Titel: | Ueber Roheisen-, Stabeisen- und Massengußstahl-Erzeugung; vom Hüttendirector Alois Thoma. |
Autor: | Alois Thoma |
Fundstelle: | Band 158, Jahrgang 1860, Nr. XCVIII., S. 359 |
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XCVIII.
Ueber Roheisen-, Stabeisen- und
Massengußstahl-Erzeugung; vom Hüttendirector Alois Thoma.
(Schluß von S. 283 des vorhergehenden
Heftes.)
Thoma, über Roheisen-, Stabeisen- und
Massengußstahl-Erzeugung.
Bekanntlich verändern längere Zeit einwirkende Stöße, Reibung so wie heftiger Druck
die sehnige und selbst die körnige Textur des Eisens in eine
blättrig-krystallinische, wodurch es aber seine Festigkeit verliert und
brüchig wird. Schienen- und Achsenbrüche bei Eisenbahnen, das nachherige
Springen von Gewehrläufen, die beim Probiren sich ganz gut erwiesen hatten, und
häufige Brüche bei Maschinen sind die nächste Folge davon, welche außer den
Verlusten, die sie herbeiführten, auch oft die Gesundheit oder das Leben von
Menschen gefährdet haben.
Stahl und namentlich Gußstahl hat jene sehr störende Eigenschaft nicht, und würde
derselbe zu allen Gegenständen, welche, aus Eisen gemacht, durch die oben
angeführten Ursachen eine Texturänderung erleiden, bereits allgemeine Verwendung
gefunden haben, wenn nicht der Preis desselben in den meisten Fällen ein Hinderniß
hiefür gewesen wäre.
Unter solchen Verhältnissen konnte es nicht ausbleiben, daß der Erfindungsgeist auf
billigere Erzeugung des Stahls und namentlich des Gußstahls hingelenkt wurde;
zahlreich und interessant sind die vielen hierauf bezüglichen Bestrebungen mit ihren
fast immer günstigen Resultaten.
Zumeist waren diese Bestrebungen auf Erzeugung von Massengußstahl gerichtet, dessen
Zukunft unstreitig eine großartige ist. Jetzt schon werden trotz des noch sehr hohen
Preises desselben Geschütze, Gewehrläufe, Glocken, Wellen, Achsen, Kolbenstangen und
in der Letztzeit auch Kesselbleche daraus gefertigt, und es ist die Zeit nicht mehr
fern, wo man auf die überaus haltbaren, gußstählernen Bahnschienen hinfährt, auf
Gußstahldraht uns Telegramme zukommen. Dampf nur in gußstählernen Kesseln entwickelt
wird, gußstählerne Dampfer entfernte Länder verbinden und der Landmann mit
gußstählerner Schaar seine Furchen zieht.
Bei allen meinen auf Gußstahlerzeugung bezüglichen Versuchen, deren letzte aus dem
Jahre 1849 datiren, hatte ich nur die Erzeugung von Massengußstahl im Auge, und wenn
auch der Gußstahl, wie ich ihn eben erzeuge, zu feinem Schneidewerkzeuge und
ähnlichen Verwendungen dann ganz geeignet ist, wenn er nach sorgfältiger Sortirung
und entsprechender Beschickung nochmals in Tiegeln umgeschmolzen wird, so liegt, wie
bereits erwähnt, diese Fabrication zunächst nicht in meiner Absicht und war nicht
der Endzweck meiner
Bemühungen, sondern der von mir dargestellte Massengußstahl hat besonders die
Bestimmung, einem rege gewordenen Bedürfnisse der Eisenbahnen,
Maschinenbauanstalten, Schiffswerften, sowie den Gewerben und der Landwirthschaft
dadurch abzuhelfen, daß jedem Bedarf nachkommend, die verschiedenen dahin gehörenden
Gegenstände aus Gußstahl ziemlich so billig wie bisher
eiserne geliefert werden können.
Die Anfertigung von Gußstahlgegenständen jeder Größe und zu so billigem Preise
erziele ich durch directe Darstellung desselben aus den hierzu geeigneten Erzen mit
dem in der Nähe derselben gerade vorkommenden Brennstoffe, selbst wenn dieser
geringerer Güte und von der Art ist, wie er bisher bei der Gußstahlerzeugung nicht
zu verwenden war.
Erwünscht wäre es mir gewesen, meine Versuche noch weiter als dieß wirklich der Fall
war, fortsetzen zu können, indem ich mich zur Zeit darauf beschränken muß, nach
meinem Verfahren den Massengußstahl nur aus reinen Spatheisensteinen und ganz reinen
Magneteisensteinen zu erzeugen. Dagegen ist bei Anwendung der genannten Erze das
Resultat in Bezug auf die Qualität ein sehr günstiges, der Brennmaterialaufwand sehr
gering, und können, wie bereits oben bemerkt wurde, fast alle Arten desselben
verwendet werden. Für Westphalen, Ungarn, Steiermark, Bayern, Rußland etc. hat dieß
Verfahren große Wichtigkeit. Es zerfällt in nachstehende fünf gesonderte Processe
und zwar:
1) das Rösten und Zerkleinern der Erze,
2) das theilweise Reduciren, zumeist aber die Kohlung derselben,
3) das Einschmelzen der Erze zu Rohgußstahl,
4) das Zerschlagen und Sortiren desselben,
5) das Raffinirschmelzen.
Alle Manipulationen, die einer Feuerung bedürfen, werden mit Gasfeuerung ausgeführt,
und hierdurch wird es mir auch nur möglich, bei alleiniger
Verwendung von Torf, Braunkohlen etc., Gußstahl vom Erze ab darstellen zu
können. Es dürfte dieß jedenfalls ein großer Vorzug, den das Verfahren vor
allen anderen hat, seyn.
Rösten und Zerkleinern der
Erze.
Was zunächst die Erze selbst anlangt, so ist es zweckmäßig, nur die reineren der
genannten Sorten hierzu zu verwenden, während die durch Bergarten verunreinigten
einer andern Verwendung, etwa der Roheisenerzeugung, zufallen können.
Das Rösten geschieht in denselben Oefen und in der Weise, wie solches bei der
Roheisenerzeugung angegeben worden ist.
Das Zerkleinern geschieht mit Handfäusteln, um durch Bergarten verunreinigte Stuffen
noch aushalten zu können, und auf 1/3–1/4 Kubikz. große Stücke.
Reduction und Kohlung der gerösteten und
zerkleinerten Erze.
Die gerösteten Erze werden zu 3/4 ihrer Menge gekohlt, und 1/4 nur so weit in dem
Kohlungsofen behandelt, daß sich das darin enthaltene Eisen im Kohlungszustande des
Stabeisens befindet. Der Kohlenstoffgehalt des Eisengehaltes der ganz gekohlten Erze
darf nicht geringer als 2 Proc. und nicht höher als 3 Proc. seyn. Das nur reducirte
Erz hält etwa 3/4 Procent.
Die Reduction und Kohlung wird ganz in der Weise, wie solches bereits bei der
Roheisenerzeugung angegeben worden ist, und in den dort angeführten Apparaten
ausgeführt. Da aber hierbei, wegen langsamer und sehr gleichartiger Kohlung, nur circa 100 Ctr. täglich an gekohlten Erzen entfallen, so
stellt sich der Productionspreis der reducirten und bezüglich gekohlten Erze etwas
höher. Bei oberungarischen Spatheisensteinen würde der Brennmaterialbedarf
durchschnittlich 80 Pfd. pro Centner derselben
betragen.
Aus 128 Pfd. reinen oberungarischen, gerösteten Spatheisensteinen erfolgt 1 Ctr.
gekohlter, deren Gehalt bis 90 Proc. beträgt.
Sowohl von den nur reducirten, als auch von den gekohlten Erzen, wird immer ein
größerer Vorrath, beide Sorten gesondert, in bedeckten Behältern aufbewahrt, und
müssen sie darin so gut als nur immer möglich durchgemengt werden, um in jedem
Behälter ein durch seine ganze Masse gleichmäßig gekohltes Erz zu haben, was nöthig
ist, um den folgenden Proceß mit bestem Erfolge durchzuführen. Auch muß man den
durchschnittlichen Gehalt jedes Behälters kennen, um eine entsprechende Gattirung
vornehmen zu können.
Einschmelzen der reducirten und
gekohlten Erze zu Rohgußstahl.
Hierzu dient ein Gasofen eigenthümlicher Construction, in dem man eine sehr hohe
Hitze erzeugt. Das Herdgewölbe desselben ist mit einer Aufgebevorrichtung versehen,
während durch Thüren in den Seitenwänden der Einsatz durchgerührt werden kann.
Aus dem vorhandenen Vorrathe der reducirten und gekohlten Erze wird eine Gattirung
zusammengesetzt, die zwischen 1,5 bis 2 Proc. vom Gewichte des Eisengehaltes Kohle
enthält. Sie wird außerdem mit einem Gemenge von 80 Proc. Salz und 20 Proc.
Braunstein, beides fein gepulvert, und zwar 2 bis 5 Proc. von dem Eisengehalte der
Erze, beschickt und in mehreren Posten (etwa 10) auf den Herd des Ofens gebracht,
und zwar der nachfolgende erst dann, wenn der vorher aufgegebene glüht.
Man setzt zu einem Schmelzen circa 15 Kubikfuß ein, und
da der Kubikfuß der vorbereiteten Spatheisensteine circa
1/2 Ctr. wiegt, so entspricht dieser Einsatz 7 bis 8 Centnern.
Die Hitze beim Schmelzen des Rohgußstahls muß, wie bemerkt wurde, bedeutend seyn, was
durch die Ofenconstruction auch erreicht wird. Ferner muß darauf gesehen werden, daß
die Gase während des ganzen Schmelzens neutral verbleiben, d.h. weder Ueberschuß an
Sauerstoff noch an Kohlenstoff enthalten.
Bei gut geschlossenen Thüren wird auf ein gleichmäßiges Feuern gesehen, was bei
Gasfeuerung leicht zu erreichen ist, und wobei der Einsatz, der Anfangs gewendet und
durchgerührt werden muß, langsamer einschmilzt. Bei einem recht heißen Ofengange ist
in circa 5 Stunden, vom Einsetzen ab, die Ladung
vollständig eingeschmolzen und so flüssig, daß zum Abstich geschritten werden kann.
Er erfolgt in gußeiserne Formen zu schwachen quadratischen Stäben; die Schlacke, die
möglichst leichtflüssig seyn muß, wird vorher abgezogen.
Nachdem der Herd des Ofens gut gereinigt und wenn nöthig ausgebessert worden ist,
wird zu einem neuen Einsatz geschritten.
Aus einem Centner der angegebenen Gattirung erfolgt circa
80 Pfd. Rohgußstahl, demnach aus einem Einsatze circa. 5
Ctr. und täglich 20 bis 25 Centner.
Zerschlagen und Sortiren des
Rohgußstahls.
Die erhaltenen Rohgußstahlstäbe werden in 1–1 1/2'' lange Stücke gebrochen und
nach dem Verhalten hierbei und dem Bruchansehen in harten,
mittelharten und weichen Stahl sortirt. Jede
Sorte wird besonders für die weitere Bearbeitung aufbewahrt.
Das Sortiren kann nur von einem ganz intelligenten, damit vertrauten Arbeiter besorgt
werden.
Das Raffinirschmelzen.
Ein entsprechendes Raffinirschmelzen ist sehr wichtig, und muß demselben große
Aufmerksamkeit zugewendet werden. Nur dann wird man einen Gußstahl von bestimmter
Beschaffenheit erhalten, wenn das Sortiren des Rohgußstahls genau nach den
angeführten Sorten vorgenommen worden ist, daraus der Einsatz richtig gemacht wird,
und das Schmelzen unter einer Schlackendecke erfolgt. Die hierzu taugliche Schlacke
muß eine glasige, dabei leichtflüssige seyn. – Zum Schmelzen selbst dient
derselbe Ofen wie zum Rohstahleinschmelzen, nur erfolgt das Einsetzen nicht durch
die Aufgebevorrichtung im Herdgewölbe, sondern, durch die Thüren; es können in dem
Ofen bis 40 Ctr. eingeschmolzen werden. Sollen größere Stücke gegossen werden, so
muß entweder ein noch größerer Ofen construirt, oder in mehreren kleineren
gleichzeitig eingeschmolzen werden. Auch können für große Güsse die Rohgußstahlöfen
als Aushülfe mitbenutzt werden.
Je nachdem man nun weicheren oder härteren Gußstahl erzeugen will, muß darnach der
Einsatz aus den verschiedenen Sorten des Rohgußstahls zusammengesetzt werden.
Außerdem wird von dem beim Rohgußstahlschmelzen angegebenen Pulver von Salz und
Braunstein etwa 1 Proc. zugesetzt.
Nach vier Stunden ist der Einsatz eingeschmolzen und wird in die entsprechenden
Formen abgestochen.
Die Leistung eines Raffinirschmelzofens ist bis 200 Ctr. täglich, für die Woche
jedoch nur, wegen Ausbesserungen am Ofen, mit 800 bis höchstens 1000 Ctr.
anzunehmen. Hiernach sind für den vollen Betrieb eines Raffinirschmelzofens 8 bis 10
Rohschmelzöfen erforderlich.
Bei Anlagen mit geringerer Production wird man in einem Ofen erst einige Zeit
Rohgußstahl einschmelzen und, nachdem man davon einen Vorrath hat, denselben Ofen
zum Raffinirfeuer verwenden. – Bemerkt muß auch noch werden, daß, wenn auch
der eigentliche Herd Reparaturen unterworfen ist, diese doch von keinem großen oder
solchen Belange sind, um störend auf den Erzeugungspreis und den Gang der Arbeit
einzuwirken.
Der Abbrand beim Raffinirschmelzen beträgt bis 10 Proc.
Zur Erzeugung eines Centners Gußstahlgüsse, aus oberungarischen, reinen
Spatheisensteinen dargestellt bei Anwendung der dort disponiblen Braunkohlen als
Brennmaterial, würde sich ein Aufwand an Material ergeben von:
111 Pfd. Rohgußstahl,
140 Pfd. reducirtes und gekohltes Erz,
179 Pfd. geröstetes und zerkleinertes Erz,
286 Pfd. rohe Spatheisensteine, so wie im Ganzen
350 Pfd. gute Braunkohlen zur Feuerung in den verschiedenen Oefen.
Bei Torfverwendung würde man etwa 30 bis 40 Kubikfuß einer besseren Sorte, an Holz
circa 26 Kubikf. für den Centner Gußstahlgüsse
verbrauchen.
Wenn ich auch zur Zeit nur die reinen Spatheisen- und Magneteisensteine in den
Bereich meiner Versuche gezogen habe und sonach nur bei diesen beiden Erzsorten von
einem entsprechenden Resultat überzeugt seyn kann, so ist doch kein rationeller
Grund vorhanden, warum nicht auch andere reine, reiche Erze für diese Art der
Massengußstahl-Erzeugung ganz geeignet seyn sollten.
Die reinen, reichen Erze, wie sie für die beschriebene Darstellungsweise wesentliche
Bedingung sind, kommen in mehreren mir bekannten Fällen in der Nähe von Braunkohlen,
Torf oder geringer, magerer Steinkohle vor. Diese Gegenden sind auf die
ausgedehnteste Erzeugung von Massengußstahl angewiesen und dürften wohl thun, statt
einen oft verkümmerten Hohofenbetrieb und eine weniger rentable Stabeisen-
oder Schmelzstahlerzeugung fortzuführen, mit der Anwendung meiner Methode der
Massengußstahl-Erzeugung vorzugehen.
Welche Vortheile durch Gußstahl, der nicht erheblich theurer als gutes Schmiedeeisen
zu stehen kommt, den Gewerben und der Landwirthschaft erwachsen müssen, die
hierdurch die dauerhaftesten Maschinen, Werkzeuge und Geräthe zu billigem Preise
erhalten können, bedarf wohl keiner weiteren Auseinandersetzung.
Vielleicht dürften diese Zeilen für Viele ein besonderes Interesse haben. Wer deßhalb
sich hierüber ganz ausführlich unterrichten, wer Angaben über Construction der
verschiedenen Betriebsvorrichtungen zu erfahren wünscht, beliebe sich an mich direct
– Berlin, Sebastiansstraße Nr. 14 – zu wenden.