Titel: | Verbessertes Verfahren zur Darstellung reiner Phosphorsäure im Großen; von Dr. J. Neustadtl in Prag. |
Autor: | J. Neustadtl |
Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. CXVIII., S. 441 |
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CXVIII.
Verbessertes Verfahren zur Darstellung reiner
Phosphorsäure im Großen; von Dr. J.
Neustadtl in Prag.
Neustadtl's Verfahren zur Darstellung reiner Phosphorsäure im
Großen.
Die reine Phosphorsäure, die jetzt im Handel vorkommt, hindert durch ihren hohen
Preis ihre Anwendung in größerem Maaßstabe für viele technische Zwecke; ihre
Erzeugung ist mit vielen Uebelständen verbunden.
Die jetzigen Verfahren theilen sich im Wesentlichen in die Darstellung der
Phosphorsäure aus den Knochen oder aus dem Phosphor. Das letztere Verfahren ist ein
sehr kostspieliges, langwieriges und bei nicht großer Sorgfalt selbst gefährliches.
Bei der Darstellung der Phosphorsäure aus den Knochen wird die gepulverte
Knochenasche mit 5 Theilen concentrirter Schwefelsäure zersetzt und man erhält nach
dem Auswaschen gegen 100 Theile Flüssigkeit, die zum größten Theil zu verdampfen
ist; der sich hierbei bildende Absatz von Gyps ist lästig und die Flüssigkeit stößt
stark. Die so erhaltene Phosphorsäure enthält immer noch viel Gyps, welcher für ihre
meiste Verwendung störend wirkt; man entfernt ihn entweder durch Behandlung mit
Alkohol, der den Gyps zurückläßt, jedoch ist dabei ein bedeutender Verlust an
Alkohol unvermeidlich, oder man fällt den Kalk als neutralen phosphorsauren, indem
man die Phosphorsäure mit Ammoniak sättigt, die Flüssigkeit vom Niederschlag
abfiltrirt, verdampft und den Rückstand im Hessischen oder Platintiegel glüht, wobei
schwefelsaures und phosphorsaures Ammoniak zerstört werden und ziemlich reine
Phosphorsäure zurückbleibt.
Diese Methoden zur Darstellung der chemisch-reinen Phosphorsäure aus den
Knochen haben daher folgende Uebelstände:
1) man muß mit großen Massen Flüssigkeit arbeiten;
2) man ist genöthigt, solche Flüssigkeitsmengen, welche Absätze geben, in Bleigefäßen
zu verdampfen;
3) die Anwendung von Alkohol oder Ammoniak ist kostspielig;
4) man kann bei diesen Verfahrungsarten immer nur kleine Mengen der Säure auf einmal
erzeugen.
Meine Darstellungsart bezweckt die Bildung von Gyps bei Gegenwart saurer
Flüssigkeiten zu vermeiden und auf eine billige Art eine chemisch-reine
Phosphorsäure zu erzeugen. Sie zerfällt:
1) in die Darstellung von phosphorsaurem Natron;
2) in die von phosphorsaurem Baryt;
3) in die Zersetzung des letzteren mit Schwefelsäure.
1. Darstellung von phosphorsaurem
Natron.
Als Rohmaterial dienen weißgebrannte Knochen (Knochenasche). Man übergießt die fein
gepulverte Knochenasche mit 4 Theilen Wasser in einem gewöhnlichen Holzgefäße,
besser in einem Topfe aus Thon, und fügt unter Umrühren 1 Theil Salzsäure von
22° Baumé hinzu. Die Masse schäumt durch Entwicklung von Kohlensäure
ziemlich stark; nach sechs Stunden hat sich das Ganze zu einer klaren Flüssigkeit
gelöst; man decantirt vom Bodensatz und setzt eine kochende Lösung von 1 1/2 Thl.
calcinirtem Glaubersalz zu; es schlägt sich Gyps nieder, man läßt absetzen,
decantirt, und wäscht und preßt den Niederschlag gut aus. Die Flüssigkeiten, die nun
saures phosporsaures Natron, Chlornatrium und etwas gelösten Gyps enthalten, werden
aufgekocht und mit kohlensaurem Natron (Soda) genau bis zur gänzlichen
Neutralisation versetzt. Der anfangs gelatinöse Niederschlag von kohlensauren Kalk
wird rasch körnig und setzt sich gut ab. Die nun vorhandene Flüssigkeit ist eine
Lösung von neutralem phosphorsaurem Natron, durch Chlornatrium und eine dem zuletzt
in Lösung gewesenen Gyps entsprechende Menge schwefelsaures Natron verunreinigt.
2. Darstellung des neutralen
phosphorsauren Baryts.
Der erhaltenen Flüssigkeit wird heiß eine kochende Lösung von Chlorbaryum
portionenweise so lange zugesetzt, als ein Niederschlag entsteht (man braucht 2
Theile des Gewichtes der verwandten Knochenasche); der Niederschlag ist körnig,
schwer, setzt sich leicht zu Boden und wäscht sich daher gut aus; die suspendirt
bleibenden Theile sind die geringe Menge von schwefelsaurem Baryt, welche durch
Zersetzung des Glaubersalzes entstand. Der Niederschlag ist neutraler phosphorsaurer
Baryt; er wird ausgewaschen, bis das Abwaschwasser Silberlösung nicht mehr
trübt.
3. Zersetzung des phosphorsauren
Baryts.
Der (von 1 Th. verwandter Knochenasche) erhaltene phosphorsaure Baryt wird in einem
Bleigefäße mit 1 Th. Schwefelsäure von 60° Baumé, die mit 3 Theilen
Wasser verdünnt ist, angesetzt und unter fleißigem Umrühren 2 bis 3 Tage stehen
gelassen, bis sich in der Flüssigkeit keine Schwefelsäure nachweisen läßt. Die
überstehende Flüssigkeit ist dann reine Phosphorsäure von der Stärke der
Handelswaare; der Rückstand ist nach gutem Auswaschen verkäufliches Permanentweiß.
Die Abwaschwässer dienen zum Verdünnen der Schwefelsäure bei späteren
Ausschließungen des phosphorsauren Baryts.
Die Kosten bei diesem Verfahren sind sehr gering, da der Preis des Chlorbaryums jetzt
ein geringer ist und fast der ganze Werth desselben, sowie der der angewandten
Schwefelsäure, durch das Permanentweiß wieder erstattet wird.
Statt die Knochenasche in Salzsäure zu lösen, ließen sich nach diesem Verfahren auch
die dünnen Laugen bei der Knochenleimfabrication mit Vortheil verwenden, welche, da
sie stark sauer sind, mit Knochenasche zu sättigen wären.