Titel: | Ueber Fabrication der Eisenbahnschienen. |
Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. LVIII., S. 190 |
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LVIII.
Ueber Fabrication der
Eisenbahnschienen.
Aus der schweizerischen polytechnischen Zeitschrift, 1861,
Bd. VI S. 1.
Mit Abbildungen auf Tab.
III.
Ueber Fabrication der Eisenbahnschienen.
Die schweizerischen Eisenbahnen haben ihren Bedarf an Schienen zum weitaus größten
Theil aus England bezogen. Ziemlich allgemein ist wohl die Erfahrung gemacht worden,
daß die englischen Schienen, wie sie gewöhnlich fabricirt werden, dem starken Drucke
der Treibräder der Locomotiven, welcher durch die Steigungen der schweizerischen
Bahnen nothwendig bedingt ist, nicht hinreichend widerstehen und in verhältnißmäßig
kurzer Zeit zu Grunde gehen. Die Schienen werden nämlich nicht durch eigentliche
Abnutzung unbrauchbar, sondern in den weitaus meisten Fällen durch Zerquetschen des
Schienenkopfes.Diese Art des Unbrauchbarwerdens der Schienen wird ganz besonders durch die
für manchen Ingenieur vielleicht überraschende Erfahrung bestätigt, daß auf
dem Hauensteinübergang zwischen Läufelfingen und Olten (südlicher Abhang),
wo die Bahn ihre stärkste Steigung hat, dasjenige Geleise auf welchem
aufwärts gefahren wird, einen ungleich stärkern Abgang an Schienen aufweist
als das beim Abwärtsfahren benützte Geleise, obschon letzteres beinahe ein
halbes Jahr älter ist und anfänglich (im Hauensteintunnel war damals nur ein
Geleise gelegt) im beiden Richtungen befahren wurde. Wenn die Schienen durch
Abnutzung zu Grunde giengen, so müßte offenbar das abwärts befahrene
Geleise, auf welchem die Züge stets vollständig gebremst fahren und ein
Schleifen der Räder auf den Schienen nicht selten vorkommt, mehr leiden. Da
aber ein Zerquetschen des Schienenkopfes stattfindet, so erklärt sich die
stärkere Beanspruchung der Schienen durch das Bergauffahren. Beim
Abwärtsfahren arbeitet nämlich die Maschine gar nicht, der Druck der
Treibräder auf die Schienen ist daher ein constanter, bedingt durch das
Gewicht der Locomotive und die Vertheilung dieses Gewichts auf die
Treibräder. Beim Aufwärtsfahren dagegen, wo die Maschine stets mit voller
Kraft arbeitet, kommt bei gewissen Stellungen der Kurbel noch ein Theil des
von der Maschine auf die Kurbel ausgeübten Druckes zu der gewöhnlichen
Belastung der Treibräder hinzu, der Druck dieser Räder auf die Schienen wird
dadurch zeitweise bedeutend vermehrt, und daher ohne Zweifel das auf dem
erwähnten Geleise ganz ungewöhnlich häufig vorkommende Breitdrücken der
Schienenköpfe. Die bessere Eisenschicht (in England Eisen Nr. 2 genannt), aus welcher der
oberste Theil des Schienenkopfs besteht, wird durch die darüber rollenden schweren
Locomotivräder wie durch eine Walze platt gedrückt, und dehnt sich dabei, da ein
Ausweichen der Eisentheilchen nach der Längenrichtung der Schiene nicht leicht
möglich ist, nach der Breite aus; es bildet sich am Schienentopf eine seitliche
Ausbauchung, welche immer stärkee wird und bald die Auswechslung der Schienen nöthig
macht. Untersucht man eine solche ausgebauchte Schiene näher, so findet man schon
durch bloßes Untergreifen mit der Hand unter den Schienenkopf, daß sich die aus
besserem Eisen bestehende Deckschicht des Kopfes, indem sie durch die Locomotivräder
breitgewalzt wurde, von dem Körper der Schiene abgelöst hat (Fig. 11), und es läßt
sich diese Deckschicht, wenn die Schiene senkrecht durchschnitten wird, vollständig
abschälen. Nicht selten entsteht auch bei dem Breitdrücken ein Längenriß mitten auf
dem Schienenkopf, welcher aber nur durch die Deckschicht hindurchgeht. Offenbar hat
hier eine unvollständige Schweißung zwischen den beiden Eisensorten stattgefunden,
und dieser Umstand befördert ohne Zweifel sehr das Plattdrücken des
Schienenkopfes.
Eine Vergleichung der Anzahl der ausgewechselten Schienen auf der schweizerischen
Centralbahn und auf den angrenzenden Strecken der französischen Ostbahn zeigt, daß
letztere bei gleich alten Geleisen und bei mindestens ebenso starkem Verkehr ganz
unverhältnißmäßig weniger Abgang an Schienen hat. Theilweise mag dieß der im
Allgemeinen schwächern Belastung der Treibräder auf der französischen Bahn zuzuschreiben
seyn: der hauptsächlichste Grund ist aber ohne Zweifel in der zweckmäßigeren
Fabricationsweise der französischen Schienen zu suchen. Da England nebst vielem
schlechten Eisen bekanntlich auch sehr gutes producirt, so ließen sich ohne Zweifel
auch in England durch eine zweckmäßigere Fabricationsmethode Schienen von größerer
Widerstandsfähigkeit gegen starke Belastungen erzeugen. Wir theilen einen darauf
bezüglichen Bericht mit, welchen Hr. I. I. Bodmer aus
Zürich am Ende des Jahres 1859 an die Verwaltung der schweizerischen Centralbahn
eingesandt hat, und welcher uns die Beachtung der schweizerischen
Eisenbahnverwaltungen bei fernern Schienenbestellungen in England in hohem Grade zu
verdienen scheint. Hr. Bodmer hatte im genannten Jahre
eine Partie Schienen für die schweizerische Centralbahn übernommen, welche von den
HH. Gebrüder Bailey geliefert und in dem Eisenwerke
Aberaman (Glamorganshire) fabricirt wurden, und hatte früher das gleiche Geschäft
während längerer Zeit für die schweizerische Nordostbahn besorgt. Dieser Bericht
lautet wie folgt:
„Alle Vorschriften und Verträge für Schienenlieferungen enthalten die
Bedingung, daß nur bestes Wales Eisen für die Schienen verwendet werde; niemand
aber fühlt sich dadurch gebunden, sondern die allermeisten oder wohl alle Werke
verwenden ihre geringsten Sorten zu Puddelstäben für Schienenpackete. Die
Hohöfen werden nie gahr gehalten, sondern auf möglichst großen Ertrag an weißem
Eisen getrieben, wozu beim Puddeln nur gerade so viel raffinirtes beigesetzt
wird, als nöthig ist um die Luppen nach dem Zängen das Walzen aushalten zu
machen.
Es ist nun allerdings selbst diese geringe Qualität gut genug für den Körper der
Schienen, was alle Schlag- und Belastungsproben beweisen; aber es wäre
rein unmöglich, den Kopf der Schienen daraus zu walzen. Die Behandlung des
Materials nun, aus welchem der Kopf der Schienen gemacht wird, ist also eine
Hauptsache. Schreibt das Bedingnißheft hierüber nichts vor, und ist nicht eine
mehrjährige Garantie der Schienen verlangt, so wird dieser wichtigste Theil oft
ganz vernachlässigt, und der gewissenhafteste Agent, wenn ihm anders diese
Details zu bestimmen nicht die Vollmacht gegeben ist, kann keine dauerhaften
Schienen erhalten oder sich sichern.
Alle mit bekannten Werke, mit Ausnahme eines einzigen (Blänavon), befolgen die
Methode, eine Kopf- oder Deckplatte von sogenanntem Eisen Nr. 2 (best) zu
verwenden, wie es auch beinahe alle Bedingnißhefte vorschreiben. Diese
Deckplatten aber werden auf gar verschiedene Weise fabricirt. Eine oft
vorkommende und meiner Ansicht nach verwerfliche Methode ist folgende (Fig. 12):
Eine oberste Lage von zwei Puddelstäben weicherer Qualität deckt zwei Lagen oder
auch nur eine von ordinären Stäben, und unter diesen liegt, eingeschalt von zwei
Seitenstäben und einigen ordinären Stäben als Boden des Packetes, ein Gemenge
von allen möglichen Abgangsstücken und Brocken. Es werden da große rohe
Endstücke von Puddelstäben, oft kaum besser als Luppenabfälle, eingefüllt,
zusammen mit dünnen und dicken Kleineisenstücken, alten Schrauben und Muttern,
Blechabschnitten und Allem möglichen. Für stärkere Platten werden auch die
Packete etwas höher gehalten (Fig. 13); allein so
lange die Masse der Packete oder auch nur ein kleinerer Theil derselben aus den
allerheterogensten Bestandtheilchen besteht, ist eine rechte Schweißung
unmöglich, und wenn auch die Fläche gesund aussieht und glatt ist, so muß doch
immer die Möglichkeit spätern Abschälens und Ausschieferns in hohem Grade
vorausgesetzt werden. Es kann ferner eine Deckplatte aus solchem Packete nie
ganz dicht seyn, und wird sich nach und nach ausdehnen unter dem Gewichte der
Räder und zerdrückt werden. Deckplattenpackete aus Schienenstücken und
Puddelstäben zusammengesetzt, sind schon bedeutend besser, und es werden solche
auf gar mancherlei Weise gebildet (Fig. 14 und 15), je
nachdem mehr von der einen oder andern Art vorhanden, ohne Preisunterschied. Die
solidesten Deckplatten dieser Art werden ohne Zweifel solche seyn, die aus den
dichtesten Packten gewalzt werden; allein auch die besten haben nach meiner
Ansicht zwei Nachtheile. Erstlich, so lange die Deckplatten aus Packeten von
vielen Lagen gewalzt werden, muß auch immer ein Theil derselben blättrig werden,
und zweitens ändert sich die Natur des Eisens durch zweimalige Schweißhitze und
Ausstrecken so sehr, daß nachher eine gesunde kräftige Schweißung desselben mit
den darunter liegenden Puddelstäben gar nicht mehr wahrscheinlich ist.
Um dem letztgenannten Uebelstande auszuweichen, hat der kürzlich verstorbene
Ingenieur Brunel einen Theil seiner Schienen aus
lauter Eisen Nr. 2 machen lassen, und das Schienenpacket bestand aus vier dicken
Platten von 2 Zoll. Diese nun hatten allerdings den Vortheil, daß sie eine hohe
Schweißhitze aushielten; allein die Fabricationskosten sind sehr bedeutend. Es
kann aber zu geringerem Preise der gleiche Zweck und zwar viel vollständiger
erreicht werden, durch Packete nur aus Puddeleisen
bestehend.
Es wird von Jahr zu Jahr mehr meine Ueberzeugung, daß die dauerhaftesten Schienen
(Stahlschienen ausgenommen) solche aus lauter Puddeleisen sind. Wie schon
bemerkt, ist die ganze Fabrication der meisten Werke auf Production geringen
Eisens für Schienen eingerichtet, und es ist natürlich, daß sich dieselben nicht gerne dazu
entschließen, Kopfstäbe aus gutem Puddeleisen von andern Werken zu kaufen, statt
die Abfälle der eigenen Fabrication dazu verwenden zu können.
Blaenavon und vielleicht auch Pontypool liefern ein Puddeleisen, das sich
vortrefflich zu Kopfstäben gebrauchen läßt, und in Blaenavon werden gar keine
anderen Schienen gemacht als solche aus lauter Puddeleisen. Es wird da im
Hohofen schon auf gahre und kräftige Eisensorten hingearbeitet, und das Puddeln
sorgfältig betrieben. Bei der Fabrication von Kopfstäben wird die Luppe unter
dem Hammer (nicht wie auf anderen Werken bloß unter der Quetsche) etwas flach
geschlagen, eine zweite Luppe gleich behandelt und auf die erste gelegt, und
beide zusammen sofort zur Platte ausgestreckt; zuweilen kommt die Platte, um die
Dimension genau zu bekommen, noch einmal in den Schweißofen, und es wird ihr
unter den Walzen das genaue Maaß gegeben. Auf diese Weise hat man im
Schienenpackete nur Eisen einerlei Natur: die Schweißhitze kann die beiden
Theile des Packetes nicht ungleich afficiren; es kann nicht, wie bei ordinären
Packten, der Puddelstab fast verbrannt werden, bevor die Kopfplatte hinlänglich
erwärmt ist; es kann auch durchaus kein Abblättern des Schienenkopfes vorkommen,
weil er nicht aus Schichten besteht, sondern eine
gesunde Masse ist.
Solche Schienen könnten auch Bailey's Werke machen,
wenn denselben etwas für den Preisunterschied zwischen Blaenavon-Eisen
und ihren eigenen Kopfplatten vergütet würde, und man könnte versichert seyn,
daß sich dergleichen Schienen durch ihre kräftige Härte und ihre Dauerhaftigkeit
doppelt bezahlen würden.“