Titel: | Die Lenoir'sche Gasmaschine. |
Fundstelle: | Band 157, Jahrgang 1860, Nr. LXXVIII., S. 323 |
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LXXVIII.
Die Lenoir'sche
Gasmaschine.
Aus dem Breslauer Gewerbeblatt, 1860, Nr.
15.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Ueber die Lenoir'sche Gasmaschine.
In Beziehung auf diese höchst interessante Erfindung (worüber bereits im polytechn.
Journal Bd. CLVI S. 83 und 391 berichtet wurde) können wir nun unseren
Lesern einige nähere Details geben, die bei der Wichtigkeit des Gegenstandes gerade
für den Handwerksbetrieb, dem damit die Mittel geboten sind, ohne große Kosten der
Anlage und des Betriebes, die zu einem energischen Aufschwunge unentbehrliche
Maschinenkraft zu gewinnen, sicher auf allgemeine Theilnahme rechnen können. Die bis
jetzt gebauten Maschinen der Art sind liegende Maschinen mit Leitung der
Kolbenstange in einem liegenden Schlitten. Fig. 3 zeigt eine äußere
Ansicht der Maschine mit dem Cylinder A, dem
Schieberkasten B, der Kolbenstange C, dem Schlitten D, der
Bleuelstange E, dem Schwungrade F und der Schiebersteuerung G. Der Regulator
H kann, wie bei der Dampfmaschine mit der
Drosselklappe des Dampfrohres, hier mit dem Gashahne in Verbindung gebracht
werden.
Wir bemerken endlich am Schlitten D den Apparat zur
Schließung und Oeffnung des galvanischen Stromes (a, b, c, d,
e, f, s.u.).
Fig. 4 zeigt
den Durchschnitt des Kolbens und der beiden Schieberkästen. Darin ist A der gegossene und ausgebohrte Cylinder, B der Kolben, C die durch
eine Stopfbüchse (D) gut gedichtete Kolbenstange, E und E, die
Schieberplatten, die oben durch Federn, unten durch Schrauben angedrückt werden, F, F' endlich die Hähne, welche das Gas, G die Röhre, welche die atmosphärische Luft zuführt.
Das Abführungsrohr für die Verbrennungsproducte fehlt auf der Zeichnung; es geht vom
Schieber E' aus. H ist ein
Raum, der den Cylinder A ringsum mantelförmig umschließt
und in welchem, aus einem höher stehenden Reservoir einfließend, kaltes Wasser
circulirt, das die bei der Explosion entwickelte Wärme aufnimmt, in dem erwärmten
Zustande noch zur Heizung der Werkstätte benutzt und nach seiner vollkommenen
Abkühlung wieder zum Abkühlen des Cylinders gebraucht werden kann. Man entnimmt
dieses Wasser entweder den öffentlichen Leitungen, oder läßt es durch die
Gasmaschine selbst aus einem Brunnen in die Höhe pumpen, oder durch dieselbe bloß
aus einem kleinen Reservoir, einem mäßig großen Bottich einsaugen, in welchen
es, nachdem es die Maschine passirt und alsdann seine Wärme in den Heizanlagen
abgegeben hat, wieder zurückfällt. In unserer Zeichnung erscheint der Kühlraum in
der gegossenen Cylinderwand selbst ausgespart, kann jedoch jedenfalls auch durch
einen den gegossenen Cylinder umgebenden Blechmantel hergestellt werden. Bei O (Fig. 3) fließt das kalte
Wasser ein, bei O' fließt es ab. Der Hahn R auf derselben Figur entspricht dem Gashahn F der zweiten Figur.
In Fig. 4
bemerken wir endlich an den Cylinderböden zwei Paar hervorragende, spitz zulaufende
Drähte x, x' und y, y'
zwischen welchen der elektrische Funken überspringt, der zur Entzündung des Gases
dient.
Der Gang der Maschine ist nunmehr folgender. Vor Allem betrachten wir in Fig. 4 das
Einströmen des Gases. Der Kolben ist am äußersten linken Ende seines Laufes
angelangt und setzt sich nach Hechts hin in Bewegung. Die Gasröhre ist mit einem
Gasmesser in Verbindung gesetzt, die Hähne F, F' je nach
der Stärke des Betriebes geöffnet.
Das Gas strömt nunmehr bei der in der Zeichnung angegebenen Stellung des oberen
Schiebers in der durch die Pfeile angegebenen Richtung durch den Hahn F auf die linke Seite des Kolbens. Gleichzeitig strömt
durch das mit einem nach Innen sich öffnenden Ventile versehene Rohre G die atmosphärische Luft zu, gewöhnlich Gas und Luft in
einem Verhältnisse von 1 : 19 bis 1 : 50.
Indem der Schieber seinen Lauf nach Rechts beginnt, schließt er das im Cylinder
enthaltene Gasgemisch ab, das nun durch einen bei x, x'
überspringenden Funken entzündet wird, und bei der bedeutenden Ausdehnung durch die
erzeugte Wärme den Kolben mit großer Energie nach Rechts treibt. Während dieses
ganzen Kolbenlaufes verharrt der unten liegende Schieber in seiner Stellung, indem
dadurch die Verbindung des rechts gelegenen Theiles mit dem Rohr g' behufs der Ausströmung der darin enthaltenen
verbrannten Gase offen gehalten wird. Erst ganz gegen Ende des Laufes geht er nach
Links hinüber, damit die kleine Menge rückständiger Luft als Polster für den Kolben
wirkt. Mit der Umkehrung des Kolbenlaufes wiederholt sich das ganze Spiel des
Apparats, nur daß natürlich alle die rechts gelegenen Theile in Thätigkeit
treten.
Es bleibt nur noch übrig, die Art der Entzündung des Gases zu besprechen. Dieselbe
erfolgt durch den sogenannten Inductionsfunken. Wickelt man zwei sehr lange, dünne,
isolirte Metalldrähte in zahlreichen Windungen um einen Kern von weichem Eisen,
verbindet man die freien Enden des einen Drahtes mit den beiden Polen einer
galvanischen Batterie, und verbindet dann die Enden des anderen Drahtes mit
einander, so entsteht in dem Momente, wo man den Strom im ersten Drahte unterbricht,
in dem zweiten
Drahte ein sehr kräftiger inducirter Strom. Nähert man die fein zugespitzten Enden
des letzteren einander bis auf eine kurze Entfernung, so schlägt in dem angegebenen
Momente ein sehr kräftiger Funken über, selbst wenn der erste Draht nur durch eine
mäßig starke Batterie in Thätigkeit gesetzt wird. Durch rasches abwechselndes
Oeffnen und Schließen des ersten Drahtes kann man von dem zweiten einen sehr
starken, fast continuirlichen Funkenstrom erhalten. Es werden diese
Inductions-Apparate bekanntlich von dem berühmten (deutschen) Mechaniker Ruhmkorff in Paris in der größten Vollkommenheit gebaut.
Der von demselben herrührende Apparat der Lenoir'schen
Maschine kann schon durch zwei kleine Bunsen'sche
Elemente in Thätigkeit gesetzt werden.
Wenn wir den zweiten Draht den inducirten Draht, den ersten den inducirenden oder
Batteriedraht nennen, so sind bei x, x' und y, y' die freien Enden des inducirten Drahtes zu sehen.
Das eine Ende desselben steht mit dem Cylinder in leitender Verbindung, und x und y bilden die
abwechselnd fungirenden Spitzen desselben. x' und y' gehen durch eingekittete Glasröhren durch, sind daher
von dem Cylinder isolirt, dafür aber mit einander und mit dem anderen Ende des
inducirten Drahtes verbunden. Sobald daher der Batteriedraht unterbrochen wird,
springen auf beiden Seiten des Kolbens die Inductionsfunken über, können aber
natürlich nur auf der Seite entzündend wirken, wo sich gerade explosives Gas, je
nach der Stellung des oberen Schiebers, befindet.
Die abwechselnde Schließung und Oeffnung des Batteriedrahtes wird durch den am
Schlitten D und der Kolbenstange C befindlichen Apparat ab, cd, ef (s. Fig. 3)
bewirkt.
Auf dem Schlittengestelle D befinden sich drei Schienen
a, b, c, d, e, f befestigt, die durch eine Unterlage
von Elfenbein von dem Schlittengestelle und von einander isolirt sind. Zwischen c, d und e, f liegt eine
Elfenbeinplatte in gleicher Ebene. a, b. steht mit dem
positiven Pole der Batterie, c, d und e, f mit dem anderen Pole der Batterie und unter
einander in leitender Verbindung. Fig. 5 zeigt den Vorgang
in schematicher Darstellung.
An dem Gleitkopf der Kolbenstange sind zwei Federn befestigt, deren längere auf der
Metallschiene a, b, deren kürzere auf den Schienen c, d – e, f
schleift.
Kurze Zeit, nachdem der Kolbenlauf von Links nach Rechts umgesetzt, geht die kürzere
Feder von c, d auf das Elfenbeinstück über. Der Strom
des Batteriedrahtes, der bisher vom Kohlenpole der Batterie (s. Fig. 5) nach dem
Inductions-Apparate, von dort nach a, b, durch
das Gleitstück nach c, d und von dort nach dem Zinkpole
der Batterie gegangen, wird plötzlich unterbrochen, und es entsteht nun ein kräftiger
Inductionsstrom und -Funke bei x, x', der genügt,
um das eingesaugte Gasgemisch zur Explosion zu bringen. Dasselbe Spiel des Apparats
wiederholt sich, sobald bei dem von Rechts nach Links gerichteten Kolbenlaufe die
kurze Feder des Gleitstückes e, f bei e verläßt.
Da nur eine schwache Batterie nöthig, so macht die Instandsetzung und Haltung
derselben wenig Schwierigkeit und Kosten. Nöthigenfalls wird eine sogenannte
Sandbatterie, d.h. ein Kasten, in dem, abwechselnd verbunden, Kupfer- und
Zinkplatten eingesetzt werden, und den man alsdann mit Sand anfüllt, der mit
verdünnter Schwefelsäure benetzt wird, genügen.
Die Vortheile dieser Gasmaschine sind evident, selbst wenn man nachfolgende
Berechnung als normal annehmen wollte.
Bei einer Dampfmaschine von circa 4 Pferdekräften braucht
man nach Breslauer Preisen per Tag von 12
Arbeitsstunden:
1)
Kohlen 9 Pfd. per Pferdekraft und
Stunde = 432 Pfd. oder die Tonneà
350 Pfd. zu 25 Sgr.
1 Thlr. – Sgr. 10 Pf.
2)
Einen Heizer à 15 Sgr. per Tag
– „ 15
„ –
„
3)
Abnutzung und Verzinsung des Kessels, der Heizeinrichtungen,
derEsse; Kesselsteinbeseitigung, Wasserspeisung, Röhrenleitungen:
15Proc. der Anlagekosten, à
Pferdekraft 125 Thlr. = 500 Thlr., jährlich75 Thlr. (per 300 Arbeitstage), daher täglich
– „ 7
„ 6 „
––––––––––––––––––
Summa
1 Thlr. 23 Sgr. 4 Pf.
Die Lenoir'sche Gasmaschine braucht per Stunde und Pferdekraft circa 15 Kubikf.
Gas, also per Tag 720 Kubikfuß.
Rechnet man die Gaspreise von Breslau von 3 Thlr. 5 Sgr. per 1000 Kubikf., so kosten diese 720 Kubikf. 2 Thlr. 8 Sgr. 4 Pf., und
würde demnach der Betrieb der Gasmaschine hier etwa 15 Sgr. täglich mehr als der
Betrieb einer Dampfmaschine kosten. Rechnet man indessen, daß die Gasmaschine jeden
Augenblick, wo man sie nicht braucht, stillgestellt werden kann, und dann keine Spur
Gas verbraucht, während das Feuer unter dem Kessel immerfort erhalten werden muß;
daß auch beim Anheizen und während des Stillstandes der Nacht Wärme verloren geht;
daß die ganzen Kosten für Terrain zum Dampfkessel, Kesselgebäude und Schornsteine,
die Kosten der Dampfröhrenleitungen etc. wegfallen; daß die Einsprüche der Nachbarn
gegen die Aufstellung eines Dampfkessels, die Schwierigkeiten und Verzögerungen von
Seiten der Polizei- und Regierungs-Behörden wegfallen; daß man die
Gasmaschine fast in jeden Winkel des Arbeitsraumes hinstellen kann, – so wird sich diese
Kostendifferenz wohl ausgleichen. Die Rechnung stellt sich sofort ganz anders, wenn
man die Maschinen kleiner wählt, wie man sie in den meisten Fällen für den
Handwerksbetrieb gebrauchen wird.
Eine Dampfmaschine von 2 Pferdekräften kostet bei 12stündigem Betriebe:
1)
Kohlen (hier mindestens 10 Pfd. per Pferdekraft und Stunde) = 240 Pfd.
– Thlr. 17 Sgr. 2 Pf.
2)
Heizer (kann sich vielleicht nebenbei beschäftigen),
daher
– „
10 „ – „
3)
Zinsen von 300 Thlr. (1 Pferdekraft hier 150 Thlr.)
– „
4 „ 6 „
––––––––––––––––––
Summa
1 Thlr. 1 Sgr. 8 Pf.
Die Gasmaschine à 2 Pferdekräften braucht nur 360 Kubikfuß Gas = 1 Thlr. 4
Sgr. 2 Pf., also bloß noch eine Differenz von 3 Sgr. 6 Pf., die sich umkehrt, sobald
man den Heizerlohn zu 15 Sgr. in Ansatz bringt.
Noch viel günstiger fällt die Rechnung aus, wenn wir die Preise für das Gas niedriger
annehmen können.
Bei dem Berliner Preise von 1 Thlr. 17 Sgr. 6 Pf. pro
1000 Kubikf. kostet der Betrieb der Gasmaschine von 4 Pferdekräften nur 1 Thlr. 4
Sgr. 2 Pf., während eine gleich große Dampfmaschine, für die verbrauchten 432 Pfd.
Kohlen (die Tonne zu 350 Pfd., in Berlin
zu 1 Thlr. 5 Sgr. gerechnet)
1 Thlr. 13 Sgr. 3 Pf.
für Heizer
– „ 15
„
– „
für Zinsen etc.
– „
7 „ 6 „
––––––––––––––––––
Summa
2 Thlr. 5 Sgr. 9 Pf.
tägliche Betriebskosten verursachen wird. Die Gasmaschine
arbeitet daher dort fast um 50 Proc. billiger.
Sollte die Anwendung der Gasmaschine sich ausbreiten, so steht zu erwarten, daß
vielleicht zu größeren Maschinen die Anlage einer eigenen Gasanstalt sich lohnt, wo
durch das Wegfallen der kostspieligen langen Röhrentour, der umständlichen
Reinigung, der sonstigen Kosten und Verluste bei der Vertheilung, sich die Kosten
des Gases auf ein Minimum reduciren. Auf belgischen und englischen Hüttenwerken, die
ihre eigene Gasbeleuchtung eingerichtet haben, nimmt man an, daß die Kosten des
Gases, falls man mit der abfallenden Hitze der Hoh- oder Schweißöfen
destillirt, durch den Ertrag an Kohks und Theer vollständig gedeckt werden.
Da es ferner für die Lenoir'sche Gasmaschine vollkommen
gleichgültig ist, ob sie mit stark leuchtendem, oder mit reinem Wasserstoff-
und Kohlenoxydgase betrieben wird, indem letzteres vielleicht sogar noch eine stärkere Explosivkraft
entwickelt, so wird man vielleicht später durch Darüberleiten von Wasserdampf über
rothglühende Kohks sogenanntes Wassergas produciren und dieses zum Betriebe der
Gasmotoren verwenden.
Für Locomotiven kann man vielleicht einen Tender, mit comprimirtem Gase gefüllt,
mitführen, und vermeidet dabei ganz den lästigen Kohlenrauch und die
Feuersgefahr.
Für Dampfschiffe müßte man entweder am Bord einen kleinen Gasofen anlegen, oder man
könnte statt des Leuchtgases die Dämpfe der flüchtigen Kohlenwasserstoffe aus dem
Theer, des Benzins, vielleicht gar Terpenthinöl, Spiritus oder Schwefelkohlenstoff
benutzen.
Man sieht, daß die Lenoir'sche Erfindung im Maschinenwesen
die ausgedehntesten Perspectiven eröffnet. Die Verwendungen derselben zum
Handwerksbetriebe werden sich bald genug finden und von Tag zu Tag vermehren.
Tischler werden Circular- und Bandsägen damit betreiben, Metall- und
Holzdrechsler sie zum Betriebe der Drehbänke, Töpfer zu dem der Drehscheiben
verwenden; Wasserpumpen in Brennereien und Brauereien werden damit betrieben werden;
Schmiede sie statt der jetzigen Dampfhämmer benutzen etc. etc.
Die Anwendung der Dampfspritzen bei Feuersgefahr scheiterte bisher daran, daß man zu
lange heizen mußte, ehe genügende Dampfspannung vorhanden war. In Städten mit
Gasbeleuchtung und Wasserleitung bringt man aus dem Spritzenwagen eine solche Lenoir'sche Maschine an, hält die galvanische Batterie
zum Gebrauche bereit, und braucht dann an der Feuerstelle nur zwei Schläuche, einen
größeren mit dem Hahn der Wasserleitung, einen kleineren mit dem des nächsten
Straßenbrenners zu verbinden, um sofort die Spritze in continuirliche kräftigste
Thätigkeit setzen zu können.
Die Sache klingt etwas phantastisch, läßt sich indessen ohne Zweifel realisiren.
Der Referent hat sich mit dem Erfinder in Verbindung gesetzt, und hofft baldigst den
sich dafür interessirenden Industriellen durch sein polytechnisches Bureau nähere
Auskunft ertheilen zu können.
Bemerkung. Neueren Nachrichten zufolge soll ein Hr. C.
Hugon die Priorität der Gasmaschinen-Erfindung
für sich reclamiren.
Dr. H. Schwarz in Breslau.