Titel: | Einige Düngungsversuche für Runkelrüben; von Dr. C. Stammer. |
Autor: | Karl Stammer [GND] |
Fundstelle: | Band 157, Jahrgang 1860, Nr. CXIII., S. 454 |
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CXIII.
Einige Düngungsversuche für Runkelrüben; von Dr.
C. Stammer.
Stammer, einige Düngungsversuche für Runkelrüben.
Allgemein anerkannt ist der Werth zuverlässiger Culturproben, genauer Ermittelungen
über die Wirkung verschiedener Düngmittel auf verschiedenen Bodenarten und Pflanzen;
für keine Industrie sind sie bedeutungsvoller wie für die Rübenzuckerfabrication. Weniger gewürdigt sind
die Schwierigkeiten, welche sich solchen entgegenstellen und die Methoden der
Versuche, welche dieselben allein zu wahrhaft fruchtbringenden machen können. Es ist
wohl zunächst die erforderliche Ausdehnung des Versuches,
welche meistens nicht hinreichend berücksichtigt zu werden pflegt. Wer sich viel mit
Rübenuntersuchungen beschäftigt hat, der weiß welche Verschiedenheiten im
Zuckergehalt, in der Größe u.s.w. zwischen einzelnen Rüben desselben Feldes vorkommen, veranlaßt durch Ungleichheit des Bodens, des
Samens oder durch andere meist unerkennbare locale Umstände. Soll daher eine
richtige Erkenntniß der Wirkungen einzelner Düngerarten gewonnen werden, so muß der
Versuch auf eine so große Oberfläche Landes ausgedehnt werden, daß die einzelnen
Unterschiede in der Masse verschwinden und diese einen wahren Durchschnittsertrag
darstelle. Außerdem sollte man nicht etwa einzelne Rüben zur Untersuchung ziehen,
sondern es muß so viel wie möglich das ganze auf dem Versuchsfeld erbaute Quantum
zur Bewirkung eines richtigen Durchschnittes zugleich und von dem erzielten Safte
eine richtig gewählte Probe untersucht werden. Hieraus folgt einerseits, daß die
einzelnen Versuche mindestens einen Morgen Land begreifen müssen, damit ein Quantum
von 100 bis 200 Centnern Rüben erzielt werden kann, und andererseits, daß solche
Versuche sich nur in der unmittelbaren Nähe von Zuckerfabriken anstellen lassen. Das
ist noch nicht Alles: Nicht immer erlaubt es die Einrichtung der Fabrik, Quantitäten
von 100–200 Centnern von einem Morgen nach einander und getrennt zu
verarbeiten, sondern es zwingen die Störungen, welche selbst so kleine Versuche
begleiten, nicht selten zum Unterlassen derselben. Es handelt sich ferner bei
Düngungsversuchen entweder um Vergleichung der Wirkung mehrerer Arten Dünger auf demselben Boden, oder um Vergleichung des Ertrages
mehrerer Bodenarten unter Benutzung desselben Düngers. Der Vergleich verschiedener
Bodenarten mit verschiedenem Dünger kann dann erst in zweiter Linie erschlossen und die Schlüsse hierauf durch specielle
Versuche bestätigt werden. Wollte man hingegen mit diesen letzten Versuchen
beginnen, so wäre kein Ende der möglichen Combinationen und keine Ordnung in den
allzu zahlreichen Möglichkeiten gegeben. Verschiedene Dünger für denselben Boden
erfordern aber vor Allem ein größeres Feld von gleichförmiger Beschaffenheit, was in
der Lage wie es bei der Ernte während der Verarbeitung berücksichtigt werden muß,
nicht immer zu finden seyn wird. Verschiedene Böden für gleichen Dünger dürften sich
bei den zahlreichen Abstufungen noch schwieriger auswählen lassen. Erwägt man nun
noch, daß nur Versuche mit allgemein und praktisch anwendbaren Düngersorten einen
allgemeinen Werth haben
und daß für die Rüben außer der Quantität des Ertrages
auch noch ganz besonders der absolute und der relative Zuckergehalt von Wichtigkeit ist, so zwar, daß
nur die Kenntniß dieser drei Factoren gleichzeitig von Interesse ist:
so folgt aus allem dem: erstens, daß diese Versuche sich
nur langsam und im Laufe der Zeit zu hinlänglichem Material ansammeln werden, zweitens, daß noch vor vollständiger Erschöpfung des
Gegenstandes einzelne Schlüsse aus einzelnen Versuchsreihen mit Sicherheit gefolgert
werden können (wenn man nicht mehr schließen will, als was mit Nothwendigkeit geschlossen werden kann!), und endlich drittens,
daß von den vielen Proben und Pröbchen, die bisher – für Rübenbau –
bekannt wurden, nur sehr wenige die Bedingungen in sich vereinigen, die daraus
Nutzbares erkennen lassen. Versuche, welche sich auf einige Quadratfuß Land
erstrecken, oder wenn es je einmal hoch geht, eine ganze Quadratruthe umfassen,
haben nach dem Gesagten wenig Werth, da der Fehler bei der Berechnung auf große
Strecken allzusehr multiplicirt wird! Noch geringere Wichtigkeit haben
Untersuchungen, die nur den absoluten Zucker- oder gar Rübenertrag
nachweisen; jeder Zuckerfabrikant weiß, daß es zwei Rüben von ganz gleichem Zuckergehalt geben kann, von denen die eine
vorzüglich genannt werden muß, während die andere wegen ihres hohen Salzgehaltes gar
nicht verarbeitet werden kann. Versuche über die Anwendung von Potasche,
Latrinendünger, Kalksalpeter und anderen auf großen Strecken nicht anwendbaren
Stoffen, haben ebenfalls nur untergeordneten Werth.
Endlich ist nicht zu vergessen, daß der Einfluß der verschiedenen
Witterungsverhältnisse die verschiedensten Ergebnisse hervorruft, und daß also die
jedesmal gewonnenen Resultate auch in dieser Beziehung nur relative Richtigkeit
haben, man daher nicht erwarten darf, auch in anderen Jahren unter jeden Umständen
Gleiches zu erzielen.
Wenn ich es nun nach so vielen Beweisen für die Schwierigkeiten, die den
Düngungsversuchen entgegenstehen, dennoch wage über einige derselben Bericht
abzustatten, so soll damit nichts weniger gesagt seyn, als daß dieselben von allen
Fehlern frei und durchaus maaßgebend seyen. Ich werde vielmehr noch einige in dem
oben Gesagten nicht hervorgehobene Umstände anführen, die den zu beschreibenden
Versuchen einen etwas geringeren Werth geben, als sie ursprünglich haben sollten.
Habe ich aber einerseits einige der oben bezeichneten Fehler vermeiden können, so
sollen andererseits nur solche Schlüsse gezogen werden, die für die Verhältnisse
passen. Dessen ungeachtet hoffe ich, daß diese Proben einen neuen Beitrag zu dem sich
ansammelnden Material bilden und vielleicht hier oder da Anhaltspunkte zu weiteren
Versuchen, wie sie eben die Umstände erlauben, bieten werden.
Das benutzte Versuchsfeld war 8 preußische Morgen groß, und in eben so viele gleiche
Theile durch scharf und tief gezogene Furchen abgetheilt, die beim Anbau ohne Samen
belassen wurden. Der Boden war ein humusreicher und leichter, von derjenigen
Beschaffenheit, wie er besonders in Schlesien als vorzüglicher Rübenboden gilt; der
Untergrund war sandig, die Beackerung eine seit längerer Zeit ganz vortreffliche.
Auf demselben Felde waren seit den letzten sechs Jahren ununterbrochen Rüben gebaut
worden; obgleich dabei verschiedene Dünger angewandt waren, so hatte doch der Ertrag
in den letzten Jahren nicht befriedigt, wozu aber auch der Umstand beitrug, daß
localer Verhältnisse wegen das Feld spät bestellt und die Rüben früh geerntet werden
mußten.
Letzterer Umstand nun fand auch im Herbste 1859 statt, wo die spätere Ernte allgemein
einen weit bessern Ertrag lieferte, wie denn dieses Feld ganz besonders unter dem
Einflusse des außerordentlich trockenen Sommers gelitten hatte. Es ist daher der
Ertrag sämmtlicher 8 Morgen wenigstens der Zuckermenge nach ein sehr
unbefriedigender, und es bleibt zweifelhaft, welcher Theil des Ausfalles auf die
frühere, fortgesetzte Rübenbestellung und welcher auf die Witterungs- und
Zeitverhältnisse zu schreiben ist. Dagegen bleibt der Vergleich der einzelnen Dünger und des ungedüngten Bodens unbestreitbar
richtig, und so wenig der absolute Ertrag zu
berücksichtigen ist, so interessant ist das relative
Verhältniß der einzelnen Theile.
Ungedüngt blieben 2 Morgen, an jeder Seite des Versuchsfeldes einer; als Dünger waren
nur einige Stoffe zu berücksichtigen, die als Nebenproducte der Fabrik von
besonderem Interesse seyn mußten, nämlich Rückstände von der Maceration der Rüben
mit heißem Wasser, angewandt in verschiedenem Verhältniß, Melasse, Knochenmehl mit
Schwefelsäure aufgeschlossen, Kalk aus dem Reiniger der Holzgasfabrication.
Wie schon angedeutet, wurden die Rüben der einzelnen Feldabtheilungen zu einer für
die vorangegangenen Witterungsverhältnisse etwas zu frühen Zeit – in den
letzten Tagen des September – herausgenommen, das Gewicht für jeden
Morgenertrag, unter Abzug der Abfälle bestimmt und jedes Quantum für sich allein auf
die Reibe gebracht, so daß es leicht war von Zeit zu Zeit richtige
Durchschnittsproben zu machen. Diese prüfte ich dann mit einem Balling'schen Aräometer und hierauf mit einem Ventzke'schen Polarisationsinstrumente. Die in der folgenden Tabelle gegebenen
Zahlen bedeuten demnach Procente des Saftes, nicht der
Rüben. Uebereinstimmend mit der im Allgemeinen ungünstigen Qualität des Saftes zeigt
sich derselbe in der weitern Verarbeitung, so weit die Scheidung Aufschluß darüber geben kann, ebenfalls von geringer Güte; indeß
konnten mit Ausnahme des Stückes IV, dessen Rübensaft sich besonders schlecht
schied, bestimmte Unterschiede nicht wahrgenommen werden.
Noch muß ich hervorheben, daß das Stück V einen nur
anscheinend geringen Ertrag geliefert hat. Es fand sich nämlich auf demselben eine
ziemlich große, unregelmäßig begrenzte Stelle, welche fast gar keine Rüben
hervorbrachte, und die sich während des ganzen Wachsthums durch die Kleinheit der
Rüben und Rübenblätter auszeichnete. Die Ursache hiervon war eine sehr große Anzahl
der von Dr. Schacht auch
anderwärts beobachteten Nematoden, welche mit dem Mikroskope deutlich als dieselbe
erkannt wurde, die Dr. Schacht beschrieben hat. Wie es kommt, daß die Entwickelung dieser, das
Wachsthum der Rüben fast gänzlich zerstörenden Thiere sich nur an dieser Stelle und
zwar in einem von Anfang an ziemlich bestimmt begrenzten Umfange zeigte, habe ich
nicht ermitteln können.
Hierdurch fällt der Erfolg des Stückes V aber gegen die
übrigen um so viel zu niedrig aus, und man greift gewiß nicht weit fehl, wenn man
die Quantität seines Ertrages derjenigen von Nr. VII gleich hoch annimmt.
Nach diesen Bemerkungen lasse ich die Resultate der einzelnen Feldstücke folgen:
Textabbildung Bd. 157, S. 458
Nr. des Feldstücks. 1 preuß. Morgen
groß; Düngungsart; Ertrag ar. Rüben in preuß. (Zoll-) Ctrn; Gehalt des
Saftes nach der Fabrikprobe; Proc. Ball; Proc. Pol; Zuckergehaltsquotient;
Bemerkungen; Ungedüngt; Macerationsrückstände v. 500 Centner Rüben;
Macerationsrückstände v. 200 Ctr. Rüben und 8 Ctr. Melasse (nach dem Verdünnen
gleichförmig vertheilt); Macerationsrückstände v. 300 Ctr. Rüben.; 22 Ctr.
Melasse, nach dem Verdünnen gleichm. vertheilt; 5 Ctr. aufgeschlossen.
Knochenmehl; 12 Scheffel Kalk aus dem Reiniger der Holzgasfabrik; Ungedüngt;
Mittel der beiden ungedüngtens
Dieser Bruch, mit 100 multiplicirt, gibt die Procente Zucker von der gelösten
Substanz.
Diese Quantität Melasse, so wie die Substanzen bei II, III und IV sind so
bemessen, um dem Boden die zu einer Ernte erforderlichen Salze in größerer
oder geringerer Menge zuzuführen.
Aus diesen Zahlen dürfte sich unter Berücksichtigung des früher Gesagten etwa
Folgendes schließen lassen:
Mit Ausnahme von V sind sämmtliche in diesen Düngern, die
doch bestimmt der Natur der Rüben entsprechen, gewachsenen Rüben an Qualität geringer als die auf ungedüngtem Boden
gezogenen, während die Quantität überall, bei II sogar um
fast die Hälfte, höher steht. Mit Ausnahme dieses Feldes V fand also überall die höhere Production auf Kosten der Qualität statt, und wird Nr. V, wenn wir dafür den Ertrag zu 174 Centnern
annehmen, jedenfalls den ersten Rang behaupten. Hernach steht der Qualität nach Nr.
VII am nächsten, so daß man aus beiden Fällen den sehr wichtigen Einfluß der Salze
ersehen wird. Es stand nämlich offenbar der Rübenernte auf diesem Felde dessen
Erschöpfung in Bezug auf Kalisalze entgegen, die es durch wiederholte Rübenernten
erlitten hatte. Diese Salze, durch 22 Centner Melasse zugeführt oder durch den Kalk
aufgeschlossen, haben den Ertrag bei V und VII so sehr erhöht. Das sonst so wirksame
Knochenmehl konnte wegen Mangels an diesen Salzen keine gleiche Wirkung
hervorbringen und die Macerationsrückstände enthalten offenbar zu wenig Salze. Der
enorme Ertrag bei II wird schon durch den geringen Quotienten 0,76 herabgestimmt und
Nr. IV konnte nur noch Geringeres erreichen.
Indem es nun bekannt ist, daß ein Zuviel von Salzen nachtheilig wirkt, ist hier die
schädliche Wirkung von Dünger ohne Salze wenigstens als
eben so schlimm erwiesen, und möchte durch gehöriges Bemessen der Kalisalze in Form
von Melasse oder Melassenschlempe – ein Zuviel ist da wohl schwerlich zu
befürchten – das richtige Verhältniß in späteren Versuchen zu ermitteln seyn.
Diese würden sich zunächst bei einem andern Felde, nach Vorgang anderer als
Rübenernten, auf einen Vergleich von Melasse (Schlempe), mit Rübenrückständen oder
ohne dieselben, und auf Gaskalk in Vergleich zu Oelkuchen und zu animalischem Dünger
auszudehnen haben, und dabei zugleich ein richtigeres Urtheil über absoluten Ertrag
und durch spätere Ernte und bei hoffentlich besserer Witterung über erreichbare
beste Qualität zu gewinnen seyn.