Titel: | Darstellung und Benutzung eines luftverdünnten Raumes; von C. Brunner. |
Autor: | Karl Brunner |
Fundstelle: | Band 158, Jahrgang 1860, Nr. LXXXI., S. 321 |
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LXXXI.
Darstellung und Benutzung eines luftverdünnten
Raumes; von C.
Brunner.
Mit einer Abbildung auf Tab. V.
Brunner, über Darstellung und Benutzung eines luftverdünnten
Raumes.
Es ist mir nicht bekannt, ob das Princip der sogenannten Toricelli'schen Leere als Luftverdünnungsmittel
jemals praktische Anwendung gefunden hat. Der hier zu beschreibende Apparat hat
diese Anwendung zum Gegenstand.
Eine Schale A von geschlagenem Eisen, Fig. 29, wird mit einem
3–4 Linien breiten oben vollkommen eben geschliffenen eisernen Rande
versehen, der durch Siegellack oder irgend einen anderen beliebigen Kitt mit der
Schale luftdicht verbunden ist. In die Mitte des Bodens der letzteren wird eine
Oeffnung gebohrt und in diese eine mit einem Ansatze versehene eiserne Hülse
ebenfalls luftdicht eingesetzt, welche eine etwa 2 Linien weite absteigende
Barometerröhre von ungefähr 30 Zoll Länge trägt, deren untere Oeffnung mit einem
Korkstöpsel verschlossen ist.
Wird nun der Apparat mit Quecksilber gefüllt und auf dem geschliffenen und mit etwas
Fett bestrichenen Rand der Schale eine Glasplatte, z.B. ein passendes Stück eines
dicken Spiegelglases aufgelegt, so wird beim Oeffnen des Korkstöpsels, nachdem das
unters Ende der Röhre etwa 1/2 Zoll unter Quecksilber getaucht worden, das
Quecksilber aus der Schale in ein untergestelltes passendes Gefäß so weit abfließen,
bis es in der Röhre auf den Barometerstand gesunken seyn wird. Die Schale enthält
nun eine Toricellische Leere, in so weit man diesen Ausdruck auf ein nicht ausgekochtes Barometer anwenden darf.
Da sowohl der eiserne Rand als die eingesetzte Barometerröhre durch Verkittung mit
der Schale sehr leicht für immer luftdicht verbunden werden kann) so sieht man wohl
ein, daß der einzige bewegliche Schluß des Apparates auf dem genauen Anpassen der
Glasplatte beruht, wie derjenige des Recipienten auf dem Teller der Luftpumpe,
dagegen weder Hahn noch Ventil dabei betheiligt ist. Die gewonnene Luftverdünnung
wird durch eine an der Barometerröhre angebrachte verschiebbare Scale, deren Spitze oder Nullpunkt
genau auf die Oberfläche des im untenstehenden Gefäße befindlichen Quecksilbers
eingestellt wird, gemessen. Durch einige Uebung in dem Füllen des Apparates, wobei
man so wenig leeren Raum als möglich unter der Glasscheibe übrig zu lassen sucht,
wird man leicht dahin gelangen, eine Verdünnung bis auf etwa 2 Millimeter
Barometerstand zu erhalten, welche wochenlang unverändert bleibt.
Wenn nun der so erhaltene luftverdünnte Raum zu einer praktischen Anwendung verwendet
werden soll, so müssen natürlich die Gegenstände auf welche man einwirken will, vor
dem Einfüllen, oder vielmehr vor dem Zudecken des Gefäßes mit der Glasplatte, in
denselben hineingebracht werden. Dieses geschieht auf folgende Weise.
In der Schale ist ungefähr 3/4 bis 1 Zoll unter deren Rande ein durchlöcherter Boden
von Eisenblech oder ein Drahtgitter a, b eingekittet.
Nachdem der Apparat bis an diesen Boden mit Quecksilber gefüllt ist, bringt man den
Gegenstand in einem passenden Gefäße mit möglichst flach geschliffenem Rande auf
denselben, legt nun die Glasscheibe so auf den Rand der Schale, daß noch eine
hinlängliche Oeffnung übrig bleibt, um so viel Quecksilber nachzugießen als
erforderlich ist, um den Apparat bis an die Glasscheibe gänzlich anzufüllen. Damit
bei diesem Nachfüllen das Gefäß nicht durch Schwimmen gehoben werde, wird auf die
Glasscheibe ein Gewicht von einigen Pfunden aufgelegt. Alsdann wird dieselbe durch
Verschieben so aufgepaßt, daß der ganze Umkreis des Randes gehörig geschlossen ist.
Auf diese Art bleibt begreiflich nur so viel Luft in dem Apparate, als der über dem
Gegenstand in dem denselben enthaltenden Gefäße befindliche Raum enthält. Es ist
daher klar, daß dieser durch zweckmäßige Auswahl des Gefäßes so klein als möglich
seyn muß. Beim Abfließen des Quecksilbers wird nun dieses den Gegenstand enthaltende
Gefäß, wenn es auch anfänglich auf dem Quecksilber schwimmen sollte, auf dem
Zwischenboden sitzen bleiben und kann daselbst bequem beobachtet werden.
Hat man, wie dieses meistens der Fall seyn wird, zwei verschiedene Körper zugleich in
den Apparat zu bringen, wie z.B. beim Abdampfen oder Austrocknen nebst der
abzudampfenden Flüssigkeit eine solche, welche den Dampf absorbiren soll, so wird
diese zweite Substanz eben so in einem besondern Schälchen neben die erstere auf den
Zwischenboden gebracht (s. c und d). In jedem Fall ist es anzurathen, als einzusetzende Gefäße solche mit
möglichst flachem Boden zu wählen, damit nicht durch Schwanken während der
Manipulation etwas verloren gehe. In den meisten Fällen wird man als absorbirende
Substanz Schwefelsäure anzuwenden haben. Um alle Unannehmlichkeiten durch
Verschütten zu vermeiden, kann diese dadurch angebracht werden, daß man das hiezu bestimmte
Gefäß annähernd mit gröblichem Quarzpulver anfüllt und dieses mit gewöhnlicher
englischer Schwefelsäure befeuchtet.
Es ist klar, daß in solchen Fällen die Verdünnung, der nothwendig mit
eingeschlossenen Luft wegen, nicht auf den oben angegebenen Werth gebracht werden
kann. Denn gesetzt es blieben z.B. bei Anwendung eines Apparates, der nach Abzug des
Volumens der beiden eingeschlossenen Gefäße 650 Kub.-Cent. faßt, in diesen
letzteren noch 10 Kub.-Cent. leerer (sogen, schädlicher) Raum übrig, so
beträgt die hiedurch eingeschlossene Luft 1/65; die Verdünnung würde also bei einem
Barometerstand von 760 Millim. auf 760 – 760/65 = 758,31, also 11,69 Millim.
unter den Barometerstand gebracht werden können. Es ist jedoch bei einiger Uebung
und zweckmäßiger Wahl der Gefäße immerhin eine solche Verdünnung zu erhalten, wie
sie für die meisten Zwecke gewünscht werden mag.
Um endlich nach beendigter Operation den Gegenstand wieder aus dem Apparate zu
nehmen, dient folgende Vorrichtung.
In die den Apparat bedeckende Glasscheibe, oder wenn man es vorzieht, in den oberen
Theil der eisernen Schale, z.B. in der Nähe des Randes, läßt man eine möglichst
kleine Oeffnung bohren, welche vor dem Füllen des Apparates mit Stopfwachs
geschlossen wird. Nach beendigter Operation nimmt man dieses fort oder sticht es mit
einer Nadel durch. Die Luft tritt alsbald ein, das Quecksilber sinkt und die
Glasscheibe kann abgenommen werden.
Ich bemerke schießlich, daß bei Anwendung einer eisernen Schale, die etwa 1 1/2 Pfd.
Wasser, also 20 Pfd. Quecksilber faßt, der Apparat noch sehr gut manipulirt werden
kann. Die Schale ist in einen mit 3 Füßen versehenen Stuhl eingesetzt und wird nach
beendigter Operation zugleich mit diesem von dem untergestellten, das abgeflossene
Quecksilber enthaltenden Gefäße abgehoben.
Es dürfte wohl nicht unmöglich seyn, das nämliche Verfahren in größerem Maaßstabe zu
technischen Zwecken anzuwenden, wobei natürlich Wasser statt des Quecksilbers
benutzt werden müßte. In diesem Falle wäre dem Apparate eine solche Dimension zu
geben, daß die Abflußröhre eine Länge von 32 Fuß hätte. Von Verdampfen, Austrocknen
u. dgl. kann alsdann freilich nicht die Rede seyn. Es gibt jedoch noch andere
Veranlassungen zu Anwendung eines luftverdünnten Raumes. Hierüber nur einige
Andeutungen.
In neuerer Zeit wurden zahlreiche Versuche gemacht, um Holz mit verschiedenen
Flüssigkeiten zu imprägniren, meistens zu dem Zweck, dasselbe gegen Fäulniß zu schützen oder
seine Verbrennlichkeit zu vermindern. Um es zu diesem Zwecke von Luft zu entleeren,
wurde es in Dampfapparaten, auch wohl mit Luftpumpen behandelt. Es schien mir nicht
unpassend, das oben beschriebene Verfahren zu versuchen.
Zu diesem Zwecke wurde folgender einfache Apparat benutzt.
In den Hals einer Flasche von ungefähr 6 Unzen Wassergehalt wird eine 1/2 Zoll weite,
30 Zoll lange Glasröhre luftdicht eingekittet. Nachdem der Apparat annähernd mit
Quecksilber gefüllt worden, bringt man ein passendes, etwa 1 1/2 Zoll langes
Stückchen Holz in die Röhre, so daß es an der Mündung derselben auf dem Quecksilber
schwimmt. Wird nun die Oeffnung mit dem Finger geschlossen und der Apparat nach Art
eines Barometers umgekehrt in ein Gefäß mit Quecksilber eingetaucht, so befindet
sich das in die Flasche aufgestiegene Holz in einem luftverdünnten Raume. Bringt man
nach einiger Zeit, z.B. nach 1–2 Stunden, die Röhre aus dem Quecksilbergefäß
in eine Wasserwanne, so nimmt das Wasser die Stelle des Quecksilbers ein und das
Holz sinkt in kurzer Zeit, oft sogleich, zu Boden.
In einer gewöhnlichen Barometerröhre, ohne jene Flasche, gelingt der Versuch nicht,
weil die durch das Holz mit eingeführte Luft, indem sie sich in die Toricellische
Leere ergießt, schon der Verdünnung bedeutend entgegenwirkt, wovon man sich dadurch
überzeugen kann, daß das Quecksilber 1–2 Zoll unter den Barometerstand
fällt.
Aus dem oben Angeführten wird sich leicht die Construction eines zu beliebigem Zwecke
geeigneten Apparates ergeben.
Ein luftdicht zu verschließender Behälter würde mit den zu behandelnden Gegenständen,
z.B. Holz, gefüllt, alsdann Wasser hineingelassen, so daß der Apparat vollkommen
gefüllt wäre, alsdann würde er verschlossen und das Wasser durch eine ebenfalls in
Wasser tauchende 32 Fuß lange Röhre abgelassen. Nach einigem Verweilen der
Gegenstände in diesem verdünnten Raume würde man die anzuwendende Flüssigkeit aus
einem neben dem Behälter befindlichen und mit diesem durch eine Röhre verbundenen
Gefäß durch Oeffnen eines Hahnes eindringen lassen.
Das bekannte Experiment, vermittelst der Luftpumpe Holz in Wasser untersinken zu
lassen, bietet mehrere scheinbare Anomalien dar, welche auch bei dem eben
beschriebenen Verfahren in Betracht kommen.
Bringt man nämlich Tannenholz in einem Gefäß mit Wasser unter den Recipienten der
Luftpumpe und zieht die Luft heraus, so sinkt das Holz nur sehr langsam, ja in
manchen Fällen gar nicht unter, selbst wenn es bei guter Verdünnung mehrere Stunden
in dem Apparate gelassen wird. Läßt man hierauf die Atmosphäre eintreten, so geht es
bald, oft sogleich zu
Boden. Wird nun noch einmal entleert, so kommt es wieder an die Oberfläche, um
sogleich wieder unterzusinken, sobald Luft eingelassen wird.
Der Grund dieser Erscheinung liegt offenbar in der natürlichen Elasticität der
Holzfasern, welche, so lange als noch ein kleiner Rückstand von Luft zwischen
denselben übrig ist, bei jedesmaliger Verdünnung sich von einander entfernen,
wodurch das Volumen des Stückes, welches als ein Aggregat von Holzfaser, Luft und
Wasser angesehen werden kann, vergrößert, also das specifische Gewicht desselben
verringert wird. Läßt man hierauf Luft eintreten, so werden die Fasern durch deren
Druck wieder zusammengepreßt, dadurch das ganze Stück specifisch schwerer und sinkt
nun unter. Ist die Luft vollständig entfernt, so sinkt das Stück bleibend zu Boden
und kann durch Auspumpen nicht wieder an die Oberfläche gebracht werden, denn wenn
sich auch die Fasern von einander entfernen, so tritt Wasser dazwischen, und da die
Holzfaser an sich specifisch schwerer ist als das Wasser, so wird das specifische
Gewicht des Stückes nicht verändert.
Das gänzliche Austreten der Luft erfolgt von selbst, wenn man ein einmal
untergesunkenes Stück längere Zeit, z.B. 24 Stunden, im Wasser liegen läßt.
Wie lange Zeit das Holz ohne künstliche Luftentleerung auf dem Wasser schwimmen kann,
ist bekannt. Die Wochen und Monate lang schwimmenden Flößhölzer zeigen solches
deutlich genug.
Zur Vergleichung wurden bei den oben angeführten Versuchen Stücke von dem nämlichen
Holz, welches durch die Luftentleerung in 1–2 Stunden bleibend im Wasser zu
Boden ging, wochenlang auf demselben schwimmend erhalten.
Eine andere Anwendung des eben beschriebenen Verfahrens dürfte bei der Bereitung des
Leders zweckdienlich seyn.
Es ist bekannt, daß in neuerer Zeit öfter empfohlen wurde, die aufgequollenen Häute
in einem luftverdünnten Raume von der Gerbeflüssigkeit durchdringen zu lassen. Auch
hiezu wurden theils Dampfapparate, theils Luftpumpen angewendet.Ein Apparat dieser Art von Knoderer ist im
polytechn. Journal Bd. CLI S. 456
beschrieben. Obgleich ich keine Versuche hierüber anzustellen Gelegenheit hatte, so
bezweifle ich nicht, daß nach Analogie der obigen Erfahrungen die Sache mit
Leichtigkeit ausführbar seyn wird.
Vielleicht dürfte auch bei den in der neuesten Zeit so vielfältig in Anwendung
gebrachten Conservirungsmethoden von Lebensmitteln die Sache einige Anwendung finden
können, wobei der wahrscheinlich günstige Umstand nicht zu übersehen ist, daß die
Anwendung von Wärme wegfiele. Endlich dürfte einige Anwendung auf die Operationen
des Färbens versucht werden, da die neuesten Forschungen zu zeigen scheinen, daß die
Wirkungen eben so oft auf mechanischem Eindringen der Farbstoffe als auf chemischer
Anziehung beruhen.
Bern, im November 1860.