Titel: | Ueber die Photographie bei künstlichem Licht; von Dr. J. Schnauß. |
Fundstelle: | Band 158, Jahrgang 1860, Nr. XXV., S. 11 |
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XXV.
Ueber die Photographie bei künstlichem Licht; von
Dr. J.
Schnauß.
Aus dem photographischen Archiv, 1860 S.
105.
Schnauß, über die Photographie bei künstlichem Licht.
Seit der Anwendung des Collodiums gehören photographische Abbildungen sich bewegender
Gegenstände und deren Vervielfältigung in Tausenden von Abdrücken nicht mehr zu den
Unmöglichkeiten, sie sind sogar zu besonderer Vollkommenheit ausgebildet worden.
Unter anderen beweisen dieß Le Gray's bewunderungswürdige
photographische Ansichten des mittelländischen Meeres. Man sieht auf ihnen die
Brandung, den Himmel mit den pitoresken Wolkengebilden, vorübersegelnde Schiffe,
einige dieser sind in Ausführung eines Manövers begriffen und lösen ihre
Breitseiten, man sieht
den Dampf der Geschütze sich kräuselnd in die Höhe ziehen, kurzum das Ganze ist die
wahre Natur voller Leben und Bewegung, es fehlt nur die Farbe.
Häufig werden jetzt auch Photographien von Prozessionen, militärischen Aufzügen u.
dgl. aufgenommen, die man „augenblickliche Bilder“ nennt, zur
Unterscheidung von den gewöhnlichen, mehrere Secunden oder Minuten währenden
photographischen Aufnahmen. Zu derartigen Versuchen bedarf man selbstverständlich
der empfindlichsten Präparate und lichtstarker Linsen an dem Apparat, doch bedingen
sie keineswegs eine von der gewöhnlichen abweichende photographische Methode.
Derselben Bedingungen bedarf man zum Photographiren bei künstlichem Licht. Vor Jahren
schon beschäftigten sich mehrere namhafte Gelehrte mit Versuchen in dieser Richtung,
doch betrachtete man dieselben mehr als interessante Experimente, ohne ihnen
praktischen Werth beizulegen. Es kommt hierbei keineswegs bloß auf die Stärke des
Lichtes an, sondern weit mehr auf die in demselben chemisch wirkenden Strahlen.
Das weiße Sonnenlicht besteht bekanntlich aus einer Anzahl verschiedenfarbiger
Strahlen, in welche es durch das Prisma zerlegt wird. In dem hierdurch gebildeten
sogenannten Spectrum bemerkt man hauptsächlich sieben verschiedene Farben, nämlich
Violett, Indigo, Blau, Grün, Gelb, Orange und Roth. Ein photographisch präparirtes,
lichtempfindliches Papier, der Einwirkung des Sonnenspektrums ausgesetzt, zeigt eine
sehr verschiedene Einwirkung der farbigen Strahlen. In der Gegend des violetten
Strahls ist dieselbe am stärksten und nimmt gegen das Gelb hin immer mehr ab,
hierauf aber wiederum etwas zu. Der violette, indigblaue und blaue Strahl besitzen
also die stärkste chemisch-photographische Wirkung, welche man mit dem Worte
„Actinismus“ bezeichnet, der gelbe die schwächste. Man
sieht zugleich, daß die actinische Wirkung der Sonnenstrahlen keineswegs mit der
Licht- und Wärmewirkung zusammenfällt, sondern denselben fast entgegengesetzt
ist, denn im violetten Strahl fällt das Thermometer, welches im rothen Strahl am
höchsten steigt. Ein für das Auge noch so helles künstliches Licht wird keineswegs
eben so intensiv auf die empfindliche photographische Platte im Innern der Camera obscura einwirken. Ein blendend erleuchteter
Ballsaal z.B. mit den darin sich aufhaltenden Personen läßt sich nicht
photographisch aufnehmen, denn das gewöhnliche Kerzenlicht, wie das von Oel-
und Gasflammen, enthält immer mehr oder weniger vorherrschende gelbe Strahlen, ist
also actinisch fast indifferent. Die schwache bläuliche Flamme brennenden Schwefels
dagegen besitzt eine bedeutende actinische Wirkung, so daß Prof. Böttger in Frankfurt a. M. mittelst dieses Lichts
photographische Aufnahmen von Kupferstichen bewerkstelligte. Prof. v. Babo erzeugte dieses Licht anhaltender und intensiver durch allmähliches
Verbrennen einer Mischung von Stickoxydgas und Schwefelkohlenstoffdampf, die er aus
der Spitze einer Röhre ausströmen ließ und entzündete. Ganz weißes künstliches
Licht, wie es sich im Drummond'schen Kalklicht und dem
elektrischen Licht, welches zwischen zwei mit den Elektroden einer starken Volta'schen Batterie verbundenen Kohlenspitzen entsteht,
darbietet, wirkt zwar auch stark actinisch, ähnlich dem Sonnenlicht, allein die dazu
nöthigen Vorrichtungen sind theils zu kostspielig, theils zu gefährlich, als daß man
im entferntesten an eine praktische Anwendung derselben für photographische Zwecke
denken kann. Durch Verbrennen von Phosphor in Sauerstoffgas wird in einer kurzen
Zeit eine bedeutende Lichtmasse erzeugt, welche schon hinreicht, eine
photographische Aufnahme zu bewirken, doch ist auch dieser Versuch für den
Nichtchemiker zu umständlich und selbst mit Gefahr verbunden.
Erst kürzlich kam ein praktischer Engländer, John Moule,
auf den Gedanken, durch Verbrennen eines Gemisches von Salpeter, Schwefel und
Schwefelantimon, wie man es längst in der Pyrotechnik zu Weißfeuer benutzt, in
besonderen Apparaten ein intensives, chemisch sehr wirksames Licht zu erzeugen, das
hinreichend lange währt, um photographische Aufnahmen mittelst desselben zu
bewirken. Der Apparat, worin die Verbrennung stattfindet,In Deutschland liefert das photographische Institut in Jena und das
Photographie-Institut in Elberfeld dergleichen Apparate. besteht aus Glas und Eisen, ähnlich einer großen Laterne, und ist mit einem
Zugrohr versehen, um die erstickenden Dämpfe, welche sich dabei entwickeln, in ein
Kamin oder in die freie Luft abzuleiten, so daß man nicht im geringsten von
denselben belästigt wird. Dieser Apparat ist leicht transportabel und überall
aufzustellen, daher für gewisse Zwecke, z.B. wenn es gilt, irgend einen Gegenstand
in unterirdischen Gewölben, überhaupt in Räumen, wohin das Tageslicht nicht dringt,
photographisch aufzunehmen, unentbehrlich.
Ein blauer Glasschirm, zwischen der aufzunehmenden Person und dem Beleuchtungsapparat
angebracht, schützt die erstere vor dem zu blendenden Licht, ohne im geringsten die
actinische Kraft desselben zu beeinträchtigen. Meist genügt eine Sitzungsdauer von
20 Secunden. Die bei künstlichem Licht erhaltenen Porträts sind den bei Tage
erzeugten ganz gleich, ja sie zeigen manche Vorzüge vor den letzteren, namentlich in
der Fülle und
Zartheit der Schatten und in der Kraft der höchsten Lichter.
In Paris bestehen bereits seit vorigem Sommer Ateliers, in denen ausschließlich
mittelst dieses künstlichen Lichtes bei Nacht photographisch porträtirt wird, eine
Einrichtung, die den lebenslustigen Pariser Nachtschwärmern recht angenehm seyn
wird.
Der bei diesem künstlichen Licht zu porträtirende Gegenstand, die Person u.s.w. wird
etwa 2 bis 3 Fuß von dem Beleuchtungsapparat placirt, und zwar etwas weiter von dem
Operateur entfernt als der letztere. Die Höhe des Beleuchtungsapparates wird so
eingerichtet, daß das eiserne Schälchen, worin das Beleuchtungspulver abgebrannt
wird, etwa die Höhe des Kopfes des zu Porträtirenden hat.
Nachdem man den photographischen Apparat bei dem Lichte einer starken Lampe scharf
eingestellt und die empfindliche Platte mit der Cassette eingeschoben hat, öffnet
man den Schieber und Objectivdeckel. Dann entzündet man das Beleuchtungspulver
mittelst eines brennenden Holzspans an mehreren Stellen zugleich und schließt rasch
die Thür des Beleuchtungsapparats. Die Dauer der Exposition richtet sich nach der
Empfindlichkeit der Präparate, wonach man die Quantität des Leuchtpulvers abmißt. Im
Allgemeinen genügen 20 bis 25 Secunden für Negativs. Alles Uebrige ist dasselbe
Verfahren wie zur Erzeugung für Negativs und Positivs auf nassem Collodium.
Das Beleuchtungspulver besteht aus 112 Th. fein gepulverten trocknen Kalisalpeters,
42 Theilen Schwefelblumen und 12 Theilen fein gepulverten schwarzen
Schwefelantimons. Die genannten Ingredienzen werden aufs innigste gemischt und
mehrere Tage lang an einem warmen Orte aufbewahrt. Je älter die Mischung ist, desto
besser wird sie.Hr. Prof. Böttger bemerkt in seinem
polytechnischen Notizblatt: „Bringt man, unseren neuesten
Beobachtungen zufolge, in einem kleinen dünnwandigen Glaskölbchen etwa 1
Loth chlorsaures Kali durch Unterstellen einer gewöhnlichen
Weingeist- oder Gaslampe in Fluß, und wirft dann drei bis vier
erbsengroße Stückchen Stangenschwefel in kurzen Intervallen in das
geschmolzene Salz, so entsteht ein so intensives, eine Menge
hochbrechbarer Strahlen enthaltendes weißes Licht, daß wir jüngst (in
einer der Samstagssversammlungen der Mitglieder unseres physikalischen
Vereins) schon innerhalb 2 bis 5 Secunden von einer damit beleuchteten
kleinen Gypsstatuette ein sehr scharf ausgeprägtes Bild auf einer
collodionirten Glasplatte haben hervorgehen sehen.“