Titel: | Ueber einen neuen Satz aus der Wärmelehre; von Professor G. Kirchhoff. |
Fundstelle: | Band 157, Jahrgang 1860, Nr. XI., S. 29 |
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XI.
Ueber einen neuen Satz aus der Wärmelehre; von
Professor G.
Kirchhoff.
Aus den Verhandl. des naturwiss. medicin. Vereins zu
Heidelberg, Bd. II S. 16, durch die Zeitschrift für Chemie und Pharmacie, 1860 S. 317.
Krichhoff, über einen neuen Satz aus der Wärmelehre.
Der Verf. hat die in seiner früheren MittheilungPolytechn. Journal Bd. CLVI S.
32. ausgestellte Thatsache, daß eine Flamme ausschließlich für solche Strahlen,
wie sie sie selbst aussendet, theilweise undurchsichtig ist, zu beweisen gesucht,
und gelangt durch einfache theoretische Betrachtungen zu einem Satze, der sie als
eine unmittelbare Folgerung in sich schließt. Er theilt diesen Satz, der auch in
anderen Beziehungen wichtig zu seyn scheint, in Folgendem mit:
Ein heißer Körper sendet Wärmestrahlen aus. Wir fühlen diese Strahlen sehr deutlich
in der Nähe eines geheizten Ofens. Die Intensität der Wärmestrahlen, die ein Körper
aussendet, hängt von der Natur und der Temperatur desselben ab, ist aber ganz
unabhängig von der Beschaffenheit der Körper, auf welche sie fallen. Wir fühlen die Wärmestrahlen nur bei sehr heißen Körpern,
aber sie werden ausgegeben von einem Körper, welches auch seine Temperatur seyn
möge, freilich in um so geringerem Grade, je niedriger seine Temperatur ist. Durch
die Wärmestrahlen, die ein Körper aussendet, verliert
derselbe Wärme, und seine Temperatur muß sinken, wenn der Verlust nicht ersetzt
wird. Ein Körper, der rings umgeben ist von Körpern derselben Temperatur, ändert
seine Temperatur nicht; bei ihm wird der Verlust an Wärme, den die eigene Strahlung
herbeiführt, gerade ersetzt durch die Strahlen, welche die Umgebung ihm zusendet,
und von denen er einen Theil absorbirt. Die Strahlenmenge, die er in einer gewissen
Zeit absorbirt, muß derjenigen genau gleich seyn, welche er in derselben Zeit
aussendet. Es muß dieses gelten, welches auch die Beschaffenheit des Körpers ist: je
mehr Strahlen ein Körper aussendet, desto mehr von den auf ihn fallenden Strahlen
muß er auch absorbiren. Man hat die Intensität der Strahlen, die ein Körper
aussendet, sein Ausstrahlungs- oder Emissionsvermögen genannt, und den Bruch, der angibt, den
wievielten Theil der auffallenden Strahlen er absorbirt, sein Absorptionsvermögen; je größer das Emissionsvermögen eines Körpers ist,
desto größer muß auch sein Absorptionsvermögen seyn. Eine etwas näher eingehende Betrachtung führt zu dem
Schlusse, daß das Verhältniß zwischen dem Emissions- und Absorptionsvermögen
bei einer Temperatur für alle Körper das Nämliche seyn
muß, einem Schlusse, der in vielen einzelnen Fällen bestätigt ist durch Versuche,
die theils den letzten Jahrzehnten, theils einer viel älteren Zeit angehören. Die
Richtigkeit dieses Schlusses setzt aber wesentlich voraus, daß die in Betracht
kommenden Wärmestrahlen gleicher Art sind, daß diese qualitativ nicht so verschieden
sind, daß ein Theil von ihnen stärker, ein anderer schwächer von den Körpern
absorbirt wird; wäre dieses der Fall, so könnte man von dem Absorptionsvermögen
eines Körpers schlechthin gar nicht sprechen, eben weil dieses für die verschiedenen
Strahlenarten ein verschiedenes wäre. Nun ist es seit langer Zeit bekannt, daß es
wirklich verschiedene Arten von Wärmestrahlen gibt, und daß diese im Allgemeinen von
den Körpern in ungleichem Maaße absorbirt werden. Es gibt dunkle und leuchtende
Wärmestrahlen; von den meisten weißen Körpern werden jene fast vollständig, diese
fast gar nicht absorbirt. Ja, die Mannichfaltigkeit der Wärmestrahlen ist nicht
kleiner, als die Mannichfaltigkeit der verschiedenen farbigen Lichtstrahlen, sondern
noch größer. Die Wärmestrahlen, die dunklen wie die leuchtenden, verhalten sich
gerade so, wie die Lichtstrahlen in Bezug auf die Fortpflanzung, in Bezug auf
Reflexion, Brechung, Doppelbrechung, Polarisation, Interferenz, Beugung; bei den
leuchtenden Wärmestrahlen ist es nicht möglich das Licht von der Wärme zu trennen;
wenn das eine in einem gewissen Verhältniß geschwächt wird, wird das andere in
demselben Verhältniß geschwächt. Diese Thatsachen haben zu der Ueberzeugung geführt,
daß Licht- und Wärmestrahlen ihrem Wesen nach identisch sind, daß die
Lichtstrahlen eine Classe der Wärmestrahlen bilden. Die dunkeln Wärmestrahlen
unterscheiden sich hiernach von den Lichtstrahlen gerade so, wie die
verschiedenfarbigen Lichtstrahlen unter einander, durch die Schwingungsdauer, die
Wellenlänge, die Brechbarkeit, sie sind nicht sichtbar, weil die Medien unseres
Auges für sie undurchdringlich sind. Eine qualitative Verschiedenheit zwischen
Lichtstrahlen findet nicht allein in Hinsicht der Farbe statt, sondern auch in
Hinsicht des Polarisationszustandes. Man hat deßhalb unter den Wärmestrahlen zu
unterscheiden nicht allein solche von verschiedener Wellenlänge, sondern unter
Strahlen gleicher Wellenlänge auch noch solche von verschiedenem
Polarisationszustande. Nimmt man Rücksicht auf die Verschiedenartigkeit der
Wärmestrahlen, so verlieren die Schlüsse ihre Gültigkeit, durch welche man den Satz
von der Proportionalität des Emissions- und Absorptionsvermögens abgeleitet
hat. Ob ein ähnlicher Satz bei Rücksicht auf diese Verschiedenartigkeit besteht,
darüber ist bis jetzt Nichts ausgemacht, weder durch theoretische Betrachtungen, noch
durch Versuche. Der Verf. hat diese Lücke ausgefüllt; er hat gefunden, daß der Satz
von der Proportionalität des Emissions- und Absorptionsvermögens gilt, wie
verschiedenartig die Strahlen auch seyn mögen, welche die Körper aussenden, wenn man
die Begriffe des Emissions- und Absorptionsvermögens auf Strahlen einer Art bezieht; oder präciser ausgesprochen, lautet
der vom Verf. gefundene Satz:
Man denke sich vor einem Körper C zwei Schirme S₁ und S₂
aufgestellt, in denen zwei kleine Oeffnungen 1 und 2 sich befinden. Durch diese
Oeffnungen tritt von dem Körper ein Strahlenbündel. Von diesem fasse man den Theil
ins Auge, der einer gewissen Wellenlänge λ
entspricht, und zerlege denselben in zwei polarisirte Componenten, deren
Polarisationsebenen zwei auf einander rechtwinkelige, durch die Achse des
Strahlenbündels gelegte, sonst willkürliche Ebenen, a
und b sind. Die Intensität der nach a polarisirten Komponente sey E (Emissionsvermögen). Nun stelle man sich vor, daß umgekehrt durch die
Oeffnungen 2 und 1 auf den Körper C ein Strahlenbündel
falle, das von der Wellenlänge λ und nach der
Ebene a polarisirt ist. Der Bruchtheil dieses
Strahlenbündels, der von dem Körper C absorbirt wird,
sey A (Absorptionsvermögen). Dann ist das Verhältniß E/A unabhängig von Größe,
Lage, Natur des Körpers, und allein bedingt, außer von der Größe und Lage der
Oeffnungen 1 und 2, von der Wellenlänge λ und der
Temperatur.
Den Weg, auf dem der Verf. diesen Satz bewiesen hat, deutet er folgendermaßen an. Er
ist dabei von der Voraussetzung ausgegangen, daß Körper denkbar sind, die bei sehr geringer Dicke alle Strahlen, die auf sie
fallen, vollständig absorbiren, also das Absorptionsvermögen 1 besitzen. Er nennt
solche Körper vollkommen schwarze oder kürzer schwarze. Die wirklich existirenden schwarzen Körper mit
matter Oberfläche genügen dieser Bedingung nahe, aber nicht vollständig; sie
reflectiren noch einen Theil der auf sie fallenden Strahlen. Es kam ihm zuerst
darauf an, die Strahlung solcher vollkommen schwarzer Körper zu untersuchen. Der
Körper C sey ein solcher. Die Schirme S₁ und S₂
seyen auch schwarz. Der Körper C werde in eine schwarze
Hülle eingeschlossen, von welcher der Schirm S₁
einen Theil ausmacht, und die beiden Schirme werden durch eine schwarze Wand ringsum
mit einander verbunden. Endlich werde die Oeffnung 2 durch eine schwarze Fläche, die
er die Fläche 2 nennen wird, verschlossen. Das ganze System soll in allen seinen
Theilen dieselbe Temperatur besitzen und durch eine für Wärme undurchdringliche
Hülle vor Wärmeverlust nach Außen geschützt seyn. Unter diesen Umständen kann die Temperatur des Körpers
C sich nicht ändern; die Summe der Intensitäten der
Strahlen, die er aussendet, muß daher gleich seyn der Summe der Intensitäten der
Strahlen die er absorbirt, oder, da er alle absorbirt die ihn treffen, gleich seyn
der Summe der Intensitäten der Strahlen die ihn treffen. Nun denke man sich folgende
Veränderung bei dem Systeme vorgenommen: die Fläche 2 werde entfernt und ersetzt
durch einen Hohlspiegel, der die ihn treffenden Strahlen vollständig reflectirt und
der seinen Mittelpunkt im Mittelpunkt der Oeffnung 1 hat. Das Gleichgewicht der
Wärme muß auch jetzt bestehen; auch jetzt muß die Summe der Strahlen die den Körper
C treffen, gleich seyn der Summe der Strahlen, die
er aussendet. Da er aber jetzt eben so viel aussendet als früher, so muß die
Strahlenmenge, die der Hohlspiegel auf den Körper C
wirft, gleich der Strahlenmenge seyn, welche die Fläche 2 ihm zusendete. Der
Hohlspiegel entwirft von der Oeffnung 1 ein Bild, das mit ihr selbst zusammenfällt.
Aus diesem Grunde gelangen nach einer Reflexion am Hohlspiegel gerade diejenigen
Strahlen zum Körper C zurück, die dieser durch die
Oeffnungen 1 und 2 aussenden würde, wenn die letztere frei wäre; und die Intensität
dieser Strahlen ist also gleich der Intensität der Strahlen, welche die Fläche 2
durch die Oeffnung 1 hindurchschickt. Die letztere Intensität ist aber offenbar
unabhängig von der Natur des Körpers C, und so folgt
dann, daß die Intensität des Strahlenbündels, welches von dem Körper C durch die Oeffnungen 1 und 2 entsendet wird,
unabhängig ist von der Gestalt, der Lage und Beschaffenheit des Körpers C, vorausgesetzt nur, daß derselbe schwarz und seine
Temperatur eine gegebene ist. Nach dieser Betrachtung könnte aber noch die
qualitative Zusammensetzung des Strahlenbündels eine andere werden, wenn der Körper
C durch einen andern schwarzen Körper von derselben
Temperatur ersetzt wird. Doch auch das ist nicht der Fall. Bezeichnet man das
Emissionsvermögen dieses schwarzen Körpers, bezogen auf eine gewisse Wellenlänge und
eine gewisse Polarisationsebene – also das, was durch E bezeichnet wurde unter der Voraussetzung, daß der Körper C ein beliebiger ist – durch e, so ist dieses e durchaus
unabhängig von der Natur des Körpers C, wenn dieser nur
schwarz ist. Um die Richtigkeit dieser Behauptung zu beweisen, ist eine Complication
des gedachten Apparates nöthig. In das Strahlenbündel, welches von der Oeffnung 1
nach der Fläche 2 geht, werde eine kleine Platte eingeschoben, die so dünn ist, daß
sie in den sichtbaren Strahlen die Farben dünner Blättchen zeigt; sie sey so
geneigt, daß jenes Strahlenbündel sie unter dem Polarisationswinkel trifft; ihre
Substanz sey so gewählt, daß sie eine merkliche Strahlenmenge nicht aussendet und
nicht absorbirt. Die Wand, welche die Schirme S₁ und S₂ verbindet, sey so gestaltet, daß in ihr das
Spiegelbild liegt, welches die Platte von der Fläche 2 entwirft. An dem Orte und von
der Gestalt dieses Spiegelbildes sey eine Oeffnung in der Wand angebracht, welche
die Oeffnung 3 genannt wird. Ein Schirm sey so aufgestellt, daß keine gerade Linie
von einem Punkte der Oeffnung 1 nach einem Punkte der Oeffnung 3 an ihm
vorbeigezogen werden kann. Die Oeffnung 3 denke man sich zunächst durch eine
schwarze Fläche, die ich die Fläche 3 nenne, verschlossen. Das ganze System soll
dieselbe Temperatur besitzen; es besteht dann wiederum das Gleichgewicht der Wärme.
Zu diesem tragen wesentlich auch Strahlen bei, die von der Fläche 3 ausgegangen
sind, an der Platte eine Reflexion erlitten, die Oeffnung 1 durchdrungen und den
Körper C getroffen haben. Diese Strahlen sind in der
Einfallsebene der Platte polarisirt und enthalten, je nach der Dicke der Platte,
bald mehr von einer, bald mehr von einer andern Farbe. Entfernt man die Fläche 3 und
ersetzt sie durch einen Hohlspiegel, der seinen Mittelpunkt an dem Orte hat, an dem
die Platte ein Spiegelbild von dem Mittelpunkt der Oeffnung 1 entwirft, so treffen
die eben bezeichneten Strahlen, die von der Fläche 3 ausgehen, den Körper C nicht mehr, aber dafür treffen ihn andere, die von dem
Hohlspiegel reflectirt sind, und das Gleichgewicht der Wärme besteht auch jetzt.
Benutzt man, daß dieses gilt, wie man auch die Dicke der Platte wählen, und wie man
diese um die Achse des durch die Oeffnungen 1 und 2 bestimmten Strahlenbündels
drehen möge, so gelangt man durch eine Betrachtung, die derjenigen ganz ähnlich ist,
die hier auseinandergesetzt wurde, zu dem Schlusse, daß das auf eine beliebige
Wellenlänge und eine beliebige Polarisationsebene bezogene Emissionsvermögen des
schwarzen Körpers C, welches durch e bezeichnet ist, von der weiteren Beschaffenheit dieses
Körpers ganz unabhängig ist. Eine Folgerung, die dabei von selbst sich darbietet,
ist die, daß alle Strahlen, welche ein schwarzer Körper aussendet, vollständig
unpolarisirt sind.
Stellt man sich vor, daß bei der zuletzt beschriebenen Unordnung der Körper C kein schwarzer, sondern ein beliebiger ist, so findet
man durch ganz ähnliche Betrachtungen die Gleichung
E/A =
e
1),
welche eben ausspricht, daß für alle Körper das Verhältniß des
Emissions- und Absorptionsvermögens dasselbe ist. Offenbar kann man diese
Gleichung auch schreiben
E = A e
2)
oder A = E/e
3).
Der Verf. erwähnt nun nach dieser Auseinandersetzung einige merkwürdige Folgerungen,
die sich aus seinem Satze unmittelbar ergeben.
Wenn man einen gewissen Körper, einen Platindraht z.B., allmählich mehr und mehr
erhitzt, so sendet er Anfangs nur dunkle Strahlen aus; bei der Temperatur, bei der
er zu glühen anfängt, fangen sichtbare rothe Strahlen an
sich zu zeigen; bei einer gewissen höheren Temperatur kommen gelbe Strahlen hinzu, bei einer noch höheren grüne u.s.f., bis er endlich weiß glüht, d.h. alle Strahlen, die im
Sonnenspectrum vorhanden sind, ausgibt. Das Emissionsvermögen E des Platindrahtes ist daher = 0 für rothe Strahlen bei allen
Temperaturen die niedriger sind als diejenige, bei welcher der Draht zu glühen
anfängt, für gelbe Strahlen hört es bei einer etwas höheren Temperatur auf = 0 zu
seyn, für grüne Strahlen bei einer noch höheren u.s.f. Nach der Gleichung 1) muß
daher das Emissionsvermögen e eines vollkommen schwarzen
Körpers aufhören = 0 zu seyn für rothe, gelbe, grüne Strahlen bei denjenigen
Temperaturen, bei denen jener Platindraht anfing rothe, gelbe, grüne Strahlen
auszusenden. Nun denke man sich irgend einen andern Körper, der allmählich erhitzt
wird. Nach der Gleichung 2) muß dieser in Folge hiervon bei denselben Temperaturen, wie jener Platindraht, anfangen rothe, gelbe,
grüne Strahlen auszusenden. Es müssen also alle Körper
bei derselben Temperatur zu glühen beginnen, bei
derselben Temperatur gelbe, bei derselben Temperatur grüne Strahlen auszugeben
anfangen. Es ist hierdurch der theoretische Beweis für einen Satz geliefert, der vor
13 Jahren von Draper aus Versuchen gefolgert ist. Die
Intensität der Strahlen von gewisser Farbe, die ein Körper bei gewisser Temperatur
aussendete kann aber sehr verschieden seyn; sie ist nach Gleichung 2) proportional
mit dem Absorptionsvermögen A. Je durchsichtiger ein
Körper ist, desto weniger leuchtet er. Das ist der Grund, weßhalb die Gase eine so
sehr viel höhere Temperatur gebrauchen, um merklich zu
glühen, als die meisten festen oder tropfbaren Körper.
Eine zweite Folgerung führt den Verf. zu dem Gegenstand seiner früheren Mittheilung
zurück.
Die Spectra aller undurchsichtigen glühenden Körper sind continuirliche; sie
enthalten weder helle noch dunkle Linien. Man kann daraus schließen, daß das
Spectrum eines glühenden schwarzen Körpers –
dieses Beiwort in demselben Sinne wie bisher gebraucht – auch ein solches continuirliches seyn
müßte. Das Spectrum eines glühenden Gases besteht, sehr oft wenigstens, aus hellen
Linien, die durch ganz dunkle Zwischenräume von einander getrennt sind. Bezeichnet
man mit E das Emissionsvermögen eines solchen Gases, so
hat also das Verhältniß E/e
einen namhaften Werth für Strahlen, die den hellen Linien des Gasspectrums
entsprechen, ist aber unmerklich für alle anderen Strahlen. Nach der Gleichung 3)
ist aber eben dieses Verhältniß gleich dem Absorptionsvermögen des glühenden Gases.
Dieses absorbirt also, wenn Strahlen durch dasselbe hindurchgeleitet werden,
ausschließlich diejenigen, welche die Farben der hellen Linien seines Spectrums
haben; für alle anderen Strahlen ist es vollkommen durchsichtig. Es folgt hieraus,
daß das Spectrum eines glühenden Gases, wie der Verf. sich ausdrückt, umgekehrt werden muß, wenn hinter dasselbe eine
Lichtquelle von hinreichender Intensität gestellt wird, die an sich ein
continuirliches Spectrum gibt; d.h. es müssen die vorher hellen Linien des
Gasspectrums in dunkle verwandelt werden, die auf hellem Grunde sich zeigen. Das
glühende Gas wirft auf den Ort einer ihrer hellen Linien Licht, hält aber von
demselben Orte durch Absorption einen Theil des Lichts der hinteren Quelle ab; die
Menge dieses Lichtes wird größer seyn als die Menge jenes, sobald nur die hintere
Lichtquelle hell genug ist; findet dieses statt, so schwächt das glühende Gas die
Helligkeit an dem Orte; in der Nachbarschaft ändert dasselbe die Helligkeit nicht;
die Linie muß also dunkel auf hellerem Grunde sich zeigen. Eine merkwürdige
Folgerung dieses Satzes, die der Verf. beiläufig erwähnt, ist die, daß wenn die
hintere Lichtquelle ein glühender Körper ist, die Temperatur dieses höher als die
Temperatur des glühenden Gases seyn muß, wenn die Umkehrung des Spectrums
stattfinden soll.
Die Sonne besteht aus einem leuchtenden Kerne, der für sich ein continuirliches
Spectrum geben würde, und einer glühenden gasförmigen Atmosphäre, die für sich ein
Spectrum geben würde, das aus einer ungeheuren Zahl heller Linien, entsprechend den
mannichfaltigen Bestandtheilen derselben, zusammengesetzt wäre. Das wirkliche
Sonnenspectrum ist die Umkehrung des letzteren. Wäre es möglich, das der
Sonnenatmosphäre angehörige, aus hellen Linien bestehende Spectrum zu beobachten, so
würde Niemand Bedenken tragen, aus den dem Natrium, dem Kalium, dem Eisen
eigenthümlichen Linien, die unter jenen sich finden würden, auf den Gehalt der
Sonnenatmosphäre an Natrium, Kalium, Eisen zu schließen. Nach dem hier besprochenen
Satze kann es eben so wenig Bedenken haben, aus dem wirklichen Sonnenspectrum
dieselben Schlüsse zu ziehen.
Schließlich erwähnt der Verf. noch eine Erscheinung, die, so unscheinbar sie ist,
doch Interesse darbietet, weil der Verf. sie nach seinem Satz vorausgesehen und dann
bei einem Versuche wirklich gefunden hat. Nach dem Satze muß ein Körper, der von
Strahlen einer Polarisationsrichtung mehr absorbirt, als
von denen einer anderen, in demselben Verhältniß Strahlen von der ersten
Polarisationsrichtung mehr aussenden, als von denen der zweiten. Eine zur optischen
Achse parallel geschliffene Turmalinplatte absorbirt bei gewöhnlicher Temperatur von
Strahlen, die sie senkrecht treffen, mehr, wenn die Polarisationsebene derselben der
Achse parallel ist, als wenn sie senkrecht zu dieser steht. Der Turmalin hat diese
Eigenschaft auch in der Glühhitze, wenn gleich in geringerem Grade, als in niederen
Temperaturen. Es muß daher das Licht, welches die Turmalinplatte senkrecht zu ihrer
Ebene aussendet, theilweise polarisirt seyn, und zwar polarisirt in einer Ebene, die
senkrecht ist zur Polarisationsebene der Strahlen, die durch die Turmalinplatte
hindurchgegangen sind. Und in der That verhält es sich so, wie der Versuch gezeigt
hat.