Titel: | Ueber die Gegenwart der phosphorhaltigen Substanzen in der Atmosphäre; von J. A. Barral. |
Fundstelle: | Band 159, Jahrgang 1861, Nr. CXXVI., S. 460 |
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CXXVI.
Ueber die Gegenwart der phosphorhaltigen
Substanzen in der Atmosphäre; von J.
A. Barral.
Aus den Comptes rendus, November 1860, t. LI p.
769.
Barral, über die Gegenwart der phosphorhaltigen Substanzen in der
Atmosphäre.
Schon bei meinen Untersuchungen über das Regenwasser, welche ich in den Jahren 1852
und 1853 angestellt habe, fand ich in den Verdampfungsrückständen dieses Wassers
bestimmbare Quantitäten von phosphorsaurem Kalk. Ich glaubte, diesen Umstand
vielleicht der Anwendung von Porzellan- oder Glasgefäßen zuschreiben zu
müssen und habe daher die Untersuchung über diesen in manchen Beziehungen sehr
wichtigen Gegenstand mit der größten Sorgfalt, unter Anwendung von Udometern und
Abdampfschalen aus Platin weiter fortgesetzt. Das in Paris oder auf dem platten
Lande fallende Regenwasser sammelte ich selbst auf sorgfältig gereinigten Flächen
auf, verdampfte es in geschlossenem Platingefäße und zwar in solcher Menge, daß ich
die Phosphorsäure aus dem Rückstande darstellen konnte. In fünf aufeinanderfolgenden
Jahren verdampfte ich im Ganzen 1295 Liter in Paris, und 390 Liter auf dem Lande
gefallenen Regenwassers. Ich erhielt aus ersterem 29,284 Grm., aus letzterem 3,072
Grm. trocknen Rückstand oder je 22,8 und 7,8 Milligr. per Liter Wasser.
Als das sicherste Mittel, die Phosphorsäure anders als durch Reactionen, welche bei
so geringer Menge stets etwas zweifelhaft bleiben, nachzuweisen, wählte ich die
Darstellung des phosphorsauren Wismuthoxyds aus den mit Salpetersäure angesäuerten
Rückständen. Dieses Salz sammelte ich von den verschiedenen Füllungen und stellte
daraus die Phosphorsäure in Gestalt von gut krystallisirter phosphorsaurer
Ammoniak-Magnesia dar, deren Gewicht mit dem des gefundenenen Wismuthsalzes
stimmen mußte. In diesem Salze ist es leicht die Gegenwart der Phosphorsäure auf
jegliche Weise unzweifelhaft darzuthun.
Ich fand so in 1000 Theilen der verschiedenen trockenen Rückstände zwischen 2 und 11
Theilen Phosphorsäure (oder 0,05–0,09 Milligr. im Liter Regenwasser).
Hiernach kann die jährliche Zufuhr an Phosphorsäure nicht mehr als 400 Gramme pro Hektare betragen. Darnach und nach den Versuchen von
Boussingault über die in einer Ernte enthaltene
Phosphorsäure würde die Erde einer Brache von fast 20 Jahren bedürfen, wenn sie ohne
Düngerzusatz die durch eine Weizenernte entzogene Phosphorsäure aus der Atmosphäre
wiedererhalten sollte.
Es ist jedoch bei hieraus zu ziehenden Schlüssen nicht zu vergessen, daß die Pflanzen
oft auch da sich gewisse Substanzen aneignen, wo unsere chemische Analyse,
wenigstens in den gewöhnlich untersuchten Bodentheilen, dieselben noch nicht hat
entdecken können. Den in dem Regenwasser gefundenen Phosphor habe ich als
Phosphorsäure aufgeführt; doch bin ich weit entfernt, damit sagen zu wollen, daß er
nothwendig in dieser Gestalt darin enthalten sey. Zwar habe ich, wie der
Phosphorsäuregehalt vieler Gesteinarten erwarten ließ, den phosphorsauren Kalk als
solchen direct aus den Regenwasserrückständen erhalten, allein ein großer Theil des
Phosphors gehört ohne Zweifel den zahllosen in der Atmosphäre verbreiteten und vom
Regenwasser niedergeführten organischen Substanzen an. Der Phosphor kommt offenbar
in den in der Atmosphäre schwimmenden Keimen der mikroskopischen Pflanzen und Thiere
(worin ich auch Stickstoff nachgewiesen habe) vor, deren Gegenwart ja allgemein
anerkannt ist, und so wie noch kein Leben ohne Phosphor und Stickstoff beobachtet
worden, so gibt es auch hier keine lebensfähigen Wesen ohne diese beiden Körper.
Endlich ist noch zu bemerken, daß der Phosphor auch von dem Phosphorwasserstoff
herrühren kann, der sich bei vielen Fäulnißprocessen entwickelt, so wie ja die
Gegenwart von Kohlenwasserstoff in der Atmosphäre von Boussingault wirklich nachgewiesen worden ist.
Welches auch der Ursprung phosphorhaltiger Substanzen in der Atmosphäre sey, so
bleibt es immerhin merkwürdig, daß die mikroskopischen Wesen, welche in der Luft
enthalten sind und welche nach den Untersuchungen von Bineau und Pasteur bei ihrer Entwickelung
Ammoniak, salpetersaure und phosphorsaure Verbindungen gebrauchen, bei ihrem
Niederfalle auf die Erde die zu ihrer Fortpflanzung erforderlichen Elemente mit sich
bringen. Ebenso auffallend ist es, daß in der Atmosphäre alle Substanzen enthalten
sind, welche als nothwendig erkannt wurden, um den unfruchtbarsten Boden in einer
gewissen Zeit fruchtbar zu machen.