Titel: | Hahnsteuerung für beliebige Expansionsgrade, mit gänzlicher Beseitigung des einseitigen Dampfdruckes; von F. Chelius. |
Autor: | F. Chelius |
Fundstelle: | Band 158, Jahrgang 1860, Nr. XX., S. 88 |
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XX.
Hahnsteuerung für beliebige Expansionsgrade, mit
gänzlicher Beseitigung des einseitigen Dampfdruckes; von F. Chelius.
Mit Abbildungen auf Tab.
II.
Chelius' Hahnsteuerung für beliebige Expansionsgrade.
Die beträchtliche Anzahl Steuerungen für Dampfmaschinen, welche man in den
verschiedenen Werken angegeben und beschrieben findet, beweist einestheils, daß dieses Capitel
für die Dampfmaschinentechnik von größerer Wichtigkeit ist als man bei
oberflächlicher Betrachtung wohl zu glauben geneigt ist, anderntheils aber auch, daß
die bisher angewendeten Steuerungen den an sie gestellten Anforderungen nicht ganz
entsprechen.
Es sey mir gestattet, kurz die Bedingungen, denen eine gute Steuerung Genüge leisten
muß, in Folgendem zusammen zu fassen:
1) muß das Oeffnen und Schließen der Dampfcanäle und zwar für beliebige
Expansionsgrade im richtigen Momente bewirkt und letztere hinreichend geöffnet
werden, um das Durchströmen des Dampfes nicht unnöthig zu erschweren, und dadurch
Arbeitsverluste zu erzeugen;
daß die verschiedenen Abschlußflächen dampfdicht schließen müssen, um keine
Dampfverluste zu gestatten, ist selbstverständlich;
2) muß das Umstellen der Steuerung für die verschiedenen Expansionsgrade während des
Ganges der Maschine geschehen können;
3) darf die Steuerung keine bedeutende Kraft zur Bewegung erfordern, da andernfalls
die Leistungsfähigkeit der Maschine herabgezogen wird, und die bewegten Theile zu
rasch verschleißen. Der steuernde Theil muß also entlastet seyn;
4) die bewegten Theile dürfen keiner zu starken Abnutzung unterworfen seyn, sey es
durch einseitigen Dampfdruck, sey es durch die complicirte Construction einzelner
Theile;
5) darf der Apparat nicht zu complicirt seyn, so daß ein gewöhnlicher Arbeiter damit
manövriren kann;
6) endlich darf der Mechanismus nicht schwierig und kostspielig herzustellen
seyn.
Die Ventilsteuerung ist die einzige mir bekannte Steuerung welche diesen
Anforderungen, mit Ausnahme der unter 6 bezeichneten, genügt. Die anderen, wie z.B.
die im Uebrigen vortreffliche Meyer'sche Steuerung, haben
den Mangel des einseitigen Dampfdruckes oder sie gestatten keine verschiedenen
Expansionsgrade.
Die neue nun zu beschreibende Hahnsteuerung hat den Zweck, den oben aufgestellten
Anforderungen sämmtlich zu genügen, und eignet sich hauptsächlich für große langsam
gehende Maschinen:
Sie ist abgebildet in:
Fig. 1 im
Querschnitt nach αβ,
Fig. 2 im
Längenschnitt nach γδ,
Fig. 3 im
Horizontalschnitt nach εη.
Fig. 4 und
5 geben
die beiden Steuerexcenter mit dem damit verbundenen Mechanismus zum Verstellen des
einen derselben.
Fig. 6 und
7 stellen
die Steuerung in verschiedenen Positionen dar.
Fig. 8 gibt
die Hähne in größerem Maaßstabe, in 1/4 natürlicher Größe.
Fig. 9, 10 und 11 geben die
Diagramme der Steuerung in 1/2 der natürlichen Größe.
Der Maaßstab für die Figuren 1–7 ist 1 : 24, und die
Dimensionen entsprechen einer Maschine von 120–125 Pferdekräften.
Der Mechanismus besteht nun aus folgenden Theilen:
An den Cylinder A ist eine runde Hülse a, a angeschraubt, welche die Fortsetzung der an den
Cylinder angegossenen Dampfcanäle b, b und c bildet, sowie sie die Dampfzuführung durch das Rohr
d enthält; nach Unten und Oben ist die Hülse
geschlossen durch zwei Deckel, welche die nöthigen Stopfbüchsen zum Durchlassen der
Steuerachsen enthalten. Der Dampf gelangt aus dem Rohr d
durch die Astverzweigungen d₁, d₁ in das Innere der nun zu betrachtenden
Hahnkörper.
Der erste direct in der Hülse steckende und an diese dampfdicht anschließende
Hahnkörper enthält die Aushöhlung e für den verlorenen
Dampf, ähnlich wie ein gewöhnlicher Muschelschieber, ferner noch zwei Schlitze f, f, welche nach Oben und Unten durch Stege g, g dampfdicht gegen die Hülse geschlossen sind.
Diametral diesen Theilen gegenüber sind die entsprechenden Theile e₁, f₁, f₁ angebracht.
In diesem Hahnkörper liegt nun nochmals ein hahnartiger Theil, der oben und unten
durch einen completen Ring h, h gegen den erstern
dampfdicht anliegt, sowie beide durch zwei Stege i, i
verbunden sind; auch diese Stege schließen dampfdicht gegen den ersten
Hahnkörper.
Das Spiel dieses letztern Hahns wird bewirkt durch die Achse k, mittelst des Hebels l, der von einem
Excenter seine Bewegung erhält. Die Achse k ist in den
an den Hahnkörper angegossenen beiden Kreuzen festgekeilt.
Der den eben beschriebenen Theil umfassende Hahnkörper, welchen wir den
Vertheilungshahn nennen wollen, wird durch eine Hülse m,
m, welche zum Durchlassen des Dampfes mit entsprechenden Durchbrechungen
versehen und an denselben festgeschraubt ist, ebenfalls mittelst eines Excenters und
Hebels bewegt. Zwei Stopfbüchsen verhindern das Entweichen des Dampfes.
Die Position des Vertheilungshahns kann durch zwei Stellringe o, o vermittelst der Stellschrauben p, p genau
regulirt worden; der untere Stellring liegt direct gegen den Hahnkörper an, der
obere gegen die an denselben angeschraubte Hülse m, m.
Die Stellung des in dem Vertheilungshahn liegenden Hahnkörpers, welchen wir den Expansionshahn
nennen wollen, kann mittelst der beiden Stellschrauben q,
q genau regulirt und fixirt werden.
Die Wirkungsweise der Steuerung gestaltet sich nun folgendermaßen:
Denkt man sich den Expansionshahn h, i ganz weg, so wird
der Vertheilungshahn e, f, g ähnlich wie ein
gewöhnlicher Muschelschieber die Dampfvertheilung bewerkstelligen. Dreht man
denselben in Fig.
3 z.B. in der Richtung des Pfeils, so wird, wie Fig. 6 zeigt, der eine
Dampfcanal frei, während der andere mit dem verlorenen Dampfrohr in Verbindung
gesetzt wird. Der Kolben bewegt sich offenbar auch in der Richtung des Pfeils. Dreht
man den Hahn nach der andern Seite, so findet das Entgegensetzte statt.
Auf diese Bewegung des Vertheilungshahns durch ein Excenter kommen wir später
nochmals Zurück.
Die eben erläuterte. Steuerung wird nun durch den Expansionshahn h, i modificirt. Dieser wird nämlich durch ein zweites
Excenter ebenfalls in eine oscillirende Bewegung versetzt, welche bewirkt, daß die
Stege i, i abwechselnd die eine oder andere der
Schlitzöffnungen f, f des äußern Hahns verschließen oder
öffnen. Ist eine derselben geschlossen, wie in Fig. 7, so ist der
betreffende Canal für die Dampfzuströmung ebenfalls geschlossen und der Dampf muß
nun durch Expansion arbeiten. Durch eine passende Anordnung des
Expansions-Excenters kann man nun das Schließen und Oeffnen der Schlitze f, f durch die Stege i, i
bewirken, wenn der Kolben einen beliebigen Weg zurückgelegt hat; sonach hat man es
in der Hand, mit einem beliebigen Expansionsgrade zu arbeiten. Wie die Dimensionen
und Verhältnisse zu wählen sind, um diese Erfordernisse zu realisiren, kann durch
Construction und theoretische Betrachtungen oder durch Probiren an Modellen gefunden
werden, und kommen wir später hierauf ebenfalls zurück; vorläufig nur so viel, daß
das Hauptexcenter zur Bewegung des Vertheilungshahns einen bestimmten und constanten
Hub und Voreilungswinkel haben muß, daß das Expansionsexcenter zur Bewegung des
Expansionshahns zwar eine bestimmte constante Hubgröße haben muß, indessen der
Voreilungswinkel variabel, bei größerer Expansion größer, bei geringerer auch
geringer seyn muß; und dieser variable Voreilungswinkel ist die einzige
veränderliche Größe, welche bei dem ganzen Apparate sich vorfindet.
Sehen wir jetzt wie der Apparat die anderen Bedingungen, welche Eingangs aufgestellt
wurden, zu erfüllen im Stande ist.
Ad 3 und 4 ist zu bemerken, daß die Hahnkörper in
radialer Richtung ganz genau equilibrirt sind. Es sind nämlich in die Hülse a, a zwei Ruthen s, s
eingehobelt von der Breite und Länge der Dampfcanäle b,
b
und diesen diametral
gegenüber, welche mit letztem durch kleine Röhrchen in Verbindung stehen. Wie leicht
ersichtlich, hat man durch diese einfache Unordnung die einseitige Pressung des
Dampfes in radialer Richtung vollständig aufgehoben. Da die Höhlung e nach und nach auch mit Dampf sich anfüllen könnte, so
ist es gut, auch sie mit dem verlorenen Dampfrohr in Verbindung zu setzen.
In der Richtung der Hahnachse findet ein kleiner einseitiger Ueber- druck
statt, welcher, durch die conische Form der Hähne bedingt, sich nicht beseitigen
läßt; indessen ist derselbe nicht bedeutend, und fürs andere wirkt ihm das Gewicht
der Hähne entgegen, so daß derselbe auf ein Minimum reducirt werden kann.
Aus dem eben Gesagten folgt einfach, daß, da einseitige Pressungen des Dampfes nicht
vorkommen, die Theile sich nicht stark abnutzen und keinen großen Arbeitsbedarf zur
Bewegung erfordern können.
Ad 5. Was die Manipulationen betrifft, welche der
Maschinist zu vollführen hat, um einen andern Expansionsgrad zu erzielen, so sind
dieselben, wie wir später sehen werden, so einfach, daß von dazu erforderlicher
Intelligenz gar keine Rede seyn kann.
Ad 6. Die Anfertigung und Adjustirung anlangend, bemerke
ich nur Folgendes:
Da alle Theile entweder und hauptsächlich auf der Drehbank, oder aber auf der
Hobelbank bearbeitet werden können, so kommen sehr wenig Handarbeiten vor, und
müssen deßhalb die Herstellungskosten verhältnißmäßig gering ausfallen.
Das Adjustiren mittelst der Stellschrauben unterliegt keinen Schwierigkeiten und
dasselbe kann jederzeit mit Leichtigkeit revidirt werden.
Das Einzige, was man dieser Steuerung vorzuwerfen geneigt seyn dürfte, ist ein nicht
hinreichend – dampfdichter Verschluß der Abschlußflächen; indessen ist
solcher bei der in Rede stehenden Steuerung offenbar nicht schwieriger zu erreichen,
als bei den Wilson'schen Hähnen, die eine so bedeutende
Verbreitung gefunden haben; einmal adjustirt, halten die Sclußflächen aber
jedenfalls länger als bei irgend einer nicht entlasteten Steuerung.
Nach diesen Bemerkungen wollen wir zur genauen Untersuchung der Wirkungsart der
Steuerung hinsichtlich der Dampfvertheilung zurückkehren.
Hierzu eignet sich vor Allem das Verfahren mittelst des Zeuner'schen Diagrammes; daß sich dasselbe ebenso gut auf bogenförmig
schwingende wie auf geradlinig hin- und hergehende Bewegungen anwenden läßt,
bedarf wohl kaum der Erwähnung.
Die Bekanntschaft mit dieser trefflichen Methode voraussetzend, bemerke ich nur kurz
Folgendes:
In Fig. 9 ist
o der Anfangspunkt des Coordinatensystems xy, von dem aus eine Kreislinie beschrieben wird,
dessen Radius oa = der innern Ueberdeckung des
Vertheilungshahns ist, d.h. = der Entfernung αβ in Fig. 8. Der zweite mit
diesem concentrische Kreis hat den Radius ob = der
äußern Ueberdeckung des Vertheilungshahns, d.h. = der Distanz γδ in Fig. 8. Von dem
Durchschnittspunkt dieses Kreises mit einer der Coordinaten ist die Länge bd = der Weite der Dampfcanäle, also = αδ in Fig. 8 aufgetragen und
durch den Punkt d ist um o
ein dritter Kreis beschrieben.
Der Winkel yog ist = dem Voreilungswinkel des
Vertheilungsexcenter, und auf dem einen Schenkel ist von o aus die Länge og = der Excentricität
oder dem halben Excenterhub aufgetragen, In unserm Falle ist die Excentricität og = der äußern Ueberdeckung + der
Dampfcanalweite, also = αγ, in Fig. 8, so daß
also die Canäle in der günstigsten Excenterstellung eben nur für einen Moment ganz
geöffnet werden.
Ueber der Linie og als Durchmesser ist nun ein
Kreis geschlagen, der das Bild über die ganze Dampfvertheilung, wie solche der
Vertheilungshahn liefert, gibt.
Stellen nämlich die Radien aus o die Kurbelstellungen
vor, so bezeichnen bekanntlich die Längen dieser Radien von o bis zum Schnittpunkte mit dem über og,
beschriebenen Kreise die Ausweichungen des Vertheilungshahns aus seiner mittleren
Stellung, und die in Fig. 6 senkrecht schraffirte Fläche gibt unmittelbar die Eröffnung des
einen Dampfcanals für die betreffenden Kurbelstellungen.
In der Kurbelposition oe beginnt der
Dampfeintritt.
ox ist die Stellung der Kurbel im todten Punkte;
die Eröffnung des Dampfcanals, d.h. das lineare Voreilen ist also = fs.
Bei der Kurbelrichtung og ist der Canal für einen
Moment ganz geöffnet.
Ist die Kurbel in ok angelangt, so tritt die
Absperrung des Dampfes, d.h. Expansion ein.
ol stellt den Winkel der Compression des
Dampfes,
om den des Dampfentweichens und
on den des Contredampfes dar.
Somit ist die Dampfvertheilung des ersten Hahnkörpers leicht ersichtlich. Die
Dimensionen desselben lassen sich eben so leicht mit Hülfe dieses Diagrammes
bestimmen, indem man die einzelnen bestimmenden Größen (innere und äußere
Ueberdeckung, Excenterhub und Voreilungswinkel) so lange ändert, bis man eine den
Anforderungen entsprechende Steuerung erhält.
Der über og beschriebene Kreis gibt die Bewegung
des äußern Umfangs des Vertheilungshahns an; die Bewegung der innern Hahnfläche,
welche an dem Expansionshahnkörper anliegt, findet sich ähnlich.
Macht man nämlich in Fig. 10 wieder xog = dem
Voreilungswinkel und die Länge oy im Verhältniß
des innern Hahndurchmessers zum äußern kleiner als den halben Excenterhub, so gibt
der über og beschriebene Kreis die Bewegung des
Hahninnern an. Um dieß zu begründen, bemerke ich Folgendes:
Die innere Hahnfläche macht dieselbe Bewegung wie die äußere, nur daß der Weg den
dieselbe zurücklegt, im Verhältniß ihrer verschiedenen Durchmesser kleiner ist. Da
nun, wie leicht zu zeigen, in den über oy in Fig. 8 und 9 beschriebenen
Kreisen sich die Sehnen aus o, welche mit den
Durchmessern og dieselben Winkel einschließen,
verhalten wie die Durchmesser selbst und diese dasselbe Verhältniß haben, wie die in
Rede stehenden Hahnflächen, so drücken offenbar die Radien des Kreises og in Fig. 10 die Abweichung
der innern Hahnfläche aus ihrer mittleren Position aus, und wenn der Expansionshahn
stille stände, so würde die Fläche des Kreises og
ausdrücken wie weit bei den verschiedenen Kurbelstellungen die Kante ε des Vertheilungshahns sich unter den
Expansionshahn zurückgezogen hat, resp. die Verengung des Canals f an der innern Hahnfläche durch den Expasionshahn.
Nachdem so die Bewegung der innern an dem Expansionshahn anliegenden Fläche bestimmt
ist, können wir auch die Bewegung des Expansionshahns ins Auge fassen; vorher aber
sey es gestattet, noch Einiges voraus zu schicken:
Professor Dr. Zeuner behandelt
in seinen Schiebersteuerungen (Freiberg, 1858) die relative Bewegung zweier Schieber
über einander bei Untersuchung der Meyer'schen Steuerung.
Man findet, wie dort entwickelt, die relative Bewegung zweier Schieber gegen
einander, z.B. der durch die Kreise oy, und ob in Fig. 10 dargestellten
Bewegungen des Haupt- und Expansionsschiebers dadurch, daß man aus og als Diagonale und ob als Seite ein Parallelogramm obgh
construirt und über der Seite oh als Durchmesser
einen Kreis beschreibt. Dieser Kreis gibt dann die relative Bewegung der beiden
Schieber gegen einander an.
Kehren wir nun zu unserer Steuerung zurück.
In Fig. 10
gab, wie wir gesehen, der Kreis über og die
Bewegung der innern Fläche des Vertheilungshahns an, und beschreibt man mit od = der Canalweite εη in Fig. 8 einen Kreis aus o, so sieht man in welcher Weise die Canaleinströmung durch den
Vertheilungshahn verengt würde, wenn der Expansionshahn stille stände.
Ist nun ob = der Excentricität des
Expansions-Excenter und Winkel yob = dem
Winkel des Voreilens für dasselbe, so versinnlicht der Kreis über ob die Bewegung des Expansionshahns, und der über
der Seite oh des aus der Diagonale og und der Seite ob beschriebenen Parallelogrammes offenbar die relative Bewegung des
Expansionshahns gegen den Vertheilungshahn; sowie früher der Kreis über og die Verengung des Canals εη bei feststehendem Expansionshahn angab, so gibt jetzt der
Kreis über oh die Verengung, resp. den gänzlichen
Verschluß desselben an, wenn beide Hähne in Bewegung sind und die senkrecht
schraffirte Fläche gibt demnach die Eröffnung des Canals f an. Von dem Punkte l bis zum Punkte k, in welchen der Kreis über oh den mit od
beschriebenen Kreis schneidet, ist der Canal f
vollständig durch den Expansionshahn geschlossen. Ist nun Winkel xok in Fig. 10 = Winkel xok in Fig. 9, so ist offenbar
ok die Kurbelposition, bei welcher der
Vertheilungshahn den Abschluß des nach dem Cylinder führenden Canals bewirkt. Hat
demnach der Kreis um oh den mit od beschriebenen Kreis in einem Punkte l geschnitten, so darf er denselben zum zweitenmale erst
jenseits des Punktes k schneiden, da andernfalls der
Dampfzuströmcanal f in der Kurbelposition ol abgesperrt und wieder vor der Stellung in ok geöffnet würde; es würde also in diesem Falle
der Dampf nochmals nachträglich in den Cylinder einströmen.
Da die Parallelogramme ghob aus der constanten
Diagonale og und der constanten Excentricität ob als Seite construirt sind, so müssen alle
Spitzen h der verschiedenen Parallelogramme, welche man
bei den verschiedenen Voreilungswinkeln yob des
Expansionsexcenters construiren kann, in einen um g mit
ob = gh
beschriebenen Kreisbogen fallen, und damit nun für keinen der möglichen
Voreilungswinkel boy, der oben bezeichnete Fall
des nochmaligen Dampfeinlassens eintreten kann, muß die Excentricität ob mindestens = der Verbindungslinie von g und k seyn. Wollte man
solche z.B. kleiner nehmen = oK, so würde bei dem
Voreilungswinkel yoB die durch den Kreis über oH dargestellte relative Bewegung entstehen, der
Dampf würde dann bei der Kurbelrichtung oL
abgesperrt und bei der Stellung in oK wieder
zugelassen werden.
Bei der Excentricität = gk kann für die
Expansionsgrade, welche geringer sind als der in der Fig. 10 verzeichnete, ein
nochmaliges Dampfeinströmen nicht erfolgen, da nämlich alle Spitzen h der die Seite oh
bestimmenden Parallelogramme in den Kreisbogen kh,
aus o beschrieben, fallen, so ist leicht zu beweisen,
daß sowie die Seite oh mehr nach ok
hin rückt, also geringer
expandirt wird, der Punkt k innerhalb des Kreises um oh fällt.
Um zu sehen bis zu welchem Maximum man bei diesem Minimum der Excentricität des
Expansionsexcenters expandiren kann, macht man Winkel okh = 1 R. Da wo nun der Schenkel kh den Kreisbogen kh, aus g beschrieben, schneidet, liegt die
Spitze des Parallelogrammes hobg, welches dem
größten Expansionsgrad entspricht; denn nun geht der Kreis um oh durch den Punkt k.
Wollte man jetzt noch stärker expandiren, so würde ein nochmaliges Dampfeinströmen
erfolgen. Der größte Expansionsgrad ergibt sich sonach aus der Kurbelstellung ol.
Genügte dieser Expansionsgrad nicht, so müßte man die Excentricität ob vergrößern und solche größer als gk nehmen. In den meisten Fällen dürfte indessen
die Excentricität des Expansionsexcenters ob = der
Verbindungslinie von g und k
genommen, genügen.
Nachdem wir auf diese Weise die Größe des Expansionsexcenters bestimmt haben, wollen
wir nur noch kurz zeigen, wie man die Größe des Voreilungswinkels für verschiedene
Expansionsgrade bestimmen kann.
Nehmen wir an, der Voreilungswinkel für 1/2 Expansion sey zu bestimmen.
In Fig. 11
haben der Kreis um og, sowie der um o mit od beschriebene
und die Linie ok dieselbe Bedeutung wie in Fig. 10. Bei
der Kurbelrichtung od (auf halbem Hub) hat nun der
Vertheilungshahn den Dampfcanal, wenn man sich den Expansionshahn in Ruhe denkt, um
die Größe om verengt; damit er ganz verschlossen
werde, muß der Expansionshahn noch den Weg dm
zurücklegen; trägt man demnach von o aus auf oy₁ die Länge on = om abNach der negativen Seite oy₁, muß
man die Länge on auftragen, weil die
Bewegungsrichtung des Expansionshahns offenbar die entgegengesetzte von
derjenigen des Vertheilungshahnes seyn muß; da bei gleichen
Bewegungsrichtungen die relative Bewegung sich nicht addirte, sondern
subtrahirte aus den einzelnen Bewegungen. und legt durch o und n einen Kreis mit dem vorhin gefundenen Durchmesser ob = der Excentricität des Expansionsexcenters, so
hat man in dem Winkel yob den gesuchten
Voreilungswinkel. Construirt man jetzt das Parallelogramm obgh, so wird man finden, daß der relative
Bewegungskreis oh den Kreis um o mit od beschrieben
in dem Punkte d schneidet, also in der Kurbelposition
od auf halbem Hube den Canal für den
Dampfeintritt abschließt und ihn erst in der Kurbelstellung oe wieder öffnet, nachdem der Vertheilungshahn
längst schon den Dampfeintrittscanal nach dem Cylinder verschlossen hat, was bei der
Kurbelrichtung ok geschieht.
Ganz ebenso findet man für 3/4 oder 1/4 Expansion etc. die Voreilungswinkel, und
somit dürften weitere Bemerkungen über diesen Punkt überflüssig seyn.
In Fig. 11
sind in den Kreisen I, II, III und IV die relativen Bewegungen für 1/2 Expansion,
für 1/4 Exp., für 0 Exp. und für eine noch weitere Verminderung des
Voreilungswinkels am Expansionsexcenter aufgezeichnet.
In den Kreisen 1, 2, 3 und 4 hat man die zugehörigen Expansionshahnbewegungen und in
den Diagonalen dieser Kreise die Excenterstellungen wodurch die Voreilungswinkel
bestimmt werden.
Wie man sieht, arbeitet die Steuerung hinsichtlich der Weite der Eröffnung der
Dampfcanäle am günstigsten, wenn man am stärksten expandirt; bei schwächeren
Expansionsgraden werden die Dampfcanäle verhältnißmäßig langsam abgeschlossen. Wenn
man gar nicht expandiren will, kann man, wie aus den Kreisen III u. IV ersichtlich
ist, die schädliche Verengung der Dampfeinströmcanäle durch Verminderung des
Voreilungswinkels mehr und mehr verringern.
Das einzig Variable bei dem ganzen Apparate ist, wie aus dem Vorhergehenden erhellt,
die Größe des Voreilungswinkels von dem Expansionsexcenter. Das Verstellen desselben
kann man bewirken durch die Schraubenvorrichtung Fig. 4 und 5, bei großen langsam
gehenden Maschinen auch während des Ganges. Bei rascher gehenden Maschinen müßte man
zu anderen Mitteln greifen. Hierzu eignete sich besonders die Anordnung zweier
Excenter mit einer Coulisse, bei der das Gleitstück durch den Regulator der Maschine
bewegt werden müßte, indem dann bei rascherem Gang der Maschine stärker, bei
langsamerem Gang hingegen weniger expandirt werden könnte. Bei dieser Anordnung
könnte man auch das Vertheilungsexcenter mit zur Steuerung des Expansionshahns
verwenden, so daß man nur zwei Excenter nöthig hätte; und man könnte in diesem Falle
die verengende Wirkung des Expansionshahns, wenn nicht expandirt werden soll, auf
ein Minimum, resp. auf 0 reduciren.
Da die im Vorhergehenden beschriebene Steuerung keine bedeutende Kraft zur Bewegung
erfordert, so dürften diese Anordnungen selbst für die größten Maschinen genügende
Solidität und Dauerhaftigkeit gewähren.
Hörde bei Dortmund, den 26. August 1860.