Titel: | Ueber das Cementiren des Stabeisens; von H. Caron. |
Fundstelle: | Band 158, Jahrgang 1860, Nr. L., S. 207 |
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L.
Ueber das Cementiren des Stabeisens; von
H.
Caron.
Aus den Comptes rendus, October 1860, Nr.
15.
Caron, über das Cementiren des Stabeisens.
Die Verfahrungsarten, welche man in der Technik zum Cementiren des Stabeisens
anwendet, unterscheiden sich durch die Zusammensetzung der Cementirpulver, gleichen
sich aber alle in der Operationsweise; um nämlich fertige Eisenwaaren oberflächlich
zu stählen, glüht man sie in gut verschlossenen Blechkästen mit Cementirpulver
geschichtet aus, welches bald aus Holzkohlenpulver oder Ruß, bald aus verkohltem
Leder oder Horn etc. besteht. Jede Methode wird von denjenigen, welche sie anwenden,
gerühmt, aber die Stahlbildung selbst vermochte man bisher nicht zu erklären. Nach meiner Ansicht kann
die Verbindung des Eisens mit Kohle nur durch Zwischenkunft einer gasförmigen
Kohlenstoffverbindung stattfinden, welche, indem sie in die durch die Wärme
ausgedehnten Poren des Metalls eindringt, darin ihren Kohlenstoff abgibt; und diese
Verbindung schien mir nach der Natur der gebräuchlichen Cementirpulver ein
Cyanmetall seyn zu müssen. Um darüber Gewißheit zu erlangen, stellte ich folgende
Versuche an:
Der Apparat, welchen ich anwandte, besteht aus einem mit Holzkohlenstücken von
beiläufig 1 Kubikcentimeter Größe gefüllten Porzellanrohr; in der Mitte des Rohrs
und in seiner Achse befindet sich eine vierkantige Eisenstange, welche also
vollständig mit Kohlen umgeben ist. Das Rohr wird in einen mit seiner Kuppel
versehenen Windofen gelegt und mit Kohks erhitzt. Ich leitete nacheinander in das
zum Rothglühen erhitzte Rohr Wasserstoffgas, Kohlenoxydgas, Stickgas, atmosphärische
Luft, reines Kohlenwasserstoffgas etc.; nach jedesmaligem zweistündigen Erhitzen
erhielt ich in keinem Falle eine Cementation. Manchmal und an wenigen Stellen war
die Oberfläche des Eisens etwas härter geworden, aber in allen Fällen konnte die
stets oberflächliche Cementation der Unreinheit der Kohle oder des Gases
zugeschrieben werden.
Anders war es aber, wenn ich anstatt jener Gase trockenes Ammoniakgas in die Röhre
leitete; es erfolgt dann rasch eine gute Cementation: nach zweistündigem Erhitzen
wurde die Eisenstange sofort gehärtet, dann gehämmert um das Korn zu verdichten und
neuerdings gehärtet, wornach sie auf ihrem Bruch eine vollkommen regelmäßige
Cementation von zwei Millimeter Tiefe mit vortrefflichem Korn zeigte. Diese
Cementation ist offenbar der Wirkung des Ammoniaks auf die Kohle zuzuschreiben;
diese beiden Körper mußten bei der angewandten Temperatur gasförmiges Cyanammonium
bilden, welches seine Kohle an das Eisen abgab und so Stahl erzeugte.
Dieß war aber bloß noch eine Hypothese, daher ich mich direct von der Wirkung des
Cyanammoniums überzeugen wollte; hierzu ließ ich die Kohlenstücke aus dem
Porzellanrohr weg und brachte in dasselbe bloß das Eisen, welches in dessen Achse
mittelst seiner beiden Enden befestigt wurde; ich leitete nun aus einer Retorte
Cyanammonium in gasförmigem und trockenem Zustande in das zum Rothglühen erhitzte
Porzellanrohr; nach zweistündigem Erhitzen wurde die Eisenstange herausgezogen und
wie die vorhergehende behandelt; sie war vollkommen cementirt, und zwar an dem Ende
wo das Gas eintrat, viel mehr als am anderen. Hiernach glaubte ich schließen zu
können, daß in diesem Falle die Cementation durch das Cyanammonium hervorgebracht
wurde.
Es war mehr als wahrscheinlich, daß nicht bloß das Ammoniakgas oder vielmehr
Cyanammonium die Eigenschaft zu cementiren besitzt, sondern daß sie auch die
Cyanmetalle der anderen Alkalien besitzen müssen; dieß beweist schon das in der
Technik gebräuchliche Härten mit Blutlaugensalz, da aber in diesem Falle die
Cementation immer nur eine oberflächliche ist, so konnte sie nicht mit der
besprochenen verglichen werden. Ich mußte folglich andere Mittel anwenden, um die
Cementation durch die Cyanmetalle nachzuweisen.
Mein Apparat wurde wie vorher angeordnet, aber die Kohlenstücke waren mit einer wenig
concentrirten Auflösung von kohlensaurem Kali getränkt und ich leitete in das zum
Rothglühen erhitzte Rohr einen Strom trockener Luft; bekanntlich bildet sich unter
diesen Umständen Cyankalium, welches in der Rothglühhitze etwas flüchtig ist. Durch
diesen Körper beabsichtigte ich das Eisen zu cementiren; in der That zeigte nach
zweistündigem Erhitzen die Eisenstange eine vortreffliche Cementation von mehr als 2
Millimeter Tiefe.
Natron, Baryt und Strontian cementiren auf ähnliche Weise unter dem Einfluß des
Luftstroms. Der Kalk brachte, wie ich dieß erwartete, gar keine Cementation hervor
und liefert dadurch gerade einen Beweis für meine Ansicht, daß die Cementation durch
die Cyanmetalle bewirkt wird. Als ich mich nämlich vor einigen Jahren mit der
Darstellung von Cyanalkalien auf trockenem Wege beschäftigte, ließ ich, um sie zu
erhalten, trockenes Ammoniakgas durch ein mit Holzkohlen gefülltes und zum
Rothglühen erhitztes Rohr ziehen; ich leitete hernach das so gebildete Cyanammonium
in ein anderes, ebenfalls zum Rothglühen erhitztes Rohr, welches Schiffchen aus
Kohle enthielt, die mit der Basis gefüllt waren, deren Cyanmetall ich erhalten
wollte. Ich erhielt so sehr leicht die Cyanüre von Kalium, Natrium, Baryum und
Strontium, konnte aber niemals Cyancalcium, Cyanmagnesium etc. erzeugen. Da der Kalk
nicht, wie der Baryt, unter dem Einfluß des Stickstoffs und der Kohle ein Cyanür
bilden kann, so mußte er also zur Cementation nicht geeignet seyn, wenn meine
Hypothese richtig war. Die Gegenwart einer alkalischen Basis reicht, wie man sieht,
nicht hin, um die Cementation hervorzubringen, sondern es muß auch diese Basis unter
den gegebenen Umständen ein Cyanmetall bilden können. Wenn kein Cyanmetall gebildet
wird, findet also keine Cementation statt.
Alle in der Technik gebräuchlichen, zum Theil sehr sonderbaren Gemenge zum Cementiren
des Stabeisens gestatten die Bildung von Cyanmetallen, denn die angewendeten Kohlen
enthalten immer Kali oder Natron und die thierischen Substanzen, welche man ihnen zusetzt,
liefern außer dem Alkali auch noch Stickstoff welcher zur Cyanbildung dient.
Die mitgetheilten Versuche scheinen mir auf eine unbestreitbare Weise zu beweisen,
daß man, um eine rasche und tiefe Cementation zu erhalten, innerhalb der das Eisen
umgebenden Kohlen die Bildung der erwähnten Cyanalkalien begünstigen muß. Die
Anwendung dieser Beobachtung in der Technik wäre ganz leicht; vielleicht könnte man
auch durch dieses Mittel die Dauer der Cementation bedeutend verkürzen und
ebendadurch dem in der Mitte des Metalls befindlichen Theil, welcher von der
Cementation nicht erreicht wurde, eine größere Zähigkeit bewahren.