Titel: | Hochdruck-Dampfkessel von J. Fr. Spencer. |
Fundstelle: | Band 157, Jahrgang 1860, Nr. LVI., S. 241 |
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LVI.
Hochdruck-Dampfkessel von J. Fr. Spencer.
Vorgetragen in der Institution of Mechanical Engineers. – Aus dem
Civil Engineer and
Architect's Journal, Mai 1860, S. 131.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Spencer's Hochdruckdampfkessel.
Unter den verschiedenartigen Kesseln, welche zur Erzeugung hochgespannter Dämpfe
construirt wurden, kamen hauptsächlich die Röhrenkessel in Gebrauch, well sie bei
dem geringsten Metallgewicht die größte Festigkeit darbieten und überdieß die größte
Heizfläche mit einem möglichst kleinen Wasserraum verbinden. Eine der wesentlichsten
Anforderungen, die man an einen Dampfkessel stellen muß, ist die gleichmäßige und
ununterbrochene Circulation des Wassers, damit der erzeugte Dampf sofort in das
Dampfrohr abströmt und der vorher von demselben eingenommene Raum mit Wasser
nachgefüllt wird. Werden diese Wirkungen aus irgend einem Grunde behindert, so
vermindert sich das Verdampfungsvermögen und es wird eine rasche Zerstörung des
Blechs herbeigeführt. Diese Nachtheile machen sich besonders bei solchen Kesseln
bemerkbar, deren Wasserraum im Verhältniß zur erzeugten Dampfmenge zu groß ist. Nun
würde aber bei Röhrenkesseln der geringste Wassermangel die Röhren einer übermäßig
hohen Temperatur aussetzen und die Circulation hemmen. Um dieser Gefahr nicht
ausgesetzt zu seyn, wendet der Erfinder bei seinem Kessel eine künstliche
Circulation an, vermöge welcher das Wasser 10 bis 20 Mal durch den Kessel hindurch
gedrängt wird.
Fig. 29 zeigt
den neuen Kessel im Verticaldurchschnitt durch die Feuerung und den Dampfbehälter;
Fig. 30
zeigt ihn in der Endansicht, mit einem Theil der Röhren im Querschnitt. Ueber dem
Feuerraum F liegt ein Röhrensystem T mit 1 bis 1 1/2 Zoll weiten Röhren, deren Länge sich
nach dem verlangten, Verdampfungsquantum richtet. Das ganze Röhrensystem ist mit
einem Gemäuer umgeben; und über demselben befindet sich der Schornstein. Zur Seite
des Gemäuers und mit demselben fest verbunden liegt der cylindrische Dampfbehälter R, welcher mit dem Röhrensystem oben unmittelbar durch
das Rohr L, und unten durch Vermittelung des Rohrs E, der Circulationspumpe P
und des Rohrs G in Verbindung steht. Der Kessel ist, wie
aus Fig. 30
ersichtlich, in sechs verticale Abtheilungen getheilt, welche alle in ein
gemeinschaftliches Circulationsrohr C einmünden, das die
Verbindung mit der Circulationspumpe durch den Ventilkasten V und das Rohr G vermittelt. Ein zwischen dem
Dampfbehälter R und dem Circulationsrohr C angebrachtes Rohr H dient
zum Einlassen des Wassers aus dem Dampfbehälter R in das
Röhrensystem, wenn die Pumpe nicht in Thätigkeit ist und der Kessel in Gang gesetzt
wird.
Das Röhrensystem und der Dampfbehälter werden zuerst wie gewöhnlich durch Einpumpen
von Wasser mittelst der Hand zum Theil gefüllt, wobei die Verbindung zwischen dem
oberen und unteren Theil des Röhrensystems und dem Dampfbehälter offen bleibt. Dann
wird das Feuer angezündet; es bildet sich nun sofort in den Röhren Dampf, welcher in
den Dampfbehälter überströmt, das Wasser in demselben erwärmt und so weit verdampft,
daß die Circulationspumpe in Thätigkeit gesetzt werden kann. Diese Pumpe hat einen
besonderen Dampfcylinder, ist doppeltwirkend und wird, statt durch Ventile, durch
einen mit einem Excentricum verbundenen Muschelschieber ohne Deckung gesteuert; sie
erfordert nur eine geringe Betriebskraft, weil der Druck gegen beide Kolbenflächen
gleich groß ist, daher, derselbe mag nun 100 oder 500 Pfd. per Quadratzoll betragen, immer nur die Reibung des Wassers bei der
Circulation zu überwinden ist. Ein Kessel von 100 Nominalpferdekräften braucht eine
Circulationspumpe von 7 Zoll Durchmesser, 12 Zoll Hub und 50 Umdrehungen in der
Minute. Hierzu kommt noch die gewöhnliche Speisepumpe zur Ersetzung des verdampften
Wassers; das Speiserohr mündet entweder hei I in die
Circulationspumpe ein, wie Fig. 29 u. 30 zeigen,
oder es wird mit dem Rohr C, oder mit dem Dampfbehälter
R in Verbindung gesetzt. Den Bedarf der Speisung
erkennt man an einem Wasserstandszeiger, welcher am Dampfbehälter R befestigt ist. Sobald hinreichend Dampf erzeugt ist,
um die Circulationspumpe zu treiben, was bei Anwendung kalten Speisewassers
beiläufig 20 Minuten dauert, so beginnt die volle Wirkung des Kessels. Nehmen wir
an, daß stündlich 10 Kubikfuß Wasser verdampfen, so müssen 100 Kubikfuß durch das
Circulationsrohr C und die Circulationspumpe P gehen. Diese stündlichen 100 Kubikfuß werden aus dem
oberen Theil des Röhrensystems in den Dampfbehälter als eine Mischung von Wasser und
Dampf abgegeben; das Wasser fällt in den Wasserraum des Dampfbehälters nieder, und der Dampf verbleibt
im Dampfraum desselben. Man sollte meinen, dieser Dampf müsse beim Abströmen aus dem
Dampfbehälter noch viele Wassertheile enthalten; die Erfahrung hat aber gelehrt, daß
dieß nicht der Fall ist, sondern derselbe fast ganz trocken den Dampfraum
verläßt.
Jede Abtheilung des Kessels hat ihre besondere Verbindung mit dem Dampfbehälter und
auch mit dem gemeinschaftlichen Circulationsrohr C; der
Zufluß des Wassers zu dem letztern wird durch Hähne oder Ventile, oder besser noch
durch Verengungen regulirt. Auch in den oberen Verbindungsstücken befinden sich
Hähne oder Ventile, und man ist daher im Stande, eine einzelne Kesselabtheilung
abzustellen, ohne den Betrieb der übrigen zu stören; dieß ist eine für Sicherheit
sehr werthvolle Anordnung, welche überdieß erforderliche Reparaturen
erleichtert.
Fig. 31 und
32 zeigen
die Röhren in vergrößertem Maaßstabe. Sie haben an den Enden rechts und links
Gewinde, so daß man gleichzeitig beide anstoßende Kniestücke befestigen kann. Damit
sie sich ausdehnen können, sind an den Kniestücken der einen Seite Oehre angebracht,
welche an die verticalen Platten S angenietet werden. An
der Vorderseite des Kessels befinden sich Thüren D, von
denen aus man leicht zu den Röhren behufs der Reinigung gelangen kann.
Man kann das erwähnte Gemäuer auch durch Wasserräume ersetzen, die zugleich als
Dampfbehälter dienen; das Gemäuer ist aber vorzuziehen, weil es billiger
herzustellen, sicherer und in Bezug auf den Heizeffect ökonomischer ist.
Der beschriebene Kessel zeichnet sich durch Sicherheit, Dauerhaftigkeit und
Billigkeit aus.
Sicherheit. Die engen Röhren von 1 bis 1 1/2 Zoll
Durchmesser bieten unbestreitbar eine sehr große Festigkeit dar, und von dem
Dampfbehälter gilt dasselbe, weil auf ihn von Außen keine hohe Temperatur einwirkt.
Bei dem geringen Wasserinhalt der Röhren werden Veranlassungen zum Lecken derselben
vermieden, und ein Glühendwerden des Dampfkessels ist unmöglich, weil er von Außen
nicht erhitzt wird; ferner liegt darin eine große Sicherheit, daß jede einzelne
Kesselabtheilung für sich abgestellt werden kann.
Dauerhaftigkeit. Der einzige Theil des Kessels, welcher
einer großen Hitze ausgesetzt wird, ist der untere Theil der Röhren; aber in Folge
der starken Strömung, welche die Circulationspumpe erzeugt, wird ein Absetzen von
Niederschlägen, sowie Mangel an Wasser, unmöglich gemacht. Die Röhren in einem
solchen Kessel, welche 18 Monate lang ununterbrochen im Betriebe gewesen und mit
einem durch Kalk und andere Substanzen stark verunreinigten Wasser gespeist worden
waren, zeigten sich bei der Prüfung völlig frei von Steinen oder sonstigen festen
Bestandtheilen; letztere waren in den Dampfbehälter übergegangen, aus dem sie leicht
entfernt werden konnten. Um die Einwirkung des Salzwassers auf solche Kessel zu
ermitteln, wurden einige Versuche mit einem von Hawthorn
in Newcastle ausgeführten Exemplare angestellt. Dieser Kessel bestand aus
schmiedeeisernen Röhren von 1 Zoll lichter Weite mit beiläufig 340 Quadratfuß
Heizfläche und 9 Quadratfuß Rostfläche; er wurde 14 Tage und Nächte mit einer
Spannung von 80 Pfund per Quadratzoll ununterbrochen in
Betrieb erhalten; als Speisewasser diente ein Wasser mit 15 Proc. Salz, also einem
übermäßig großen Salzgehalt. Bei der Untersuchung fand man in den unteren Röhren
eine 1/16 Zoll starke Steinschicht, während die Schicht in den oberen Röhren kaum
bemerkbar war. Hieraus geht hervor, daß diese Kessel bei dem gewöhnlichen
Salzgehalte des Meerwassers sehr lange ohne Gefahr arbeiten können, und wenn auch
die fortwährende Benutzung des Meerwassers nicht zu empfehlen seyn dürfte, so ist
doch wenigstens bei einer Störung der Oberflächencondensation die zeitweilige
Benutzung desselben ohne Bedenken zulässig.
Ersparniß an Brennmaterial. Dieser Kessel hat offenbar
ein großes Verdampfungsvermögen in Folge der wirksamen Verbrennung, der geringen
Wandstärke, der großen Heizfläche und der regelmäßigen Wassercirculation. Bei
Versuchen, welche im Juni v. J. in den Vereinigten Staaten angestellt wurden,
verdampfte man 11 Pfd. Wasser mit 1 Pfd. Brennmaterial.
Ersparniß an Gewicht. Man macht besonders den
Schiffskesseln den Vorwurf, daß sie zu schwer sind. Es wurde ein gewöhnlicher
Schiffskessel von 2000 Quadratfuß Heizfläche mit einem Spencer'schen Kessel von gleicher Heizfläche in dieser Hinsicht
verglichen, und man fand:
Neuer KesselTonnen.
Gew. KesselTonnen.
Gewicht des Kessels, einschließlich des
Gemäuers, ohne Wasser
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Gewicht des Wassers im Kessel
2
19
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Summa
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Der neue Kessel gibt also eine Gewichtsersparniß von 40 Proc., und dabei ist das
Gemäuer, sowie der Dampfbehälter etc. mit inbegriffen.
Ersparniß an Raum. Wenn man einen neuen Kessel mit 2000
Quadratfuß Heizfläche mit einem gewöhnlichen mit derselben Heizfläche vergleicht, so
stellt sich der Raumbedarf folgendermaßen heraus:
Neuer Kessel.
Gew. Kessel.
Flächenraum
80 Quadratfuß
130 Quadratfuß.
Volumen
960 Kubikfuß
1560 Kubikfuß.
Auch diese Ersparniß berechnet sich auf beinahe 40 Proc.
Ersparniß an Anlage- und Reparaturkosten. Die
Anlagekosten haben sich bei dem neuen Kessel einschließlich der Circulationspumpe
und des Dampfbehälters bisher durchgängig billiger gestellt, als bei den
gewöhnlichen Röhrenkesseln. Die Reparaturkosten beschränken sich bei den neuen
Kesseln auf die Röhren und das Gemäuer, können daher einen bedeutenden Betrag nicht
erreichen.
Als ein Vorzug dieser neuen Hochdruckkessel ist auch noch die Schnelligkeit zu
erwähnen, mit welcher die erste Dampfentwickelung vor sich geht.