Titel: | Die elektrischen Bilder und die Lichtbilder; von Dr. H. M. C. zur Nedden. |
Autor: | H. M. C. zur Nedden |
Fundstelle: | Band 155, Jahrgang 1860, Nr. LXXXVI., S. 296 |
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LXXXVI.
Die elektrischen Bilder und die Lichtbilder; von
Dr. H. M. C. zur
Nedden.
(Schluß der Abhandlung in Bd. CLIV S. 365.)
zur Nedden, über die elektrischen Bilder und die
Lichtbilder.
III. Die Lichtbilder.
Bei der ausgedehnten Pflege, welche die Photographie seit fast 20 Jahren erfahren
hat, kann es nicht meine Absicht seyn, dieselbe verhältnißmäßig mit derselben
Ausführlichkeit hier zu besprechen, als dieß mit den elektrischen Bildern in den
früheren Abtheilungen dieser Abhandlung geschehen ist. Da überdieß schon in der
ersten Abtheilung erwähnt wurde, daß das Princip der Lichtbildnerei gar nicht und
damit überhaupt sie selbst sehr wenig verändert, wenn auch vervollkommnet worden
ist, so ist auch zur Beleuchtung derselben eine weitläufige Betrachtung dieser
Ausbildung nicht
erforderlich; vielmehr können wir mit jener Beleuchtung die Vergleichung der
Photographie mit der Erzeugung elektrischer Bilder verbinden.
Die Lichtbilder sind entweder die nach dem Vater der Photographie benannten
Daguerreotypien, oder es sind die jetzt mit dem allgemeinen Namen der Photographien
belegten Bilder. Die ersteren werden auf silberplattirten Kupferplatten dargestellt,
welche durch Jodirung mit einer für das Licht empfindlichen Schicht überzogen
werden. Eine so vorgerichtete Platte wird erst in der camera
obscura der Wirkung des Tageslichts ausgesetzt, indem man mit der jodirten
Fläche das von dem Objectiv erzeugte Bild auffängt. Obgleich hierauf selbst ein
scharf bewaffnetes Auge keinerlei Veränderung auf der Oberfläche der Platte
wahrzunehmen im Stande ist, so hat dennoch das Licht dieselbe derartig disponirt,
daß sie je nach seiner verschiedenen Wirkung Quecksilberdämpfe verschiedenartig
condensirt und das Bild des Gegenstandes mit bewundernswerther Schärfe aller seiner
Theile erscheinen läßt. Die Dauer der Lichtwirkung, welche erforderlich ist, um die
Jodschicht zur Erzeugung des Bildes zu disponiren, wechselt mit der Stärke der
Beleuchtung des Objects von einigen Secunden an, sie wechselt mit der Farbe des
Lichts welche auf die Jodschicht trifft; sofern die mehr brechbaren Strahlen auch
eine schnellere Wirkung ausüben, und endlich mit der Lichtquelle. In letzter
Beziehung ist zu bemerken, daß viele künstliche Flammen nicht zur Erzeugung des
Bildes geeignet sind, jedenfalls nicht in so kurzer Zeit es zu erzeugen vermögen,
wie das Tageslicht und einige andere künstliche Beleuchtungsmittel.Man vergleiche z.B. Dr.
Babo's photographische Versuche im polytechn.
Journal Bd. CXXXVI S. 381; ferner:
C. H. Hassenstein, das elektrische Licht, Weimar
1859. Daß jene dennoch bei längerer Einwirkung ebenso wie die weniger brechbaren
Farbenstrahlen zur Bildererzeugung disponiren können, ist nicht ganz
unwahrscheinlich.
Nach der Erklärung, welche früher von den elektrischen Staubbildern gegeben wurde,
sind sie bis jetzt eine isolirte, rein elektrische Erscheinung; die Erklärung der
übrigen elektrischen Bilder ist daselbst nicht gegeben, um Wiederholungen zu
vermeiden.
Kommen wir jetzt zunächst auf die Hauchbilder zurück, so wird bei ihrer Erzeugung die
aufnehmende Fläche durch die Elektricität nach Maaßgabe ihrer Ausgleichung an
gewissen Stellen, nämlich den hervorragenden Uebergangsstellen des Modells,
disponirt die Wasserdämpfe vorzugsweise niederzuschlagen. Der Verlauf der
Erscheinung ist daher dem bei der Bildung der Daguerreotypien stattfindenden völlig
gleich, nur in der
wirkenden Ursache sind beide Erzeugnisse verschieden, und, wie wir sie hier bisher
kennen gelernt haben, in Absicht auf die Zeit welche zur Bildung erforderlich ist.
Um die Sache jedoch noch näher zu erörtern, denke man an eine ganz analoge
Erscheinung, welche vielfach an einer übertünchten Fachwerkswand eines Zimmers, und
um so auffallender beobachtet werden kann, wenn sie Außenwand des Gebäudes ist, wo
aber unbezweifelt endlich eine dritte Ursache wirksam ist, nämlich die Wärme.
Bekanntlich wird wegen der guten Wärmeleitung, mithin wegen des schnelleren
Erkaltens des Mauerwerks, auf die Fächer der Dunst des Zimmers und mit ihm Staub und
Rauch schneller und in stärkerem Maaße niedergeschlagen, als über dem schlecht
leitenden Holz der Ständer, daher sich hier die Farbe der Tünche länger conservirt.
Durch beide Wirkungen wird das Fachwerk der Wand sehr bald durch verschiedene
Färbung kenntlich. Erinnern wir, daß bei dem Uebergang der Elektricität aus und in
Körper die Ränder des gerissenen Weges aufgeworfen werden, so liegt die Annahme
nahe, daß bei den Entladungen, welche die Entstehung von Hauchbildern erfordert, die
Fläche, welche dieselben aufnimmt, aufgelockert und dadurch an den Stellen der
Entladungen besser für den Niederschlag der Dämpfe disponirt wird. Es steht nichts
entgegen, bei der Wirkung der Lichtstrahlen eine ähnliche, wenn auch
mannichfaltigere Disposition anzunehmen, als hier zu übersehen ist: es steht dieser
Annahme um so weniger etwas entgegen, als die magnetisirende, mithin elektrische
Wirkung, besonders der stark brechbaren Lichtstrahlen, bekannt ist. Besonders
bemerkenswerth vor den übrigen Kräften ist bei dem Lichte weniger die Schärfe und
Schnelligkeit seiner Wirkung, als die Mannichfaltigkeit derselben und die
Entfernung, aus welcher sie stattfindet. Weder bei der Erzeugung der Daguerreotypien
noch derjenigen der elektrischen Hauchbilder ist indessen eine bestimmte Art von
chemischer Wirkung, noch überhaupt eine solche erwiesen; beide Arten von Bildern
sind rein physikalische Erscheinungen.
Die Moser'schen Bilder wurden von dem Erfinder vielfach
untersucht, und gaben ihm Veranlassung zu ihrer Erklärung eine Theorie des dunkeln
Lichts zu ersinnen; allein man könnte in seiner Weise manche andere Theorie
aufstellen so gut wie jene, welche überdieß eine contradictio in adjecto enthält und dadurch
von vornherein bedenklich macht. In der That ist es zu bedauern, daß diese
Theorie-Tendenz in seinen früher erwähnten Abhandlungen die Benutzung seiner
mannichfaltigen Versuche so außerordentlich erschwert. Es ist allerdings zu
vermuthen, daß das Auge mancher Thiere, welche entweder mit einem sehr scharfen
Gesicht, oder mit dem Vermögen begabt sind, in für uns dunklen Räumen zu erkennen, von den
Gegenständen der Außenwelt andere Eindrücke oder noch Eindrücke wahrnimmt, welche
das menschliche Sehorgan nicht empfindet; allein wir sind aus letzterem Grunde eben
unfähig darüber zu urtheilen, so lange wir nicht eben eine Theorie des Lichts haben,
welche sich von den Wirkungen auf unser Gesichtsorgan völlig unabhängig gestellt
hat. Es ist sehr wohl denkbar, daß man in vielleicht nicht zu entfernter Zeit eine
solche Theorie haben wird, da es ein die sämmtlichen Imponderabilien umfassendes
Gesetz geben muß, ähnlich dem für die Massen geltenden Gravitationsgesetz oder
vielleicht mit ihm identisch. So vielfach indessen jene Lehren des Lichts, der Wärme
und der Elektricität auch in einander übergreifen und so viel Uebereinstimmendes
schon jetzt von ihnen vorliegt, so wird man doch, so lange jenes Gesetz unbekannt
ist, wohl thun die Erscheinungen nach den bekannten Lehren zu classificiren, oder,
wie dieß bei manchen schon nothwendig geworden ist, sie als unerklärte Thatsachen
einstweilen ohne neue Theorie für sich bestehen zu lassen. Die Moser'schen Bilder sind den elektrischen Hauchfiguren außerordentlich
ähnlich; die zu ihrer Erzeugung nöthige Berührung oder Annäherung der Körper auf
sehr geringe Entfernung sind so bekannte und ergiebig gewordene Quellen der
Elektricität, daß, wenn man diese Bilder subsumiren will, sie, wie es mir scheint,
nothwendig den elektrischen Bildern zuzurechnen sind.
Wenden wir uns jetzt zur Photographie, so wird bei Ausübung derselben in gleicher
Weise wie in der Daguerreotypie das vom Objectiv gegebene Bild in einer camera obscura zunächst von einer präparirten Fläche
aufgefangen. Auch hier entdeckt das Auge unmittelbar nach der Einwirkung des Lichts
keine Veränderung auf der getroffenen Fläche, bevor nicht die Reaction chemischer
Agentien die vom Licht geschehene Disposition sichtbar macht. So ist nach der
Vorbereitung des Papiers durch Jodsilber dieses Präparat an den Stellen des Bildes
durch das Licht so disponirt worden, daß es sich nunmehr nach Maaßgabe dieser
Wirkung durch Gallussäure zersetzen läßt, welche das Bild erscheinen macht, während
sie die nicht vom Lichte getroffenen Theile des Papiers unverändert läßt. Die
weitere Behandlung des Papiers, so wie die Abnahme der Copien der Bilder finden nur
unter Anwendung ausgeprägter chemischer Reactionen statt.
Bei der in der zweiten Abtheilung gegebenen Darstellung elektrolytischer Bilder wurde
das Bild des Stempels hervorgerufen, indem durch die Einwirkung der Elektricität die
chemische Reaction des Jods auf die im Papier enthaltene Stärke an den Stellen ihres
Uebergangs begünstigt war. Es traf dabei die Disposition der Fläche des Papiers für
Aufnahme der chemischen
Reaction mit dieser selbst zusammen; es lassen sich aber auch beide hier trennen.
Ein reines stärkehaltendes trockenes Papier zeigt, nachdem es in der Art und Weise,
wie es in der zweiten Abtheilung dieser Abhandlung angegeben ist, der Einwirkung der
Elektroden des Inductionsapparates unter einem Modell ausgesetzt worden, dem Auge
keinerlei Veränderung; wird es aber hierauf mit einer Lösung von nur 15 Theilen
Jodkalium in Wasser übergössen, so sieht man in wenigen Secunden, auch nach
sofortigem Abgießen der Jodlösung und oberflächlichem Trocknen durch Löschpapier,
das Bild des Stempels sich entwickeln.
Die Analogie der hier besprochenen Bildererzeugung durch Elektricität mit der
photographischen ist durch diesen Versuch klar dargelegt, und beide Wirkungen,
sowohl die des Lichts als der Elektricität, werden im Gegensatz zu der
Daguerreotypie und den Hauchbildern durch den Hergang und namentlich durch die
Hervorrufung des Bildes zu rein chemischen Erscheinungen gestempelt.
Unser schwaches Erkenntnißvermögen macht bestimmte Theorien und Scheidungen, wie sie
so eben noch gegeben sind, nothwendig und zur Ausbreitung und Ausbeutung unserer
Kenntnisse nützlich. Sie werden dieß aber nur, wenn man nicht vergißt, daß sie unser
Werk sind, daß bestimmte Gränzen die Vorgänge in der Sinnenwelt so nicht wirklich
scheiden. Die Natur kennt keine Sprünge: so wenig die chemische Wirkung des Lichts
den violetten und den jenseitigen Strahlen des Spectrums ausschließlich zuerkannt,
den übrigen aber abgesprochen werden kann, ebensowenig wird man streng genommen von
Wirkungen ausschließlich des Lichts, oder der Wärme oder der Elektricität reden
können. Wer ist im Stande auf dem Schließungsdraht einer elektrischen Batterie Ort
und Zeit des Beginnens der Wärmewirkung, des Glühens oder der hellsten
Lichtentwicklung der Elektricität anzugeben? Unbezweifelt und klar scheint nur die
gegenseitige Abhängigkeit dieser Kräfte und damit die Möglichkeit, die Wirkung der
einen unter geeigneten Umständen durch die der andern zu heben oder zu dämpfen, oder
Zu ersetzen. Wie weit dieß in der Photographie und Elektrographie möglich ist, das
muß einer besonderen Behandlung vorbehalten bleiben.
Geschlossen im December 1859.