Titel: | Die weiteren Fortschritte in der Stahlerzeugung nach Bessemer's Methode zu Edsken in Schweden; von P. Tunner. |
Fundstelle: | Band 158, Jahrgang 1860, Nr. XCIX., S. 364 |
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XCIX.
Die weiteren Fortschritte in der Stahlerzeugung
nach Bessemer's Methode zu
Edsken in Schweden; von P.
Tunner.
Aus Jern-Kontorets annaler von 1859 in
der österreichischen
Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen, 1860, Nr. 46 und
47.
Tunner, über die weiteren Fortschritte in der Stahlerzeugung nach
Bessemer's Methode zu Edsken in Schweden.
I.
In dem Jern-Kontorets annaler von 1859 erstattet
Hr. Director A. Grill abermals
einen Bericht über den weiteren Verlauf der Stahlerzeugung nach Bessemer's Methode zu Edsken in Schweden. Dieser
Bericht umfaßt die Resultate vom 18. Juli 1858 bis 15. Mai 1859, und kündigt sich
gewissermaßen als Schlußbericht an. Er ist, wie die früheren Berichte des Hrn.
Grill
Polytechn. Journal Bd. CLII S. 118
und Bd. CLIII S. 277. von wirklich werthvollem, lehrreichem Inhalte, und soll deßhalb seinem
ganzen Umfange nach in dem unter der Presse befindlichen berg- und
hüttenmännischen Jahrbuche deutsch übersetzt erscheinen. Da sich die Ausgabe des
Jahrbuches aber noch 3–4 Monate verzögern dürfte, so lasse ich das
Wesentlichste davon hier auszugsweise und zwar zunächst den
ökonomisch-technischen Theil folgen. In der genannten Zeit war das Ergebniß
des Bessemerens (des Frischens nach Bessemer's Methode) zu Edsken folgendes:
Textabbildung Bd. 158, S. 365
Härtegrad des Stahles; Erhaltener
Stahl in gereinigten Güssen. In Wr. Ctr.; Procent Ausfall; Bemerkungen.
Stahl
Obschon der Abbrand hier abermals mit 14,16 Proc. aufgeführt erscheint, so beträgt
derselbe in Wirklichkeit bestimmt nicht über 12 Proc., weil sowohl ein Theil der
Abfälle nicht zurückgewogen und dem Ergebnisse zu gute gerechnet wurde, als auch das
vom Hohofen erhaltene (nicht gewogen, sondern nur nach dem Stande in der Gußpfanne
bestimmte) Roheisen übrigens reich gerechnet wurde, wie aus dem Ausbringen nach dem
Hohofen-Journal und den später abgeführten Tiegelproben nachgewiesen ist.
Das hierzu im Ganzen verwendete Roheisen beträgt 20508,47 Wr. Cntr. Die Anzahl der
Chargen im Bessemer'schen Ofen beträgt 1307 Wr. Ctr.; die Roheisenmenge pro Charge 1569 Wr. Cntr.; die pro Charge erhaltenen Stahlgüsse 9,88 Wr. Ctr.; der Roheisenverbrauch für
100 Theile Stahlgüsse 123 Theile; die Erzeugung pro Tag
an gereinigten Stahlgüssen 43,08 Wr. Cntr.
Man hat gefunden, daß ein Bessemer-Ofen mit kleinen
Reparaturen 30–36 Chargen aushält, ohne neu ausgemauert zu werden, und daß
die aus Thon von Häganös (feuerfester Thon aus der Braunkohlenformation) erzeugten
Ziegel für sich allein genügend feuerfest sind.
Der vorstehende Procentausfall an zu hartem Stahle gegenüber den gewünschten
brauchbaren Sorten zeigt, daß man den Proceß nunmehr so ziemlich in der Hand haben
müsse, und nach Belieben härteren oder weicheren Stahl zu erzeugen im Stande sey. In
der That geben die Aenderungen, welche an der Flamme und hauptsächlich an den aus
dem Ofen geschleuderten Funken gegen Ende des Processes von geübten Augen
wahrgenommen werden können, ein ganz gutes, verläßliches Anhalten zur Beurtheilung
des Stadiums, in welches die Entkohlung getreten ist. Nur bei einem noch nicht
versuchten Roheisen, oder wenn sich die Düsen theilweise verlegen, oder irgend eine
außergewöhnliche Störung im Verlaufe des Processes eintritt, da geschieht es, daß
man die beabsichtigte Stahlsorte zu erlangen nicht vermag; außerdem muß aber
zugestanden werden, daß man beim Bessemern die Härte des
Stahles mehr in der Gewalt habe, als bei den meisten anderen Stahlprocessen, und
selbstverständlich ist aller Stahl von einer Charge von derselben Härte, die zuletzt
nach dem Bruchansehen genau bestimmt wird.
Das Ausrecken der Stahlgüsse zu Högbe läßt noch immer viel
zu wünschen übrig, hauptsächlich wegen der schlecht situirten Werkstätte und dem
öfteren Mangel an Betriebswasser und mehreren anderen Hindernissen, die
unvermeidlich sind, wenn man, alte Hütten und ihre Einrichtungen für einen ganz
neuen, verschiedenen Zweck so gut als möglich verwenden soll. Uebrigens wird das
Ausrecken von einem englischen Stahlschmiede geleitet, und werden dabei alle die
Vorsichten beobachtet, wie beim Ausrecken des Gußstahles in England, um eine reine
Oberfläche zu erhalten. In der Hauptsache wird dabei wie folgt zu Werke gegangen:
Die groben Güsse, mit 6 Zoll im Quadrat und 30 Zoll Länge werden mit beiläufig 8
Wärmungen im Gasofen zu 3 Zoll im Quadrat, unter einem Dampfhammer von 20 Cntr.
Gewicht und 50 Schlägen in der Minute, ausgeschmiedet; entgegen Güsse von 4–4
1/2 Zoll im Quadrat und derselben Länge, werden in 2 Hitzen unter einem Wasserhammer
von circa 8 Cntr. zu Stäben von ungefähr 2 Zoll im
Quadrat ausgereckt. Das so vorgestreckte Material wird in einem mit Steinkohlen
beheizten Haubenfeuer (hollow fire) mit Borax überschweißt, und unter
einem Wasserhammer mit derselben Hitze zu 1 1/2–1 1/4 Zoll Vierkant
ausgereckt, wodurch ein Theil des Stahles schon fertig ist, wie für gröbere
Dreheisen, Bohrerstahl u. dgl. Nach dieser Schmiedung wird der Stahl untersucht.
Schalen und Schiefer an der Oberfläche werden abgemeißelt, die Stäbe auf etwa 18
Zoll Länge gebrochen und der Bruch besichtigt. Diese Stücke werden sodann unter
Schwanzhämmern ausgestreckt, wovon der kleinere, welcher mit Dampf betrieben wird,
pro Minute 252 Schläge macht, 6 1/2 Zoll Hubhöhe hat
und sammt Zulagen bei 320 Pfund Wr. Gewicht schwer ist. Unter den Schwanzhämmern
werden Stahlstäbe von allen feineren Dimensionen bis zu 3/16 Zoll im Quadrat herab
erzeugt.
Unter dem Ausschmieden und der strengen Besichtigung, welcher der Stahl unterzogen
wird, zeigen sich die Fehler und Ungänze, so denselben minder brauchbar machen. Der
am öftesten vorkommende Fehler besteht in Streifen und Rändern an der Oberfläche,
den sogenannten „roakes,“ welche
zwar nicht tiefer eindringen oder dem Stahle bei der Anwendung in irgend einer Art
nachtheilig wären, außer bei polirten Gegenständen, sie verschwinden auch zum großen
Theil beim Ausrecken zu feineren Dimensionen; allein wo sie sichtbar sind, muß der
davon behaftete Stab zur 2. Sorte gegeben werden, indem Stäbe der 1. Sorte durchaus
eine vollkommen reine, blanke Oberfläche haben müssen. Aller Stahl, der tiefer
gehende Fehler oder Ungänzen hat, wird zu den Stahlabfällen geschlagen.
Wahrscheinlich stammen die roakes von noch nicht völlig
ermittelten Umständen beim Eingießen des Stahles, und seit darauf mehr
Aufmerksamkeit verwendet wird, ist das Uebel vermindert worden, daher man hoffen
darf, auch dieses Feindes noch Meister zu werden.
Zwischen dem 1. November 1858 und dem 21. Mai 1859 wurden aus den Rohgüssen, welche
successive den Dampf-, den Schweiß- und schließlich den
Feinstreckhammer passirten, erhalten:
1. Sorte
30,35 Procent.
1. Sorte, Bahnstahl
10,54 „
––––––
40,89 „
2. Sorte
40,03 „
Abfälle und Schöpfe
9,05 „
Abbrand
0,03 „
––––––
Summa
100,00
Wird das Bessemern und Ausrecken zusammengenommen, so ergibt sich nach Procenten des
verwendeten Roheisens berechnet:
Fertiger Stahl 1. und 2. Sorte
48,50 Procent.
Stahlabfälle
24,83 „
Roheisenabfälle
6,51
„
Abbraud
20,16 „
––––––
Summa
100,00
Dabei ist zu bemerken, daß alle erhaltenen Abfälle, sowohl vom Bessemern als vom
Ausstrecken, wenigstens den vollen Werth vom Roheisen haben, häufig aber,
insbesondere die Stahlabfälle, auch etwas höher als das Roheisen zu verwerthen
sind.
Das Bessemern, welches bereits in seiner bisnun erlangten Entwickelung einen
kleineren Abbrand, als selbst die gewöhnliche Stabeisenbereitung hat, muß demnach
bei zweckmäßiger Anwendung nothwendig geringere Erzeugungskosten nach sich ziehen,
als irgend ein anderes Frischverfahren, und zugleich eine Waare geben, gleichgut mit
dem englischen Gußstahl, für welchen sonach auf einen entsprechenden Preis gerechnet
werden kann. Dieserwegen kann man nicht anders, als mit dem lebhaftesten Interesse
und mit den wärmsten Wünschen den Fortschritten dieser hoffnungsvollen Manipulation
folgen.
Da mir über die Qualität der Producte vom Bessemern noch vor wenigen Monaten von
einem einflußreichen Fachmanne in vollem Ernste großer Zweifel persönlich geäußert
wurde, so mag in dieser Beziehung Folgendes aus Hrn. Directors Grill Bericht angeführt werden.
Nach den Versuchen, welche in Schweden gemacht wurden, und den vielen sowohl
mündlichen als schriftlichen Mittheilungen und Zeugnissen, welche die
ausgezeichnetsten Manufacturisten und Stahlarbeiter Schwedens darüber abgegeben
haben, ingleichen nach den Aeußerungen über den Bessemerstahl vom Auslande,
übertrifft derselbe den gewöhnlichen schwedischen Brennstahl und ist im Allgemeinen
mit den besseren englischen Gußstahlsorten zu vergleichen. (Von schwedischen
Fachmännern haben sich in der Art geäußert die Herren: J. und C. G. Bolinder in Kungsholm, Lindberg in Stora, Varfet, Tengelin, Lieberg
u.a. in Stockholm, Runner und Linddahl in Gefle, Heljestrand, Oeberg, Spängberg,
Stälberg, Svenngren und andere in Eskilstuna; von außerschwedischen Herren
liegen die gleichen Beweise vor, von J. Hetherington und Fairbairn in Manchester, Anthony und Rotterham in Sheffield, Borsig
in Berlin u. m. a.) Der schwedische Bessemerstahl ist leichter zu schweißen, als der
schweißbare Gußstahl von gleichem Härtegrad, und die weicheren Sorten Nr. 4 und Nr.
4·⁵ lassen sich nahezu so behandeln wie das Stabeisen. Er hat in
dieser Beziehung gleiches Verhalten mit dem Herdfrisch- oder Schmelzstahl,
aber besitzt zugleich große Vorzüge vor diesem, wie vor dem Cementstahle, in seiner
Gleichartigkeit und Freiheit von Ungänzen, in welcher Hinsicht er dem Gußstahle
gleicht. Der Bessemerstahl ist auf gleichem Standpunkte mit dem guten englischen
„welding caststeel“
(schweißbaren Gußstahl), nur fordert er etwas mehr Aufmerksamkeit beim Härten, weil
er schon bei viel niedrigerer Temperatur die Härtung annimmt, und gerade in dieser Hinsicht eine von
den vielen Eigenschaften zeigt, welche man als die Ursache von dem ansieht, was der
Engländer mit dem Ausdrucke „body“
bezeichnet, obschon die Grenzen für die passende Härtungswärme möglicherweise als
sehr eng angesehen werden müssen. Einige Härtungsversuche mit einem abgesonderten
Stücke und die Beurtheilung des Bruches nach der Härtung, zeigen für einen
aufmerksamen Arbeiter bald den Grad der Härtung, welcher dem Stahle gegeben werden
soll.
Der schweißbare Gußstahl hat in letzterer Zeit den Gerbstahl (shear steel) nahezu verdrängt; allein den neuesten Nachrichten zu Folge
beginnt der letztere wieder seinen alten Platz zu behaupten. Es steht daher zu
hoffen, daß der Bessemerstahl, bei feiner leichten Bearbeitung wie Gerbstahl, und
bei seiner Gleichartigkeit wie Gußstahl, sich zu allen jenen Arbeiten bald das
größte Vertrauen erringen werde, wo es sich um das Zusammenschweißen zwischen Stahl
und Eisen handelt, wozu er nach Erfahrungen in Schweden sich ganz ausgezeichnet
eignet.
Als Maschinenwerkzeug zum Bohren und Drehen u. dgl. ist der Bessemerstahl als
ausgezeichnet gut erkannt worden; ebenso für Schlägel und Steinbohrer, für Feilen
und Meißel, wenn indeß nicht zu harter Stahl dafür verwendet wird. Die
mannichfaltigen Arbeiten, selbst für die delicatesten Zwecke, wie Rasirmesser,
Degenklingen, Stahlspiegel, Scheren, Messer und Beißzangen für Uhrmacher, welche bei
der letzten Versammlung der schwedischen Gewerke vorgezeigt wurden, und auch am
Markte zu haben sind, liefern den vollgültigen Beweis für die Tauglichkeit dieses
Stahles selbst zu den feinsten Arbeiten.
Aus Zeitungen ist überdieß bekannt, daß der Bessemerstahl in England und im
nördlichen Deutschland bereits am Markte erschienen ist. Diesem Umstande schreibe
ich es zu, daß mir aus Preußen von drei verschiedenen Seiten über die allenfallsige
Anwendung dieser Stahlerzeugungsmethode Anfragen und Ersuchen um Aufklärungen
zugegangen sind.
Durch Bessemer's Methode wird
die Stahlfabrication von der eigentlichen Kunstfertigkeit der Arbeiter befreit und
die Leitung derselben fast ganz in den Bereich der Intelligenz gelegt. Da sie in
Schweden an einem einzigen Orte nach kaum 2 Jahren bereits zu ihrem gegenwärtigen,
sehr beachtenswerthen Standpunkte gebracht worden ist, welcher weiteren
Vervollkommnung muh sie noch fähig seyn! Das Bessemern eignet sich übrigens nicht
allein für die Stahlerzeugung, sondern auch zur Darstellung von geschmeidigem
weichen Eisen, welches nunmehr mit Leichtigkeit von einer zureichenden
Dünnflüssigkeit erhalten wird, um selbst zu verschiedenem Bedarf vergossen zu
werden. (Hr. Director Grill
ergreift diese Gelegenheit, um eine von ihm im Berichte über das Oestlund'sche Puddlingsverfahren ausgesprochene Ansicht zu corrigiren, daß
das Bessemer'sche Verfahren für Stabeisen nicht zu
entsprechen scheine, namentlich zuletzt nicht die nothwendige Temperatur gebe, um
geschmeidiges Eisen entsprechend flüssig zu erhalten; eine Vermuthung, welche ich
ebenfalls theilte und die niedergeschrieben wurde, bevor es geglückt war, von
anderem als rothbrüchigem Eisen das geschmeidige Eisen flüssig zu erhalten.) Der
weichste Stahl, d. i. Nr. 4, 5, verspricht von vorzüglichem Nutzen für große Stücke
zu werden, welche Härte gegen Abnützung und zugleich Stärke verlangen, wie z.B.
Kolbenstangen, Achsen, Tyres u.s.w. Von diesem Stahle sind bereits Aexte gegossen
worden, welche mit unbedeutender Nacharbeit zu ihrem vorgesetzten Zwecke brauchbar
waren. Zugleich ist die Grenze für die Größe solcher Stücke noch nicht vorzusehen,
wenn die Zustellung des Ofens darnach gerichtet wird. Endlich ist kaum nöthig
anzuführen, wie brauchbar dieses Verfahren für eine schnelle und billige Raffinirung
des Roheisens seyn müsse, wodurch die Methode selbst für die Länder einen Werth
erhält, deren Erze und Brennmaterialien-Beschaffenheit es nicht zuläßt,
hierdurch mit Erfolg direct Eisen oder Stahl darzustellen, wie dieses Versuche in
England gezeigt haben.
Unverkennbar ist dem Bessemern eine so hohe Wichtigkeit beizulegen, da sich
insbesondere alle Länder, welche mit Stahlerzen gesegnet sind, dringend aufgefordert
sehen sollten, dieses Verfahren in Angriff zu nehmen, selbst dann, wenn dasselbe
nicht bereits so weit gediehen wäre, wie aus Schweden authentisch vorliegt. Was
würde aus dieser Methode geworden seyn nach den mehreren mißglückten Proben in
England und auf dem Continente, und nachdem fast allerorts von den gewichtigsten
Männern darüber der Stab gebrochen war, hätten nicht die Besitzer von Edsken und der
schwedische Gewerkeverein sich desselben nachhaltig und mit Opfern angenommen?
Hoffentlich wird nun kein ungünstiger Zufall mehr im Stande seyn, dieses Verfahren
wieder für einige Zeit zum Erliegen zu bringen, wie uns übrigens die Geschichte von
so mancher andern wichtigen Erfindung lehrt.
Ich gehe nun auf den wissenschaftlichen Theil von Hrn. Grill's Bericht über.
II.
Die von Bessemer erfundene und nach ihm benannte Methode
weist vor den älteren Frischmethoden drei höchst wichtige Unterschiede, nämlich:
1) daß kein besonderes Brennmaterial erforderlich wird, um das zu verfrischende
Roheisen einzuschmelzen und im flüssigen Zustande zu erhalten und während des ganzen
Frischprocesses die nöthige Temperatur zu haben;
2) daß der Bedarf an Frischschlacken und an zu verbrennendem Eisen bedeutend geringer
ist, und
3) daß das gefrischte Product, Eisen oder Stahl, noch genügende Flüssigkeit besitzt,
um sich von der Schlacke zu trennen. Die Möglichkeit hiervon hat ihren Grund in der
von Bessemer entdeckten oder früher wenigstens
unbenützten Eigenschaft des flüssigen Roheisens, daß
dieses nicht nur nicht abgekühlt wird und erstarrt, wenn fein
vertheilte Ströme stark gepreßter Luft durch dasselbe geleitet werden, sondern
flüssig bleibt und zu Stahl und Eisen gefrischt wird, während die Temperatur in
dem Grade zunimmt, daß letztere auch noch in dem flüssigen Zustande
verbleiben.
Die Vorstellung, daß hierbei durch directes Verbrennen des Kohlenstoffes, des
Graphites, durch den Wind die nöthige Temperatur erzeugt und das Frischen bewirkt
werde, daß man es also hierbei mit einem wahren Windfrischen zu thun habe, ist ebenso unrichtig, wie die Behauptung, daß
hierbei nur das Eisen selbst statt dem sonstigen Brennmaterial verbrannt werde und
darum nothwendig der Calo eine außer allen ökonomischen Verhältnissen stehende Größe
erhalten müsse.
Nach einem genauen Studium des Processes kann man nicht läugnen, daß hierbei ein
wirkliches Schlackenfrischen stattfindet. Beweis für
diese Ansicht sind die Vergleichungsweise Ruhe des flüssigen Roheisens durch etliche
Minuten, bevor das Aufkochen eintritt, dann das Aufkochen selbst, ferner dessen
bisweiliges Auftreten in mehreren Wiederholungen mit Zwischenzeiten von Ruhe;
weiters der geringe Eisenoxydulgehalt in der sich ergebenden Schlacke, sodann die
Farbe der Flamme, endlich die nach beendigtem Aufkochen sichtbar steigende
Temperatur.
Es ist offenbar nicht gut möglich anzunehmen, daß der Wind eine so überwiegende
Verwandtschaft zur Kohle und dem Silicium habe, daß er diese angreifen sollte, ohne
das in weit überwiegender Menge vorhandene Eisen zu oxydiren, welches bei dieser
hohen Temperatur stets einem auf 2 Atmosphären Druck gepreßten, also auch auf den
doppelten Sauerstoffgehalt der atmosphärischen Luft gebrachten Windstrom ausgesetzt,
offenbar zur Oxydation sehr geneigt seyn muß, wie dieses in der That sich zu
erkennen gibt durch die feuerwerksähnlichen Funken und die brillanten Feuerströme,
welche aus dem Ofen geworfen werden. Es fragt sich dabei nur, welchen Ausweg das
durch den Wind verbrannte Eisen im Ofen nimmt. Die Aufklärung gibt die an
Eisenoxydul äußerst arme Schlacke, deren Eisengehalt durch die Kohle und das
Silicium des Roheisens ausreducirt wird. Der eingepreßte Wind enthält in runden Zahlen 80 Volumtheile
Stickstoff und 20 Volumtheile Sauerstoffgas, wovon das letztere, wie später gezeigt
werden soll, gänzlich dem Proceß zu Gute kommt. In der Periode, bevor das Aufkochen
eintritt, muß angenommen werden, daß der größte Theil des Sauerstoffgases mit dem
Eisen verbunden und in der flüssigen Masse zurückbleibe, mithin hauptsächlich nur
das Stickstoffgas entweicht. Aus dieser Ursache verhält sich dabei die Masse
Vergleichungsweise ruhig, da aus ihr selbst in dieser Zeit keine Gasentwickelung
vorgeht. Bei dem eingetretenen Aufkochen dagegen entweichen nebst den 80
Volumtheilen Stickstoff auch die 20 Volumtheile Sauerstoff und zwar durch die
Verbindung mit Kohle umgewandelt in 40 Volumtheile Kohlenoxydgas und diese letztere
Gasmenge wird auch noch durch ein mindestens gleiches Volum vermehrt, indem der
früher mit dem Eisen verbunden zurückgebliebene Sauerstoff nunmehr ebenfalls mit
Kohle verbunden als Kohlenoxydgas entweicht. Sind solchergestalt in dem ruhigeren
Stadium des Processes beispielsweise per Secunde 80
Volumtheile Gas entwichen, so gehen im Stadium des Aufkochens mindestens doppelt so
viel, also 160 Volumtheile Gas in der gleichen Zeit fort. Daraus erklärt sich die
mitunter bis an Explosionen grenzende Heftigkeit, womit das Frischen vor sich geht.
Der Eisengehalt der Schlacke wird dabei auf Kosten des Kohlen- und
Siliciumgehaltes im Roheisen ausreducirt und davon läßt sich der geringe Halt an
Eisenoxydul in der Schlacke ableiten. Es ist bekannt, wie gering der
Eisenoxydulgehalt einer Schlacke seyn kann, damit sie bei dem Aufkochen entkohlend
auf das Roheisen einwirkt. Bei den Eisenhohöfen, wenn sich theilweise Kochschlacke
gebildet hat, liegen die Beispiele hiefür in großen Mengen vor und man kann sich da
nicht weiters verwundern, daß bei diesen, für einen solchen chemischen Proceß
äußerst günstigen Umständen die Schlacke nicht das Aussehen und den Eisengehalt von
gewöhnlichen Frischschlacken besitzen, sondern durch die beständige energische
Wechselwirkung zwischen dieser und dem Roheisen, ärmer an Eisen, dafür reicher an
Kiesel und mehreren anderen Körpern werde, die dem Roheisen und den Ofenwandungen
entnommen sind.
Das Eintreten des Aufkochens in mehreren Wiederholungen weist darauf hin, daß in der
Zwischenzeit der Sauerstoff der Gebläseluft, durch dessen Vereinigung mit dem Eisen,
in der Schlacke zurückbleibt, und nachdem die letztere genügend eisenreich geworden
ist, um auf das Roheisen entkohlend einzuwirken, wird die Masse durch die in einem
Theile derselben stattfindende Entwicklung von Kohlenoxydgas in ein heftiges
Aufkochen versetzt; dieses dauert so lange, bis entweder die Schlacke zu arm an
Eisenoxydul geworden oder vom Roheisen der größte Theil seines Kohlen- und
Siliciumgehaltes abgeschieden ist. Die Farbe der Flamme, welche unter dem ganzen Frischen
zunächst bei der Essenmündung blau erscheint, zeigt, daß der Ofen mit Kohlenoxydgas
gefüllt ist, welches durch die Einwirkung der Schlacke auf den Kohlengehalt des
Roheisens gebildet wird.
Da die Verbrennungsproducte allzeit die bei der Verbrennung entwickelte Wärme
aufnehmen, so findet man, daß bei der Verbrennung des Eisens zu Oxydul die meiste
Wärme zurückbleibt, wogegen bei der Oxydation der im Roheisen befindlichen Kohle zu
Kohlenoxyd dieses letztere mit derselben Temperatur fortgeht, welche die ganze Masse
hat, folglich nicht einen unbedeutenden Theil der Wärme mitnimmt. Die bei der
Verbrennung des Eisens im Anfange freigemachte Wärme wird jedoch bei der bald darauf
folgenden Reduction des oxydirten Eisens wieder zum größten Theile gebunden. Es wird
daher wahrscheinlich, daß die vor und während des eigentlichen
Frischens erzeugte Wärme sich in der Hauptsache auf jenen Theil beschränkt,
welcher durch die Verbrennung des Kohlen geh altes im Roheisen zu Kohlenoxyd
freigemacht wird.
Unter der Annahme, wie im Nachfolgenden näher begründet werden soll, daß 3 Proc.
Kohle aus dem Roheisen fortgenommen werden, beläuft sich diese Kohlenmenge bei jeder
Charge mit circa 16 Ctr. nicht ganz auf 50 Pfund, ein
Quantum, welches so ziemlich einem Vordernberger Fassel oder 7 3/4 Kubikfuß weicher
Holzkohle entspricht. Es ist dieses nicht mehr als nöthig, um den abkühlenden
Einfluß des kalten Windes, der Ofenwandungen u.s.w. aufzuwiegen. Dieserwegen scheint
sich auch die Temperatur während des Processes nicht nennenswerth zu steigern, bevor
der eigentliche Frischproceß beendet ist. Dagegen nach Beendigung des Frischens
erhöht sich die Temperatur schnell bis zur hellen Weißhitze, was keine andere
Ursache haben kann, als daß nunmehr die bei der Verbrennung
des Eisens erzeugte Wärme nicht weiters durch die Reduction wieder gebunden
wird, sondern bloß ein kleiner Theil mit den Gasen fortgeht, deren Menge
nun, laut früher angegebenen Gründen, zugleich um Vieles vermindert ist. Man ersieht
diese Temperatur-Erhöhung sowohl beim Abstechen des Stahles als ganz
besonders an den ausgeworfenen Eisentropfen, welche unter der ganzen Zeit des
eigentlichen Frischens roth sind und bald erkalten, wogegen sie nach beendetem
Frischen weißwarm sind und sehr lange diese Temperatur beibehalten.
Eine von Hrn. Director Grill
nach den Daten von Edsken möglichst genau durchgeführte Berechnung der Windmenge,
welche dem Bessemer-Ofen per Minute eingepreßt wurde, ergibt diese zu 947 Wr.-Kubikfuß oder während der ganzen
Chargendauer von acht Minuten zu 7576 Kubikfuß. Die Menge des atmosphärischen
Sauerstoffs entziffert sich in dieser Luftmenge nach örtlichen Temperatur-
und Luftdruck-Verhältnissen auf 121 Wr. Pfund. Da die Roheisenmenge 1743
Pfund betragen hat und entsprechend den chemischen Untersuchungen anzunehmen ist,
daß 3 Procent Kohlenstoff und 1/2 Procent Silicium vom Roheisen abgeschieden wurden,
so mußten dazu 79 Pfund Sauerstoff verwendet werden. Es erübrigen von der ganzen
Sauerstoffmenge sonach nur 42 Pfund, welches Quantum 147 Pfund Eisen zu Oxydul zu
verbrennen vermag, was 8,4 Procent des Roheisens entspricht. Der gesammte Calo
berechnet sich daher auf 3 + 0,5 + 8,4 = 11,9 oder nahezu 12 Procent, wie sich
dieses auch factisch ergeben hat.
Diese Berechnung legt klar vor Augen:
1) daß aller Sauerstoff der eingeblasenen Luftmenge für den Proceß verwendet
werde;
2) daß der Sauerstoff der Luft nicht zureichend ist, mehr zu oxydiren als 1/2 Proc.
Silicium, 3 Proc. Kohle und bei 8 Proc. Eisen oder in Summe ungefähr 12 Proc. des
Roheisengewichtes;
3) daß man bei dieser Windmenge bisher die Grenze für den Gebrauch des
atmosphärischen Sauerstoffes noch nicht überschritten habe;
4) daß der Kohlenstoff des Roheisens in keiner andern Form, als in der des
Kohlenoxydgases fortgeht, welche Oxydationsstufe ingleichen bei dem sogenannten
Windfrischen gebildet wird;
5) daß die Temperatur der angewendeten Gebläseluft gerade deßhalb einen so großen
Einfluß auf den Verlauf des Frischprocesses hat, weil im Falle, als die Temperatur,
nicht aber die Pressung vermehrt wird, ein kleineres Luftquantum in den Ofen
gelangt, und daraus erklärt sich, warum es zu Edsken bei dem Versuche mit heißer
Luft nicht gelang, bessere Resultate zu erreichen, so lange die Dampfmaschine des
Gebläses nicht auf einen höheren Effect gebracht werden konnte, endlich
6) daß die Ursache des besseren Ganges, welcher nach dem 18. Juli 1858 sich
einstellte, hauptsächlich in der vermehrten Windmenge gelegen war, welche durch die
Vermehrung des Querschnittes sämmtlicher Düsen, Oeffnungen und der
Gebläse-Wechslungen erzielt wurde, obgleich die Pressung gleichzeitig sich
verminderte.
Als allgemeine Schlußsätze kann, nach den zu Edsken mit
verschiedenen Erzen durchgeführten Versuchen,
angenommen werden, daß das Freiseyn von jeder Unart eine
unerläßliche Bedingung ist, um einen brauchbaren Stahl zu erhalten, daß
jedoch der Rothbruch, welcher durch einen Schwefelgehalt veranlaßt ist, durch ein
umsichtiges Rösten
mit Oasen so vollständig weggeschafft werden kann, daß weder im Roheisen noch im
Stahle eine Spur davon zu entdecken ist, selbst bei Erzen, die sonst als rothbrüchig
angesehen wurden. Die Gegenwart eines bemerkenswerthen
Mangangehaltes ist sehr wünschenswerth, sowohl wegen der Leichtigkeit, mit
welcher dabei das Frischen erfolgt, als in Beziehung der Schmiedbarkeit des
erzeugten Stahles. Schwefel und Mangan im Roheisen verursachen jedoch ein
gewaltsames, unbequemes Aufkochen, insbesondere wenn das Roheisen stark halbirt
ist.
Basische Beschickungen scheinen nach mehreren Anzeichen
entsprechender als kieselreiche zu seyn. Sonderheitlich kann von dem
Dannemora-Roheisen bemerkt werden, daß dasselbe unter gewaltsamem Aufkochen
recht gut frischt und daß die härtesten Nummern des hieraus erhaltenen Stahles,
selbst Nr. 1, sich noch schmieden lassen und dabei, nachdem die Schmiedung von vier
Zoll auf zwei Zoll im Quadrat getrieben war, dennoch die dem Roheisen eigenthümliche
Textur zeigte, mit einer diagonalen, krystallinisch-strahligen Anordnung.
Schließlich lasse ich zur bessern Orientirung noch zwei der angeführten Analysen von
Hohofenschlacken folgen und zwar A einer Hohofenschlacke
von Dannemora-Beschickung zu Edsken von 1858, und B einer Hohofenschlacke von Edsken im Jahre 1858 für das zum Bessemern
verwendete Roheisen:
A
B
Sauerstoff
Sauerstoff
Kieselerde
47,300
24,560
–
46,371
24,077
–
Thonerde
1,660
–
0,777
4,301
–
2,013
Kalkerde
24,340
–
6,954
38,640
–
11,040
Talkerde
22,860
–
9,137
7,400
–
2,958
Kali
0,621
–
0,105
0,300
–
0,051
Natron
0,089
–
0,023
0,138
–
0,036
Eisenoxydul
0,991
–
0,220
0,950
–
0,211
Manganoxydul
1,400
–
0,315
1,860
–
0,419
Kupfer
0,040
–
–
Spur
–
–
Schwefel
0,070
–
–
0,030
–
–
Phosphor
Spur
–
–
Spur
–
–
–––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––
99,371
24,560
17,531
99,990
24,077
16,728
Hoffentlich wird diese vorstehende, wenn auch nicht vollständige, doch in der
Wesenheit genügende wissenschaftliche Begründung des Bessemerns in Verbindung mit
dem unzweifelhaft erzielten Quantum von mehreren Tausenden Centnern ganz guter
Stahl-Sorten dazu beitragen, diesem Proceß mehr Vertrauen zu gewinnen, als es
bisher der Fall war.