Titel: | Beiträge zur Gährungschemie; von E. Friedr. Anthon, technischer Chemiker in Prag. |
Autor: | Ernst Friedrich Anthon [GND] |
Fundstelle: | Band 157, Jahrgang 1860, Nr. LXXIV., S. 298 |
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LXXIV.
Beiträge zur Gährungschemie; von E. Friedr. Anthon, technischer
Chemiker in Prag.
(Schluß von S.
218 des vorhergehenden Heftes.)
Anthon, Beiträge zur Gährungschemie.
III. Ueber die Gerüche des
Weins.
Die Ansichten über die Gerüche der Weine sind immer noch so divergirend daß es höchst
wünschenswerth erscheint, endlich zu einer richtigen Ansicht in dieser Sache zu
gelangen, da auf den technischen Fortschritt in den auf chemischen Principien
beruhenden Gewerben nichts vortheilhafter einzuwirken im Stande ist, als eine
richtige Vorstellung von den Vorgängen auf denen ihre Ausübung beruht. Ich sehe mich
daher denn auch veranlaßt, meine Ansichten über den Gegenstand hier mitzutheilen,
hoffend daß dieselben einiges zum Aufklären desselben beitragen werden, da sie nicht
Folge müßiger Speculationen, sondern das Resultat von weit über tausend, mit allen
Obstarten vorgenommenen Gährungsversuchen sind.
Die Gerüche des Weines sind vor Allem zu trennen, in allgemeine und besondere. Die
allgemeinen Gerüche sind, wie schon der Name andeutet, jene, welche einer geistigen
Flüssigkeit die wesentlichsten derjenigen Eigenschaften ertheilen, die ein Getränk
als Wein erscheinen lassen. Auf diese werden sich jedoch meine dießmaligen
Mittheilungen nicht erstrecken, sondern bloß auf die besonderen Gerüche des
Weins.
Diese zerfallen ihrerseits nun wieder in zwei Hauptgruppen, nämlich:
a) in jene Gerüche welche ihren Grund in Stoffen haben,
welche bereits gebildet (als Riechstoffe) in den Trauben und anderen Obstarten
enthalten sind, z.B. in den verschiedenen Sorten der Muskattrauben, und in noch
höherem Grade in der Isabellatraube, der Himbeere u.s.w.;
und b) in solche Gerüche welche erst in Folge dessen
auftreten, daß sich während der Gährung riechende Stoffe überhaupt, oder Stoffe
bilden, welche einen andern Geruch haben, als ihn das angewendete Obst besaß.
Die Gerüche der ersteren Art bedingen das Wesen der aromatischen Weine, – die
der letzteren Art aber jenes der Bouquetweine.
Beide Arten von Gerüchen sind aber keine wesentlichen Eigenschaften des Weins,
sondern nur den Weinen mancher Obstgattungen oder einzelner Species derselben, oder
diesen gar nur unter ganz besonderen örtlichen und klimatischen Verhältnissen eigen,
während die allgemeinen Gerüche eine wesentliche Eigenschaft sind, und Getränke
denen solche abgehen nicht als Wein angesprochen werden können. Die Säfte aller
Obstsorten entwickeln bei der geistigen Gährung allgemeinen Weingeruch.
Diejenigen Stoffe, welche zur Bildung der Aroma-Weine Veranlassung geben,
entwickeln sich immer mehr, je reifer die Traube (oder anderes Obst) wird, und steht
die Zunahme der Menge derselben in demselben Verhältniß zum Reifeproceß, wie der
Zucker. In den meisten Fällen sind sie ihrer chemischen Natur nach ätherische Oele,
während jene Stoffe welche man als die bouquetentwickelnden anzusprechen hat, in dem
unreifen Obste häufig in größerem Verhältnisse enthalten sind als in den reifen
Trauben, und in den so mannichfaltigen organischen Säuren bestehen, die theils schon
in den Obstsäften enthalten sind, theils erst bei der geistigen Gährung gebildet
werden, und zur mannichfaltigsten Bildung der verschiedensten Aetherarten
Veranlassung gaben.
In ihrer Wirkung sind dieselben außerordentlich verschieden; manche kommen erst dann
in Thätigkeit, nachdem sich bereits eine verhältnißmäßig große Menge Alkohol
gebildet hat, – andere vermögen bereits bei Gegenwart geringerer Mengen von
Alkohol Aether zu bilden, – aus welchem Grunde es denn auch kommt, daß man aus dem Moste
solcher Trauben, welche in der Regel Bouquetweine geben, in dem Fall einen
bouquetarmen oder gar bouquetlosen Wein erhält, wenn man den Most vor der Gährung
etwas verdünnt, während umgekehrt, man aus solchen Trauben (oder überhaupt
Obst-) Säften, deren Most für sich keinen Bouquetwein liefert, in den meisten
Fällen ebenfalls einen solchen dadurch zu erzielen vermag, daß man deren Most eine
bestimmte Menge Zucker zusetzt, in welchem Falle alsdann die bouquetentwickelnden
organischen Säuren zur Thätigkeit zu gelangen vermögen, weil mehr Alkohol gebildet
wird.
Nicht immer ist jedoch eine scharfe Grenze zwischen Aroma und Bouquetweinen zu
ziehen, da beide in mannichfaltiger Weise in einander übergehen, und vielen Weinen
die Eigenschaften beider zukommen. Als Beispiele für das Gesagte mögen hier einige
meiner Erfahrungen Platz greifen.
1) Die Weine aus der Muskat- und Isabellatraube, aus den Himbeeren u.s.w. sind
in der Regel Aroma-Weine, denen sich nur zuweilen in hervortretender Weise
Bouquet beigesellt. Besonders ist es aber der Himbeerenwein der als Repräsentant
dieser Classe anzusehen ist, denn derselbe behält den Geruch der frischen Beere bei.
Ich habe 15jährigen Himbeerenwein getrunken, der beim Oeffnen der Flasche den
durchdringendsten Geruch nach frischen Himbeeren verbreitete.
2) Ein interessantes Beispiel entgegengesetzter Art gibt in manchen Fällen der
Erdbeerenwein ab, denn obgleich das Aroma der Erdbeeren nicht minder stark, und
weniger durchdringend und charakterisirt ist, als das der Himbeeren, so liefert
dennoch die Erdbeere (wenigstens mehrere Arten derselben) keinen Aroma-
sondern Bouquetwein, denn das Aroma dieser Beere ist solcher Art daß es während der
Gährung ganz verändert wird, so daß man oft schon vor deren gänzlichen Beendigung
nichts mehr vom Erdbeerengeruch wahrzunehmen vermag, sondern denselben durch einen
andern Geruch ersetzt findet. Das Aroma der Beere ist hier verschwunden und Bouquet
hat sich dafür eingestellt.
3) Stachelbeeren liefern bouquetlose Weine, wenn der Zuckergehalt des Mostes weniger
als 20 Proc. beträgt; hatte man aber den Gehalt desselben auf beiläufig 25 Proc.
gebracht, so ist in den meisten Fällen bereits Bouquetentwickelung während der
Nachgährung wahrzunehmen, während dieses entschieden hervortretend zur Entwickelung
gelangt, wenn man den Most noch mehr verstärkt hat. Man würde sehr irren, wenn man
den in diesem Falle sich entwickelnden lieblichen Geruch bloß von dem in größerer
Menge gebildeten Alkohol als solchem ableiten wollte. Ein noch weit interessanteres
und viel deutlicher hervortretendes Beispiel bietet endlich
4) der Wein aus Amarellen dar, denn diese im unverletzten frischen Zustand ganz
geruchlose Frucht liefert auch selbst dann, wenn sie nicht ganz reif ist, einen im
höchsten Grade bouquetreichen und stark riechenden Wein.
IV. Die Schimmelsporen in der
Atmosphäre, als Einleiter der Selbstgährung.
In Folge des bekannten alten Versuchs von Gay-Lussac verbreitete sich bald die Ansicht, daß beim Eintritt der
sogenannten Selbstgährung solcher Flüssigkeiten welche neben Zucker auch
hefenbildende Stoffe enthalten, diese Gährung nur durch die Wirkung des zutretenden
Sauerstoffs eingeleitet werde, – und diese Ansicht ist auch noch jetzt
ziemlich verbreitet. Gründliche Beobachter konnten jedoch von derselben nicht lange
befriedigt bleiben und man sah bald ein, daß hier noch eine andere Ursache mit ins
Spiel kommen müsse. Man erkannte diese denn auch in organischen Stoffen, welche in
der Atmosphäre schweben und die man, in Folge ihrer Wirkung die Gährung einzuleiten,
sich ganz allgemein als Fermentkeime vorstellte. In die Erforschung der eigentlichen
Natur dieser Keime ließ man sich jedoch meines Wissens bis jetzt noch nicht ein,
– wenn man nicht jene Ansicht als einen Beitrag hierzu ansehen will, nach
welcher diese Keime wirkliche Hefenzellen seyn sollen, welche von der aus gährenden
Flüssigkeiten sich entwickelnden Kohlensäure mechanisch mit fortgerissen, sich in
der Atmosphäre verbreiten; zu welcher Ansicht man dadurch gelangte, daß in solchen
Räumen, in welchen sich gährende Flüssigkeiten befinden, die Selbstgährung auch
leichter eintritt. Daß aber diese Erklärung nicht befriedigen kann, ja entschieden
unrichtig seyn muß, ist sehr leicht darzuthun. Vor allem ist zu bedenken, daß die
geistige Gährung kein so allgemein verbreiteter Proceß ist, daß er der Atmosphäre so
viel wirkliche Hefenzellen zuzuführen vermag, um dieser die Eigenschaft,
„die Selbstgährung einzuleiten,“ in dem Grade zu ertheilen,
wie sie dieselbe wirklich besitzt. Ferner erscheint es ganz undenkbar, daß aus
gährenden Flüssigkeiten, Hefenzellen weiter als auf die nächste Umgebung des
Gährgefäßes geführt werden können, weil nur in Folge der auf der Oberfläche der
gährenden Flüssigkeit platzenden Schaumblasen, kleine Tropfen der Flüssigkeit
(natürlich nebst den darin schwebenden Hefenzellen) über den Rand der Gährgefäße
geschleudert werden können, deren weitere Wirkung auf etwa vorhandene, noch nicht in
Gährung begriffene zuckerhaltige Flüssigkeiten, natürlich nicht mehr als
Selbstgährung anzusehen ist. Endlich können wirkliche Hefenzellen nicht als solche in der Atmosphäre
schwebend gedacht werden, weil in diesem Falle sich dieselben nicht nur sogleich
oxydiren würden, sondern außerdem auch in Folge des Austrocknens ihre Eigenschaft
die geistige Gährung einzuleiten sehr schnell verlieren müßten.
Es ist hiernach auch wohl genügend dargethan, daß es ganz unzulässig erscheint in der
Atmosphäre die Gegenwart wirklicher Hefensporen (Hefenzellen kleinster Art)
anzunehmen.
Gehen wir der Sache aber weiter auf den Grund, so werden wir zu der Ueberzeugung
geführt, daß die fraglichen Keime, welche unzweifelhaft in der Atmosphäre schweben,
und von denen die eigentlichen Selbstgährungen eingeleitet werden, nichts anderes
sind, als die Sporen (der Same) von verschiedenen Schimmelgattungen.
Von diesen Sporen ist bekannt, daß sie nicht nur unter den mannichfaltigsten
Umständen, sondern auch in ungeheurer Menge (ihrer Zahl nach) gebildet werden, daß
sie wegen ihrer Leichtigkeit, ihrer so außerordentlichen Kleinheit und staubartigen
Beschaffenheit, sich besonders leicht in der Atmosphäre überall hin verbreiten und
in ihr lange schwebend zu erhalten vermögen. Weiter ist von diesen Sporen bekannt,
daß sie eben so wie die Samen der höher organisirten Pflanzen, ihre Keimkraft durch
das Trocknen nicht nur nicht verlieren, sondern dieselbe dadurch nur um so länger
erhalten bleibt. In dieser Richtung bedarf diese Ansicht denn auch wohl keiner
weiteren Begründung. Dagegen erscheint es aber nothwendig nachzuweisen, daß die
Schimmelsporen wirklich die in Rede stehende Eigenschaft besitzen.
Viele von denen, welche sich mit der Bereitung der Weine (besonders der Beerenweine)
beschäftigt, werden aus eigener Erfahrung wissen, daß der Obstmaisch (das
zerquetschte Obst) zwei sehr verschiedenartige Veränderungen zu erleiden im Stande
ist. Läßt man denselben bei mäßigem Luftzutritt ruhig stehen, so wird man häufig
schon nach 48 Stunden auf der Oberfläche desselben eine Schimmelbildung wahrnehmen,
die immer mehr um sich greift, ohne daß sich geistige Gährung einstellt; –
der Obstmaisch verdirbt. – Wenn man aber den Maisch nicht ruhig stehen läßt,
sondern denselben zuweilen (etwa zweimal täglich) gut umrührt, so tritt keine
Schimmelbildung, dagegen aber geistige Gährung ein, je nach der im Sommer
obwaltenden Temperatur, in der Regel nach 36–48 Stunden. Ja noch mehr. Läßt
man die Schimmelbildung auf der Oberfläche des Maisches erst Platz greifen, und
beginnt erst dann mit dem Umrühren, so hört in den meisten Fällen jede weitere
Schimmelbildung auf, und es tritt dafür nicht nur geistige Gährung ein, sondern es
verschwindet bei dieser sogar der dumpfe widerliche Geruch, der sich mit der Schimmelbildung eingestellt
hatte – ein Geruch, der in anderen Fällen doch im höchsten Grade anderen
Stoffen anhaftet, wie z.B. dem dumpfigen Weine.
Die mitgetheilte Thatsache beweist also unwiderleglich, daß die Schimmel sporen,
welche von der Atmosphäre auf die Oberfläche des Obstmaisches ausgesäet werden, ganz
verschiedene Erscheinungen hervorzubringen im Stande sind, je nachdem man sie zwingt
in dieser oder jener Richtung hin ihre Lebensthätigkeit zu entfalten. Diese
Thätigkeit kann nun eine zweifache seyn, je nachdem man den Schimmelsporen
Gelegenheit gibt sich ganz ungestört zu entfalten, – oder je nachdem man
einen Theil der Bedingungen ausschließt, welche zur vollständigen Entwicklung ihrer Lebensthätigkeit nothwendig sind.
Findet nämlich die Schimmelspore einen passenden Boden (nebst den außerdem nöthigen
Bedingungen) vor, auf welchem sie ungestört und unter Zutritt
der Luft zum Keimen und zur weiteren Entwickelung gelangt, so bildet sie
Wesen gleicher Art. Sie veranlaßt die Bildung ganzer Schimmelgenerationen. –
Stört man dagegen dieselben bei ihrer Entwickelung, und zwar mechanisch (z.B. durch
Umrühren) und schließt den unmittelbaren Zutritt der atmosphärischen Luft von ihr
aus, indem man sie in das Innere des Maisches oder jeder andern der Selbstgährung
fähigen Flüssigkeit bringt, so wird deren Lebensthätigkeit zwar nicht ganz
unterbrochen, aber sie vermag in diesem Zustand nicht mehr auf die Bildung neuer
Schimmelgeneration hinzuwirken, sondern ist nur im Stande, entweder selbst zur
Hefenzelle zu werden, oder die erste Bildung derselben, und auf diese Art denn auch
die Selbstgährung einzuleiten.
Die zur Lebensthätigkeit gelangte Schimmelspore gibt also zur Bildung neuer
Schimmelpflanzen Veranlassung wenn sie mit der Luft in Berührung ist, dagegen nur
zur Bildung von Hefenzellen bei Ausschluß der Luft, innerhalb zucker- und
stickstoffhaltiger Flüssigkeiten.
Umgekehrt scheint aber auch die Hefenzelle als Schimmelspore wirken zu können, wenn
sie durch die gährende Flüssigkeit oder durch eine Schicht Kohlensäure nicht mehr
von der atmosphärischen Luft getrennt ist, sondern in Folge günstiger Verhältnisse
bei Zutritt dieser ihre Lebensthätigkeit fortsetzt. Wenigstens spricht hiefür in
hohem Grade der Umstand, daß die Hefe so außerordentlich leicht Schimmelbildung
hervorzurufen vermag, wie dieses nur zu oft bei Ausübung der Gährungs-Gewerbe
wahrgenommen wird.
V. Ueber die Wichtigkeit des reinen
Traubenzuckers zur Weinbereitung.
Meine früher in diesem Journale gemachten Mittheilungen über die Beschaffenheit des
gewöhnlichen Traubenzuckers (des sogenannten Krümelzuckers) haben, – wie zu
erwarten war, – Widerspruch hervorgerufen. – Da nun Widerspruch das
beste Mittel ist, um die Wahrheit zu Tage zu fördern, so habe ich Folgendes zu
entgegnen.
Zuerst sprach ein rheinischer, sehr bedeutender und sehr geachteter
Traubenzuckerfabrikant sich brieflich über meine Mittheilungen aus, die er nicht für
ganz begründet hielt. Im Interesse der Wahrheit und der Industrie forderte ich
denselben sogleich in Folge dessen auf, mir Proben seines Fabricates einzusenden,
mit der Bemerkung dasselbe untersuchen und das Resultat öffentlich mittheilen zu
wollen, wenn dasselbe nicht mit meinen Angaben übereinstimme und zu Gunsten seines
Fabricates ausfalle. Es wurde aber meiner Aufforderung nicht entsprochen, –
gewiß nur deßwegen, – weil der fragliche Fabrikant sich von der Richtigkeit
meiner Angaben inzwischen überzeugt hat.
Ferner nennt Gall in seiner nun bereits vor einem Jahre
erschienenen Schrift ( „Neueste Vereinfachungen in der
Weinvermehrung“ , Trier) die von mir gemachten bezüglichen
Mittheilungen eine Uebereilung und versprach dieselben bald zu widerlegen. Wer auch
das ist bis jetzt unterblieben, und kann ich daher Hrn. Dr. Gall auch nur dringend auffordern, doch ja
recht bald seinem Versprechen nachzukommen, und dadurch nachzuweisen, daß auch als
Krümelzucker ein reines, vollständig oder auch nur nahezu vollständig vergährbares
Product hergestellt werden kann, – welchen Nachweis ich sehr willkommen
heißen werde. So lange Hr. Dr. Gall den versprochenen Nachweis jedoch nicht liefert, muß
es dem Leser überlassen bleiben darüber zu entscheiden, wer den Vorwurf
„einer unverantwortlichen Uebereilung“ verdient, –
nämlich ob derjenige, der ohne Beweise oder gar nur ohne wissenschaftliche
Begründung über die Angaben eines Andern abspricht, – oder jener, der das
Resultat einer Untersuchung gründlich und unter genauer Angabe der Mittel und Wege,
durch und auf welchen er zu diesem Resultat gelangt ist, mitgetheilt hat.
Inzwischen will ich hier, der Wichtigkeit des Gegenstandes willen, der zwei
Industrieen zugleich berührt, neue Beobachtungen mittheilen, die ganz dazu geeignet
sind, meinen früheren Mittheilungen zur Bestätigung zu dienen, muß aber auch hier,
um jeder Mißdeutung vorzubeugen, hervorheben, daß ich bei diesen Mittheilungen
keineswegs den nach meinem System dargestellten „hart
krystallisirten“ Traubenzucker, sondern nur reinen Traubenzucker überhaupt vor Augen habe, und bloß die Nothwendigkeit
im Allgemeinen nachzuweisen beabsichtige, einen reinen, völlig vergährbaren
Traubenzucker statt des gewöhnlichen Krümelzuckers in größeren Quantitäten in den
Handel zu bringen, als wie es bis jetzt geschehen, wobei es ganz einerlei ist, ob
man sich zur Darstellung des reinen Zuckers meines Verfahrens oder eines einfacheren
(namentlich des bloßen Deckens oder Centrifugirens) bedient, da bei der Anwendung
des Traubenzuckers zur Weinbereitung das äußere Ansehen des Zuckers aus dem Spiele
bleibt und wesentlich nur auf dessen Vergährbarkeit und reinen Geschmack Rücksicht
zu nehmen ist.
Zu den schon berührten neuen Beobachtungen zurückkehrend, habe ich zu bemerken, daß
dieselben bei einer im Herbste 1858 durchgeführten vergleichenden Versuchsreihe
gemacht worden sind. Diese Versuche waren folgende.
Eine größere Quantität mäßig stark ausgepreßter Trestern von Burgundertrauben, welche
den achttägigen Verlauf der Gährung in Naturmost mit durchgemacht hatten, wurde dem
Gewichte nach genau in zwei Hälften getheilt, und auf die eine derselben eine 25
procentige Lösung von reinem Traubenzucker, auf die andere aber in gleicher Menge
eine gleichstarke Lösung von sogenanntem Krümelzucker von weißer Farbe gegossen und
umgerührt, wodurch in beiden Fällen die Dichte der Zuckerlösung auf 22 Proc.
Saccharom. sank, in Folge einer Verdünnung durch den von den Trestern
zurückgehaltenen Jungwein. Beide Mischungen wurden nun unter sonst ganz gleichen
Umständen der Gährung unterworfen. Der Verlauf derselben ergibt sich aus folgender
Uebersicht:
Dichte der gährenden
Flüssigkeit
Datum.
beim Krümelzucker
beim reinen Traubenzucker.
2. November
21 Proc. Sacchar.
20,5 Proc.
Sacchar.
3.
„
20 „
„
18 „ „
4.
„
17 „
„
15 „ „
5.
„
15 „
„
11 „ „
6.
„
14 „
„
8 „ „
7.
„
12,5
„
„
4 „ „
10.
„
9,5
„
„
1,5
unter 0
12.
„
9,5
„
„
1,5 „ „
16.
„
9,5
„
„
1,5 „ „
Das Resultat dieser beiden Versuche ist also so übereinstimmend mit meinen früheren
Beobachtungen und Mittheilungen, und so in die Augen springend, daß es überflüssig
erscheint, dasselbe weiter hervorzuheben.
Was die Qualität der erzielten beiden Weine anbelangt, so wollte Niemand von dem
mittelst Krümelzucker dargestellten Weine etwas wissen, indem der Geschmack
desselben ein sehr unangenehmer war, während das Product vom reinen Zucker ein
ausgezeichnetes war.
Aus den Resultaten dieser Versuche ergibt sich hiernach auf das Deutlichste, daß
Traubenzucker zum Petiotisiren nur dann angewendet werden darf, wenn derselbe von
wirklich reiner Beschaffenheit und daher auch vollständig vergährbar ist, und daß es
selbst schon bedenklich erscheint, die Weißeste Sorte des gewöhnlichen Krümelzuckers
zum Gallisiren stark saurer Weine anzuwenden; – Resultate, welche uns auch
Antwort auf die Frage geben, warum denn die Franzosen immer noch so große Mengen
Rüben- und Rohrzucker bei der Weinbereitung statt des viel billigeren
Traubenzuckers anwenden?