Titel: | Die Beziehungen der Wärme zu Wasser und Dampf, nach C. W. Williams; bearbeitet von Ferd. Kohn, Techniker in London. |
Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. XLVII., S. 161 |
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XLVII.
Die Beziehungen der Wärme zu Wasser und Dampf,
nach C. W. Williams; bearbeitet von Ferd. Kohn, Techniker in London.Das Werk, worin der Ingenieur Williams, Director der
Dubliner Dampfschifffahrts-Compagnie und durch seinen rauchverzehrenden
Dampfkesselofen bekannt, seine neue, auf Versuche gestützte Theorie der
Dampfbildung entwickelte, erschien unter dem Titel: „On Heat, in its relations to Water and Steam: embracing new view of Vaporisation, Condensation, and Expansion. By Chas
Wye Williams, A. I. C. E. – London; Longman
1860.“ Die erste Auflage dieses Werkes, aus welchem die
bedeutendsten englischen technischen Zeitschriften in den letzten Monaten
ausführliche Auszüge brachten, war rasch vergriffen; von der zweiten, mit
Zusäßen versehenen Auflage, welche sich gegenwärtig unter der Presse befindet,
bearbeitet der Verfasser dieses Auszuges, im Einvernehmen mit Williams, eine deutsche Uebersetzung.
Die Beziehungen der Wärme zu Wasser und Dampf nach der Theorie von
Williams.
Es ist eine auffallende Thatsache, daß ein Gegenstand von so hohem Interesse wie die
Beziehungen der Wärme zu Wasser und Dampf – trotz der besonderen
Aufmerksamkeit, welche selbst die höchsten wissenschaftlichen Autoritäten demselben
widmeten und der vielen Werke die darüber geschrieben worden sind – noch
immer nicht ganz aufgeklärt ist.
Die folgende Darstellung aus einem bekannten Werke über die DampfmaschineThe Steam Engine by John ScottRussel. (Derselbe ist der Erbauer des
„Great Eastern.“) gibt ein möglichst genaues Bild der gegenwärtig fast allgemein angenommenen
Theorie, deren Unrichtigkeit zu beweisen Gegenstand des Werkes von Williams ist.
„Zuerst – wenn Wärme einer Wassermasse zugeführt wird –
erfolgt eine rasche Circulation in der Flüssigkeit. Das Wasser am Boden, welches
zuerst erwärmt und ausgedehnt wird, wird leichter als
das übrige, steigt in die Höhe und wird durch den Strom des herabsinkenden
kälteren Wassers ersetzt, welches seinerseits wieder eine neue Wärmemenge
aufnimmt. Nach und nach werden kleine, an dem Boden gebildete und von einer
dünnen Wasserschichte umgebene Bläschen von Dampf
sichtbar, die dem Glase adhäriren. Mit der Zunahme der Temperatur vergrößern sich dieselben,
nach kurzer Zeit vereinigen sich mehrere und bilden eine größere Blase, lösen
sich von dem Glase ab und steigen in der Flüssigkeit in die Höhe. Allein sie
erreichen niemals die Oberfläche; sie begegnen den noch immer verhältnißmäßig
kalten Wasserströmen, welche nach abwärts sinken, um von dem Boden neuen
Wärmezufluß zu erhalten, schrumpfen zu ihrem ursprünglichen Volum zusammen und
verlieren sich in der übrigen Wassermasse. Nach kurzer Zeit ist die ganze
Wassermasse gleichmäßig erwärmt; die Blasen, die nun größer und häufiger
erscheinen, werden mit Geräusch condensirt, und zuletzt, wenn die ganze Masse
die Temperatur von 212° Fahr. (100° C.) erreicht, steigen die
Bläschen vom Boden ohne sich zu condensiren durch das Wasser auf, vergrößern
sich und vereinigen sich während des Aufsteigens mit anderen, zerplatzen an der
Luft und steigen als voluminöse Dampfmasse auf, welche dieselbe Temperatur
besitzt, als das Wasser aus dem sie gebildet wurden – sie verdrängen die
Luft und gewinnen Raum für sich selbst.“
In dieser Darstellung ist vor Allem die Erwärmung und Ausdehnung der Flüssigkeit als solche von vorneherein angenommen
– ohne Beweise, ja selbst ohne Untersuchung. Die gegenwärtig allgemein
angenommene Theorie über diesen Gegenstand behauptet, daß
das Wasser, während es Form und Charakter einer tropfbaren
Flüssigkeitbehält, Wärme absorbire, und sich im Verhältniß zu der
aufgenommenen Wärmemenge ausdehne, bis es die Temperatur von 212° Fahr.
erreicht. Um diese Behauptung mit der allgemein anerkannten und durch Versuche
bestätigten Thatsache in Einklang zu bringen, daß tropfbare Flüssigkeiten die
Eigenschaft der Wärmeleitungsfähigkeit nur in sehr geringem Grade –
vielleicht selbst gar nicht – besitzenFlüssigkeiten, sagt Professor Daniell, leiten die
Wärme mit solcher Schwierigkeit, daß es von manchen Physikern bezweifelt
worden ist, ob dieselben ein solches Vermögen überhaupt besitzen, und Gmelin bemerkt: „die Fortpflanzung der
Wärme von den oberen Schichten einer Flüssigkeit zu den unteren findet
so langsam statt, daß Rumford die Existenz
des Wärmeleitungs-Vermögens in Körpern dieser Gattung gänzlich
läugnet.“
, nehmen fast alle Physiker ihre Zuflucht zu der Hypothese, daß die Aufnahme
der Wärme in einer Flüssigkeit und ihre gleichförmige Verbreitung im Innern
derselben durch eine Circulation der wärmeren und kälteren Partien erfolge, durch
welche jedes einzelne kleinste Theilchen mit der Wärmequelle in unmittelbare
Berührung kommt. Wir wollen es nun versuchen zu beweisen,
daß eine solche Circulation nicht bloß unfähig ist den wirklich stattfindenden
Erscheinungen als genügende Erklärung zu dienen, sondern daß dieselbe in der That
gar nicht stattfindet.
Der folgende Versuch dürfte in dieser Beziehung als vollkommen genügend angesehen
werden: 5 Pfd. Wasser, die eine Zeit lang in einem offenen Gefäße gestanden waren,
hatten auf dessen Boden leichte braune Ablagerungen angesammelt, welche durch die
leiseste Bewegung aufgestört werden konnten. Da diese Ablagerungen den ganzen Boden
des Gefäßes bedeckten, so war es unmöglich, daß irgend eine neue Wassermenge hätte
das Glas berühren und von demselben Wärme empfangen können, ohne die sedimentäre
Masse aufzustören und zu bewegen. Der ganze Boden des
GefäßesDer Fehler der früher bei ähnlichen Versuchen gewöhnlich begangen wurde,
bestand darin, daß man bloß den mittleren Theil des Bodens der Einwirkung
der Flamme auszusetzen pflegte, wodurch ganz andere Verhältnisse und
Erscheinungen herbeigeführt wurden, für deren nähere Besprechung hier nicht
Raum ist. wurde der Einwirkung der Wärme ausgesetzt und nach 1 Minute zeigte das
Thermometer eine Wärmezunahme von 56 bis 57° Fahr. und fuhr eine Zeit lang
fort, um ungefähr 1° Fahr. in der Minute zu steigen. Später wurde die
Temperaturzunahme beschleunigt, aber immer fand dieselbe in der gesammten Masse mit
bewunderungswürdiger Gleichmäßigkeit statt. Die Annahme, daß in der Zeit von 1
Minute jedes kleinste Theilchen der ganzen Wassermasse
mit dem Boden in unmittelbare Berührung kommen sollte, enthält eine physische
Unmöglichkeit, und ihre Unzulässigkeit wurde deutlich genug dadurch bestätigt, daß
die leichten Körperchen am Boden des Gefäßes keine Spur von jenen circulirenden Bewegungen wahrnehmen ließen.
Die gleichförmige Verbreitung der Wärme durch die gesammte Masse einer Flüssigkeit,
welche bisher allgemein für eine Folge solcher Circulation gehalten wurde, muß also
eine andere Ursache haben, die bisher übersehen worden ist.
Die wesentlichsten Punkte, welche in den bisherigen Untersuchungen stets übersehen
wurden, sind: 1) die Bildung von Dampf, welche sogleich
stattfindet und in demselben Maaße fortschreitet, als der Flüssigkeit Wärme
zugeführt wird; 2) das Vorhandenseyn des Dampfes im Innern Wassermasse und die Diffusion desselben in der Flüssigkeit nach dem Dalton'schen
Gesetze.
In Bezug auf die Bildung von Dampf gibt es keinen besseren
Beweis, als das Erscheinen desselben über der Oberfläche des Wassers. Daß, und wie
schnell dieß stattfindet, zeigt folgender einfache Versuch:
In einen Glascylinder, welcher 6 bis 8 Pfd. Wasser aufnehmen kann, wird etwas Wasser
von der Temperatur der umgebenden Luft gegossen und zwar nur soviel, als genügt den
Boden des Gefäßes zu bedecken. Auf den Rand des Cylinders wird ein Glasschälchen gesetzt,
in welchem sich ein wenig kaltes Wasser befindet. Dieser Cylinder wird nun auf ein
Stück Flanell gestellt, das vorher erwärmt worden ist, und fast augenblicklich
steigt dann der Dampf, welcher durch die von dem Flanell erhaltene Wärme gebildet
wurde, aus dem Wasser auf, erfüllt den Cylinder und erscheint condensirt an der
inneren Fläche des kalten Schälchens, das den Cylinder bedeckt. Man ersieht hieraus,
wie gering die Wärme ist, welche hinreicht, um Flüssigkeitsatome in Dampf zu
verwandeln.
Die Existenz des Dampfes im Wasser und die Diffusion
desselben im Innern der Wassermasse ist eine unmittelbare Folge der Bildung von
Dampf. Aus den von Dalton und anderen Naturforschern
erwiesenen Eigenschaften gasförmiger Körper folgt: 1) daß Dämpfe nach keinem
wissenschaftlichen Grundsaße in eine andere Kategorie als die permanenten Gase
gestellt werden können; 2) daß zwei oder mehrere Gase, die in einem begrenzten oder
unbegrenzten Raume zusammengebracht werden, sich zuletzt so anordnen, als ob jedes
für sich den ganzen Raum einnehmen würde und die anderen nicht vorhanden wären; 3)
daß Gase ihre Elasticität, oder die Abstoßungskraft unter ihren eigenen Partikeln,
ganz ebenso im Innern des Wassers behalten, als außer demselben, und das dazwischen
befindliche Wasser keinen anderen Einfluß in dieser Beziehung haben kann, als ein
bloßes Vacuum. – Da nun Wasserdampf ein gasförmiger Körper ist, so muß auch
seine Spannung im Innern des Wassers dieselbe seyn als außer demselben. Es ist sehr
bemerkenswerth, daß Dalton überall anerkennt, das Wasser
spiele die Rolle eines Vacuums gegen Gase und Dämpfe, die in dasselbe gebracht
werden, mit der einzigen Ausnahme des Wasserdampfes
selbst. Dieß dürfte nur seiner bereitwilligen Annahme der Ansichten seines
großen Zeitgenossen Watt zuzuschreiben seyn, welcher für
erwiesen hielt, daß Wasser und Dampf nicht coexistiren können, und daß das erstere
augenblicklich den Dampf condensirt und in Wasser verwandelt, wenn die beiden Körper
mit einander in Berührung gebracht werden.
Es kann jedoch durch zahlreiche Beweise dargethan werden, daß durch das Mischen von
Dampf und Wasser die wesentlichen Eigenschaften der beiden Körper (Divergenz in dem
einen und Anziehung in dem anderen) nicht zerstört werden; der deutlichste und
augenscheinlichste Beweis dafür ist das Wiederaufsteigen des Dampfes aus dem Wasser
mit allen seinen Eigenschaften als gasförmiger Körper, wenn eine Quantität von Dampf
in ein mit Wasser gefülltes Gefäß geleitet und das dadurch gebildete sogenannte
heiße Wasser ausgegossen wird.
Der folgende Versuch liefert einen anderen Beweis für die Existenz des Dampfes im
Wasser: 4 Pfd. Wasser wurden in einer verstopften Flasche zur Temperatur von
200° Fahr. (93° C.) erwärmt, und dann mit einer dicken Lage erwärmten
Flanells umgewickelt, um die Wärmestrahlung zu verhindern. Das Ganze blieb eine
Stunde lang ruhig stehen, und dann wurde das Wasser in eine flache Schale
ausgegossen. Sogleich wurde das Aufsteigen einer bedeutenden Dampfmenge wahrnehmbar,
und nachdem das Wasser die Temperatur der Luft wieder angenommen hatte, zeigte sich
ein Gewichtsverlust von 10 Loth, welche das Gewicht des entwichenen Dampfes
darstellten.
Es fragt sich nun: „wo und in welchem Zustande waren diese 10 Loth Dampf
während der Stunde, wo das Ganze ungestört stehen gelassen wurde?“
Daß dieselben als Dampf selbstständig im Wasser vorhanden warm, scheint
unbestreitbar, wenn man nicht zu der absurden Hypothese seine Zuflucht nehmen will,
daß dieser Dampf erst durch die Berührung mit der kalten Atmosphäre gebildet wurde,
oder daß solch ein Abkühlungsproceß im Stande wäre, durch
irgend eine übernatürliche Vermittelung, nicht bloß das vergrößerte Volum, sondern
auch die Eigenschaften gegenseitiger Abstoßung, des Druckes, der Kraft und der
erhöhten Temperatur zu verleihen.
Es ist demnach erwiesen, daß Dampf als solcher sich im Wasser befindet, und deßhalb
muß das Dalton'sche Gesetz: „Gase, die vom Wasser absorbirt sind, behalten ihre
Elasticität oder die Abstoßungskraft unter ihren eigenen Partikeln ganz
ebenso wie außerhalb des Wassers und das zwischen diesen befindliche Wasser
hat keinen anderen Einfluß in dieser Beziehung als ein bloßes
Vacuum“- für jede solche Mischung von Dampf und Wasser
richtig seyn – und es hieße nur die Frage wiederaufstellen, ob Wasserdampf eine ausdehnbare Flüssigkeit sey oder
nicht, wenn man die Anwendbarkeit dieses Gesetzes hier bezweifeln
wollte.
Wir wollen es nun versuchen zu zeigen, wie sich die Erscheinungen in diesem Gebiete
der Naturwissenschaft auf Grundlage des Dalton'schen
Gesetzes erklären lassen.
Wenn kaltes Wasser in einem Glascylinder über dem Brenner einer Argandlampe erwärmt
wird, so sieht man bald zahlreiche kleine Bläschen dem Boden und den Wänden des
Glases adhäriren. Diese wurden von vielen Naturforschen irrthümlicher Weise für
neugebildeten Dampf ausgegeben, sind aber nichts anderes als Bläschen von Luft, welche im Wasser absorbirt ist. Daß diese
Bläschchen wirklich gar nichts mit Dampf gemein haben, beweist die Thatsache,
daß Wasser, welches durch früheres Sieden von der absorbirten Luft befreit worden
und dann erkaltet ist, bei nachherigem Erwärmen keine solchen Bläschen zeigt.
Jeder neue Wärmezufluß, den eine Flüssigkeit erhält, verwandelt – wie bereits
erwiesen wurde – eine entsprechende Menge derselben in Dampf. Da der
Uebergang von dem flüssigen in den dampfförmigen Zustand die unmittelbare Folge der
Vereinigung des Wassers mit einer weiteren Wärmemenge ist, so ist es gleichgültig,
von welcher Seite oder Richtung die Wärme erlangt wird, von oben – wie durch
die Sonnenstrahlen oder die Lufttemperatur – oder von unten, wie bei
künstlicher Erwärmung. Wenn die Erwärmung von oben erfolgt, so ist die oberste
Schichte der Flüssigkeitsatome, welche die Warme empfängt, in unmittelbarer
Berührung mit der Luft, die darauf ruht. Jedes dieser Atome wird dann Wärme
absorbiren und dadurch in Dampf verwandelt werden. Diese neugebildeten Dampfatome,
welche nur dem Drucke der Atmosphäre ausgesetzt sind, nehmen ein ihrem neuen
Zustande entsprechendes vergrößertes Volum an, welches das 1728fache des
Flüssigkeitsvolums beträgt; sie steigen in der Luft in die Höhe und die
nächstfolgenden Flüssigkeitsatome werden nun der Reihe nach in Dampf verwandelt, bis
zuletzt die ganze Flüssigkeitsmasse sich verflüchtigt hat.
Anders verhält es sich, wenn Wärme dem Boden eines Gefäßes, welches Wasser enthält,
zugeführt wird. In diesem Falle sind es die Atome der untersten Flüssigkeitsschichte, welche zuerst Wärme empfangen und sich in
Dampf verwandeln. Diese sind aber nicht in Berührung mit dem leichten Medium der
Luft, unter einem Drucke von 15 Pfund (engl.) auf den Quadratzoll, sondern in einem
Medium, das eine 830mal größere Dichte besitzt als die Luft. Die nothwendige Folge
ist, daß ein Atom von Dampf, das an dem Boden der Wassermasse gebildet wurde, außer
dem Drucke der Atmosphäre auch noch dem Einflüsse des flüssigen Mediums unterliegt.
Die Vergrößerung des Volums muß daher für die Dampfatome, welche sich im Wasser
befinden, eine verhältnißmäßig geringe seyn, und das Entweichen des Dampfes aus dem
Wasser kann erst dann stattfinden, wenn die Diffusion desselben in dem von der
Flüssigkeit erfüllten Raume erfolgt ist. Die Diffusion des Dampfes und die
Schnelligkeit, womit dieselbe erfolgt, erklären auf die einfachste Weise die
gleichförmige Verbreitung der Wärme im Innern einer nichtleitenden Flüssigkeitsmasse, nur muß man in den Dampfatomen die Träger der Wärme erkennen, und dieselbe nicht in den
Atomen der tropfbaren Flüssigkeit suchen, welche in der
That als Nichtleiter für die Wärme ganz indifferent sind,
und so lange sie in ihrem tropfbaren Zustande verharren, weder die Träger noch die Absorbenten von
freier Wärme seyn können.
Daß wirklich der Dampf der alleinige Träger der freien
Wärme sey, und die tropfbare Flüssigkeit keine solche besitze, zeigt die Gleichheit
der Temperatur, welche in geschlossenen Gefäßen, in denen Wasser erwärmt wird, unter
und über der Oberfläche des Wassers herrscht. Wenn es nämlich erwiesen ist, daß sich
sowohl über dem Wasser, als in demselben Dämpfe befinden, deren Spannungen mit
einander im Gleichgewichtestehen, oder was dasselbe ist, „daß sich relativ gleiche Quantitäten von Dampf in den
beiden Räumen befinden,“ wenn zugleich zugegeben werden muß,
daß die Wärme in dem Raume über dem Wasser nur in den Atomen des Dampfes zu suchen
seyn könne: so muß auch folgerichtig der gleichen Quantität von Dampf im Inneren der
Flüssigkeit eine gleiche Einwirkung auf das Thermometer zugeschrieben werden, und
der Umstand, daß das Thermometer im Wasser nicht mehr
Wärme anzeigt, als dem darin befindlichen Dampfe zukommt,
beweist daß die tropfbar flüssigen Atome keine freie
Wärme besitzen können.
Wasser ist demnach, so lange es sich im flüssigen Zustande befindet, bei jeder
Temperatur nichts anderes, als ein mechanisches Gemisch von tropfbar flüssigen
Atomen und Dampfatomen; die ersteren sind unfähig ihre Temperatur zu verändern, so
lange sie in ihrem tropfbaren Zustande verbleiben, haben daher keinen Einfluß auf
die thermometrischen Veränderungen des Ganzen, sondern behalten immer die Temperatur des schmelzenden Eises, bis sie durch
Aufnahme einer weiteren, bestimmten Wärmemenge in Dampfatome verwandelt werden.
Diese letzteren sind es daher, mit deren Verhältnissen die
Wärme-Erscheinungen der flüssigen Masse im Zusammenhange stehen; sie besitzen
freie Wärme, und zwar enthält jedes Atom – unabhängig von der Temperatur des
Ganzen – stets die gleiche Menge davon, während die verschiedenen Grade der
Temperatur bloß von der Quantität des Dampfes abhängen,
welche sich in einem gegebenen Raume befindet. Die Einwirkung der ganzen Masse auf
das Thermometer ist nämlich nichts anderes, als das Resultat oder die Summe der
entsprechenden Wirkungen aller einzelnen Atome, und wenn man die freie Wärme jedes
einzelnen Atomes als Einheit annimmt, so erscheint die Temperatur als die Summe der in einem gegebenen Raume vorhandenen
Wärmeeinheiten.
Die Zunahme der Dampfmenge im Inneren des Wassers bei der Erwärmung erklärt zugleich
die Ausdehnung der Flüssigkeit durch die Wärme. Die Dampfatome haben ein größeres
Volum, als die tropfbar flüssigen Atome, aus denen sie entstanden sind, und das Gemisch von Dampf und
Wasser – die sogenannte erwärmte Flüssigkeit – muß daher ein um so
größeres Volum einnehmen, je mehr Dampf in derselben enthalten, oder mit anderen
Worten, je höher die Temperatur derselben ist.
Die Quantität eines Gases, welche das Wasser unter einem bestimmten Drucke zu
absorbiren vermag, ist begrenzt; ebenso ist es auch die Dampfmenge, welche das
Wasser unter einem gegebenen Drucke enthalten kann, und die Grenze, bei welcher das
Wasser unter dem Drucke einer Atmosphäre mit Dampf
gesättigt ist, d.h. keine weitere Dampfmenge absorbiren kann, ist nichts
anderes als der Siedepunkt.
Der Ausdruck, eine Wassermasse ist mit Dampf gesättigt, ist in demselben Sinne
aufzufassen, wie dieß in Bezug auf Luft oder andere permanente Gase allgemein
geschieht, nämlich als die Bezeichnung jenes Zustandes, in welchem die Expansivkraft
der ausdehnbaren Flüssigkeit unter den gegebenen Verhältnissen mit dem Drucke des
Mediums, in welchem sich dieselbe befindet, genau im Gleichgewichte steht.
Wenn einer Wassermasse, die bei ihrem Siedepunkte angelangt, also mit Dampf gesättigt
ist, weitere Wärmemengen zugeführt werden, so wird eine neue, diesen Wärmemengen
entsprechende Dampfmenge gebildet; diese aber kann nicht mehr in der Flüssigkeit
zurückbleiben, sofern sie nicht durch einen äußeren mechanischen Druck darin
erhalten wird, sondern muß ebensoschnell aus derselben entweichen als sie gebildet
wurde. So einfach erklärt sich eine Erscheinung, über welche sich die größten
Naturforscher in Erstaunen und Verwunderung zu ergehen pflegten, nämlich die
Unmöglichkeit, eine Flüssigkeit in einem offenen Gefäße über ihren Siedepunkt zu
erwärmen.
Ueber diesen Gegenstand sagt z.B. de Pambour:
„Es ist bekannt, daß, wenn Wasser unter atmosphärischem Drucke
verdampft wird, vergebens neue Wärmemengen von dem
Herde hinzugefügt werden – weder die Temperatur des Wassers noch die des
Dampfes kann über 100° C. oder 212° Fahr. erhöht werden. Alle
Wärme, welche unaufhörlich der Flüssigkeit zugeführt wird, muß nothwendigerweise
in den Dampf übergehen, aber in demselben in einem Zustande bestehen, welcher
latent genannt wird, weil die Wärme, obschon sie wirklich von dem Feuer
abgegeben wurde, dennoch ohne einen Einfluß auf das Thermometer
bleibt.“ In diesem Ausspruch de Pambour's
finden wir einige der bedeutendsten Irrthümer in der bisherigen Theorie. Was
zunächst die Wärme betrifft, so wird dieselbe keineswegs vergebens hinzugefügt, sondern jede hinzugefügte Wärmemenge bewirkt die
Bildung einer neuen Dampfmenge und äußert ebenso gut ihren dynamischen Effect, als
die erste oder irgend eine folgende. Wären die hinzugefügten Wärmemengen in dem Gefäße zurückgehalten
worden, so würden sie nothwendiger Weise eine entsprechende Wirkung auf das
Thermometer gehabt haben; dieß ist aber nicht der Fall, sondern der neugebildete
Dampf, welcher die hinzugekommene Wärme empfängt und mit sich wegführt, kommt mit
dem Thermometer gar nicht in Berührung und kann deßhalb auch keinen Einfluß auf
dasselbe haben. Man könnte ebenso wohl sagen, daß „vergebens“ frische Quantitäten von Wasser fortwährend in
ein Gefäß gegossen werden, welches bereits gefüllt ist,
und dann erstaunen, daß keine Gewichtszunahme stattgefunden habe – die
einfache Wahrheit ist, daß das Wasser bei der sogenannten Temperatur des
Siedepunktes in dem wahren Sinne des Dalton'schen
Gesetzes absolut mit Dampf erfüllt ist, daher durch Hinzufügung weiterer Wärmemengen
zwar gewiß mehr Dampf gebildet werden wird, aber es kann nicht mehr Dampf in dem im
Gefäße befindlichen Wasser Platz finden, wenn derselbe nicht durch mechanischen
Druck darin zurückgehalten wird, wie etwa in Papin's
Digestor. Es ist deßhalb auch ein Irrthum, die Wärme, welche in den neugebildeten
Dampf übergeht „latent“ zu nennen;
denn jedes Dampfatom – gleichviel bei welcher Temperatur es entstanden ist
– enthält sein Aequivalent freier Wärme, welche in der That sogleich auf das
Thermometer wirkt, wenn man das Entweichen derselben aus dem Dampfe durch äußeren
Druck verhindert.
Es ist nun noch ein Hauptgegenstand zu besprechen, nämlich die Condensation des Dampfes. Condensation ist – die Verwandlung des
Dampfes in tropfbares Wasser durch die Berührung mit einem Körper, der dem Dampfe
seine Wärme entzieht. Ein Beispiel solcher Condensation liefert das sogenannte
Schlangenrohr eines Destillirapparates, in welchem die Dämpfe ihre Wärme an das kalt
gehaltene Metall des Rohres abgeben und so in den flüssigen Zustand übergeführt
werden. Anders aber ist es, wenn eine kalte Wassermasse mit dem Dampfe in Berührung
gebracht wird. Die tropfbare Flüssigkeit ist kein Wärmeleiter und kein Absorbent der
Wärme. Durch das Vermischen von Dampf und Wasser werden – wie schon früher
erwiesen wurde – die wesentlichen Eigenschaften dieser beiden Körper durchaus
nicht aufgehoben, und das Verschwinden des Dampfes in diesem Falle hat eine andere
Ursache als die Condensation. Diese ist die Absorption des Dampfes in der
Wassermasse und die damit verbundene Verringerung des Dampfvolums. Der Dampf, den
man in „heißes Wasser“ verwandelt glaubte, ist also bloß im
Wasser vertheilt – ganz so wie es etwa Kohlensäure oder ein anderes Gas seyn
würde – mit allen seinen Eigenschaften als ausdehnbarer flüssiger Körper.
Untersuchen wir daher den Proceß im Condensator einer Dampfmaschine etwas näher, so
finden wir als die wahren Ursachen des in demselben erzeugten relativen Vacuums:
1) die Verringerung der Dampfspannung, in Folge der zwischen dem Raume des
Condensators und dem des Cylinders hergestellten Verbindung;
2) die abkühlende Wirkung der metallenen Wände des
Condensators, welche sich ähnlich verhalten wie die Metallmasse des Kühlrohrs von
einem Destillirapparat, und die wirkliche Condensation
einer entsprechenden Dampfmenge veranlassen;
3) die Absorption oder Diffusion des Dampfes in dem eingespritzten Wasser und die dadurch
erfolgende Verringerung seines Volums. Wieviel diese Volumverminderung beträgt,
ergibt sich aus der allerdings nicht ganz genauen Annahme, daß der Wasserdampf unter
dem Drucke einer Atmosphäre das 1700fache Volum einer gleichen Gewichtsmenge
tropfbaren Wassers einnimmt, während der Dampf unter gleichem Drucke, wenn er im
Wasser absorbirt ist, nicht mehr als etwa das doppelte Volum des Wassers
besitzt.
*
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Die hier ausgesprochenen Ansichten über die Beziehungen der Wärme zu Wasser und
Dampf, bieten eine Erklärungsweise für eine ganze Gruppe von Erscheinungen, welche
mehr als die bisher angenommenen Theorien mit der Natur der Sache im Einklange zu
stehen scheint, und verdienen insofern die Beachtung der Physiker; als ein Beispiel
ihres unmittelbaren praktischen Nutzens jedoch, wollen wir am Schlusse dieser
Abhandlung zeigen, welche Erklärungen dieselben für die Erscheinungen der Kesselexplosionen liefern, über die im Allgemeinen noch
immer große Unklarheit und folglich Meinungsverschiedenheit geherrscht hat.
Die Ursache der meisten Kesselexplosionen wurde mit Recht dem zu niedrigen
Wasserstande im Kessel und dem in Folge dessen eintretenden Glühendwerden der
Kesselwände zugeschrieben. Die Aufmerksamkeit der Heizer und Maschinenwärter wurde
deßhalb so ausschließlich auf die Vermeidung dieses Uebelstandes gerichtet, daß
diese unwillkürlich in den entgegengesetzten Fehler verfallen, und, gleichsam um
Sicherheit noch sicherer zu machen, die Speisepumpen oft fortarbeiten lassen, bis
die Wasserstandsgläser ganz gefüllt sind und sie selbst nicht mehr wissen wie hoch
das Wasser im Kessel steht. Man sieht keine Gefahr in einem solchen Vorgange, und
doch konnte man andererseits keine Erklärung dafür finden, daß in unzähligen Fällen
Kesselexplosionen stattfanden, während die betreffenden Kessel beinahe ganz mit
Wasser gefüllt und ihre Wände also gewiß nicht glühend waren. Diese Explosionen
finden gewöhnlich in dem Zeitpunkte statt, wo die Ventile geöffnet werden, um die
Dampfmaschine in Gang zu setzen, oder wenn das Sicherheitsventil sich hebt. Das
Vorhandenseyn des Dampfes im Wasser erklärt auf die einfachste Weise, wie solche
Explosionen möglich werden und auf welche Weise sie zu verhüten sind. Wenn man
nämlich bedenkt, daß in einem geschlossenen Dampfkessel die ganze darin enthaltene
Nassermasse mit Dampf von bedeutender Spannung erfüllt ist, welcher in dem dichten
Medium des Wassers ein verhältnißmäßig geringes Volum besitzt, und nun annimmt, daß
auf irgend eine Art (wie durch das Oeffnen des Sicherheitsventiles oder das
Ingangsetzen der Maschine) der auf dem Wasser lastende Druck plötzlich bedeutend
verringert wird, so kann man sich leicht einen Begriff davon machen, mit welcher
Schnelligkeit der Dampf aus dem Wasser in den darüber befindlichen Raum stürzen
wird. Außerhalb des Wassers aber nimmt jedes Dampfatom ein etwa 830mal größeres
Volum ein, als es in dem Wasser besaß, und dieß erklärt eine momentane Vermehrung
der Dampfspannung, welche um so größer und wirksamer seyn muß, je größer das Volum
des Wassers und je kleiner der Dampfraum über demselben ist.
Es folgt daraus, daß die Gefahr einer Kesselexplosion bedeutend zunimmt, wenn man die
Wassermenge in dem Kessel vermehrt, und daß jeder Kubikfuß Wasser, welcher in
demselben außer der zur Dampfbildung erforderlichen Menge enthalten ist, zu einer
Ursache vergrößerter Gefahr wird, sobald ein plötzlicher Uebertritt des in demselben
enthaltenen Dampfes in den verringerten Dampfraum des Kessels erfolgt.