Titel: | Ueber die Entstehung und Zusammensetzung des Pergamentpapieres; von J. Ferwer, Apotheker in Trier. |
Autor: | J. Ferwer |
Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. LVI., S. 219 |
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LVI.
Ueber die Entstehung und Zusammensetzung des
Pergamentpapieres; von J.
Ferwer, Apotheker in Trier.
Ferwer, über die Entstehung und Zusammensetzung des
Pergamentpapieres.
Ueber die chemische Constitution des vegetabilischen Pergamentes haben wir bis jetzt
bloß eine Untersuchung von Prof. A. W. Hofmann in London;
er fand die Zusammensetzung desselben zwar vollkommen identisch mit derjenigen der
Cellulose, aber nach seiner Ansicht erfolgt durch die Wirkung der Schwefelsäure eine
Molecularanordnung und damit eine Umwandlung der ganzen Papiermasse in eine neue
Substanz mit neuen Eigenschaften. Schon der Anblick dieses Pergamentpapieres bei
mäßiger Vergrößerung ließ mich die Richtigkeit dieser Ansicht bezweifeln; weitere
Versuche ergaben mir auch, daß dasselbe ein größentheils unverändertes Papier ist,
worin die Fasern vermittelst einer geringen Menge eines bekannten Stoffes verbunden
sind, welcher durch Einwirkung mäßig verdünnter Schwefelsäure auf die Pflanzenfaser
entsteht, und von einigen Chemikern für reine Cellulose, von anderen für eine
Mittelsubstanz zwischen Stärkmehl und Cellulose gehalten und deßhalb Amyloid genannt
wird.
Zur Darstellung dieses Amyloids, welches bis jetzt nur ein wissenschaftliches
Interesse hatte, bringt man in einem Porzellanmörser zu 30 Gewichtstheilen
verdünnter Schwefelsäure (auf 4 Gewichtstheile Säure 1 Gwchthl. Wasser) 1 Gwchthl.
aufgelockerter Baumwolle; letztere löst sich in der Schwefelsäure rasch auf und nach
ungefähr einer halben Minute hat sie sich mit der Säure zu einer klaren, steif
gallertartigen Mischung vereinigt, die allmählig dünnflüssiger wird und nach
ungefähr 15 Minuten die Consistenz eines Zuckersyrupes angenommen hat. Wird die
Mischung in dem einen oder anderen Zustande mit Wasser vermischt, so scheidet sich
eine weiße flockig gelatinöse Masse aus, in der von der
Structur der Baumwolle nichts mehr zu erkennen ist; diese Masse ist das
Amyloid. Läßt man aber die saure Mischung ruhig stehen, so verwandelt sich die
gelöste Cellulose allmählig in Dextrin und Zucker, so daß sich nach 7 bis 8 Stunden
auf Zusatz von Wasser kaum einige weiße Flocken ausscheiden. Gegen Säuren und
Alkalien, gegen Chlorzink und Kupferoxydammoniak verhält sich das Amyloid wie die
gewöhnliche Pflanzenfaser und unterscheidet sich von ihr nur durch seine
Formlosigkeit und dadurch, daß es von Jodlösung, wie das Stärkmehl, blau gefärbt
wird, jedoch mit dem Unterschiede, daß das Amyloid durch Auswaschen mit Wasser vom
Jod wieder befreit und entfärbt wird, was beim Stärkmehl nicht geschieht.
In Verbindung mit hinreichendem Wasser erscheint das Amyloid als eine stark
aufgequollene kleisterähnliche Masse; auf Glas gestrichen, trocknet dieselbe zu
einem fest daran haftenden, dünnen, durchscheinenden Häutchen ein; auf Papier zeigt
sie sich wenig klebend und läßt sich nach dem Trocknen leicht davon abreiben. Wird
aber das Amyloid aus seiner Verbindung mit Schwefelsäure unmittelbar auf die
Pflanzenfaser durch Wasser gefällt, wie es bei der Darstellung des Pergamentpapieres
geschieht, so bleibt es nach dem Trocknen untrennbar mit der Faser verbunden; man
kann sich davon noch auf eine andere Weise überzeugen, wenn man nämlich ungeleimtes
Druck- oder schon fertiges Pergamentpapier mit der oben angegebenen Lösung
der Baumwolle bestreicht, vorsichtig in Wasser auswäscht und trocknen läßt.
Bringt man ferner ein abgerissenes Stückchen Pergament unter das Mikroskop, so findet
man das Papier mit einer dünnen glänzenden Hülle überzogen, zwischen welcher am
Risse die, der Form nach unveränderten Papierfasern hervorstehen. Daß diese von der
Säure angegriffen wurden und mit einem Ueberzuge von Amyloid versehen sind, läßt
sich nicht bezweifeln, sie werden von Jodlösung violettblau gefärbt; aber diese
Veränderung kann nur ganz oberflächlich stattgefunden haben, da selbst die feinen
Fasern an der knotigen Gliederung der Flachsfasern, wenn diese im Papiere vorhanden
sind, ihre Form behalten.
Nachdem wir nun mit der Zusammensetzung des Pergamentpapieres bekannt sind, läßt sich
die Entstehung desselben leicht verfolgen.
Wird ungleimtes Papier bei gewöhnlicher Temperatur in die mäßig verdünnte
Schwefelsäure gebracht, so bildet sich augenblicklich an der Oberfläche ein
gelatinöser Ueberzug aus in Schwefelsäure gelöster Cellulose; dasselbe findet auch
durch die eingedrungene Säure an der Oberfläche der Fasern im Innern des Papieres
statt; durch Entfernen desselben aus der Säure und Eintauchen in mit Aetzammoniak
oder Aetznatronlauge versetztes Wasser, wird die fernere Wirkung der Säure
aufgehoben und zugleich die entstandene saure Verbindung in Amyloid und
Schwefelsäure zerlegt; ersteres bleibt an den Fasern hängen und letztere oder ihre
Salze werden durch Auswaschen entfernt. Beim Trocknen vereinigen sich dann die
Papierfasern durch Flächenanziehung und durch das Amyloid zu einer dichten Masse,
welche das Pergamentpapier darstellt. Diese Anziehung und das Zusammenkleben der
Fasern während des Trocknens, werden dadurch mächtig gefördert, daß der erwähnte
Ueberzug an der Oberfläche des Papieres den entweichenden Wasserdämpfen den
Durchgang verstattet, aber das Eindringen der Luft, um die leer werdenden
Zwischenräume im Papier auszufüllen, verhindert; dieß ist auch die Ursache der
Flächenverminderung, des Einschrumpfens und der Durchsichtigkeit des
Pergamentpapieres.
Für die Darstellung eines dichten und festen Pergamentpapieres folgt hieraus, daß bei
dieser Operation alles zu vermeiden ist, was eine mehr als oberflächliche
Veränderung der Papierfasern begünstigt, besonders ist die Anwendung eines lockern
Papieres zu vermeiden, es wird, aus leicht einzusehenden Gründen, vielleicht ein
dichtes, stark eingeschrumpftes aber nie ein festes Fabricat liefern. Die
gewöhnlichen Gewebe aus Baumwolle, Flachs und Hanf sind zu locker, um sie in
pergamentähnliche Stoffe zu verwandeln. Ein stark zusammengedrehter dünner
Baumwollenfaden mit der verdünnten Schwefelsäure behandelt, setzte dem Zerreißen
einen viel größeren Widerstand entgegen, als ein so behandelter zweimal so dicker
aber lockerer Faden. Es war zu vermuthen und der Versuch bestätigte es, daß ein
dünnes aber sehr dichtes Gewebe aus Baumwolle, welches, um die Fasern möglichst zu
nähern, überdieß noch einer starken Pressung unterworfen wird, mit Säure behandelt,
einen Stoff von außergewöhnlicher Festigkeit liefert. Ein so präparirtes Gewebe kann
dünnes Leder in vielen Fällen recht gut ersetzen; durch Einfetten und Reiben
geschmeidiger gemacht, würde es eine sehr ausgedehnte Verwendung finden.
Dickes Papier läßt sich nicht in ein, seiner Dicke entsprechendes Pergament
verwandeln; es dauert zu lange bis das Papier von der Säure gänzlich durchdrungen
ist. Bis sie in der Mitte angelangt ist, haben sich unterdessen die der Oberfläche
des Papieres näher befindlichen Schichten in der Säure gelöst und sich verflüssigt, so daß nach dem
Auswaschen nur ein dünnes Pergamentblatt übrig bleibt. Die zähe Consistenz der
entstandenen sauren Verbindung und die in dem Papier eingeschlossene Luft stehen
hier dem raschen Eindringen der Säure im Wege. Es sind nur diese Hindernisse zu
beseitigen, um Papier und Gewebe von jeder Dicke in Pergament und lederähnliche
Stoffe zu verwandeln.
Wie die Schwefelsäure so verwandelt auch eine concentrirte Lösung von Chlorzink die
Pflanzenfaser in Amyloid. Das Chlorzink wirkt nur schwächer und wird deßhalb in
manchen Fällen Anwendung finden; die Schwefelsäure kann es jedoch in den meisten
Fällen nicht ersetzen.