Titel: | Ueber die Anwendung des Kieselerdehydrates und des Alaunerdehydrates zum Entkalken des geläuterten Rübensaftes, und die Möglichkeit der Fällung der Alkalien aus demselben; von E. F. Anthon in Prag. |
Autor: | Ernst Friedrich Anthon [GND] |
Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. CV., S. 374 |
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CV.
Ueber die Anwendung des Kieselerdehydrates und
des Alaunerdehydrates zum Entkalken des geläuterten Rübensaftes, und die Möglichkeit der
Fällung der Alkalien aus demselben; von E.
F. Anthon in Prag.
Anthon, über die Anwendung des Kieselerde- und
Alaunerdehydrates zum Entkalken des geläuterten Rübensaftes.
I. Das Kieselerdehydrat als
Entkalkungsmittel.
Während der Campagne 1857/58 wurden in der Richter'schen
Zuckerfabrik in Königsaal auf meinen Vorschlag einige Versuche durchgeführt über die
Entkalkung des Rübensaftes durch Kieselerdehydrat. Der Erfolg derselben war jedoch
kein entsprechender, aus welchem Grunde weitere Versuche unterblieben sind, obgleich
bei meinen eigenen Vorversuchen im Kleinen mich das erlangte Resultat befriedigte.
Später schlug Hr. Prof. Wagner das Kieselerdehydrat zu
gleichem Zwecke vor, und theilte dabei Versuche mit, welche meine eigenen
Beobachtungen bestätigten.
Die Eigenschaft der Kieselerde, den Aetzkalk aus seinen Lösungen auf dem Wege der
sogenannten einfachen Wahlverwandtschaft niederzuschlagen, ist jedoch keine neue
Beobachtung. Von dieser Neigung der Kieselerde sich mit der Kalkerde zu vereinigen,
machte schon Vicat eine praktische Anwendung, indem er
die hydraulische Kraft seiner Cemente dadurch zu messen suchte, daß er jene Menge
Kalkwasser ermittelte, welche von einer bestimmten Menge des zu prüfenden Cementes
entkalkt wurde. In umgekehrter Weise wies Döbereiner
schon 1814 die große Verwandtschaft nach, welche zwischen diesen beiden Erden
besteht, indem er durch Versuche darthat, daß der Kalk im Stande sey, die Kieselerde
sogar aus ihren alkalischen Lösungen schnell und vollständig niederzuschlagen. Ja
selbst noch ältere, bis ins vorige Jahrhundert zurückreichende Versuche von Stucke, Guyton und Gadolin
setzen diese Wirkung außer Zweifel, ganz abgesehen von noch manchen anderen hieher
gehörigen Beobachtungen.
Da nun dem Verlangen der Rübenzuckerfabrikanten nach einem völlig entsprechenden
Entkalkungsmittel immer noch nicht Genüge geleistet zu seyn scheint, so nahm ich
ungeachtet dessen, daß manche Eigenschaften des Kieselerdehydrates gerade nicht zu
Gunsten desselben als Entkalkungsmittel sprechen, dennoch aus dem Grunde eine neue
Reihe von Versuchen vor, weil eine weitere Eigenschaft dieses Hydrates, auf welche
ich weiter unten zurückkomme, höchst wahrscheinlich der Rübenzuckerindustrie
dienstbar gemacht werden kann.
Bei den ersten Versuchen, bei welchen ich solches Kieselerdehydrat anwandte, wie
dasselbe durch Niederschlagen von Natronwasserglas mittelst Salzsäure und
vollständiges Auswaschen erhalten wird, gelangte ich zu folgenden Resultaten.
Bei Anwendung von 100 Gewichtstheilen nassem Kieselerdehydrat (welche Menge 3 5
Gewichtstheile wasserfreie Kieselerde enthielt) auf 34 Gewichtstheile in Lösung
vorhandenen Kalkes, war nach viertelstündigem Kochen keine vollständige Entkalkung
eingetreten. Ein Theil der filtrirten Flüssigkeit wurde durch Kohlensäure
getrübt.
Bei Anwendung derselben Menge Kieselerde auf 20 Gewichtstheile Aetzkalk war die
Zersetzung ebenfalls noch keine vollständige, als aber endlich nur 16 Gewthle. Kalk
der Wirkung einer gleichen Menge Kieselerdehydrat ausgesetzt wurden, war die
Entkalkung eine vollständige.
Durch diese Versuche war also dargethan, daß frisch bereitetes Kieselerdehydrat
vollkommen dazu geeignet ist, den Kalk aus seinen Lösungen vollständig
niederzuschlagen, und scheint es mit kaum einem Zweifel zu unterliegen, daß sich
hierbei eine Verbindung von 1 Aequivalent (= 28) Kalkerde mit 1 Aeq. (= 31)
Kieselerde bildet, da auch Fuchs schon angegeben, daß
durch Kieselerdehydrat aus Kalkwasser ein Pulver niedergeschlagen werde, das die
Zusammensetzung des Tafelspathes habe.
Bei den Versuchen Wagner's bildete sich ein Silicat mit
38,8 Proc. Kalkgehalt, wobei aber noch freie Kieselerde vorhanden war, und somit
auch deren entkalkende Kraft noch nicht erschöpft war.
Bei einer nachfolgenden Versuchsreihe, bei welcher ich gelinde getrocknetes
Kieselerdehydrat in Anwendung brachte, stellte sich heraus, daß dieses sich viel
schwieriger mit der Kalkerde verbindet, und selbst die dreifache Menge (= 45
wasserfreie Kieselerde auf 16 Kalk) noch lange nicht zur vollständigen Entkalkung
ausreiche.
Ein gleiches Resultat ergab sich, als ich verschiedene andere Arten von Kieselerde in
Anwendung brachte, und zwar Kieselerde welche zurückbleibt, wenn porös gebrannter
Thon mit concentrirter Schwefelsäure, oder durch Glühen von Kalk mit Quarzmehl
dargestellter kieselsaurer Kalk mit Salzsäure zersetzt wird; ferner versuchte ich
Polirschiefer, Infusorienerde und sächsisches Bergmehl, Stoffe, welche sämmtlich
aufgeschlossene Kieselerde sind.
Durch keines dieser Mittel war ich jedoch im Stande, den Kalk vollständig aus seinen
Lösungen niederzuschlagen, auch wenn dieselben in großem Ueberschuß zugesetzt
wurden. Die entkalkende Wirkung konnte zwar beim Polirschiefer und der
Infusorienerde durch Zusatz einer ganz geringen Menge von Aetzkali sehr
gesteigert werden, doch kann bei dem vor Augen gehabten Zweck von einem solchen
Zusatze keine Rede seyn.
Was nun die praktische Anwendung der mitgetheilten Erfahrungen für die
Rübenzuckerfabrication selbst anbelangt, so läßt sich ohne weitere sorgfältige
Versuche im Großen noch kein begründetes Urtheil abgeben. So viel aber kann
angenommen werden, daß die Kosten welche ein solches Verfahren verursacht, nicht zu
bedeutend seyn werden, da es wohl nicht zu bezweifeln ist, daß eine und dieselbe
Menge Kieselerde, ohne erheblichen Verlust, einer fortdauernden Anwendung fähig ist,
da man den von ihr absorbirten Kalk, nach dem Vorschlage Wagner's, immer wieder durch Salzsäure beseitigen kann.
II. Das Alaunerdehydrat als
Entkalkungsmittel.
Eben so wie das Kieselerdehydrat hat auch das Alaunerdehydrat (dessen Anwendung schon
so oft in anderer Richtung bei der Zuckerfabrication empfohlen worden ist) die
Eigenschaft den Aetzkalk aus seinen Lösungen niederzuschlagen, aber es scheint
dieselbe bisher den Rübenzuckerfabrikanten entgangen zu seyn, ungeachtet dessen, daß
man schon seit Scheele's Zeiten weiß, daß die Alaunerde
aus dem Kalkwasser allen Kalk niederzuschlagen im Stande ist, indem sie mit
demselben zu einer in Wasser unauflöslichen Verbindung zusammentritt.
Bei den mit dem Alaunerdehydrat vorgenommenen Versuchen erzielte ich bei Anwendung
von 1 Aequivalent Alaunerde auf 1 Aeq. Kalk eine Fällung von 85 bis 90 Proc. des im
Zuckerkalk gelösten Kalkes, folglich eine viel bedeutendere als wie sie die
Knochenkohle bewirkt.
Aber nicht bloß in dieser Eigenschaft kommt das Alaunerdehydrat mit dem Hydrat der
Kieselerde überein, sondern auch in jener, daß nach schon älteren Erfahrungen
dieselbe unauflösliche Verbindung von Kalk und Alaunerde entsteht, wenn man eine
klare Lösung von Kali- oder Natronthonerde mit Kalkwasser oder Kalkmilch
zusammenbringt, und zwar in der Art, daß dem Alkali alle Alaunerde entzogen
wird.
Endlich kann auch der mit Kalkerde in Verbindung getretenen Alaunerde durch eine
passende Menge von Salzsäure der Kalk wieder entzogen und das Alaunerdehydrat in
Freiheit gesetzt werden, wodurch auch hier die Möglichkeit geboten ist, eine und
dieselbe Menge Alaunerde immer wieder benutzen zu können.
III. Ueber die Möglichkeit der Fällung
der Alkalien aus dem Rübensafte.
Obgleich die in vorstehenden Mittheilungen besprochene Eigenschaft der Hydrate der
Kieselerde und der Alaunerde an und für sich schon erheblich genug erscheint, um weiter
verfolgt zu werden, so muß dieses in einem noch weit höheren Grad der Fall seyn,
wenn man berücksichtigt, daß beide Erden unter gewissen Umständen die weitere
merkwürdige und für die Rübenzuckerfabrication noch viel beachtenswerthere
Eigenschaft besitzen, mit den Alkalien (Kali und Natron) in Wasser unauflösliche
Verbindungen einzugehen.
Die zahlreiche Gruppe der feldspathartigen Mineralien liefert uns hiefür schon
genügende Beispiele. Der gewöhnliche Feldspath enthält z.B. bis gegen 14 und der
Nephelin gar bis zu 22 Proc. wasserfreie Alkalien, von denen nichts durch Wasser
ausgezogen werden kann. Aber nicht bloß das Mineralreich bietet uns solche Beispiele
dar, sondern es können ähnliche Verbindungen auch auf chemischem und zwar auf nassem
Wege hergestellt werden. So z.B. hat schon Dalton darauf
hingewiesen, daß der Niederschlag, welchen Kalkwasser in Kieselfeuchtigkeit erzeugt,
außer Kieselerde und Kalk auch Kali enthält. So erhielt ferner Bley durch Fällen einer kochenden Alaunauflösung mittelst einer
unzureichenden Menge Kali oder Natron einen Niederschlag, welcher nach dem
Auswaschen über 20 Proc. Kali oder über 12 Proc. Natron enthielt, und Wittstein durch heiße Fällung einer Alaunauflösung durch
kohlensaures Kali einen Niederschlag, der 1/6 seines Gewichtes an kohlensaurem Kali
enthielt. So wies ferner Liebig die Absorptionsfähigkeit
des Alaunerdehydrates gegen Kali nach, welche nach ihm so bedeutend ist, daß
dasselbe die Alkalien ihren wässerigen Lösungen zu entziehen vermag.
Die in Bezug auf den fraglichen Gegenstand wichtigste Beobachtung ist aber jene, nach
welcher das Alaunerdehydrat die Eigenschaft besitzt, den
Lösungen des kieselsauren Kalis dieses gänzlich und zwar in bedeutender Menge
und so vollständig zu entziehen, daß diese ihre alkalische Reaction völlig
verlieren – eine Thatsache, welche auch die Annahme zuläßt, daß ein
Gleiches nicht nur mit dem kieselsauren Natron der Fall seyn, sondern daß auch das
Kieselerdehydrat die Eigenschaft haben werde, das Alaunerde-Kali und
Alaunerde-Natron in der Art zu zersetzen, daß dabei in Wasser unauflösliche
Tripelverbindungen entstehen.
Ist dieses aber der Fall, so wird man behufs der Entfernung der Alkalien aus dem
Rübensaft nichts weiter nöthig haben, als die durch den Kalk in Freiheit gesetzten
Alkalien mit Alaunerdehydrat oder mit Kieselerdehydrat zu sättigen und dann soviel
Kieselerdehydrat im ersten Fall und Alaunerdehydrat im zweiten Fall zuzusetzen, als
nothwendig ist um das vorhandene Alaunerde-Alkali oder
Kieselerde-Alkali zu binden und damit als Tripelverbindung
niederzuschlagen.