Titel: | Ueber die Wirkung der Luft in der calorischen Maschine; von Oberreallehrer Dr. Blum in Stuttgart. |
Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. CVI., S. 405 |
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CVI.
Ueber die Wirkung der Luft in der calorischen
Maschine; von Oberreallehrer Dr.
Blum in Stuttgart.
Aus dem württembergischen Gewerbeblatt, 1861, Nr.
11.
Blum, über die Wirkung der Luft in der calorischen
Maschine.
Im Stuttgarter Gewerbeverein hat Hr. Dr. Blum am 28. Januar d. J. einen Vortrag über die Wirkung
der Luft in der calorischen Maschine gehalten, welchen wir im Nachstehenden
mittheilen.
„Betrachten wir die Wirkungsweise der Luft in der calorischen Maschine
näher, so haben wir zunächst ins Auge zu fassen, daß sie einzig und allein auf
der Ausdehnung derselben durch die Wärme beruht. Diese Ausdehnung beträgt aber
für jeden Grad Cels. Temperaturerhöhung nur etwas mehr als 1/3 Proc. (genau
0,00366 oder 1/273), so daß ein bestimmtes Luftquantum von 0° auf
273° C. (eine Temperatur, die zwischen der Schmelztemperatur des Zinns
und der des Bleies ungefähr in der Mitte liegt) erhitzt werden muß, bis dasselbe
nur zum doppelten Volumen anschwillt, und auf 547° (also weit über die
Schmelztemperatur des Zinks hinaus), bis das einfache Volumen zum dreifachen
wird. Hierbei ist vorausgesetzt, daß die sich ausdehnende Luft unter dem Druck
einer Atmosphäre steht, d.h. daß ihr bei ihrer Ausdehnung kein anderer
Widerstand, als der gewöhnliche Luftdruck entgegenwirkt. Da, wie bei allen
Gasen, auch bei der Luft der Druck, den sie ausübt, – und um diesen
handelt es sich bei unseren Maschinen – in dem Maaße größer wird, als der
Raum, in welchen sie
eingeschlossen ist, sich vermindert, so übt Luft, welche auf 273° erwärmt
wird, ohne daß ihr Raum zur Ausdehnung geboten wird, einen Druck von zwei
Atmosphären und bei 547° unter der gleichen Voraussetzung einen Druck von
3 Atmosphären auf die Wände des Gefäßes aus, in welchen sie eingeschlossen ist.
Wird also die Luft, die auf der einen Seite des Kolbens einer Kolbenmaschine
abgeschlossen ist, plötzlich auf 273° erhitzt, während auf der
entgegengesetzten Seite des Kolbens die äußere Luft freien Zutritt hat, so kommt
der Druck, womit die erwärmte Luft den Kolben im ersten Augenblick in Bewegung
setzt, dem Druck einer Atmosphäre gleich; der Ueberdruck beträgt sonach in
württemb. Maaß 18 Pfund auf den Quadratzoll. Bei 547° würde dieser
Ueberdruck 36 Pfund auf den Quadratzoll betragen.
Vergleichen wir den Druck des Wasserdampfes, wenn er noch mit dem Kessel in
Communication steht, mit dem der erwärmten Luft bei verschiedenen Temperaturen,
so ergeben sich gewaltige Unterschiede. Während z.B. Dampf von 134° eine
Spannung von 3 Atmosphären zeigt, hat Luft, die bis zu dieser Temperatur erhitzt
ist, eine Spannung von nur 1 1/2 Atmosphären; ferner: Dampf von 180°, die
äußerste Temperatur, die man in Dampfkesseln anzuwenden gewohnt ist, übt einen
Druck von 10 Atmosphären aus, Luft dagegen von der gleichen Temperatur hat eine
Spannung von nur 1 2/3 Atmosphären; Dampf endlich von 265° hat eine
Spannkraft von 50 Atmosphären und übt auf den Quadratzoll einen Druck von 900
Pfund aus, während Luft, die bis zu dieser Temperatur erhitzt wurde (und es ist
dieß nahezu die Temperatur der Luft in der calorischen Maschine), einen Druck
von nicht ganz 2 Atmosphären, also von nicht ganz 36 Pfund auf den Quadratzoll
ausübt.
Diese größere Spannkraft des Dampfes und die viel raschere Zunahme derselben bei
steigender Temperatur gegenüber der Luft hat ihren Grund darin, daß aus dem
Kessel immer neuer Dampf nachströmt, und daher der Dampf nicht bloß wärmer wird
und sich auszudehnen strebt, sondern daß er zugleich auch dichter wird. Würde
das Zuleitungsrohr des Dampfes abgeschlossen und der Dampf für sich in einem
abgeschlossenen Raum weiter erhitzt, wie dieß in den Ueberhitzern geschieht, so
würden seine Ausdehnung und Spannkraft nach demselben Gesetz mit der Temperatur
zunehmen, wie die der Luft. Wie die Luft, so dehnen sich nämlich auch alle
anderen Gase und die Dämpfe mit jedem Grade, um den ihre Temperatur erhöht wird,
um 0,00366 oder 1/273 des Volumens aus, das sie bei 0° haben, und
entsprechend wächst, wenn die Ausdehnung verhindert wird, ihre Spannkraft. Sind
dagegen Dämpfe mit ihrer Flüssigkeit in Communication, also z.B. der Wasserdampf
im Cylinder mit dem
Wasser im Kessel, so kommt zu dieser verhältnißmäßig geringen Vermehrung der
Spannkraft durch die gesteigerte Temperatur noch eine andere viel bedeutendere,
welche auf der mit der Temperatur sehr rasch wachsenden Verdampfungskraft, d.h.
dem Bestreben der Wassertheilchen, sich von der Flüssigkeit zu trennen, beruht.
Das Gesetz, nach welchem diese Verdampfungskraft wächst, kennt man nicht; wohl
aber hat man ihre Größe für alle im praktischen Leben vorkommenden
Temperaturgrade gemessen.
In den calorischen Maschinen wird die Luft gemeiniglich bis zu 250°
erhitzt. Nehmen wir der Einfachheit halber die Temperatur der äußeren Luft zu
0° an, so steigt die Spannkraft der in der Maschine enthaltenen Luft von
1 AtmosphäreAtmoshäre auf 1 + 0,00366 . 250 oder 1 9/10 Atmosphäre, und wir haben also einen
Ueberdruck von 9/10 18 oder 16 1/5 Württemberg. Pfd. auf den württemb.
Quadratzoll. Um bei einem so geringen Ueberdruck, den der Dampf in Maschinen
ohne Kondensator schon bei 119° und in Maschinen mit Condensator schon
bei der gewöhnlichen Siedtemperatur (100°) des Wassers erreicht, dennoch
eine erkleckliche Kraft zum Maschinenbetrieb zu gewinnen, bleibt nichts Anderes
übrig, als dem Cylinder sehr große Dimensionen zu geben. Geben wir z.B. dem
Cylinder einen Querschnitt von 3 Quadratfuß, so ist im vorliegenden Fall der
Ueberdruck der erhitzten Luft 300 . 16 1/5 oder 4860 württemb. Pfd. Beträgt
außerdem der Hub des Arbeitskolbens beispielsweise 8'', so ist die Arbeit der
Maschine bei jedem Kolbenhub 4860 . 0,8 oder 3888 Württemberg. Fußpfund; und
wenn wir die Zahl der Kolbenhübe in der Minute zu 30, in der Sec. also zu 1/2
annehmen, so ist die Arbeit in jeder Secunde 3888. 1/2 oder 1944 Fußpfund. Eine
Maschine von 1 Pferdekraft leistet angenommenermaßen in der Secunde eine Arbeit
von 560 Württemberg. Fußpfund, und wir haben also unter den obigen
Voraussetzungen eine Maschine von 1944//560 oder annähernd 3 1/2 Pferdekraft.
Wegen der unvermeidlichen großen Dimensionen schon für Maschinen von wenigen
Pferdekräften wird die Ausführung von calorischen Maschinen auf eine enge Gränze
beschränkt;Die Bemerkungen des Verf. und die in der folgenden Abhandlung
mitgetheilten Versuche beziehen sich auf die bisher in Gebrauch
gekommene Ericsson'sche Maschine für kleinere Kraftleistungen. Die von Ericsson projectirte, mit comprimirter Luft
arbeitende calorische Maschine (beschrieben S. 161 in diesem Bande des
polytechn. Journals) wird aller Wahrscheinlichkeit nach für die größten
Kraftwirkungen mit den besten Dampfmaschinen concurriren können.A. d. Red. bis jetzt sind solche bis zu 4 und 5 Pferdekräften ausgeführt
worden.“