Titel: | Ueber die Anwendbarkeit der Gentele'schen Probeflüssigkeit zur Ermittelung und Bestimmung von Traubenzucker; von J. G. Gentele. |
Autor: | Johan G. Gentele [GND] |
Fundstelle: | Band 158, Jahrgang 1860, Nr. CXVII., S. 427 |
Download: | XML |
CXVII.
Ueber die Anwendbarkeit der Gentele'schen
Probeflüssigkeit zur Ermittelung und Bestimmung von Traubenzucker; von J. G. Gentele.
Gentele, über die Anwendbarkeit seiner Probeflüssigkeit zur
Ermittelung und Bestimmung von Traubenzucker.
Als ich die in diesem Journal Bd. CLII St. 68 und 139 beschriebene Probeflüssigkeit
zur Bestimmung von Traubenzucker und Rohrzucker empfahl, hatte ich nur Gelegenheit
gehabt, Untersuchungen mit Rohrzucker aus en Colonien und den
Syrupen aus solchem, mit Traubenzucker und Stärkezucker anzustellen; und diese Proben nach meiner Methode waren so
leicht ausführbar, selbst mit gefärbten Syrupen, daß ich keinen Anstand nahm das
Verfahren zu empfehlen; wer die Fundamentalversuche, auf welche sich dasselbe
gründet, mit Rohrzucker, Traubenzucker, Stärkezucker, Dextrin etc. wiederholt hat,
wird mir beistimmen, daß genauere Reactionen und Resultate schwerlich mit einem
anderen Reagens erzielt werden; selbst bei der Untersuchung von gefärbten Syrupen
ist bei dem als Regel vorauszusetzenden Sinn für Farbenunterschiede ein Irrthum
nicht möglich.
Die in diesem Bande des polytechn. Journals S. 40 veröffentlichten Versuche des Hrn.
Dr. C. Stammer
veranlassen mich auf diesen Gegenstand zurückzukommen. Ich erinnere hier daran, daß
meine Probeflüssigkeit auf Dextringummi nicht einwirkt,
dasselbe mag durch Rösten der Stärke erhalten und gebräunt, oder es mag durch Kochen
der Stärke mit Säuren erzeugt seyn. Ebensowenig wirkt
sie auf eine andere Gummiart. Es kann nun allerdings eine Zuckerart,
welcher Dextringummi, aber kein Trauben- oder Stärkezucker anhängt, mit der
Fehling'schen Probeflüssigkeit eine Reduction von
Kupferoxyd veranlassen, also die Reaction auf Traubenzucker erfolgen, aber meine
Probeflüssigkeit reagirt in diesem Falle nicht, sie entfärbt sich nicht oder
„zweifelhaft“, und so lange die von Hrn. Stammer untersuchten Producte der
Rübenzuckerfabrication nicht auf einen Dextrin- und Gummigehalt geprüft
worden sind, kann ich nicht annehmen, daß der von ihm darin gefundene Zuckergehalt,
welcher meine Probeflüssigkeit nicht entfärbte, wirklich eine der genannten
Zuckerarten repräsentirt, sondern ich muß vermuthen, daß er in Gummi besteht.
Kocht man Stärke so lange mit Schwefelsäure, daß beim Erkalten sich keine Stärke mehr
ausscheidet, also sämmtliche Stärke in Dextringummi verwandelt worden ist, und
neutralisirt man dann die Flüssigkeit mit kohlensaurem Natron, so zeigt meine
Probeflüssigkeit an, daß noch kein Zucker gebildet worden ist; die Fehling'sche Probeflüssigkeit zeigt hingegen schon
Stärkezucker an. Wer aber die Reaction meiner Probeflüssigkeit auf Stärkezucker
kennen gelernt hat, wird mit mir dennoch bestreiten, daß schon Stärkezucker
vorhanden ist. Erst nach längerer Einwirkung der Schwefelsäure erzeugt sich
Stärkezucker und die Zunahme seiner Quantität läßt sich bis zu Ende seiner Bildung
verfolgen, wo dann, wie ich fand, bei 100° C. getrocknete Stärke 97,7 Procent
C¹²H¹²O¹² erzeugt hat.Die opalisirende Flüssigkeit wird dann durch Alkohol nicht gefällt, sondern
völlig klar. Das Opalisiren rührt von einer ausgeschiedenen fetten Säure
her, welche beim Filtriren der Flüssigkeit auf dem Filter zurückbleibt. Man
kann diese fette Säure dann in Alkohol auflösen, aus welchem sie durch
Wasser gefällt wird; beim Verdunsten der alkoholischen Lösung bleibt sie als
ein zähflüssiges Oel zurück. Was der Alkohol von dem Filterinhalt nicht
löst, ist eine pectinartige Substanz, welche in Aetzkali löslich und daraus
durch Säuren fällbar ist. Ich habe also allen Grund zu vermuthen, daß die Untersuchungen des Hrn.
Stammer, wobei andere
Stoffe, welche aus der Fehling'schen Probeflüssigkeit
Kupferoxyd reduciren, nicht berücksichtigt worden sind, den Werth meiner
Probeflüssigkeit nicht beeinträchtigen. Ich habe es zwar nicht besonders
hervorgehoben, aber ich thue es hier, daß
gerade der Umstand, daß meine Probeflüssigkeit auf Dextrin
nicht wirkt, sie um so werthvoller macht, denn ein Gemenge von Gummi,
Rohrzucker und Stärkezucker oder Traubenzucker läßt sich damit quantitativ analysiren, indem man zuerst den Traubenzucker bestimmt, dann
den Traubenzucker und den mit Säure umgewandelten Rohrzucker, und hernach diese
beiden letzteren sammt dem durch Säure in Zucker umgewandelten Gummi.
Bei dieser Gelegenheit bemerke ich, daß ich, wie schon in den angeführten Aufsätzen
erwähnt wurde, im bayerischen Biere, welches hier (in Stockholm) gebraut wird, sehr
wenig Zucker fand, aber eine das polarisirte Licht stark Rechts drehende Substanz.
Das Bier gab mit Jod eine gelbe Trübung, und durch Kochen mit Schwefelsäure wurde
weder sein Verhalten im Polarisationsinstrumente verändert, noch zeigte hernach
meine Probeflüssigkeit eine vermehrte Zuckermenge an. Beim Erkalten des mit
Schwefelsäure gekochten Bieres setzt sich daraus eine flockige Gallerte ab, die sich
verhielt wie der in Alkohol unlösliche aber in Kali lösliche Theil, welcher beim
Kochen von Stärke mit Schwefelsäure nach den: Filtriren zurückblieb. Beim Erwärmen
lösten sich jene Flocken wieder auf und schieden sich beim Erkalten jedesmal wieder
ab. Aus dem davon abfiltrirten Biere fällte Alkohol weiße Flocken, welche nach dem
Abfiltriren und Trocknen ein der Stärke völlig ähnliches Ansehen hatten, und nun,
was merkwürdig ist, durch Kochen mit Schwefelsäure mit der größten Leichtigkeit in
eine Zuckerart übergingen, welche der Menge nach eben so viel betrug als wäre die
Substanz Stärke gewesen.
Ebenso fällt Alkohol diese Substanz aus dem Bier vor dem Kochen mit Schwefelsäure,
sie ist dann aber mit dem flockigen Körper gemengt, welchen die Schwefelsäure
abscheidet. Diese besondere Art im Biere gelöster Stärke ist übrigens in kaltem
Wasser unlöslich, in Stücken spröde, aber zerrieben ganz vom Ansehen gewöhnlicher
Stärke.
Folgende Bemerkungen mögen noch bei Anwendung meiner Probeflüssigkeit berücksichtigt
werden:
1) Enthält die Probeflüssigkeit mehr Kali als ich
angegeben habe, und das Zuckergemisch viel Traubenzucker, so kann der Kaliüberschuß
denjenigen Theil des Traubenzuckers bräunen, welcher noch nicht oxydirt worden ist.
Die Bräunung verschwindet zwar nach hinreichendem Zusatz von Probeflüssigkeit, aber
dieser Umstand kann Irrthümer veranlassen. Diese Erfahrung macht man, wenn man es
mit dem Kalizusatz nicht genau nimmt.
2) Harnstoff, Ammoniak, Ammoniaksalze, Asparagin,
Asparaginsäure, Harnsäure entfärben die Probeflüssigkeit wie Zucker; bei den vier ersten
entwickelt sich Stickgas. Die Untersuchung des diabetischen Harns mit meiner
Probeflüssigkeit ist also bei Gegenwart der gewöhnlich neben dem Zucker vorhandenen
Bestandtheile unthunlich.
3) Milchzucker reagirt nicht auf die Probeflüssigkeit,
auch nicht Glycerin. Ersterer (nicht letzteres) reagirt
aber nach dem Kochen mit Säure auf sie. Ist die Einwirkung der Säure vollständig
gewesen, so erfordert die von einer gewogenen Menge Milchzucker erhaltene
Flüssigkeit so viel Reagens, als dem Kohlenstoffgehalt des Milchzuckers an
Traubenzucker entspricht.
4) Rohe Manna wirkt wie Traubenzucker. Mannit hingegen wirkt sehr wenig und langsam, wohl aber
nach dem Kochen mit Säuren; es ist jedoch nicht möglich, die Probeflüssigkeit auf
den mit Säuren gekochten Mannit so einwirken zu lassen, daß von ihr eine constante
Menge verbraucht wird.
5) Arabisches Gummi, mit Schwefelsäure gekocht bis Alkohol
keinen Niederschlag mehr gibt, zerstört so viel Probeflüssigkeit als wenn man ein
gleiches Gewicht Rohrzucker in Traubenzucker verwandelt hätte.
6) Die Chemiker, welche sich mit der Untersuchung von Flüssigkeiten auf Traubenzucker
oder Stärkezucker beschäftigen, ersuche ich, in dem Falle wo meine Probeflüssigkeit
nicht entfärbt wird, hingegen die Fehling'sche
Probeflüssigkeit Zucker anzeigt, in das Gemisch mit meiner Probeflüssigkeit nur 1
Milligramm linksdrehenden Traubenzucker (von mit Säuren
umgeändertem Rohrzucker), oder linksdrehenden Fruchtzucker,
Honigzucker, oder rechtsdrehenden Stärkezucker, oder reinen Krümelzucker aus
diabetischem Harn zu bringen, worauf Entfärbung erfolgen wird, wenn nur 1
Kubikcentimeter meiner Probeflüssigkeit zugesetzt worden ist. Sie werden sich durch
dieses Experiment überzeugen, daß in jenem Falle die Angabe der Fehling'schen Probeflüssigkeit von etwas Anderem
herrühren muß, als von diesen Zuckerarten, welche ich zur Untersuchung mit meiner
Probeflüssigkeit sämmtlich selbst dargestellt habe; dieselben verhalten sich nicht
nur gleich, sondern entfärben auch gleiche Quantitäten von meiner Probeflüssigkeit.
Auch Caramel entfärbt dieselbe, ich habe jedoch noch nicht untersucht, welche Menge
von ihr dazu verbraucht wird.
Bei meinen Versuchen wende ich nie Kochhitze, sondern höchstens eine Temperatur von
80 bis 85° C. an. Beim Kochen des Rohrzuckers, falls sich dieser Zucker
wirklich dabei verändert, entsteht jedenfalls keine der vorgedachten Zuckerarten,
denn sonst würde sich eine mit meiner Probeflüssigkeit gefärbte Lösung desselben
nicht kochen lassen, ohne daß Entfärbung eintritt.
7) Obgleich mir die Entfärbung selbst der dunkel gefärbten Syrupe, deren Färbung nach ihrer
Verdünnung nach meiner Vorschrift fast verschwindet, keine Schwierigkeiten darbot,
so habe ich doch versucht, ein Verfahren zu ermitteln, wobei diese Verdünnung
überflüssig ist. Man kann nach der Erwärmung nicht zersetzt werdende
Probeflüssigkeit wahrnehmen, also den Punkt bestimmen, wo man sie in Ueberschuß
zugesetzt hat, wenn man mit einem Glasstabe einige Tropfen des behandelten Gemisches
auf weißes Filtrirpapier bringt, das mit basisch essigsaurem Bleioxyd getränkt und
schnell getrocknet worden ist. Der Tropfen zieht sich dann ins Papier und hinterläßt
einen gelblichen Fleck oder Rand, sobald die geringste Menge unzersetzter
Probeflüssigkeit im Gemische geblieben ist. Diesen Fleck erhält man auch von Wasser,
welches durch Zusatz eines einzigen Tropfens der Probeflüssigkeit auf etwa 200
Gramme kaum gelblich gefärbt ist. Die Färbung beruht darauf, daß die
Probeflüssigkeit mit basisch essigsaurem Bleioxyd ein Gemenge von Mennig und Cyaneisenblei gibt;
die rothe Farbe des Mennigs ist aber in verdünntem Zustande gelb, und die gelbe
Farbe des Niederschlags auf Papier ist viel deutlicher als im
Tropfen beider Flüssigkeiten, sie erscheint noch deutlicher wenn man das
Papier gegen das Licht hält. Bei größeren Mengen der Probeflüssigkeit ist sie
röthlich, bei noch größeren bräunlich von Bleisuperoxyd. Ich will mich jedoch davor
verwahren, daß ich nicht vorausgesehen hätte, daß auch diese Methode untauglich ist,
wenn man eine Flüssigkeit untersuchen wollte, die z.B. mit Bleioxyd einen gelben
Lack gibt. Es dürfte überflüssig seyn anzugeben, wie man zu verfahren hat, um das
Ende der Reaction der Probeflüssigkeit auf die Zuckerlösung durch diese Probe zu
ermitteln und die verbrauchte Menge derselben festzusetzen.