Titel: | Ueber das Bleichen des Indigblaus und des Isatins; von Dr. W. Heldt. |
Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. LXXXIV., S. 302 |
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LXXXIV.
Ueber das Bleichen des Indigblaus und des
Isatins; von Dr. W.
Heldt.
Aus den Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des
Gewerbfleißes in Preußen, 1860 S. 191.
Heldt, über das Bleichen des Indigblaus und des
Isatins.
Die Versuche über den Indigo, welche hier besprochen werden, sind zum Theil von Schönbein vor zwei Jahren schon veröffentlichtJournal für praktische Chemie Bd. LXXV S. 83., und wurden
deßhalb wiederholt, weil dieser Chemiker keine Erklärung davon zu geben vermochte,
während es jetzt eher möglich ist, wenigstens theilweise eine Erklärung zu
versuchen.
Setzt man zu einer verdünnten Auflösung von Indigblau in Schwefelsäure so viel
Alkali, daß die Flüssigkeit nur noch schwach sauer reagirt, so wird bei Zusatz von
schwefliger Säure die Flüssigkeit nach einer Stunde entbläut, und wirft rothes Licht
zurück, während braunes Licht durchgelassen wird.
Läßt man aber die schweflige Säure 24 Stunden mit der schwachsauren Flüssigkeit in
Berührung, so ist die Flüssigkeit hellgelb, und das Indigblau ist reducirt. Aus dieser reducirten Indigflüssigkeit kann man
durch Zusatz von Baryumsuperoxyd und Schwefelsäure, wie der Verfasser fand, wieder
eine blaue Flüssigkeit hervorbringen. Am Besten thut man, wenn man zu der Mischung
des Superoxyds mit verdünnter Schwefelsäure, sobald die Gasentwicklung beginnt, die
gebleichte Flüssigkeit zutröpfelt, welche auf der Stelle sich bläut, später wieder
farblos wird.
Jene Flüssigkeit oben, die man nach einstündigem Stehen des Indigblaus mit
schwefliger Säure erhält, zeigt merkwürdige Eigenschaften.
Setzt man zu derselben etwas Kali oder Ammoniak, so wird dieselbe wieder blau. Setzt
man zu viel Kali oder Ammoniak zu, welches die stärkere Schwefelsäure bindet, so
wird sie wieder farblos. Tropft man weiter zu dieser farblosen Flüssigkeit von der
obigen schwachsauren, so entsteht oben eine blaue Schicht, die beim Schütteln
verschwindet. Hat man zu viel Ammoniak zugesetzt, so verschwindet die Farbe, sobald
die Flüssigkeit schwach nach schwefliger Säure riecht.
Vitriolöl, Essigsäure, Phosphorsäure färben die entfärbte
Lösung sogleich blau.
Tropft man einige Tropfen dieser entfärbten Indiglösung in
vieles Wasser, so wird gleichfalls die blaue Farbe wieder hervorgebracht.
Setzt man Weingeist oder Holzgeist zu, so erscheint die blaue Farbe
ebenfalls.
Bittermandelöl und Terpenthinöl, mit der entfärbten Indigflüssigkeit geschüttelt, bringen
auch bei Abschluß der Luft die blaue Farbe hervor.
Schwefelwasserstoffwasser ebenfalls unter Absatz von
Schwefel.
Durch Erhitzen wird die Flüssigkeit blau, beim Erkalten entfärbt, welcher Versuch
so oft wiederholt werden kann, als schweflige Säure vorhanden ist.
Durch Abkühlen in Schnee und Salzsäure erhält man ein violettes Eis, welches
bei stärkerer Abkühlung blau wird. Nach dem Schmelzen des Eises erhält man die entfärbte Lösung wieder, die sich beim Erhitzen
bläut.
Gelöstes schwefligsaures Kupfer entbläut die Indiglösung
viel schneller als die Säure für sich, und wird weder durch Kochen noch durch
Abkühlen wieder gebläut.
Dieß sind die Versuche von Schönbein, die der Verfasser
wiederholt hat und völlig bestätigen kann.
Man sieht nun wohl, daß man hier mit einer Flüssigkeit zu thun hat, in welcher zwei Kräfte gegen einander reagiren:
a) die schweflige
Säure, welche eine entfärbte Verbindung
herzustellen strebt, und
b) die Schwefelsäure der schwachsauer erhaltenen
Indiglösung, welche jene Verbindung zu
zerstören sucht, um eine blaue Auflösung zu
bilden.
Ist die erstere Kraft überwiegend, so ist die Flüssigkeit
entfärbt, kommt die zweite zur Geltung, so wird sie
wieder blau.
Setzen wir also noch mehr Säure hinzu, wie Phosphorsäure,
Vitriolöl, Essigsäure, so helfen diese offenbar der Schwefelsäure die
farblose Verbindung zu zerstören, und die Flüssigkeit wird in Folge dessen blau.
Tropft man einige Tropfen der entfärbten Verbindung in viel Wasser, so wird dadurch
die schweflige Säure so verdünnt, daß die Wirkung der stärkeren Säure die Oberhand gewinnt und die
Schwefelsäure die Verbindung zersetzt und im Ausscheidungsmoment das Indigblau löst und sich blau
färbt. Tropft man die Lösung nun in Wein- oder Holzgeist, die beide mit Wasser leicht mischbar sind, so
findet dasselbe statt.
Daß ferner beim Erwärmen die blaue Farbe wieder erscheint,
kann ebenso wenig Wunder nehmen, als die Erscheinung beim Abkühlen, da die
entfärbten Verbindungen hohe und niedrige Temperaturen ohne Zersetzung nicht
aushalten können.
Schwefelwasserstoff zerstört natürlich die schweflige Säure und läßt der Wirkung der Schwefelsäure
freien Spielraum.
Schüttelt man die entfärbte Flüssigkeit mit ätherischen
Oelen, unter Abschluß der Luft, so werden diese das Wasser zu verdrängen suchen, und
dadurch die Schwefelsäure in ihrer Wirkung unterstützen,
oder das Oel absorbirt schweflige Säure.
Gelöstes schwefligsaures Kupfer, welches schnell entbläut
und dessen Lösung nachher nicht wieder durch Kochen u.s.w. gebläut wird, bildet höchst wahrscheinlich
eine farblose Doppelverbindung mit dem Indigo, die dem Einfluß der Schwefelsäure
widerstehen kann.
So weit diese Versuche.
––––––––––
Es ist nun schon erwähnt worden, daß, wenn man die blaue Indigflüssigkeit mit
schwefliger Säure 24 Stunden lang stehen läßt, dieselbe vollständig entfärbt und
reducirt ist.
Die reducirte Flüssigkeit hat natürlich ganz andere Eigenschaften als die obige. In
vieles Wasser getropft, erscheint die Farbe eben so wenig wieder, als beim Erhitzen
und durch Zusatz von Kalk oder Ammoniak bleibt die Flüssigkeit farblos.
Schwefelsäure und Phosphorsäure ertheilen dieser reducirten Flüssigkeit nur einen
äußerst schwachen Stich ins Hellblaue, welcher aber auch nach 24–48 Stunden
völlig verschwindet.
Salzsäure verhält sich genau ebenso.
Isatin und schweflige Säure. – Eine Auflösung von
Isatin in Alkohol wird durch schweflige Säure
sogleich gelb gefärbt, aber erst nach einigen Tagen farblos. Es wäre interessant gewesen, wenn der Versuch
gelungen wäre, das Indigoblau oder den reducirten Indig wieder daraus herzustellen. Dieß gelingt
indessen nicht.
Die obige Flüssigkeit wurde nach acht Wochen bei Zusatz von Kali purpurroth (enthielt
also nur Isatin gelöst), während eine reducirte Indiglösung durch dieses Reagens
nicht gefärbt wird. Nach 13 Monaten erschien immer noch die Purpurfarbe durch Kali
wieder.
Tropft man diese Flüssigkeit in ein Gemenge von verdünnter Schwefelsäure und
Baryumsuperoxyd, sobald sich Gasblasen entwickeln, so wird dieselbe dunkelgelb, während eine reducirte Indigflüssigkeit
wieder blau wird (s. oben), später aber auch aus anderen
Gründen wieder farblos.
Indigo und Traubenzucker. – Durch Erwärmen von
feingepulvertem Indigo mit einem Gemisch von Traubenzucker und Kalilauge wird der
Indigo bekanntlich reducirt, und die Lösung erscheint gelb oder gelbbraun.
In dieser Flüssigkeit gehen eigenthümliche Verwandlungen vor, wenn dieselbe mit
Wasser verdünnt oder mit mehr oder weniger Kalilauge
versetzt wird.
Setzt man nämlich Wasser zu der entfärbten Flüssigkeit, so wird sie auf der Stelle
blau, und bei Zusatz von einigen Tropfen Kali wieder gelb. Letztere,
wieder mit Wasser versetzt, wird sogleich blau.
Wurde nun aber mehr Kali zugesetzt, nicht wie oben nur einige Tröpfchen, so erhält
man eine rothe Flüssigkeit, die bei Zusatz von Wasser grün wird, später aber wieder roth. Setzt man zu dieser wieder roth
gewordenen Flüssigkeit Wasser, so wird sie grün und bald
wieder, oft schon in einer Minute, roth, durch Wasser
wieder grün u.s.w.
Beim bloßen Ausgießen der rothgewordenen Flüssigkeit in ein anderes Gefäß wird sie
sogleich grün und, wenn man sie einige Zeit ruhig stehen
läßt, wieder roth. Beim Umrühren wieder grün u.s.w.
Nach längerem Stehen setzen sich aus der rothbraunen Flüssigkeit braune Flocken ab, und die Flüssigkeit wird gelb. Beim
Umrühren oder Schütteln lösen sich aber die Flocken wieder auf. Setzt man nun
Salpetersäure zu, so wird die Flüssigkeit wieder bläulich, und nachher farblos.
Die letzten Erscheinungen rühren jedenfalls von den durch Kali veränderten anderen
Indigfarben: Indigbraun und Indigroth her; aber zu erklären, was hierbei vorgeht, dürfte sehr schwer
seyn.
Die ersteren Erscheinungen rühren aus dem Kampf des Sauerstoffs der Luft mit dem Kali
her, indem bald der eine, bald das andere in seiner Wirkung die Oberhand gewinnt.
Der Traubenzucker kann nur reduciren bei Gegenwart von Kali von gewisser
Concentration. Wird das Kali zu verdünnt, so wirkt der Sauerstoff der Luft sogleich
wieder oxydirend und erzeugt Indigblau.
Versuche zur Erzeugung von Indigblau. – Das Isatin
wird durch schweflige Säure in 13 Monaten noch immer nicht verändert (S. oben). Es
wurden nun Versuche angestellt, um durch ätherische Oele: Pfeffermünzöl und
Rosmarinöl mit Hülfe der Wärme das Isatin zu reduciren. Dieß gelingt aber auch
nicht. Wir sehen hier wieder ein Beispiel, welches häufig sonst bekannt ist, daß die
höhere Oxydationsstufe: das Isatin den Sauerstoff mit viel größerer Gewalt gebunden
enthält, als die niedere: das Indigblau, daß mithin bei der Oxydation des Indigblaus
eine vollständige Umlagerung der Molecüle stattgefunden haben muß.
Da das Indigblau und der Indigo überhaupt einer der interessantesten Körper ist, so
stellte ich noch einige Versuche an, denselben künstlich herzustellen, und wurde ich
durch eine einfache Betrachtung dazu bewogen, die hier in der Kürze folgt.
Bekanntlich löst sich Benzil in Kalilauge mit tiefblauer Farbe. Löst man nun Benzil
in kochendem Alkohol auf und setzt sehr concentrirte Blausäure hinzu, so erhält man
nach einiger Zeit Krystalle von Cyano-Benzil, welche genau die
Zusammensetzung des Indigweiß besitzen:
Cyano-Benzil
= C¹⁶ H¹² N² O²
Indigweiß
= C¹⁶ H¹² N² O²
Ich vermuthete nun, daß durch irgend ein Mittel die Molecüle des Cyano-Benzils
bewogen werden könnten, sich so umzulagern, daß sie Indigweiß oder dessen blaues
Uebergangsproduct bilden. Als die Krystalle in einer durch Zuschmelzen
verschlossenen, starken Gasröhre schnell erhitzt wurden, zerfielen dieselben aber
unter allen Umständen in Benzil und Blausäure.
Ebensowenig gelangen die Versuche, durch Zersetzung des Chlorbenzoyls mittelst
Cyankalium das Indigblau herzustellen.
Cyan + Benzol
= Indigblau,
C² N² + C¹⁴ H¹⁰
O²
= C¹⁶ H¹⁰ N² O².
Wenn man nun auf schmelzendes Cyankalium Chlorbenzoyl vorsichtig bringt, so sollte
man erwarten, daß durch Umsetzung sich möglicher Weise das Indigblau, welches
sublimirbar ist, erzeugen könnte. Mir ist dieß aber nicht gelungen.