Titel: | Ueber die Steuerung der Schraubenschiffe; vom Contre-Admiral Paris. |
Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. LXXIV., S. 249 |
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LXXIV.
Ueber die Steuerung der Schraubenschiffe; vom
Contre-Admiral Paris.
Aus den Comptes rendus, Februar 1861, t. LII p.
339.
Paris, über die Steuerung der Schraubenschiffe.
Die Anwendung der Dampfmaschinen als schiffsbewegende Kraft hat den wesentlichsten
Einfluß auf die Construction der Schiffe, auf die Schiffssprache und auf die
Ausführung der einzelnen Manöver gehabt. Dieß gilt namentlich für die Schraube,
welche allmählich die Schaufelräder verdrängen wird.
Nachdem man so weit gekommen, bei einer Maschine von 2500 Pferdekräften noch eine
Segeloberfläche von 3000 Quadratmetern beizubehalten, hat man wenigstens für die
Kriegsschiffe und für den Moment des Kampfes auf die Segel wieder verzichten müssen,
weil die Schraube durch das Aufsaugen der durch die Kugeln ins Meer geworfenen Segel
und Trümmer von Masten und Raaen in ihrer Wirksamkeit sehr behindert, ja sogar zur
Unthätigkeit gebracht werden würde. Die Schiffe werden also allein auf ihre
Maschinen angewiesen seyn und es wird nicht ohne Mühe die neue Art gelernt werden
müssen, das Schiff zu regieren.
Durch aufmerksame Beobachtung der Wirksamkeit von Segel, Schraube und Schaufelrad bin
ich dazu gekommen, manchen neuen Nutzen aus deren richtiger Combination zu
ziehen.
Die beweglichen Segelflächen wirken je nach Belieben auf die Enden des Schiffes und
unterstützen das Steuer in seiner Function, wenn die Geschwindigkeit des Schiffes zu
gering ist, um es allein dem Steuer gehorchen zu lassen.
Bei mechanischen Motoren dagegen, welche alle Hindernisse der Winde zu überwinden
gestatten, kann das Steuer das Schiff nur wenden, wenn dasselbe in der Richtung des
Kiels fortgetrieben wird und die durch seine Schnelligkeit hervorgebrachte Strömung
auf die Fläche des Steuers stößt.
In dieser Beziehung sind indessen die Schaufelräder und Schrauben von einander sehr
verschieden. Die ersteren treffen das Wasser zur Seite des Schiffes und in nur
geringer Tiefe; die gebildeten seitlichen Strömungen treffen das Steuer nur da, wo
es keine Breite hat, sie haben also auf die Wirkung des Steuers keinen Einfluß und
treiben das Schiff nur gerade vorwärts.
Hieraus folgt die wichtige Thatsache, daß das Räderschiff seine Richtung nur dann
ändern kann, wenn es in der Bewegung durchs Wasser hindurch begriffen ist.
Die Schraube dagegen befindet sich unter der Wasseroberfläche und vor dem Steuer; sie
wirft nach hinten eine wirbelnde Wassersäule, welche direct auf die Wirkungsfläche
des Steuers trifft. Je stärker der Widerstand ist, den das Schiff zu überwinden hat,
desto größer ist die in Bewegung versetzte Wassermasse, so daß, wenn das Schiff ganz
still steht, seine 2000 Pferdekräfte nur dazu dienen eine heftige aufs Steuer
gerichtete Strömung hervorzubringen.
Hieraus folgt, daß das Schraubenschiff auf seiner Stelle und ohne vorzurücken wenden
kann.
Ein anderer Unterschied ist folgender:
Die Schaufelräder wirken immer gleichmäßig, wenn sie gleich weit untertauchen; taucht
eines etwas weiter ein, so ist der Unterschied leicht auszugleichen.
Die Schraube würde genau in der Richtung ihrer Achse wirken, wenn ihre Flügel in
allen Schichten des Wassers gleichen Widerstand fänden. Allein unmittelbar unter der
Oberfläche ist das Wasser beweglicher als tiefer unten; daher wirken die beiden
Flügel der Schraube nicht gleichmäßig und ihr Unterschied schiebt das Hintertheil
des Schiffes zur Seite. Diese Abweichung wächst dadurch, daß die Schraube am Ende
des Schiffes liegt und ist um so stärker, je größer der Gang der Schraube ist und je
höher sie im Wasser liegt. Beim Vorwärtsfahren wird dieser Einfluß durch eine kleine
Neigung des Steuers compensirt; beim Rückwärtsfahren aber wird das Vordertheil stets
nach Rechts abgelenkt.
Benutzt man diese Verhältnisse, so kann man mit ihrer Hülfe Manöver ausführen, welche
bisher unmöglich waren.
Ein vor Anker liegendes Schiff konnte früher bei Windstille nur mittelst mühsamen
Herumziehens an Tauen gewendet werden. Ein Schraubenschiff kann man auf seinem
Ankerplatz umwenden: hiezu lasse ich den Anker mit einer eben noch ausreichenden
Kette am Grunde, und lasse die Maschine mit geringer Geschwindigkeit vorwärts
arbeiten, um eine künstliche Strömung auf das Steuer zu erhalten. Mittelst einer
schiefen Stellung des letzteren kann man dann nach Belieben wenden.
Auch ohne Anker kann man dasselbe erreichen: ich lasse erst zurückgehen; anfangs
widersteht die Masse des Schiffes der Bewegung, aber es dreht nach Steuerbord, und
wenn es ein Viertel seiner Länge durchlaufen hat, lasse ich vorwärts arbeiten und
das Steuer nach Backbord stellen; sofort bringt die künstliche Strömung das Steuer
zur Wirkung und das Schiff dreht fort nach Steuerbord. Ist es wieder um ein Viertel
fortbewegt, so lasse ich wieder zurückgehen und durch diese abwechselnden Manöver
ist es mit gelungen, das Schiff auf einem Raum von 2 1/2 mal seiner Länge zu wenden
und mich aus einer schlimmen Lage herauszuziehen. Dieß wäre mit Segeln allein oder
auch in Verbindung mit Rädern unmöglich gewesen.
Häufig muß man auf dem Meere stillhalten. Mit Segeln erreicht man dieß annähernd,
wenn man die Hälfte zum Vorwärts- die andere Hälfte zum Rückwärtsfahren
stellt; indessen ertheilt der natürlich von der Seite kommende Wind dem Schiff dann
immer eine obwohl langsame, doch empfindliche Seitenbewegung.
Die Schraube, mit Segeln combinirt, bietet dagegen die Möglichkeit, vor dem Wind oder
gegen den Wind vollkommen unbeweglich zu bleiben. In letzterem Falle setzt man die
Besansegel, also die hintersten, stellt das Schiff gerade gegen den Wind und läßt
die Schraube nur eben so stark gehen, daß das Schiff der Wirkung der Segel
widersteht. Da zugleich eine Strömung auf das Steuer geht, so kann man die Richtung
des Schiffes ändern, ohne daß es seinen Platz verläßt.
Das Manöver für den entgegengesetzten Fall ergibt sich hieraus leicht, wobei aber das
Segel etwas schief gesetzt werden muß, um die ablenkende Wirkung der rückwärts
gehenden Schraube zu neutralisiren.
Es ist aus dem Gesagten leicht zu erkennen, warum der „Great
Eastern“ so leicht zu manövriren ist, da er Schaufelräder und
Schraube zugleich besitzt. Das Aufhalten seiner Bewegung ist hier nach Willkür durch
die Räder hervorzubringen. Läßt man z.B. diese rückwärts und zugleich die Schraube
vorwärts gehen, so kann man leicht beide Wirkungen sich ausgleichen lassen. Zugleich
aber gibt die künstliche Strömung dem Steuer seine Wirksamkeit und das Schiff kann
auf dem Fleck umwenden.
Noch mehrere andere Manöver lassen sich in leichter Weise ausführen und dabei die
Eigenthümlichkeiten jedes Motors mit Erfolg benutzen.