Titel: | Ueber die mittelst Anilin erzeugten Farbstoffe; von A. Béchamp. |
Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. XLIV., S. 140 |
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XLIV.
Ueber die mittelst Anilin erzeugten Farbstoffe;
von A.
Béchamp.
Aus den Comptes rendus, März 1861, t. LIII p.
538.
Béchamp, über mittelst Anilin erzeugten
Farbstoffe.
In zwei Abhandlungen, welche ich der (französischen) Akademie der Wissenschaften über
die Bildung und Reindarstellung des Fuchsins einreichte, habe ich gezeigt, daß der
aus dem Anilin entstandene rothe Farbstoff dieselben chemischen Eigenschaften und
die gleiche Zusammensetzung besitzt, was immer für ein Agens man zu seiner Erzeugung
angewandt haben mag; ich bemerkte auch, daß die rothe Substanz von einer gelben Vase
und einer violetten Verbindung (die ich aber nicht Indisin nannte) begleitet seyn
kann.
Wenn man den Artikel „Anilin“ in der letzten Ausgabe von Gmelin's Handbuch der Chemie überblickt, so fällt es auf,
wie leicht das Anilin die mannichfaltigsten Färbungen hervorbringt; Violett, Blau,
Braun, Roth, Gelb und sogar Grün werden durch den Einfluß der verschiedensten
Reagentien erzeugt, nach den Versuchen von Unverdorben,
Frißsche, Runge, Hofmann, Zinin etc. Sind aber
dieses Violett, Blau, Roth etc. wirklich so gefärbte Körper, also isolirbare
Verbindungen, oder entstehen diese Farben nur zufällig? In der That wurden alle
diese Färbungen nur als vorübergehende bezeichnet, oder nur als dazu dienend, das
Anilin zu entdecken, oder endlich als die zufällige Wirkung einer unerwarteten
Reaction, von welcher man sich nicht Rechenschaft zu geben suchte, wie dieß aus der
wichtigen Arbeit von Hofmann über die Wirkung des
Zweifach-Chlorkohlenstoffs auf Anilin hervorgeht. Man kann sich darüber auch gar nicht
wundern, denn zu der Zeit wo jener Artikel verfaßt wurde (1852), war das Anilin noch
ein so seltenes Product, daß man nicht daran dachte die Verbindungen, denen diese
Färbungen zukommen, oder welche deren indirecte Ursache sind, zu isoliren und
anzuwenden. Erst nachdem ich mein Verfahren zur Darstellung des Anilins durch
Behandlung von Nitrobenzol mit Essigsäure und Eisenfeile veröffentlicht hatteComptes rendus, Juli 1854., wurde diese Base im Großen dargestellt und es gelangten dann einige
mittelst derselben erzeugte färbende Verbindungen zur industriellen Anwendung.
Perkin isolirte das Violett, welches sich bei der
Reaction von Fritzsche und von Beißenhirtz bildet (Einfluß der Chromsäure auf die Anilinsalze, bei
Gegenwart von Wasser). Dieses Violett, welches man Indisin nannte, wurde von Willm und von Scheurer-Kestner analysirt. Es ist der erste, mittelst Anilin
erzeugte Farbstoff, welcher isolirt wurde.
Der zweite Farbstoff, welcher industrielle Anwendung fand, ist das Anilinroth, das
Fuchsin. Ich habe ihn schon seit einem Jahr isolirt und analysirt. Das Verfahren zum
Ausziehen desselben, welches ich in meiner der Akademie im Mai v. I. eingereichten
Abhandlung beschrieb, wurde mit geringer Abänderung (Anwendung des Benzins und des
Schwefelkohlenstoffs anstatt Benzin und Aether) von Schneider bei der Bereitung des Fuchsins mittelst salpetersauren
Quecksilberoxyds angewandt.
Gibt es aber bloß ein Anilinroth, Anilinviolett, Anilinblau etc.?
Bis jetzt kennt man mit Gewißheit nur ein einziges Anilinroth. Dagegen liefert das
Phenylamin mehrere violette Farbstoffe:
1) Das Violett von Perkin, das sogenannte Indisin. Diese
Substanz löst sich mit grüner oder grünlichblauer Farbe in gewöhnlicher
Schwefelsäure auf. Durch Zusatz von Wasser geht diese Auflösung in Violettroth über
und letztere wird dann weder durch einen großen Ueberschuß von Ammoniak, noch durch
einen Ueberschuß von doppelt-schwefligsaurem Kali entfärbt. Wenn man die mit
Wasser verdünnte schwefelsaure Lösung oder diejenige, welche mit
doppelt-schwefligsaurem Kali behandelt wurde, mit einem Ueberschuß von
rauchender Salzsäure versetzt, so geht die Flüssigkeit in Indigoblau über und wird,
wenn man sie mit Wasser verdünnt, wieder Violettroth.
2) Das Violett, dessen Bildung ich festgestellt habe. Es entsteht bei hoher
Temperatur, gewissermaßen auf trockenem Wege (bei 200° C.), durch Einwirkung der oxydirenden
Agentien auf Anilin, oder durch diejenige der chlorirenden etc. Agentien auf gehörig
mit Wasser gemischtes Anilin, auch wenn man dasselbe Anilin bei gewöhnlicher
Temperatur auf Fuchsin einwirken läßt. Dieses Violett ist in den Säuren und im
Wasser weniger löslich als das Fuchsin. Es löst sich mit braunrother Farbe in
concentrirter Schwefelsäure auf; durch Zugießen von Wasser scheidet sich ein Theil
der Verbindung unverändert ab und die Flüssigkeit färbt sich violett. Die Auflösung
dieser Verbindung in Wasser oder Schwefelsäure entfärbt sich durch Ammoniak wie das
Fuchsin; eine Säure, welche das Ammoniak sättigt, bringt die Farbe wieder zum
Vorschein. Versetzt man die saure Auflösung mit doppelt-schwefligsaurem Kali,
so wird sie nach und nach entfärbt; Salzsäure bringt die Farbe nicht wieder zum
Vorschein und erzeugt keine blaue Färbung. Rauchende Salzsäure liefert mit der
Auflösung dieses Violett eine schmutzig rothgelbe Flüssigkeit, welche beim Verdünnen
mit Wasser farblos wird.
Diese beiden Verbindungen haben, wie man sieht, sehr verschiedene Eigenschaften. Im
trockenen Zustande und krystallisirt, gleichen sie sich sehr, beide haben einen sehr
schönen, metallisch glänzenden grünen Reflex.
Durch mehrere in den Comptes rendus de l'Académie
aufgenommenem Aufsätze sehe ich mich veranlaßt, diesen unvollständigen Angaben
folgende Thatsachen, mit Bezug auf meine ferneren Untersuchungen, beizufügen.
Andere violette Verbindungen scheinen gleichzeitig mit dem Fuchsin zu entstehen, wenn
man Reagentien von verschiedener Natur anwendet; so schien mit das mittelst
salpetersauren Anilins erhaltene Violett weder die Eigenschaften des Indisins, noch
diejenigen des oben besprochenen Violetts zu besitzen. Endlich können andere
violette Farbstoffe gleichzeitig mit Substitutionsverbindungen des Fuchsins selbst
entstehen; so gibt z.B. das Fuchsin eine violette Farbe, wenn man es mit Salzsäure
und chlorsaurem Kali behandelt.Bei vollständiger Einwirkung dieser zwei Agentien entsteht eine
krystallinische Substanz, welche ich anfangs für Chloranilin hielt, die aber
davon wirklich verschieden ist. Aber in allen Fällen ist die Trennung dieser Körper sehr schwierig, und wenn
man sich zu sehr beeilt, so setzt man sich der Gefahr aus, Gemische zu analysiren.
Es kann nämlich die Substanz, welche sich zuerst abscheidet, durch eine andere
gefärbt seyn; so ist es fast unmöglich, Violett zu isoliren, welches nicht durch
Fuchsin gefärbt ist. Es ist mit jedoch durch abwechselnde Anwendung von Wasser,
Alkohol, Aether, Benzin, als Lösungs- oder Fällungsmittel, gelungen, isolirte
Verbindungen zu erhalten, deren Analyse nächstens beendigt seyn wird.
Gleichzeitig mit den violetten Verbindungen, welche sich unter dem Einfluß des
Chlors, Broms, Jods bilden, entsteht eine blaue Substanz und eine neue Vase;
letztere ist sehr interessant, denn sie ist in isolirtem Zustande violett, fast
unauflöslich in Wasser und gibt Salze, deren Auflösungen ganz rein blau sind. Diese
blauen Auflösungen gehen durch die Alkalien in Roth über, und wenn die Flüssigkeiten
nicht außerordentlich verdünnt sind, schlägt sich die Base neuerdings nieder. Die
blauen Salze dieser Base können blau färben. Diese Verbindung verhält sich daher dem
Lackmus entgegengesetzt; sie wird durch die Säuren gebläut, und die Alkalien führen
die Farbe wieder in Roth über.
Um zu zeigen, wie sehr man sich täuschen könnte, wenn man aus den bei verschiedenen
Reactionen erhaltenen Färbungen auf die identische Natur der diese Färbungen
verursachenden Körper schließen wollte, will ich einige Beispiele anführen.
Berthelot hat gezeigt, daß wenn man mit Wasser gemischter
Phenylsäure Ammoniak zusetzt und hernach Chlorkalklösung zugießt, eine schöne blaue
Farbe entsteht, und er schloß daraus, daß man vorsichtig seyn muß, wenn man den
Chlorkalk als Reagens auf Anilin anwendet. Dieß ist richtig. Aber es handelt sich
hier um unreines Anilin. Das reine Anilin färbt sich durch Chlorkalk immer nur
violett, niemals blau. Die blaue Färbung zeigt sich bloß dann, wenn das Anilin aus
Steinkohlentheer dargestellt ist und Phenylsäure enthält.
Um sich davon zu überzeugen, gieße man 1 Aequivalent Phenylsäure und 1 Aequiv. Anilin
in Wasser (z.B. zwei Tropfen von jedem in 60 Gramme Wasser), und setze dann
vorsichtig Chlorkalklösung zu, so wird man bald eine prachtvolle rein indigoblaue
Farbe entstehen sehen. Wenn man hernach kohlensaures Ammoniak hineingießt, so wird
der Kalk gefällt und es bleibt ein ebenfalls blaues Ammoniaksalz in Lösung. Die
Säure dieses Salzes ist jedoch roth, denn wenn man Salzsäure zusetzt, so wird die
Flüssigkeit roth und durch die Alkalien wieder blau, gerade so wie das Lackmus. Die
rothe Säure dieser Salze kann zum Färben dienen.
Weder die Phenylsäure noch das Anilin für sich, verhalten sich auf diese Weise.
Bekanntlich unterscheidet sich das Toluidin vom Anilin durch sein Verhalten zum
Chlorkalk, welcher es nur schmutzig roth färbt. Behandelt man aber 1 Aeq.
Phenylsäure und 1 Aeq. Toluidin auf vorher angegebene Weise, so entsteht ebenfalls
ein blaues Ammoniaksalz mit rother Säure.
Bei Berthelot's Reaction geschieht es manchmal, daß der
Zusatz einer Säure die Farbe in Roth umändert.