Titel: | Ueber den Kolben-Exaustor von G. Kuhn, Maschinenfabrik in Stuttgart-Berg; Bericht von O. Kreusser, Director der Gasanstalt zu Stuttgart. |
Fundstelle: | Band 158, Jahrgang 1860, Nr. III., S. 17 |
Download: | XML |
III.
Ueber den Kolben-Exaustor von G. Kuhn, Maschinenfabrik in
Stuttgart-Berg; Bericht von O. Kreusser, Director der Gasanstalt zu
Stuttgart.
Aus dem Journal für Gasbeleuchtung, September 1860, S.
317.
Mit Abbildungen auf Tab.
I.
Kuhn's Kolben-Exaustor.
Bei der vorjährigen Versammlung deutscher Gas-Fachmänner wurde die Frage wegen
Exhaustoren in Anregung gebracht und fanden darüber Besprechungen statt; das
Ergebniß derselben war, daß es am besten sey, ohne Exhaustor zu arbeiten und das
Röhrensystem so weit anzulegen, daß möglichst geringer Druck entsteht, und erkläre
ich mich hiemit im Allgemeinen einverstanden. Allein selbst in derartig angelegten
Gasanstalten ist es unmöglich, den Druck auf die Retorten ohne Exhaustoren auf ein
Minimum zu reduciren, und wird der Druck bei gesteigerter Production sich
verhältnißmäßig steigern und dadurch die Dichtung der Thonretorten erschweren, sowie
die Ausbeute an Gas vermindern.
Ein großer Theil der bestehenden Gasanstalten und namentlich die in größeren Städten
sind mm aber seit 10 bis 20 Jahren angelegt und im Betriebe; diese Anstalten wurden
alle den damaligen Ansichten über Ausdehnung eines Gaswerkes entsprechend angelegt;
allein die mehr und mehr zum nothwendigen Bedürfniß gewordene Anwendung des Gases
hat diese Anlagen vielfach unzureichend gemacht, und mußten wenigstens in
Süddeutschland, dessen Verhältnisse mir näher bekannt sind, seit Jahren große
Ausgaben für Erweiterungen nach allen Richtungen gemacht werden, allein ohne
vollständigen Neubau der ganzen Anstalt ist eine Aenderung des
Hauptcanalisationssystems bei fortwährendem Betriebe beinahe unmöglich und gestattet
dieß die Concessionsdauer öfters nur in beschränktem Maaße.
Gleich anderen Anstalten haben wir auch seit vier Jahren mit Thonretorten zu arbeiten
begonnen und die verschiedensten Einmauerungen der Retorten und Constructionen der
Oefen gemacht; allein die Versuche fielen weniger günstig als anderwärts aus, und
hatten wir bei dem bestehenden 6zölligen Röhrensystem und bei einer Production,
welche in den letzten Jahren von 70000 auf 160000 Kubikfuß in 24 Stunden gestiegen
ist, so unendliche Schwierigkeiten mit Verdichtung der Thonretorten und
Graphitansatz, daß wir eiserne Retorten beibehalten mußten. Wir beschäftigten uns seit Jahren mit
Abhülfe, um Thonretorten mit mehr Vortheil anwenden zu können, allein die in
Mannheim und Mainz fungirenden Beal'schen Exhaustoren mit
Glockenregulator schienen uns theils nach den Erfahrungen dieser HHrn., theils nach
eigener Anschauung zu wenig Sicherheit für einen geregelten Betrieb zu bieten, ohne
durch fortwährende Ueberwachung zu kostspielig zu werden.
Nach den ausführlichen Mittheilungen des Hrn. Schiele in
Crefeld, namentlich seiner Beobachtungen in England, sowie der HHrn. Schilling in München und Elster in Berlin und nach wiederholten Besprechungen und den
unausgesetzten Bemühungen der Herren Böhm, Grüner und Kuhn in Berg wurde schließlich ein Plan für einen solchen
doppeltwirkenden Kolbenexhaustor mit 2 Pumpen und einem Umgangsrohr mit
Sicherheitsklappe entworfen, der allen Anforderungen für einen geregelten Betrieb zu
entsprechen schien, und ist derselbe in folgender Weise construirt.
Der Kolbenexhaustor, Fig. 12–14, in seiner Form einer
doppeltwirkenden Pumpe ähnlich, saugt beim Auf- und Niedergang des Kolbens
A aus der Vorlage das in den Retorten producirte Gas
durch die Klappenöffnungen B, B an und drückt es durch
die Oeffnungen C, C nach den Reinigern, resp.
Gasometern; mithin ist die Wirkung desselben mit der einer gewöhnlichen Pumpe für
den Fall übereinstimmend, daß die Production in den Retorten gleich der
Leistungsfähigkeit des Exhaustors ist; findet aber
1) momentan eine übergroße Gasentwickelung statt, so daß der Exhaustor die
entstehenden Gase nicht bewältigen kann, so werden sich durch den entstehenden Druck
in den Retorten die Saug- und Druckklappen B, B
und C, C so lange unabhängig von der Kohlenbewegung
öffnen, bis in Folge der hiedurch möglichst freien Gasentweichung nach dem Gasometer
der Druck sich entsprechend reducirt hat.
Zu Vermeidung des Vacuumsaugens ist aber
2) die Klappe D mit der Saugrohrleitung E und dem Druckrohre F in
der Weise in Verbindung gesetzt, daß dieselbe sich von der Druckrohrleitung nach dem
Saugrohr hin öffnen kann. Die mit der Klappe verbundene Welle G trägt den doppelarmigen Hebel H an den nach
Bedürfniß ein Regulirungsgewicht gehängt werden kann.
Ist nun die Gasentwickelung so gering, daß der Exhaustor verhältnißmäßig zu viel
schafft, mithin die Spannung in den Retorten zu sehr vermindert wird, so wird ein
Theil des Gases, welches bereits fortgeschafft war, indem es durch seinen Druck die
Klappe D öffnet, in die Saugrohrleitung zurücktreten und
auf diese Weise das Gleichgewicht wieder herstellen. Ein derartiger Exhaustor ist seit Ende October
1859 in der Stuttgarter Gasanstalt aufgestellt und bis heute in unausgesetzter
Thätigkeit; für die Ueberwachung genügte ein Arbeiter, welcher nebenbei Dampfkessel,
Maschine und 4 nasse Kalkreiniger zu überwachen hat.
Die Ausbeute an Gas aus Saarer Heinitzstückkohlen, welche wir kaum auf einem
Durchschnitt von 400 Kubikfuß aus 100 Pfd. Zollgewicht zu unterhalten vermochten,
erhöhte sich sofort auf 450 bis 460 Kubikfuß und stieg in den Monaten Januar bis
heute unter Verarbeitung von Saarer Duttweilerstückkohlen fortwährend bis zu einem
monatlichen Durchschnitt von 517 Kubikfuß, was wir aus unseren Fabricationsbüchern
nachweisen können.
Es ist wohl richtig, daß das zur Konsumtion gelieferte Gas specifisch leichter als
früher war; dessenungeachtet hat sich dessen Leuchtkraft nur ganz wenig vermindert
und mag eine geringere Ausbeute von Theer oder eine vollständigere Aufnahme des
Kohlenstoffes dieß ausgeglichen haben; wir hatten gegen frühere Jahre einen ganz
unbedeutenden Absatz von Theer in der Canalisation und den Gasmessern bei Privaten.
Mehrere Gasfachmänner als: Hr. Schilling aus München, Hr.
Bonnet aus Augsburg, Hr. Dölling aus Lahr und Hr. Professor Colladon aus
Genf, welche uns im Laufe des Winters einen Besuch machten, äußerten sich
befriedigend über die gute Qualität des Gases.
Nach Aufstellung des Exhaustors konnten wir die Tauchung der Aufsteigröhren in der
Vorlage auf 1/2 Zoll vermindern und arbeiteten während des ganzen Winters
ununterbrochen mit dem Exhaustor bei gleicher Geschwindigkeit und einer Production
zwischen 70000 und 160000 Kubikfuß in 24 Stunden ohne die Belastung der
Sicherheitsklappe verändern zu müssen. Der Druck von dem Exhaustor war immer auf 0
und schwankte bei dem Gange beider Pumpen nur 2 Linien über und unter dem
Nullpunkte, während der Druck nach dem Exhaustor von 3 bis zu 8 Zoll sich
steigerte.
Die aufgestellte Gasuhr und die nur 4 Zoll weiten Einströmungsröhren erhöhten beim
früheren Betriebe nicht nur den Druck, sondern verursachten auch durch Ablagerung
von Theer unendliche Schwierigkeiten und Störungen; durch den Exhaustor aber hatten
wir in diesem Winter nicht die geringste Störung im Betriebe; die Dichtung der
Thonretorten gieng schnell und andauernd von Statten, der Graphitansatz war sehr
unbedeutend und betrug bei ovalen Keller'schen Retorten
innerhalb 6 Monaten kaum 1/4 Zoll, ebenso zeigte sich nie eine Verstopfung der
Aufsteigröhren noch eine Entleerung der Vorlage oder Apparate oder ein Rückschlagen
des Gases aus der
Vorlage; es kam wohl durch Abgleiten der Riemen ein plötzliches Stillstehen des
Exhaustors vor, ebenso wie beim Reinigen der Dampfmaschine. Das Gas strömte aber
ungehindert durch den Exhaustor, da sich Saug- und Druckklappen bei einem
Druck von 2 1/2 Zoll öffnen. Der Exhaustor erfordert beim höchsten Betriebe 1,6
Pferdekräfte und ist mit Stufenrollen versehen und auf eine Leistungsfähigkeit von
300000 Kubikfuß in 24 Stunden construirt, leistet aber bestimmt um die Hälfte mehr,
da mit der niedrigsten gleichen Geschwindigkeit 70 bis 160,000 Kubikfuß in 24
Stunden gesaugt wurden (27 Umdrehungen in der Minute). Der Beal'sche Exhaustor leistet gewöhnlich nur 2/3 des berechneten Quantums
und ist dessen Regulirung sehr zeitraubend und unsicher; überdieß ist derselbe durch
die nothwendige große Geschwindigkeit sehr der Abnutzung ausgesetzt.
Die von einigen Seiten ausgesprochene Befürchtung, es werden die Klappen durch Ansatz
von Theer oder Naphthalin unregelmäßig functioniren, ist durch die Construction
verhindert, da dieselben auf scharfer Kante abschließen, und muß alle Flüssigkeit
vermöge der erhöhten Lage zurücklaufen, in der Pumpe selbst ist der sogenannte todte
Raum auf ein Minimum reducirt und Ablagerung deßhalb unmöglich; diese Voraussetzung
hat sich auch nach 6 monatlichem Betrieb vollkommen bestätigt und haben wir bei
dessen Oeffnung einen ganz unbedeutenden Ansatz von Theer gefunden, welcher übrigens
ganz weich und leicht zu entfernen war; alle Theile wurden genau geprüft und hat
sich keinerlei Abnützung gezeigt.
In Gegenden, wo der Winter strenge Kälte hat, ist dessen Aufstellung in einem
geheizten Locale nothwendig; hier genügte während des letzten anhaltenden und
strengen Winters eine einfache Umhüllung mit Dünger. Die Anschaffungskosten für
diesen Exhaustor betrugen 3000 fl. Sie hat hier wenigstens durch das erzielte
Resultat eine schnelle Amortisation ermöglicht. Ein Reservedampfkessel ist an Orten,
wo das Speisungswasser öftere Kesselreinigung bedingt, sehr wünschenswerth.
Zu allenfallsigen weiteren Notizen bin ich und Hr. Böhm
mit Vergnügen bereit und können wir die Anfertigung dieses Exhaustors durch Hrn. G.
Kuhn in Berg, welcher sich diese Maschine patentiren
ließ, als einen erprobten Maschinenbauer nach gemachter Erfahrung bestens
empfehlen.
Nachstehend füge ich noch einen Kostenanschlag für verschiedene Größen nebst
Gestellen und Schieberventilen bei:
1.
1 gekuppelter Kolben-Exhaustor zu 400000 Kubikfuß engl.
in24 Stunden
1635 fl.
1 gußeisernes Gestell
495 fl.
2.
a.
1 gekuppelter Kolben-Exhaustor zu 300000 Kubikfuß engl.
in24 Stunden auf ein eisernes Gestell
1290 fl.
1 eisernes Gestell
427 fl.
b.
1 Kolben-Exhaustor wie oben auf ein Holzgestell
1320 fl.
3.
1 Kolben-Exhaustor gekuppelt zu 120000 Kubikfuß engl.
in24 Stunden auf ein eisernes Gestell
1100 fl.
1 eisernes Gestell
320 fl.
4.
1 Gasschieber
1 St. à 14''
100 fl.
1 St. à 12''
88 fl.
1 St. à 8''
60 fl.
Sämmtliche Exhaustoren ohne Röhren, die Preise verstehen sich loco Berg.