für die besonderen Fälle als wirklich brauchbar
ansehen, in welchen das zu schützende Gebäude nur aus isolirenden Materialien, auf
trockenem Grund und Boden aufgeführt ist, und eine solche Lage hat, daß man mit
Gewißheit anzunehmen berechtigt seyn könnte, daß die Gewitterentladungen nur aus
einer Richtung kommen, welche mit der Langseite des Gebäudes zusammenfällt.
Was nun die oben angeführte Charles'sche Regel betrifft,
so muß zugestanden werden, daß dieselbe in folgender Weise ausgesprochen:
„jedes Object, das in der durch die Befestigungsstelle der
zugespitzten Auffangstange gedachten Horizontalebene liegt, und näher an der
Stange sich befindet, als die doppelte Länge derselben von der
Befestigungsstelle an gerechnet, beträgt, wird durch den Blitzableiter noch
sicher geschützt,“ keine der bisherigen Erfahrungen gegen sich hat,
so lange die Umstände dieselben waren, wie sie im Vorhergehenden auseinander gesetzt
wurden. Es läßt sich daher auch gegen die Anwendung der in dieser Weise
ausgesprochenen Regel vorläufig nichts einwenden, und ihre Anwendung darf auch auf
Fälle, die den vorhin erwähnten Umständen anpassen, zugelassen werden. Im Uebrigen
aber darf man es nicht als zulässig betrachten, bei der Anlegung von Blitzableitern
irgend eine Regel über die Sphäre der Wirksamkeit als Grundlage zu nehmen; es ist
vielmehr passender und sachgemäßer über die folgende Frage die gehörigen Erwägungen
vorzunehmen: „Mit wie vielen unter sich in metallische Continuität
versetzten Blitzableitern muß man ein Gebäude versehen, wenn dieselben dem
Gebäude hinreichenden Schutz gewähren sollen?“
Die Beantwortung dieser Frage aber erfordert die richtige Erwägung aller Umstände,
wie sie in einem jeden Falle der Praxis vorkommen können. Zu diesen in Rücksicht zu
kommenden Umständen gehören insbesondere die folgenden: die Richtung, aus welcher
die Gewitter sowohl, wie die Niederschläge im Allgemeinen kommen, und
beziehungsweise die Lage der Hauptfaçade des Gebäudes gegen diese Richtung
(im Falle es nicht allen Winden gleichzeitig ausgesetzt ist); die Ausdehnung des
Gebäudes, sowie die
Gruppirung seiner einzelnen Theile; die Beschaffenheit der Materialien, welche bei
der Construction zur Verwendung gekommen sind, in Beziehung auf ihre Eigenschaften
als Leiter der Elektricität; der Grund und Boden, auf dem das Gebäude sich befindet,
sowie die Umgebung desselben; der Zweck des Gebäudes.
Die Erörterung dieser und noch mancher anderen Umstände aber kann nicht durch einige
Worte durchgeführt werden, sie muß hier unterbleiben, und es handelt sich immer
darum, wenn man ein Gebäude mit einem wirklichen Blitzableitersysteme, und nicht
nach herkömmlicher Weise von den betreffenden Werkleuten dasselbe mit Drahtnetzen
umspannen lassen will etc., in jedem besonderen Falle alle zu berücksichtigenden
Umstände vor der Anlegung des Blitzableiters in sachgemäßer Weise abzuwägen, und
erst dann die gehörigen Anordnungen treffen zu lassen.
Was aber die Berücksichtigung des Zweckes des Gebäudes betrifft, so mag es mir
gestattet seyn, einige Bemerkungen hierüber anführen zu dürfen. Obgleich diese sich
nur auf solche Gebäude beziehen, die zur Aufbewahrung von Pulvervorräthen, von
Materialien für Feuerwerkskunst bestimmt sind, und bei der Anfertigung der Geschosse
etc. benützt werden, so möchten dieselben dennoch auch auf alle Etablissements ihre
Anwendung finden dürfen, welche chemisch-technische Zwecke verfolgen.
Man hat nach den bisherigen Meinungen in solchen Fällen – namentlich an
Pulvermagazinen – den Blitzableitern eine andere Anordnung geben zu müssen
für nöthig gehalten, als bei gewöhnlichen Gebäuden, und stellt als Hauptgrund den
auf, daß z.B. bei einem Pulvermagazine leicht der Pulverstaub von dem Magazine nach
äußeren Stellen des Gebäudes wie durch den Luftzug etc. verbreitet werden, und
hierdurch bei geringen Veranlassungen selbst durch schwache Funken eine Entzündung
der Pulvermasse eintreten könne. Ob nun diese Annahme eine gegründete ist oder
nicht, das habe ich hier nicht zu untersuchen; aber die vielen unglücklichen
Ereignisse, welche die älteren Zeiten hierüber aufzuweisen vermögen, bei welchen
durch Blitzesentladungen gegen Pulvermagazine die Zerstörungen in der ganzen Gegend
den furchtbarsten Charakter angenommen hatten, berechtigen uns allerdings, mit einer
gewissen Aengstlichkeit bei der Einrichtung von Blitzableitern an Pulvermagazinen zu
verfahren. Ob aber die Mittel, welche man schon zu Franklin's Zeiten für diese Zwecke in Vorschlag brachte, und zum Theil bei
der Ausführung anwenden ließ, wirklich als zweckgemäß zu betrachten sind, oder ob
diese allein ausreichen würden, wenn sie anerkannt werden könnten, muß hier in Kürze
auseinander gesetzt werden.
Als das geeignetste Schutzmittel für Pulvermagazine von größerer horizontaler
Ausdehnung und geringer Höhe betrachtet man die Anordnung den Blitzableiter nicht an
dem Gebäude selbst anzubringen, vielmehr ihn von diesem fern zu halten. Man hielt es
daher für zweckdienlich, die Blitzableiter auf Mastbäumen, die in einiger Entfernung
vom Gebäude sich befinden und von diesem gewissermassen isolirt sind, zu errichten,
um hierdurch dem Magazine den sichersten Schutz gegen Blitzschläge zu verschaffen.
Nach den in der älteren französischen Instruction (vom Jahr 1823) hierüber
enthaltenen Bestimmungen soll die Entfernung der Mastbäume vom Gebäude zwischen 18
bis 25 Fuß, nach den Ansichten neuerer Physiker soll diese Entfernung etwa 8 bis 10
Fuß betragen. Die Spitzen der an den Mastbäumen anzubringenden Auffangstangen sollen
hiebei jenen Bestimmungen zufolge zwischen 12 und 20 Fuß das Gebäude überragen, und
die Zahl der aufgestellten Mastbäume soll so groß seyn, daß ihre Wirkungssphäre,
diese nach der gewöhnlichen Auslegung der Charles'schen
Regel geschätzt, das Gebäude, wie man dabei anzunehmen pflegt, zu schützen vermag.
Diese Mastbäume werden mit Blitzableitern gewöhnlicher Unordnung versehen, aber ihre
Anwendung setzt voraus, daß das Gebäude selbst an seinem Aeußeren, wie im Inneren in
der Nähe der Mauern und Dachflächen, frei von allen metallischen Bestandtheilen
bleibe.
Betrachtet man aber diese Anordnungen näher, so dürften manche Einwendungen und
Zweifel gegen ihre Anwendbarkeit und Nützlichkeit auftauchen. Vor Allem wissen wir,
wie oben erwähnt, über die wahre Größe des sog. Schutzkreises eines Blitzableiters
so wenig, und dieses nur so unsicher, daß man bei der Anwendung der oben
angegebenen, und selbst der später erwähnten, modificirten Regel nicht vorsichtig
genug seyn kann. Es liefert sogar die Erfahrung einige Beispiele, daß Gebäude, die
man dem Schutze hoher mit Blitzableitern versehener Bäume gegen Blitzschläge
anvertraute, dennoch vom Blitze getroffen wurden, während die Bäume unbeschädigt
blieben. Selbst wenn man die Zahl und Beschaffenheit der Bodenleitungen in der
gehörigen Weise wählen würde, so könnten sichere Anhaltspunkte bezüglich der
Wirksamkeit dieser Masten oder ihres gehörigen Schutzes dem Gebäude gegenüber aus
den bisherigen Erfahrungen gar nicht geliefert werden.
Aber abgesehen hievon, so würde, weil so hohe Bäume nur sehr schwierig im Boden so zu
befestigen sind, daß sie eine Bewegung an ihren oberen Enden durch starke Windstöße
etc. nicht erfahren, die Dauerhaftigkeit der an diesen Bäumen angebrachten
Blitzableiter auch nur für kurze Zeit in Frage gestellt werden; ihre Conservirung,
so wie die der Ableiter würde eine nicht geringe Umsicht und Fürsorge erfordern etc. –
Außerdem kann nicht unerwähnt bleiben, daß solche Mastenableiter an Orten, wo es
zuweilen gar nicht einmal angeht Pflanzungen der geringsten Ausdehnung anzulegen,
schon der großen militärischen Hindernisse halber, die sie darbieten, als
unpraktisch bezeichnet werden müssen.
Eben so wenig wie die eben für ausgedehnte Pulvermagazine vorgeführten Anordnungen
gebilligt werden können, können die Rathschläge anerkannt werden, die man für die
Einrichtung von Blitzableitern an Pulverthürmen gewöhnlich in den einschlägigen
Schriften zum Vorschlag bringt, oder zur Maaßnahme empfiehlt. Man ist nämlich noch
bis zum heutigen Tage nicht selten der irrigen Meinung, als ob spitze Auffangstangen
den Blitz anziehen, und die sogenannten Wetterschläge zu vermehren im Stande seyen.
Wäre diese Meinung nicht schon zu Franklin's Zeiten, von
Franklin selbst, von Nairne und Anderen gründlich widerlegt worden, und würden nicht schon die
vielen aus alten Zeiten herrührenden Thatsachen hierüber uns gründlich belehren, so
könnte unter Benutzung von Fällen, wie sie in nicht großer Entfernung von München
sich ereigneten, und fast in jedem Jahre wiederholt eintreten, die unrichtige
Auslegungsweise der dieser Meinung zu Grunde gelegten Vorgänge auch durch neuere
Erfahrungen dargelegt werden. – Ja es könnte sogar, wenn es als nöthig
erscheinen würde, durch Thatsachen nachgewiesen werden, daß die kugelförmigen
metallischen Conductoren, die man nach der noch mannichfach verbreiteten Meinung
statt der Auffangstangen bei Pulverthürmen nehmen zu müssen für rathsam hielt, die
Blitzschläge zwar nicht herbeiziehen (was den Blitzableitern mit Auffangstangen auch
nicht zum Vorwurf gemacht werden kann), daß aber die Wirkungen der Entladungsströme
bei solchen Blitzableitern weit stärker und zerstörender sind, als die der Franklin'schen Stangen, selbst wenn auch die Spitzen der
letzteren mangelhaft wären. – Die hier aufgeführten und erörterten, so wie
noch manche andere Umstände, deren Aufzählung umgangen werden kann, veranlassen mich
daher, die für Blitzableiter an Pulvermagazinen gemachten Vorschläge als
überflüssige und unzweckmäßige zu erklären.
Wenn nun auch für Pulvermagazine etc. keine anderen Einrichtungen bei den
Blitzableitern für nöthig gehalten werden können als bei gewöhnlichen Gebäuden, so
muß dennoch ausdrücklich bemerkt werden, daß, wenn gleich bei gewöhnlichen Bauwerken
jeder Blitzableiter untadelhaft seyn muß, die Anordnungen aller Details eines
Blitzableiters für Pulvermagazine die Aufmerksamkeit und Vorsicht in noch höherem
Grade in Anspruch nehmen müssen, und daß hier alle zu erwägenden Umstände in
gesteigertem Maaße in Rücksicht zu kommen haben. – Was aber für den vorliegenden Fall noch
besonders hervorgehoben werden dürfte, möchte etwa in Folgendem bestehen:
1. Soll schon vor der Errichtung des Bauwerkes dafür gesorgt werden, daß dasselbe
nicht zu den Gebäuden gehört, die bei Errichtung von Blitzableitern besondere
Rücksichten erfordern. Es soll insbesondere der Boden auf den es zu stehen kommt,
schon vor und während der Fundirung in möglichst trockenen Zustand versetzt werden,
seine Fundamente sollen aus den hiefür besonders geeigneten Materialien bestehen,
und wo möglich um so viel höher als das umgebende Terrain liegen, daß der Abfluß des
Regenwassers nach tiefliegenden Strecken, nie aber gegen die Fundamente des Gebäudes
hin erfolge.
Ferner dürfte es außerdem zweckmäßig seyn, bei jedem Magazine das erhöhte Terrain
unmittelbar um das Gebäude herum zu pflastern, um das Durchsickern des Regenwassers
etc. zu vermindern oder zu beseitigen. Außerdem soll dafür gesorgt werden, daß das
Regenwasser rasch nach den hiefür angelegten Gräben etc. abzufließen vermag.
2. Sollte bei bestehenden Magazinen auf diese Umstände nicht Rücksicht genommen
worden seyn, so muß es als unumgänglich nothwendig empfohlen werden, durch Anlegung
von Abzugsgräben, Abgraben des umliegenden Terrains etc., überhaupt durch alle
Hülfsmittel, wie sie die Bautechnik darbietet, dahin zu wirken, daß jenen
Forderungen genügt werde.
3. Das Isoliren der ganzen Leitung des Blitzableiters oder des Blitzableitersystemes
mit den zugehörigen Auffangstangen kann man bei Kriegspulvermagazinen und
fortificatorischen Werken überhaupt vornehmen, wenn die Umstände es erheischen
sollten. Eine solche Isolation kann aber nur dann von Vortheil seyn, wenn dieselbe
so angeordnet wird, daß die Leitung von der Auffangstange an bis zu ihrer Einmündung
in den Boden beständig den atmosphärischen Einflüssen entzogen bleibt. Das Isoliren
der Leitung mittelst getheerter Holzstäbe, die als Träger und Führer benützt werden
sollen, wie dieß zuweilen in Vorschlag gebracht worden ist, kann weder als
ausreichend noch als schützend angesehen werden. Es ist übrigens ein sorgfältiges
Isoliren des Blitzableiters vom Gebäude, selbst wenn sich bei Ausführung desselben
keine bedeutenden praktischen Schwierigkeiten darbieten würden, nicht nothwendig,
wenn im Uebrigen das dem Pulvermagazine angehörige Blitzableitersystem untadelhaft
construirt worden ist.
Es erscheint daher
4. als eine der Vorsicht entsprechende Maaßregel, der Leitung für derartige Zwecke
einen solchen Querschnitt zu geben, wie er der längsten Strecke, die durch die Länge
und Höhe des ganzen Gebäudes bestimmt ist, entsprechen würde. Es ist dieß eine Vorsicht, welche durch
die oben (Seite 284S. 278) erwähnten sowohl, als auch durch den Umstand bedingt ist, daß zuweilen
Abfallröhren vorkommen, die durch die Gewölbe nach den untersten Räumen des Gebäudes
führen, und deren Einschaltung in den Blitzableiter die herrschenden Umstände nicht
gestatten, während doch dafür gesorgt werden muß, daß eine solche Röhre niemals
einer Blitzesentladung als zufällige Leitung dienen könne. Aus diesen Gründen hat
man auch
5. den bezüglich der Bodenleitung zu erfüllenden Bedingungen einen hohen Grad von
Wichtigkeit bei einer derartigen Angelegenheit einzuräumen. Was sich jedoch hierüber
im Allgemeinen sagen läßt, möchte etwa darin bestehen, daß die Zahl der
Bodenleitungen größer als in gewöhnlichen Fällen genommen, und jede derselben mit
der gehörigen Sorgfalt angelegt werden solle.
In dem Vorhergehenden habe ich die Maßregeln erwähnt, welche bei der Anlegung von
Blitzableitern überhaupt ins Auge gefaßt werden sollen, wenn man diesen
Einrichtungen diejenige Bedeutung geben will, die sie in der Praxis einzunehmen
haben, und ich will diesen Bemerkungen noch Einiges hinzufügen, was sich auf
specielle Anordnungen bezieht. Indem ich das, was bezüglich der Berücksichtigung der
in das Blitzableitersystem eines Gebäudes einzuschaltenden äußeren, dem Gebäude
angehörenden Objecte auseinander zu setzen wäre, hier ganz umgehe und nur erwähne,
daß man bei jedem noch so zusammengesetzten Gebäude bloß zweierlei Arten von
Ableitern zu unterscheiden hat, nämlich die eigentlichen Blitzableiter mit ihren
Hauptleitungen und die Blitzableiter mit kleineren Stangen und Nebenleitungen,
während die Zweigleitungen bloß die einzige Bestimmung haben, jede Metallstrecke am
Aeußern oder den Mauern des Gebäudes, welche je die Stelle einer zufälligen Leitung
vertreten könnte, in richtiger Weise in den Blitzableiter einzuschalten, so sollen meine weiteren Bemerkungen sich auf die
Bodenleitungen für sehr ausgedehnte Gebäude und für Gebäudegruppen beziehen.
– Ich habe schon öfters hier erwähnt, daß von der zweckmäßigen Anlage der
Bodenleitung ein großer Theil der Wirksamkeit der Blitzableiter abhängig ist, und
daher die Bestimmung der Zahl, sowie die Einrichtung der Ausleitungen in die Erde in
jedem besonderen Falle die Resultate reiflicher Erwägung seyn sollen. Jedoch gibt es
Fälle, in welchen die Zahl der Bodenleitungen auf ein Minimum beschränkt werden
darf, und wieder andere Fälle gibt es, in welchen man die Wirksamkeit der
unterirdischen Ausleitung der Blitzableiter durch zufällige Hülfsmittel um ein
Bedeutendes erhöhen kann.
Zu den Fällen der ersteren Art gehören die Blitzableiteranlagen für Gebäude die keine
besonderen Rücksichten bezüglich der auf S. 284S. 274 aufgeführten Umstände erfordern. Für ein selbst sehr ausgedehntes Gebäude dieser Art reichen,
je nach den Bodenverhältnissen der Umgebung, oft zwei oder höchstens drei zweckmäßig
angelegte Bodenleitungen vollständig aus, wenn die Einmündung in dieselben etc. in
gehöriger Weise ausgeführt wird. – Ebenso ist es oft ausreichend, für
zusammengehörige Gebäudecomplexe einige wenige, aber sachgemäße und wirkliche
Bodenleitungen einzurichten, und in diese die sämmtlichen Blitzableiter metallisch
einmünden zu lassen. Was aber die Fälle der zweiten Art betrifft, so dürften
dieselben nicht selten vorkommen. Ich habe hier insbesondere die zweckmäßige
Verwendung metallener Abfallröhren (und anderer Metallstrecken, die bei manchen
neueren Bauwerken vom Dache aus in ganz continuirlicher Weise bis zum Boden sich
ausdehnen) im Auge. Jede Abfallröhre muß nämlich in den zunächst ihr angränzenden
Blitzableiter so eingeschaltet werden, daß ihr oberes Ende in der Nähe der Stange,
ihr unteres in der Nähe des Bodens mit jenem in metallische Verbindung kommt.
Wenn man daher anstatt dieser unteren Verbindung eine passende Ausleitung in den
Boden (nicht nach unterirdischen Wasseransammlungen) mit der Abfallröhre selbst in
Communication setzt, z.B. vom unteren Ende der Röhre einen verzinkten Eisenstrang
oder eine Röhre aus verzinktem Eisenblech etc. von etwa acht Fuß Länge und der
gehörigen Dicke ausgehen läßt, so daß sie vom Gebäude weg, von einem halben Fuß
Tiefe an bis zu etwa zwei Fuß etc. Tiefe an ihrem Ende sich erstreckt, so kann man,
vorausgesetzt, daß die unter allen Umständen anzulegende eigentliche Bodenleitung
ohnehin vorhanden ist, der S. 282 unter Nr. 6 aufgeführten Bedingung in genügender
Weise Rechnung tragen, und so den Schutz des Gebäudes gegen Blitzschläge ungemein
erhöhen.
Indem ich nun betreffs aller Einzelheiten, wie sie bei der Ausführung von
Blitzableitern zur Berücksichtigung kommen müssen, auf meine bei einer anderen
Gelegenheit vorgenommene Bearbeitung dieses Gegenstandes mich beziehe, der ich auch
die vorstehenden Grundzüge ihrer ganzen Ausdehnung nach entnommen habeAllgemeine Encyklopädie der Physik. Leipzig bei Voß. Erster Abschnitt des zwanzigsten Bandes. und andere hieher gehörige Erörterungen der dem Umfange dieser Betrachtungen
vorgesteckten Gränzen halber ausschließe, so muß ich bemerken, daß es meine Absicht
war, nur hier zu zeigen, wie man die bestehenden und bekannten Hülfsmittel bei der
Anlage von Blitzableitern an Gebäuden eigentlich benutzen soll, wenn man den durch
Theorie und die
vielen – insbesondere aus älteren Zeiten – vorhandenen Thatsachen
bedingten Anforderungen genügen will. Es handelt sich also weniger darum, neue
Constructionen in Anwendung zu bringen, als nur das Bestehende und Bekannte in
sachgemäßer Weise durchzuführen, und ich muß es nun den sachkundigen Lesern dieser
Zeitschrift zur Beurtheilung überlassen, in wie weit mir die Erreichung des
angestrebten Zweckes durch meine vorstehenden Betrachtungen gelungen ist. –
Ich kann allerdings nicht in Abrede stellen, daß die vorstehenden Zeilen kaum
ausreichen werden, den bis jetzt bestehenden Einrichtungen unserer Blitzableiter
diejenigen Modificationen zu verschaffen, welche sie in Wirklichkeit bedürfen. Das
bei uns eingeführte System zur Anlage von Franklin'schen
Apparaten besteht (einige geringfügige Abänderungen abgerechnet) nunmehr seit fast
einem halben Jahrhunderte; eine rationelle Basis, vom wissenschaftlichen Standpunkte
aus, oder von dem der Erfahrung besitzt es nicht, aber gerade sein hohes Alter, das
es jetzt schon erreicht hat, obgleich es schon von vornherein nur auf erkünstelte
Weise seine Lebensfähigkeit sich zu erringen vermochte, ist es insbesondere, was
seiner Umänderung so mächtig sich entgegenstellt. Denn wenn etwas einmal durch eine
gewisse Zeit bestanden hat, so wirkt dieses Bestandenseyn oft weit stärker, als jede
mögliche rationelle Ueberzeugung. Man wird freilich von manchen Seiten derlei
Behauptungen dadurch abzusprechen sich für berechtigt fühlen wollen, daß man diesen
entgegenhält: unsere seit dem ersten Decennium dieses Jahrhunderts eingeführten
Blitzableitereinrichtungen hätten dadurch die Erfahrung für sich gewonnen, daß eben
doch die Gebäude, denen sie angehören, von Blitzschlägen nicht getroffen worden
seyen. Solchen Meinungen könnte ich, wenn ich es für nothwendig halten würde, durch
einen ähnlichen Gemeinplatz, dessen Boden noch breiter ist, als irgend eine solche
Meinung, entgegentreten, denn es gibt ja bekanntlich noch eine große Zahl von
Gebäuden, die ohne Blitzableiter sind, und selbst in München lassen sich ganze
Straßen aufzählen, wo die Blitzableiter an den Gebäuden entweder ganz oder zum
großen Theile fehlen, und unter diesen sind sogar nicht wenige, die der sogen.
Wetterseite direct ausgesetzt sind, und dennoch hat man bis jetzt niemals von einem
Blitzesereignisse gehört, das eines dieser Gebäude getroffen haben sollte; man
könnte daher füglich daraus den Schluß ziehen, daß die Blitzableiter für unsere
Wohnhäuser überhaupt ein überflüssiges Attribut seyen. Ja noch mehr, wir versichern
unser bewegliches und immobiles Eigenthum, so weit als nur thunlich gegen
Feuerschaden etc., während doch – Dank der Vorsehung – die
allerwenigsten der dieser wohlthätigen Einrichtung einverleibten Gebäude etc. den Zerstörungen
durch Feuer bis jetzt ausgesetzt oder von diesem bedroht worden waren. Ohne also auf
derlei Erläuterungen überhaupt mich einzulassen, oder überhaupt solchen Gründen, wie
die vorhin erwähnten, auch nur entgegentreten zu wollen, so bemerke ich nur, daß die
Zahl der Blitzschläge in unseren Gegenden häufiger ist als man gewöhnlich annimmt;
aber die statistischen Nachweise hierüber sind seit der Zeit, in welcher die
Errichtung der Blitzableiter allgemeiner wurde, nicht mehr mit der Aengstlichkeit
fortgeführt worden, wie dieß in älteren Zeiten geschah, und gegenwärtig übrigens in
manchen Staaten – namentlich in Frankreich – noch bis in den letzten
Jahren geschehen ist. Ueber solche unglückliche Ereignisse geben uns nur die
Werkleute, die das Geschäft des sogen. Blitzableitersetzens zu ihrem eigentlichen
und ausschließlichen Gewerbe machten, noch einigen Aufschluß. Diejenigen dieser
Blitzableitersetzer, die eine gewisse Tüchtigkeit in der Ausübung ihrers Geschäftes
sich erworben haben, behaupten sogar, daß die Zahl der Fälle nicht gering seyder Fälle, in welchen man an den Blitzableitern, die mit Messingdrahtseilen versehen
sind, und welche die gewöhnliche Ausleitung in den Boden haben, sehr häufig noch die
Spuren von stattgehabten Blitzentladungen in jedem Jahre, wo die Zahl der Gewitter
groß war, wahrnehmen könne. Solche Merkmale dürfen aber bei sachgemäß angeordneten
Blitzableitern niemals vorkommen, denn wenn die Leitung eines Blitzableiters aus der
zurückbleibenden Farbenänderung auf eine während der Entladung wirklich
stattgefundene Erwärmung schließen läßt, so war eben die Leitung schon von
vorneherein tadelhaft etc. Man kann sogar behaupten, daß wenn z.B. die Frauenthürme
in München nicht mit acht Ableitern versehen wären, für welche eine geringere Zahl
untadelhaft eingerichteter Blitzableiter ausreichen würde, die Spuren von wirklichen
Blitzesentladungen auch durch andere Erscheinungen noch wahrgenommen werden müßten,
und daß ebenso auch bei noch manchen anderen Gebäuden, die gegen sechs- bis
achtmal so viel Ableiter haben, als dieß bei richtig eingerichteten Blitzableitern
nothwendig wäre, schon zuweilen die Mangelhaftigkeit jener Anordnungen hätte an den
Tag gelegt werden können. München, im Januar 1860.