Titel: | Ueber ein Mittel, um der Krystallisation bei der oberflächlichen Stählung des Eisens abzuhelfen; von Carré. |
Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. LXXXVII., S. 298 |
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LXXXVII.
Ueber ein Mittel, um der Krystallisation bei der
oberflächlichen Stählung des Eisens abzuhelfen; von Carré.
Aus den Comptes rendus, April 1861, t. LII p.
799.
Carré, über ein Mittel, um der Krystallisation bei der
oberflächlichen Stählung des Eisens abzuhelfen.
Man war schon längst der Ansicht, daß die oberflächliche Stählung des Schmiedeeisens
der Industrie große Dienste werde leisten können; mit geringen Kosten die Oberfläche
eines zähen Metalls, welches aber weich ist und sich durch die Reibung abnützt, in
einen harten und beziehungsweise nicht abnutzbaren Körper umzuwandeln, während der
Masse ihr früherer Nerv erhalten bleibt, ist eine so interessante Aufgabe, daß sie
zahlreiche Versuche zu ihrer Lösung veranlassen mußte. Leider haben die erhaltenen
Resultate die Erwartungen wenig gerechtfertigt; obgleich nicht immer, fielen sie
doch so oft schlecht aus, daß das Verfahren nicht mit Vertrauen angewandt werden
konnte; neben einem Eisenstück, welches vollkommen brauchbar war, erhielt man oft
ein gleiches, in derselben Operation cementirtes Stück, welches wie Glas zerbrach;
da alle Sicherheit fehlte, so gab man die Anwendung der Flächencementation für
diejenigen Maschinentheile, welche Zähigkeit mit Härte vereinigen müssen, ganz auf,
und verfertigt dieselben jetzt fast ausschließlich aus Stahl.
Solche Stücke, die unter einem Schlag zerbrachen, welchem sie bei normaler
Beschaffenheit widerstehen müßten, zeigen stets einen fast krystallinischen Bruch,
welcher im Ansehen sowohl mit dem ursprünglichen Eisen als mit dem gewöhnlichen
Stahl nichts gemein hat.
Beim ersten Grad der Veränderung des cementirten Eisens zeigt der Bruch eine
blätterige Krystallisation, mit großen Blättchen von lebhaftem Glanz, ähnlich altem
Stabeisen, welches lange Zeit häufigen Erschütterungen ausgesetzt war.
Beim zweiten Grad der Veränderung ist der Bruch hinsichtlich des Glanzes und der
Textur demjenigen des weißen Roheisens sehr ähnlich.
Beim dritten Grad ist das Ansehen des Bruches fast matt und die Structur zeigt die
Formen des Rogensteins; mittelst eines Meißels, oder sogar indem man bloß auf die
Ecken des Metalls schlägt, gelingt es leicht, von demselben kleine Bieren von 2 bis
3 Millimet. Durchmesser im Ganzen abzulösen.
Der in Stahl verwandelte Theil und das darunter liegende Eisen nehmen in gleicher
Weise an dieser Umänderung Theil: das Härten bekräftigt sie nur; ein zweites und drittes
Härten modificirt sie nicht merklich; vor wie nach dem Härten haben die so
veränderten Eisenwaren fast alle Hämmerbarkeit verloren und zerbrechen unter einem
schwachen Stoß.
Die Intensität der Temperatur und die Dauer der Operation beim Cementiren sind im
Allgemeinen die Elemente, welche diesen Zustand herbeiführen; die Dicke und die
Festigkeit der Stahlschicht liefern bei Anwendung von gleich wirksamen
Cementirpulvern fast immer den Maaßstab für den Grad dieser Veränderung.
So erhielt ich in vier bis fünf Stunden und mit einer hohen Temperatur, harte und
tiefe Cementationen mit der Veränderung im zweiten Grade; andererseits gaben mit um
zwanzig bis dreißig Stunden verlängerte Operationen bei Anwendung einer schwächeren
Temperatur genau dieselben Resultate; die chemische Zusammensetzung der
Cementirpulver ist bei dieser Erscheinung nur insofern von Einfluß, als sie die
Dauer der Operation abzukürzen oder ihre Temperatur zu vermindern gestattet.
Man nimmt allgemein an, daß die andauernde Wirkung einer hohen Temperatur
hauptsächlich, wo nicht ausschließlich, das Schmiedeeisen in den krystallinischen
Zustand überführt. Gay-Lussac hat durch bekannte Versuche nachgewiesen, daß das Schmiedeeisen,
wenn es einige Zeit auf der Rothglühhitze erhalten wird, von selbst aus dem
faserigen Zustande in den krystallinischen übergeht; die Wissenschaft liefert
übrigens zahlreiche Beispiele analoger Molecularveränderungen in Folge andauernder
Hitze.
Ich habe die Beobachtung gemacht, daß diese Veränderung, sie mag in schwachem oder
höherem Grade eingetreten seyn, den cementirten Eisenwaaren
durch bloßes Ausglühen vor ihrem Härten vollständig benommen werden kann.
Dieselben müssen nachdem Abkühlen und Herausnehmen aus dem Cementirofen so rasch als
möglich auf eine Temperatur erhitzt werden, welche der höchsten Temperatur wobei sie
cementirt wurden, gleich ist oder wenigstens sehr nahe kommt, und hernach dem
freiwilligen Abkühlen in der Luft überlassen werden.
Nachdem ich dieses Resultat zum erstenmal erhalten hatte, mußte ich nothwendig noch
eine große Anzahl von Versuchen anstellen, um mich zu überzeugen, daß der Erfolg ein
verläßlicher ist; auf ungefähr sechzig so behandelte Stäbe, welche ich in kleine
Stücke zerbrechen ließ, ergab sich nur eine einzige Ausnahme.
Ich will nun die von mit befolgte Experimentirmethode beschreiben, welche allen
Anforderungen entspricht und leicht von Jedermann wiederholt werden kann.
Nach dem Herausnehmen aus den Cementirkästen wurde jeder Stab vorerst in drei Stücke
zerbrochen; wenigstens 90 von 100 der Brüche zeigten den oben beschriebenen eigenthümlichen
krystallinischen Zustand, der Unterschied bestand nur in dem höheren oder geringeren
Grade desselben. Sämmtliche Stäbe zeigten beim Zerbrechen keine Spur von
vorhergehender Biegung; der Bruch war jedesmal scharf, trocken, ziemlich senkrecht
auf die Achse der Stäbe.
Das erste Drittel dieser Stücke wurde ohne andere Vorbereitung gehärtet und behielt
denselben Bruch, sowohl hinsichtlich des Stahls als hinsichtlich des Eisens.
Das zweite Drittel wurde ausgeglüht, dann dem Brechen unterzogen ohne gehärtet worden
zu seyn; es zeigte nun alle Charaktere eines zwischen dem Eisen und dem gewöhnlichen
Stahl die Mitte haltenden Körpers, dem Brechen ging eine auffallende Biegung vorher,
und der Bruch hatte unter der Stahlschicht dasselbe Ansehen wie das ursprüngliche
Eisen.
Das dritte Drittel wurde ausgeglüht und vor dem Brechen gehärtet; es befand sich
stets ein hämmerbares und zähes Eisen unter der Stahlschicht, deren Korn dasjenige
des gewöhnlichen Gerbstahls ist.
Einige Fabrikanten cementirter Eisenwaaren pflegen der Krystallisation dadurch
abzuhelfen, daß sie die Gegenstände neuerdings unter den Hammer bringen oder das
Walzwerk passiren lassen; dieß ist aber keineswegs erforderlich, denn der Erfolg,
welchen sie der mechanischen Wirkung zuschreiben, gründet sich auf das Ausglühen,
welches letzterer vorhergehen muß; dieses Verfahren mißlingt ihnen auch oft, weil
sie das Ausglühen nicht als wesentlich betrachten und daher nicht besorgt sind die
Gegenstände hinreichend stark zu erhitzen. Uebrigens kann man Gegenstände, welche
bereits die erforderliche Gestalt haben, nicht neuerdings schmieden, und
hauptsächlich für diese findet das Cementiren eine nützliche Anwendung.