Titel: | Die Briquette-Fabrication in Belgien. |
Fundstelle: | Band 157, Jahrgang 1860, Nr. XXVI., S. 105 |
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XXVI.
Die Briquette-Fabrication in
Belgien.
Die Briquette-Fabrication in Belgien.
Schon seit längerer Zeit ist man bemüht gewesen, die theure Kohksfeuerung bei den
Locomotiven durch Steinkohlenfeuerung zu ersetzen. Insbesondere hat man sich
bestrebt die sogenannte kleine Kohle (Brockenkohle, Kohlengrus) zu verwenden, da
diese weit billiger zu haben ist als die Stückkohle und grobe Kohle, welche zu
gewissen technischen Zwecken bis jetzt noch unentbehrlich erscheint und deßhalb weit
höher im Preise steht als jene. Während es gelungen ist, die kleine Steinkohle auf
dazu geeigneten Feuerungsvorrichtungen (Treppenrosten etc.) bei stehenden
Dampfkesseln etc. nutzbar zu machen, sind Versuche der Art bei Locomotiven von
günstigem Erfolge nicht begleitet gewesen aus Gründen, deren Darlegung über die
Grenzen des uns jetzt vorliegenden Zwecks hinausführen würde. Glücklicher ist man in
einer Agglomerirung der Gruskohle mit einem Bindemittel zu festen Massen, in der
Form von Steinen, Ziegeln, sogenannten Briquettes gewesen. Schon vor 17 Jahren sind
u.a. im Loiredepartement in Frankreich umfassende Versuche zu dem Ende angestellt
worden, deren Resultate Veranlassung zu der Gründung der Briquettefabriken von
Givors und ChazotteDie zu Chazotte jetzt gebräuchliche Preßmaschine von Evrard ist im polytechn. Journal Bd. CLIV S. 336 beschrieben. gegeben haben. Dieselben haben in neuerer Zeit Nachahmung in Belgien
gefunden und zwar zu Montigny für Sambre bei Charleroi, zu Gosselies in der Umgegend
von Charleroi, auf der Grube Sarts-au-Cerleur bei Jemappes in der Nähe
von Lüttich etc. etc. Das auf dem letztgenannten neuesten Etablissement eingeführte
im Folgenden beschriebene Verfahren, welches allerdings die Erfahrungen seiner
Vorgänger benutzen konnte, wird für das zweckmäßigste gehalten. Es verdient hier
bemerkt zu werden, daß die belgischen Staatseisenbahnen fast die Hälfte ihres
Bedarfs an Brennmaterial durch solche Briquettes decken, die namentlich bei den
Güterzügen ausschließlich verwendet werden.
Unter den Destillationsproducten der Steinkohle befindet sich ein fester Theer
(Steinkohlenpech Asphalt, brai sec), welcher als
Bindemittel zur Herstellung des Briquettes besonders sich eignet, weil er einmal in
der Sonnenhitze nicht erweicht und dann beim Verbrennen nur eine sehr geringe Menge jener flüchtigen
Kohlenwasserstoffe erzeugt, welche ihres unangenehmen Geruchs wegen den auf und bei
den Eisenbahnen befindlichen Personen sehr lästig sind. Dieses Steinkohlenpech wird
von England in einem gleich brauchbaren, von flüssigen Substanzen hinreichend reinen
Zustande geliefert, während das in Frankreich und Belgien erzeugte noch so viele
flüchtige Oele etc. enthält, daß es vor der Verwendung durch eine besondere
Destillation davon befreit werden muß, oder aber solche aus den fertigen Briquettes
in besonderen Darröfen ausgetrieben werden müssen. Die bei der Destillation des
Peches entweichenden Producte werden meistens zur Darstellung von Kohlenschwärze
benutzt.
In dem Etablissement der Grube Sarts-au-Cerleur werden die Gruskohlen
so zähe zerquetscht, daß sie Rätter mit Sieben von 7 Millimeter weiten Oeffnungen
passiren und dann auf Setzsieben so rein gewaschen, daß ihr Aschegehalt auf 7 Proc.
reducirt wird. Die nun erfolgende Trocknung wird in zwei 18 Meter langen und 1 Meter
weiten Cylindern bewirkt, die durch um dieselben circulirenden Verbrennungsproducte
bis auf 100° C. erhitzt werden und in welchen die an einer rotirenden Achse
spiralförmig sitzenden Arme den zu trocknenden Kohlengries, welcher mittelst eines
Becherwerkes zugeführt wird, sowohl fortwährend umrühren als auch nach dem
Austrageende des Cylinders forttreiben.
In einem dazu vorgerichteten Kessel wird das Steinkohlenpech von gehöriger Härte und
muscheligem Bruche, wie solches aus England zu dem Preise von 45 Fr. die 1000
Kilogramme loco Grube bezogen wird, mit einem Zusatze
von 2/9 Steinkohlentheer geschmolzen und flüssiger Steinkohlentheer in dem
Verhältnisse von 4–5 Proc. zugesetzt. Dieser Zusatz wird durch ein Schöpfrad,
dessen Geschwindigkeit genau regulirt werden kann, bewirkt. Dasselbe bringt das
bestimmte Quantum Theer in den Mengeapparat (mélangeur) und zwar an derjenigen Stelle, an welcher der
getrocknete Kohlengries eingeführt wird. Der Mengeapparat besteht wieder aus einem
blechernen Cylinder, in welchem die Mengung und Austragung durch eine in demselben
rotirende Schnecke vollzogen wird. Beim Verlassen des Apparates haben die
Kohlenkörner noch keinen Zusammenhang und erhalten solchen erst durch den Preßproceß
in der Middleton'schen Kohlenpresse, in welche sie jetzt
gebracht werden. Diese besteht bekanntlich aus einem horizontalen gußeisernen
Kranze, welcher 16 den Dimensionen der zu fabricirenden Briquettes entsprechende
Fächer enthält. In die Fächer können zwei nebeneinander befindliche eiserne Stempel
von verschiedener Länge eintreten, welche, in Leitungen auf und nieder sich
bewegend, mit einem Gewichte von circa 1400 Ctnr.
belastet sind. Die Scheibe rotirt gleichmäßig intermittirend und in dem Momente, in
welchem die Drehung
derselben sistirt ist, drückt der kürzere Stempel das mittelst eines Trichters den
einzelnen Fächern zugeführte Gemenge von 0,20 Meter Dicke auf 0,12 Meter zusammen,
was dadurch ermöglicht wird, daß unter die Fächer, so weit es erforderlich, ein
gehörig fester Boden angebracht worden ist. Bei dem nächstfolgenden Stillstand des
Kranzes drückt der längere Stempel die gepreßten Ziegel aus dem betreffenden Fache
heraus und nach Unten hin. Die Ziegel werden von dem die Presse bedienenden Arbeiter
aufgefangen und auf das Gestell eines Transportwagens so gelegt, daß sie einander
nicht berühren. Die mit dem oben angeführten Bindemittel fabricirten Ziegeln sind
jetzt fertig und verkäufliche Waare. Diejenigen aber, welche mit Anwendung eines
größeren Theerzusatzes hergestellt worden sind, müssen nach Verlassen der Presse vor
weiterem Transporte und ihrer Verwendung so stark gedarrt werden, daß die flüchtigen
Substanzen des Theers verflüchtigt werden. Dieses geschieht in überwölbten Räumen
und dauert der Proceß bis zu 10 Stunden. Es liegt auf der Hand, daß dieses Verfahren
ein eben so umständliches als kostspieliges ist, und sucht man es neuerdings durch
vorherige Zubereitung des Theers zu umgehen.
Die Presse liefert 10 Briquettes von 7,2 Kilogrammen in der Minute. Dieselben haben
eine Länge von 0,27 Meter, eine Breite von 0,17 Meter und eine Stärke von 0,12 Meter
und abgerundete Kanten. Die Production an Briquettes beläuft sich aber in 12 Stunden
Arbeitszeit auf nur circa 80 Ctnr., da kaum zu
erreichen, daß der Betrieb ein durchaus regelmäßiger und ungestörter ist.
Die erforderliche Bewegungskraft für Presse und Apparate liefert eine Dampfmaschine
von 25 Pferdekräften.
Die Productionskosten betragen per Tonne Briquettes noch
circa 15 Fr., worunter 2 1/2 Fr. für Arbeitslöhne
und 9 Fr. für Kohlenmaterial zu den Briquettes. Es unterliegt aber keinem Zweifel,
daß dieselben mit der Zeit sich wesentlich niedriger stellen werden. Der
Verkaufspreis ist 17,1 Fr. sobald der Aschegehalt 7 Proc. nicht übersteigt; die
Administration der belgischen Staatsbahnen übernimmt fast das ganze
Productionsquantum. Die agglomerirte Kohle findet im Allgemeinen eine immer größere
Verwendung, da sie nicht nur bei den Feuerungen der Locomotiven und Dampfschiffe,
sondern auch bei allen denjenigen Feuerungen mit Vortheil benutzt werden kann, zu
welchen ein lange und lebhafte Flamme gebendes Material erforderlich ist.
Zur Fabrication der Briquettes kann der Kohlengrus der halbfetten und mageren Kohlen
verwendet und somit nutzbar werden, welcher früher nicht verwerthet werden konnte,
was wieder zur Folge hat, daß die grobe Kohle, ohne Verlust befürchten zu müssen, reiner gehalten
und dadurch zu einer theurern Waare gemacht werden kann.
Der glückliche Erfolg der Agglomerirung des Steinkohlengruses hat Veranlassung
gegeben, daß man auf dem Eisenhüttenwerke von Marcinelle bei Charleroi versucht hat
die Kohkslösche ebenfalls mit Steinkohlenpech zu agglomeriren und dieselbe nach
starkem Ausglühen beim Hohofenbetriebe zuzusetzen.