Titel: | Fabrication und technische Anwendung des Schwefelkohlenstoffs, von Eduard Deiß in Paris. |
Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. CXVII., S. 436 |
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CXVII.
Fabrication und technische Anwendung des
Schwefelkohlenstoffs, von Eduard
Deiß in Paris.
Aus Armengaud's Génie industriel, Januar 1861, S.
14.
Mit Abbildungen auf Tab.
VII.
Deiß, über die Fabrication und technische Anwendung des
Schwefelkohlenstoffs.
Der Schwefelkohlenstoff, dessen Anwendung zur Fettextraction aus Knochen, Samen etc.
und zu mehreren anderen technischen Zwecken mehr und mehr Verbreitung findet, ist in
Bezug seiner Darstellung und Verwendung der Gegenstand vielfacher Versuche gewesen.
Am meisten hat sich Hr. Deiß hiermit beschäftigt.Ueber das Verfahren von Deiß wurden bereits
Notizen im polytechn. Journal Bd. CXL S.
133 und Bd. CXLVI S. 433
mitgetheilt. – Auch Dr. Seyferth in Braunschweig hat ein Verfahren der
Fabrication des Schwefelkohlenstoffs und der Anwendung desselben zum
Ausziehen von Fetten beschrieben, man s. polytechn. Journal Bd. CXLVIII S. 268.A. d. Red. Es sollen hier zunächst die von ihm. angewandten Apparate zur Darstellung
und Reinigung des Schwefelkohlenstoffs und dann eine der von ihm ausgeführten
Extractionsmethoden beschrieben werden.
Fabrication des Schwefelkohlenstoffs. – Fig. 8 stellt
den Apparat im Längendurchschnitt dar. A ist ein
gemauerter Ofen von prismatischer Gestalt, in welchem vier cylindrische Retorten aus
feuerfestem Thon oder Metall B aufgestellt sind. Die
Feuergase gehen, nachdem sie Boden und Wände der Retorten direct erhitzt haben,
durch die die ganze Höhe des Ofens durchziehenden Feuerzüge G, G und dann in den Rauchfang H. Die innere
Wand des Ofens ist aus den besten feuerfesten Steinen ausgeführt. Die Retorten B sind in zwei Theile x und
y durch die horizontale, durchlöcherte Thonplatte
z getheilt. Die untere Abtheilung dient zur
Verdampfung des Schwefels, welchen man durch die Röhre y
einführt, die durch den Retortendeckel hindurch bis fast zur Zwischenplatte geht.
Die obere Abtheilung dient dagegen zur Aufnahme der Kohle.In unserer Quelle ist durch ein offenbares Versehen die untere Abtheilung als
für die Kohle und die obere Abtheilung als für die Verdampfung des Schwefels
bestimmt bezeichnet.A. d. Red. Die Retortendeckel haben drei Oeffnungen: eine für den Durchgang der Röhre
a, die andere zum Einbringen der Kohlen, die dritte
zur Aufnahme der Röhre b, welche das Product allmählich
zur Condensation zu leiten hat.
Die Condensatoren C bestehen jeder aus einem
Wasserbehälter d, und einer Glocke e mit zwei Oeffnungen im Deckel: die eine für das
Zuführungsrohr b, die andere für die Abführung f der nicht condensirten Dämpfe. Die Verbindung des
Deckels mit der Glocke geschieht mitttelst eines durch einen vorstehenden Rand
ermöglichten hydraulischen Verschlusses, der zugleich die Abkühlung vermehrt.
Der so erhaltene Schwefelkohlenstoff muß noch rectificirt werden. Zu diesem Zweck
bringt man ihn in eine eiserne Destillirblase, deren Helm mit einer in Wasser
liegenden Schlange verbunden ist. Die Blase ist mit einem Sicherheitsrohr versehen,
um die Luft zu Anfang der Arbeit entweichen zu lassen. Nach dem Durchgang durch das
Kühlwasser geht die Leitungsröhre in ein mit einem Hahne zum Ablassen versehenes
Zinkgefäß. Dieses ist oben geschlossen und besitzt an seinem unteren Theile einen
Ausschnitt; eine Röhre aus dem Blasenhelm führt in dieses Gefäß, aus welchem die
nicht condensirten Dämpfe in einen zweiten ähnlichen Apparat gehen. Das Gefäß taucht
in einen hölzernen Wasserbehälter ein, worin der Schwefelkohlenstoff sich
ansammelt.
Im Uebrigen ist der Gang der Operation ein sehr einfacher:
Nachdem man die obere Abtheilung der Retorte y mit Kohlen
gefüllt und den Deckel festgedichtet hat, bringt man das Feuer in Thätigkeit, und
führt dann den Schwefel in kleinen Portionen durch das Rohr a ein. Er verdampft und bildet durch Einwirkung auf die glühenden Kohlen
den Schwefelkohlenstoff. Dieser geht durch mehrere Kondensatoren hindurch und setzt
sich in dem Wasser ab. Die nicht condensirten oder nicht condensirbaren Gase
entweichen durch die Röhre i des letzten Condensators in
die Atmosphäre. Es ist nothwendig von Zeit zu Zeit die Retorte von Asche u.s.w. zu
reinigen, zu welchem Zweck das Feuer gedämpft und die Operation nur langsam wieder
in Gang gebracht werden muß.
Die Retorten müssen anfangs gelinde, dann allmählich bis zur intensivsten
Rothglühhitze geheizt werden.
Den Schwefel führt man von Viertelstunde zu Viertelstunde in Papierpacketen ein. Die
Quantität desselben richtet sich nach der Hitze; bei einer mäßig intensiven Hitze
kann man 5 Kilogr. Schwefel auf jede Retorte rechnen. In diesem Falle ist der
Kohleninhalt derselben alle sechs Stunden zu erneuern. Hierzu unterbricht man eine
Stunde lang das Zugeben von Schwefel, damit derjenige Schwefel, welcher sich noch am
Boden der Retorte befindet, Zeit hat zu verdampfen; dann öffnet man den
Retortendeckel und füllt die Retorte bis oben mit Kohle, worauf man schließt und
eine Stunde lang feuert, um dann erst wieder Schwefel zuzusetzen.
Der erhaltene Schwefelkohlenstoff enthält etwa 10–12 Proc. gelösten Schwefel,
von dem er durch die Rectification gereinigt wird.
Wenn die Destillirblase zu zwei Drittel mit Schwefelkohlenstoff gefüllt ist, so fügt
man Chlorwasser, Chlornatron- oder Chlorkalklösung hinzu, um den im rohen
Schwefelkohlenstoff enthaltenen Schwefelwasserstoff zu zerstören. Die Rectification
in dem beschriebenen Apparat erfolgt dadurch, daß man Wasserdampf von 1 Atmosphäre
unter die Blase leitet. Der Schwefelkohlenstoff geräth dadurch ins Kochen,
verdichtet sich in dem Kühlrohr, und fließt von da in das Reservoir, indem er durch
ein Bleirohr geht, an welchem die Oeffnung zum Entweichen der Luft angebracht ist.
Man setzt die Operation bis zum Abkühlen des Helms fort und leitet dann Wasserdampf
in die Blase, welcher den Rest der Schwefelkohlenstoffdämpfe austreibt. Die
Operation ist beendet, wenn das Helmrohr recht heiß geworden ist, was das Zeichen
der Gegenwart von Wasserdampf ist. Um den Schwefelkohlenstoff in den
Condensationsgefäßen vor der Verdunstung zu schützen, erhält man ihn unter einer
Schicht Wasser von 20 bis 30 Centimeter Höhe.
Wegen der starken Hitze, welche die Fabrication des Schwefelkohlenstoffs erfordert,
kann die Operation nicht unterbrochen, sondern muß Tag und Nacht fortgesetzt werden;
auch muß man so viel als möglich immer dieselbe Hitze zu unterhalten suchen, damit
die Retorten nicht zerspringen.
Anwendung des Schwefelkohlenstoffs zur Fettextraction.
– Die Extraction der Fette geschieht aus Knochen, thierischen Abfällen und
Rückständen der Talgfabrication, ferner aus eingefetteter Wolle, in jedem Stadium
der Verarbeitung, und endlich aus allen öligen Samenarten.
Bisher erhielt man aus den Knochen, von den darin enthaltenen 12 Proc. Fett, die mit
Leichtigkeit mittelst des Schwefelkohlenstoffs Zu erhalten sind, nur 5 Proc. Ebenso
gewinnt man aus allen rohen Fetten mehr und viel reineren Talg, als nach den bisher
üblichen Methoden. Das Entfetten der Wolle durch Schwefelkohlenstoff verhindert bei
viel vollkommenerer Arbeit die schädliche Einwirkung der bisher hierzu gebrauchten
Substanzen, wie Soda, Seife u.s.w., so daß die Wolle ihre volle Festigkeit und
Weichheit beibehält, auch werden dadurch die ungeheuren Quantitäten Seife erspart,
die für einzelne Fabriken einen Werth von über 150,000 Franken repräsentiren,
während noch außerdem das Fett als solches wiedergewonnen wird. Das Entfetten durch
Walkerde kostet zwar an Material weniger, aber an Arbeit desto mehr, indem die
Arbeit, welche der Schwefelkohlenstoff augenblicklich ausführt, 12–18 Stunden
in Anspruch nimmt.
Die Oelgewinnung aus Samen erfordert nach den alten Methoden sehr kostbare Apparate
und Maschinen von großer Kraft. Dennoch liefern die Oelkuchen beim Behandeln mit
Schwefelkohlenstoff noch 10–12 Proc. Oel, welches reicher an Stearin und
Margarin ist, als das gewöhnliche. Dasselbe ist von großer Schönheit und so rein von
Schleimbestandtheilen, daß es unmittelbar als Brennmaterial angewandt werden kann.
Auch zur Seifenfabrication sind diese Oele werthvoller, da sie mehr feste Fette
enthalten und daher härtere und weißere Seifen liefern.
Die durch Schwefelkohlenstoff erhaltenen Rübsamenöle enthalten so viel Stearin und
Margarin, daß man diese Stoffe durch bloßes Filtriren und Pressen erhalten und
daraus Stearinkerzen fabriciren kann.
Es folgt hieraus der hohe Werth, welchen das Verfahren von Deiß in Bezug auf Oelgewinnung u.s.w. besitzen muß. Der
Schwefelkohlenstoff verdampft bei 45° C. und wird, da er wenig Wärme dabei
absorbirt, durch eine geringe Menge Wassers condensirt. Dieß bietet die Möglichkeit
dar, denselben durch Destillation mit Wasserdampf fast ohne jeden Verlust wieder zu
gewinnen.
Den Apparat zur Extraction der Fettsubstanze zeigt Figur 9 im
Längendurchschnitt. In den Extractionsbehälter A, deren
man am besten zwei zur abwechselnden Beschickung anwendet, bringt man die zu
behandelnden Substanzen. Diese Behälter stehen mittelst des Rohres B mit einer Destillirblase C
in Verbindung, in welche die Auflösung des Fettes in Schwefelkohlenstoff durch B fließt. In der Destillirblase geschieht die Erhitzung
durch Wasserdampf, welcher in einer Schlange circulirt. Das Fett oder Oel bleibt am
Boden der Blase zurück, wo sich ein offenes Dampfrohr befindet, um das Fett durch
Einströmen von Dampf von seinem bei dieser Darstellung erhaltenen Übeln
Geruch befreien zu können.
Neben der Destillirblase C befindet sich der Kühlapparat
O, aus mehreren neben einander befindlichen
Schlangen bestehend, um eine größere Kühlung zu erzielen. Das Rohr e leitet die Dämpfe in die Schlangen, das Rohr I gestattet den nicht verdichtbaren Gasen den Abzug.
Der condensirte Schwefelkohlenstoff sammelt sich durch R
in dem Behälter E mit dem Ueberlaufrohr C.
Der Extractionsbehälter A steht durch das weite Rohr F ebenfalls mit der Kühlschlange in Verbindung; es
werden dadurch die Dämpfe geleitet, welche sich bei der Entfernung des
Schwefelkohlenstoffs aus den extrahirten Substanzen durch Einleiten von Wasserdampf
entwickeln.
Zur Entleerung des Destillirapparates von den Oelen und Fetten dient das Rohr mit
Hahn G.
Die Extractionsgefäße müssen beständig mit Schwefelkohlenstoff versorgt werden; dazu
ist neben denselben eine Pumpe angebracht, welche von einer kleinen Dampfmaschine
getrieben wird.
Das Beschicken dieser Gefäße mit festen Stoffen und das Entleeren geschieht durch die
verschließbare Oeffnung O und o; die Röhren N und M dienen zum Einführen des Schwefelkohlenstoffs und des Wasserdampfes;
ersterer wird mittelst einer Saugpumpe und des Rohres L
aus dem Sammelbehälter E entnommen.
Gang der Operation. – Durch m werden die zu extrahirenden Substanzen in den Behälter A gefüllt, und zwar liegen sie darin zwischen zwei
durchlöcherten Platten. Hierauf läßt man den Schwefelkohlenstoff von Unten
eintreten, durch die Masse hindurch steigen und mittelst des Rohres B nach der Destillirblase abfließen. Man pumpt so lange
den Schwefelkohlenstoff durch, bis eine durch den Hahn n
genommene Probe vollkommen klar erscheint. Dann schließt man M und läßt durch N Dampf eintreten, welcher
den die extrahirten Stoffe imprägnirenden Rückstand verdampft; die Dämpfe gehen
durch F und condensiren sich in einer Schlange bei D, um nach E
zurückzufließen.
Der mit Fettstoffen beladene Schwefelkohlenstoff wird in C einer continuirlichen Destillation unterworfen; von Zeit zu Zeit reinigt
man die am Boden sich absetzenden Substanzen durch einströmenden Dampf und läßt sie
dann durch G in ein Reservoir ausfließen.
Der verdampfte Schwefelkohlenstoff wird condensirt und aus E wieder nach dem Extractionsbehälter gepumpt.
Auf diese Weise kann mit einer sehr geringen Menge Schwefelkohlenstoff längere Zeit
hindurch gearbeitet und viele fetthaltige Substanzen extrahirt werden. Indem durch
die Oeffnungen O und m die
Behälter abwechselnd gefüllt und geleert werden, geschehen die Operationen viel
einfacher und schneller als durch andere Apparate, und leicht können sehr große
Apparate construirt und große Massen Substanzen in Arbeit genommen werden.