Titel: | Ueber die neuesten Verbesserungen in der Zuckerfabrication. |
Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. CXXV., S. 457 |
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CXXV.
Ueber die neuesten Verbesserungen in der
Zuckerfabrication.
Aus dem Breslauer Gewerbeblatt, März 1861, Nr.
6.
Ueber die neuesten Verbesserungen in der
Zuckerfabrication.
Bisher konnten die Zuckerfabrikanten die Anwendung der Knochenkohle zum Reinigen und
Entfärben ihrer Säfte nicht umgehen, was trotz der wiederholten Wiederbelebung der
Knochenkohle eine ziemlich bedeutende Ausgabe ausmachte.
Hr. Pesier vermeidet dieß auf folgende Weise. Nachdem der
Rübensaft geschieden ist, setzt er dem Safte sein dreifaches Volumen Alkohol zu,
wodurch der größte Theil der färbenden und verunreinigenden Substanzen gefällt
werden soll. Auf den ersten Anblick erscheint die Sache auf das Höchste unpraktisch,
wegen des hohen Preises und der großen Menge des zugesetzten Alkohols. Hr. Pesier behauptet aber, daß der Alkohol bei der weiteren
Verarbeitung vollständig wieder gewonnen werde, so daß bei einer großen Fabrik die Kosten
für den Alkohol sich nur auf den vierten Theil derer beliefen, welche die Anwendung
der Knochenkohle verursacht. Die über einem starken Niederschlage schwimmende
Flüssigkeit wird abgezogen und in Blasen abdestillirt, worauf der rückständige Syrup
bis zur Krystallisation eingedampft wird. Man erhält so einen schönen weißen Zucker,
der unmittelbar als Melis verkauft werden kann. Auch das zweite Product zeichnet
sich durch seine gute Qualität aus. Man soll 1 Proc. Zucker beim ersten, und 4 Proc.
beim zweiten Product, zusammen also 5 Proc. (1/20 der ganzen Zuckermenge) mehr
gewinnen. Die Producte lassen sich ungemein leicht und schön raffiniren.
Das Verfahren ist schon im Großen geprüft und gut befunden worden. Ein erster Versuch
mit 9 Millionen Rüben in getrockneten Schnitten, sowie ein zweiter mit frischen
Rüben, haben seinen praktischen Werth festgestellt (?!).
Versuche, die der Referent selbst angestellt, haben ergeben, daß man in der That auf
diesem Wege eine sehr bedeutende Fällung von Kalksalzen etc., auch vielleicht von
Zuckerkalk erhält, falls ein kleiner Ueberschuß von Kalk angewendet, und daß dann
ein fast farbloser Saft resultirt, der sich gut eindampfen läßt und gut
krystallisirt.
Die Methode scheint indessen einmal sehr feuergefährlich, da mit so großen Mengen
starken Spiritus hantirt werden muß; dann erfordert sie auch ein ungemein großes
Betriebscapital, besonders wenn sie auf frische Rüben angewendet werden soll. Eine
Fabrik, die täglich 1000 Ctr. Rüben verarbeitet, ist noch keine der größten. Diese
geben nach dem jetzigen Reibe- und Preßverfahren mindestens 1000 Ctr. = 1600
Kubikfuß Saft, und das dreifache Volumen davon, 4800 Kubikfuß ist gleich 2000 Eimern
à 60 Quart Spiritus. Wählt man denselben von
etwa 80° Tr., so kosten jetzt 100 Quart circa 20
Thlr. und obige 2000 . 60 = 120,000 Quart kosten demnach circa 24,000 Thlr. Dieß ist das Betriebscapital eines einzigen Tages, das
in der Fabrik roulirt. Wählt man getrocknete Rübenschnitte, so erhält man
concentrirtere Säfte und wird bedeutend weniger Spiritus brauchen. In diesem Falle
wäre vielleicht die Fabrication durchführbar. Eine andere verbesserte Methode in der
Zuckerfabrication ist von dem bekannten Erfinder der Saturation mit Kohlensäure,
Hrn. Rousseau, erfunden und von dem bekannten
französischen Gelehrten, Hrn. Barral, ungemein warm,
sagen wir es richtiger, bombastisch empfohlen worden.
Dieß Verfahren besteht im Kurzen darin, daß man den rohen Saft mit 3 p. m. seines Gewichts an rohem, gemahlenem Gyps
versetzt, und dann zum Sieden erwärmt. Es soll vollständige Scheidung dadurch
eintreten der Saft aber
noch einen zersetzbaren Körper einschließen, der durch Schütteln mit 6–8
Proc. Eisenoxydhydrat oxydirt und entfernt werden soll. Man erhält dann nach Barral's Angabe einen wasserklaren Saft, der ohne weitere
Behandlung mit Knochenkohle durch Eindampfen über freiem Feuer eine reichliche
Krystallisation von fast weißem Zucker gibt. Das Eisenoxydhydrat wird durch
einfaches Liegen an der Luft gerade so wie die Knochenkohle regenerirt. Die
Gypsscheidung liefert ein vorzügliches Düngemittel. Die Zuckerfabrication kann von
jeder Hausfrau nach Bedarf ausgeübt werden; die großen Fabriken werden verschwinden,
die Vortheile derselben dem ganzen Lande zu Gute kommen etc. etc. Leider sind diese
ganzen schönen Aussichten Träume, oder es liegt eine absichtliche Täuschung vor.
Versuche, die der Referent auch mit diesem Verfahren angestellt, ergaben, wie
vorauszusehen: 1) daß der Gyps für sich keine Scheidung bewirkt. Durch das Erhitzen
coagulirte das Eiweiß des Saftes, wie gewöhnlich, aber durch den Zusatz von Gyps um
keine Spur besser, als ohne denselben. Der Saft blieb trübe und ließ sich nur mit
großer Langsamkeit filtriren; 2) schüttelte man das Filtrat mit der angegebenen
Menge Eisenoxydhydrat, so wurde es dadurch zwar etwas Heller, behielt indessen immer
noch die schwarzgrünliche Nuance, und wurde nicht klar.
Diese Resultate waren vorauszusehen. Der frische Saft reagirt schwach sauer, und
enthält neben dem Eiweiß noch mannigfaltige organische Säuren, phosphorsauren Kalk
etc. gelöst, die erst durch Neutralisation mit Kalk gefällt werden. Der Gyps kann
diese Fällung nicht bewirken, und es tritt durch ihn höchstens eine vollkommenere
Fällung des Eiweißes ein.
Durch das Eisenoxydhydrat, das beiläufig gesagt, in großen Mengen schwierig zu
bereiten seyn dürfte, wird vielleicht der sich schwarz färbende Stoff im Safte durch
Oxydation beseitigt, aber jedenfalls nicht so vollständig, als durch das alte
bekannte Scheidungsverfahren, wodurch dieser Stoff entfernt wird, ehe er sich färben
kann.
Mit Kalk und Gyps geschiedener, dann mit Eisenoxyd behandelter Saft, verhielt sich
nicht anders, als auf gewöhnlichem Wege erhaltener. Die ganze Erfindung ist, so wie
sie veröffentlicht worden ist, ein Humbug. Das steht dem nicht im Wege, daß die
HHrn. Rousseau und Barral eine
Methode gefunden haben mögen, die wesentliche Vortheile vor der jetzigen darbietet,
die sie aber nur unvollkommen und falsch veröffentlichen, um das Publicum auf sie
aufmerksam zu machen, ohne doch ihr Geheimniß preiszugeben.
Dr. Heinrich Schwarz.