Titel: | Das Verhalten der Gallusgerbsäure zu Aether; von Prof. Dr. Bolley. |
Fundstelle: | Band 157, Jahrgang 1860, Nr. XCIV., S. 380 |
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XCIV.
Das Verhalten der Gallusgerbsäure zu Aether; von
Prof. Dr. Bolley.
Aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift, 1860,
Bd. V S. 54.
Bolley, über das Verhalten der Gallusgerbsäure zu
Aether.
Die gebräuchlichste Darstellung der Galläpfelgerbsäure ist die, daß die gröblich
gepulverten Galläpfel in dem Deplacirungsapparat mit wasserhaltigem Aether
übergossen werden, wodurch sich in dem untergestellten Gefäß zwei Schichten bilden,
deren untere die Gerbsäure enthält. Das Verfahren ist von Pelouze angegeben und er erklärt die untere Schichte für eine concentrirte
Lösung von Gerbsäure in Wasser, die obere für entwässerten Aether, der etwas
Gerbsäure und Farbstoff aufgenommen hat. Dr. Fr. Mohr widerspricht diesen Angaben, indem er fand, die
untere Schichte sey eine concentrirte Lösung von Gerbsäure in Aether, die obere fast
reiner Aether mit etwas Farbe, Gallussäure und Gerbsäure. Er sagt in seinem
Commentar zur preußischen Pharmakopöe: „Wenn man in ganz wasserfreien
Aether von 0,725 spec. Gewicht reines Tannin einträgt, so löst es sich nach
einiger Zeit zu einer syrupartigen Flüssigkeit auf, die sich mit dem übrigen
Aether nicht vermischt und nach dem Umschütteln sich wieder absetzt. Bringt man
immer mehr Tannin ein, so nimmt die syrupartige Schicht immer mehr zu und
zuletzt wird die ganze Aethermenge in diesen Syrup verwandelt, so daß nicht ein
Tropfen mehr unverbunden darauf steht. Da hier gar kein Wasser im Spiele war, da
ferner der ganze Aether in die dicke Lösung überging, so ist einleuchtend, daß
die syrupartige Flüssigkeit eine Lösung von Tannin in Aether und nicht in Wasser
ist.“
Dieß Verhalten heißt nichts anderes, als: die Lösung eines Körpers in einem
Lösungsmittel ist unlöslich im Ueberschuß desselben Lösungsmittels. Mohr selbst macht auf die Anomalie aufmerksam, die, man
darf sagen, das einzige Beispiel wäre. Diese Widersprüche haben mich veranlaßt, die
Sache näher zu untersuchen.
Hr. Stud. Ott von Bern unterzog sich auf meine Einladung
dieser Arbeit.
Das erste war, daß durch wiederholtes Abziehen über Chlorcalcium ganz wasserfreier
Aether dargestellt wurde; derselbe hatte bei 11,25° C. ein spec. Gewicht von
0,724 und einen Siedepunkt von 34,9° C.
Anderseits wurde Tannin durch längeres Trocknen im Luftbade und wiederholtes Wägen,
bis keine Gewichtsabnahme mehr stattfand, ganz wasserfrei gemacht.
Beim Zusammenbringen dieser beiden Körper in gewöhnlicher Temperatur und kräftigem
wiederholten Schütteln blieb das Pulver der Gerbsäure ganz unverändert am Boden der
Flüssigkeit. Diese selbst nahm eine kaum bemerkbare gelblichgrüne Färbung an. Es
wurden einige Mal kleine Portionen davon abgehoben und auf den Abdampfungsrückstand
untersucht. Eine Partie bei gewöhnlicher Temperatur abgehoben hinterließ 0,384, eine
andere bei 5° C. 0,206 Proc. Gerbsäure.
War dem Aether nur 1/2 Volumprocent Wasser zugesetzt, so bildete sich aus der
pulverigen Gerbsäure am Boden sofort ein Klumpen, der zu dicklicher Flüssigkeit
zerfloß, sobald noch etwas wasserhaltiger Aether zugefügt worden. Die dünnflüssige
Schichte über dem Syrup war etwas mehr gelbgrün gefärbt als bei wasserfreiem Aether,
und Aether, dem 1 Volumprocent Wasser zugesetzt worden war, hatte 1,2 Pocent
Gerbsäure aufgenommen.
Es geht aus diesen Versuchen hervor, daß die Löslichkeit der Gerbsäure in absolutem
Aether äußerst gering ist, daß ferner ein ganz unbedeutender Wassergehalt desselben
hinreicht, um zwei Flüssigkeitsschichten hervorzubringen, wovon die obere etwas
gerbsäurereicher ist als diejenige, die sich aus der Digestion der Gerbsäure mit
absolutem Aether ergibt.
Das Verhalten der Gerbsäure gegen Aether ist so
charakteristisch, daß ich es für ausreichend halte, um zu erkennen, ob ein
Aether Spuren von Wasser enthalte oder nicht.
Wenn nun Mohr's Ansicht von der Natur der beiden Schichten
unrichtig ist, so ist nichtsdestoweniger die von Pelouze
auch falsch. Die syrupartige Schichte ist keineswegs Gerbsäure in Wasser gelöst.
Hebt man sie mit Sorgfalt gegen Vermischung mit der obern mittelst eines Hebers
heraus und unterwirft sie einer Destillation, so findet sich im Destilat Aether, der
zuerst übergeht, und eine beträchtliche Menge Wasser. Es ist eine Verbindung von
Aether, Wasser und Gerbsäure, vielleicht eine solche von gerbsaurem Aethyloxyd mit
Gerbsäurehydrat. Eine Lösung von Gerbsäure in Wasser kann man neben den beiden
beschriebenen erhalten, wenn man der aus zwei Schichten bestehenden Flüssigkeit
etwas mehr Wasser zusetzt, als der Aether aufnehmen kann. Diese Lösung, nur sehr
wenig Aether enthaltend, lagert sich zwischen die beiden anderen, sie ist eine
Lösung von Gerbsäure in ätherhaltigem Wasser.