Titel: | Ueber die Lenoir'sche Gasmaschine; von F. Moigno. |
Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. LXIV., S. 243 |
Download: | XML |
LXIV.
Ueber die Lenoir'sche Gasmaschine; von F. Moigno.
Aus dem Cosmos, Januar 1861, t. XVIII p.
12.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Moigno, über die Lenoir'sche Gasmaschine.
In Erwiederung auf den Einwand, welchen man gegen die früherS. 1 in diesem Band des polytechn. Journals. mitgetheilte Theorie der Gasmaschine von Hrn. Hirn machen könnte, daß
dieselbe nämlich nicht das Leuchtgas sondern das Wasserstoffgas als Ausgangspunkt
der Berechnung nimmt, welches letztere eine viel größere Hitze bei der Verbrennung
entwickelt, sind wir jetzt durch Hrn. Hirn in den Stand
gesetzt, einige sehr interessante und wichtige Experimente über die Temperaturen
mitzutheilen, welche durch die Verbrennung von Gemischen aus brennbaren Gasen und Luft
entwickelt werden. Hr. Hirn drückt sich in dieser
Beziehung folgendermaßen aus:
„Diese Versuche bezwecken die Bestimmung des Druckes, welcher durch die in
geschlossenen Gefäßen bewerkstelligte Verbrennung verschiedener Gemische von
Wasserstoff- oder Leuchtgas mit Luft hervorgebracht wird. Die angewandten
Gefäße waren zwei kupferne cylindrische Eudiometer, von einem ihrer Höhe
gleichen Durchmesser; sie waren mit einem Bourdon'schen Manometer versehen und mit einer Röhre, worin das Gasgemisch
durch den elektrischen Funken entzündet wurde. Das eine dieser Gefäße hatte 3
Liter, das andere 36 Liter Inhalt, wodurch die Versuche einen praktischen Nutzen
erlangen.
Wenn ich hier nur einfach die erlangten Zahlen mittheilen wollte, so könnte man
daraus einerseits schließen, daß die in meiner Theorie angegebene Methode den Druck
zu bestimmen ungenau ist, und andererseits daß diese Zahlen paradox erscheinen. In
der That ist der Druck bei Anwendung von 10 Proc. reinem Wasserstoff nach der
Verbrennung 3,25 Atmosphären pro 1 Atmosphäre
Anfangsdruck. Die Rechnung dagegen ergibt 5,8 Atm. Mit 20 Proc. Wasserstoff steigt
der Druck von 1 Atm. auf 7 Atm., was ebenfalls weit hinter der Rechnung
zurückbleibt. Mit 10 Proc. Leuchtgas steigt der Druck von 1 auf 5 Atm., also weit
höher als bei demselben Verhältniß reinen Wasserstoffgases.
Indessen sind diese Resultate weit davon entfernt, der Theorie zu widersprechen. Was
zunächst das Leuchtgas betrifft, so gibt allerdings dieses Gemisch von ölbildendem
Gas, Sumpfgas, Kohlenoxydgas u.s.w. fast dreimal weniger Hitze als das reine
Wasserstoffgas, und mithin auch dem Anschein nach weniger Druck im Eudiometer; man
darf aber nicht vergessen, daß die Wärmeentwickelung dieser Gase, wie sie bisher von
den Physikern bestimmt wurde, für gleiches Gewicht und nicht für gleiches Volum
gilt. Da nun das Leuchtgas fast 4–5Mal so viel wie das Wasserstoffgas wiegt,
so enthält ein Gemisch mit 10 Proc. vom letztern weit weniger Brennstoff, dem
Gewichte nach, als das gleiche Gemisch mit dem erstem, und es wird also die Qualität
durch die Quantität compensirt. Es kann folglich der erhaltene höhere Druck im
Eudiometer nicht mehr auffallend seyn.
Auch der bedeutend geringere Druck, welchen die Verbrennung des Wasserstoffs nach dem
Versuch gegen die Berechnung liefert, läßt sich leicht erklären. Das Gas war in
einem metallenen Eudiometer enthalten, dessen Wände eine bedeutend niedrigere
Temperatur als die der Verbrennung haben. Es folgt hieraus schon ein Wärmeverlust im
Moment der Entzündung, und da die Verbrennung, obwohl sehr rasch, doch keineswegs
augenblicklich
erfolgt, so kann das Gas das Maximum der Temperatur und des Druckes nicht erreichen,
welches die Rechnung verlangt. Merkwürdig ist dabei die Schnelligkeit, mit der das
verbrannte Gas seinen ganzen Wärmeüberschuß abgibt.
Bei 10 Proc. reinem Wasserstoff verstreicht kaum mehr als eine halbe Secunde zwischen
dem Momente der Entzündung und der Rückkehr des Manometers auf 1 Atm. Bei 20 Proc.
Wasserstoff war die Entzündung fast momentan, ebenso aber auch die Rückkehr des
Manometerzeigers, so daß besondere Vorsichtsmaßregeln zur Beobachtung des erreichten
Druckmaximums erforderlich waren. Die Schnelligkeit der Entzündung kann nicht
befremden: denn es ist nicht nur das Gas in geeigneterem Verhältniß zum Brennen
vorhanden und ein geringerer Luftüberschuß zu erhitzen, sondern es findet auch durch
Entzündung eines Theiles des Gases eine Compression und mithin Erwärmung des noch
nicht entzündeten statt, so daß in sehr kurzer Zeit die ganze Masse, wenn sie auch
noch so groß war, entzündet werden muß. Merkwürdig ist der Rückgang des Zeigers von
7 auf 1 Atm. in weniger als einer halben Secunde. Hierin ist das Leuchtgas vom
Wasserstoff sehr verschieden.
Beim Leuchtgas ist nämlich dieser Rückgang des Manometerzeigers verhältnißmäßig sehr
langsam, und obwohl eine Feststellung in Zahlen sehr schwierig ist, glaube ich doch
annehmen zu dürfen, daß die Abkühlung des verbrannten Gases wenigstens zweimal so
lange in diesem Falle als für Wasserstoff dauert.
Was folgt nun hieraus in praktischer Beziehung?
1) Wir sehen, daß das Wasserstoffgas, welches a priori
die besten Resultate in der Lenoir'schen Gasmaschine
geben zu müssen scheint, wahrscheinlich die ungünstigsten liefern wird; und wenn je
dessen Anwendung, in Folge geringer Gestehungskosten, versucht werden sollte, so
müßte man es vor seinem Eintritt in den Cylinder mit billigen brennbaren und
flüchtigen Stoffen, wie Benzin oder vielleicht Schwefelkohlenstoff, vermischen.
Untersuchungen hierüber sind Hrn. Lenoir sehr zu
empfehlen.
2) Wir sehen, welchen erheblichen Einfluß die Cylinderwand auf das Resultat der
Versuche übt; von diesem Einfluß zu abstrahiren, ist in keiner Weise möglich, obwohl
eine numerische Ermittelung desselben a priori ebenfalls
unthunlich ist.
Auch dieser Gegenstand ist Lenoir's Studien zu empfehlen.
Es ist klar, daß es für jede Gasart und jedes Mischungsverhältniß derselben eine
Beziehung zwischen der Geschwindigkeit des Kolbens und der Temperatur der Wandung
gibt, welche auf das Maximum des Nutzeffects führen wird. Die Untersuchungen hierüber lassen sich nicht
im Cabinette des Physikers, sondern nur an der richtig construirten Maschine
vornehmen.
3) Wir erkennen ferner, daß eine ziemlich beträchtliche Geschwindigkeit stets eine
Hauptbedingung für den Nutzeffect der Maschine bilden wird. Dieß verhindert
vielleicht ihre Anwendung für große Kräfte, oder veranlaßt wenigstens, wie ich schon
in meiner Theorie bemerkt habe, einen geringeren Nutzeffect.
Wenn nämlich die ganze Kraftentwickelung der Oase ausgenützt werden soll, so muß der
Kolben so schnell zurückgehen, daß die als kalt angenommene Wandung nicht Zeit hat
die erzeugte Wärme zu absorbiren, oder die als heiß angenommene Wandung nicht Zeit
hat die Gase vor ihrer Verbrennung stark genug zu erhitzen.
4) Endlich muß meine Theorie in einem speciellen Punkte von den direct beobachteten
Resultaten abweichen. Ich habe nämlich einerseits die Einwirkung der Cylinderwand
als Null angenommen, wobei ich jedoch bemerkte, daß diese Annahme ganz unzulässig
ist, und andererseits habe ich die Verbrennung als augenblicklich angenommen, so daß
das Gas im Cylinder den möglich höchsten Druck entwickelt, ehe der Kolben
hinlänglich sich bewegt hat, um dessen Abnahme zu bewirken. Auch diese Hypothese ist
unrichtig; einerseits ist nämlich die Entzündung keineswegs eine augenblickliche,
und andererseits besitzt der Kolben schon eine bemerkliche Geschwindigkeit in dem
Augenblick wo sie beginnt. Es kann also der Druck nicht nur das in meiner Berechnung
angenommene Maximum nicht erreichen, sondern es muß auch dieser Druck im Cylinder
nach einem besondern, von dem von mir angenommenen verschiedenen Gesetze
hervorgebracht werden. Die Verschiedenheit, welche hier die Resultate der Praxis und
der Rechnung darbieten, sind durch die Curven Figur 6 und 7 ersichtlich,
welche durch Auftragen des jedesmaligen Druckes als Ordinaten und des Kolbenschubes
(oder der Volume) als Abscissen erhalten werden.
Es ist sehr wohl möglich, daß trotz dieser Druckdifferenz die Arbeit, welche die
Experimentalcurve Fig. 7 darstellt, größer ist als diejenige der theoretischen Curve Fig. 6. Man
sieht, weßhalb ich meiner früheren Abhandlung den bescheidenen Titel
„einer annähernden Theorie der
Gasmaschine“ gegeben habe.
Wir fügen dieser Mittheilung des Hrn. Hirn nur eine
Bemerkung hinzu. Die tägliche Erfahrung zeigt, daß das Maximum des Nutzeffectes
ungefähr einem Betrieb der Maschine mit 60 Kolbenschuben in der Minute entspricht
und daß man diese Zahl nur selten überschreiten darf. Wir schließen mit dem Wunsche,
daß Hr. Lenoir baldigst eine Gasmaschine von 1 oder 2 Pferdekräften Hrn.
Hirn zur Verfügung stellen möge, damit derselbe eine
große Anzahl von Versuchen anstellen und zu einer definitiven Theorie gelangen
kann.
Moigno.