Titel: | Ueber die gefärbten Abkömmlinge des Binitronaphtalins; von Z. Roussin. |
Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. CXXXI., S. 448 |
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CXXXI.
Ueber die gefärbten Abkömmlinge des
Binitronaphtalins; von Z.
Roussin.
Aus den Comptes rendus, Mai 1861, t. LII p.
967.
Roussin, über die gefärbten Abkömmlinge des
Binitronaphtalins.
Was man bisher über die Wirkung der reducirenden Agentien aus das Binitronaphtalin
wußte, beschränkt sich in der Hauptsache darauf, daß eine weingeistige Lösung von
Binitronaphtalin durch den Einfluß von Ammoniak und Schwefelwasserstoff nach und
nach reducirt wird. In diesem Falle bildet sich eine farblose organische Base. Die
Anwendung des Alkohols ist zur Reaction unerläßlich, weil das Schwefelammonium auf
eine wässerige Lösung des Nitrürs nicht wirkt.
Wenn man die weingeistige Lösung des Schwefelammoniums durch die Sulfuride der
Alkalien oder alkalischen Erden in wässeriger Lösung ersetzt, so erhält man mit dem
Binitronaphtalin Producte, welche prachtvoll violett, roth oder blau gefärbt sind.
Die Reaction ist in der Kälte in einigen Stunden, im Wasserbad aber in einigen
Minuten beendigt.
Die Zinnoxydulsalze, in den caustischen Alkalien aufgelöst, reagiren auf das
Binitronaphtalin ebenso leicht wie die Sulfuride. In der Kälte erfordert die
Reaction einige Stunden. Im Wasserbad ist die Operation beendigt, sobald das Gemisch
die Temperatur von 80° C. erreicht. Die Flüssigkeit wird auf ein Filter
gebracht und der Niederschlag ausgewaschen, bis ihm alle lösliche Substanz entzogen
ist. Es bleibt dann ein violettblaues Pulver zurück, welches sich leicht in Alkohol,
Holzgeist, Schwefelkohlenstoff etc. löst. Die prachtvoll violette Lösung färbt die
Faserstoffe vollkommen. Diese Farbe widersteht dem Wasser, den alkalischen Lösungen
und sogar den starken Säuren. Am Licht scheint sie sich nicht zu verändern.
Eine concentrirte und kochende Lösung von Cyankalium reagirt kräftig auf das
Binitronaphtalin. Die Flüssigkeit wird bräunlichroth. Nach der Reaction zertheilt
man die Masse in Wasser, um ihr alle überschüssige alkalische Flüssigkeit zu
entziehen und wascht das Pulver, bis das Waschwasser geschmacklos wird. Dieses
Pulver löst sich in kochendem Wasser und in Alkohol, welche es dunkelblau färbt. Man
kann diese Lösungen zum Färben benutzen. Die so gefärbten Faserstoffe zeigen bei
künstlichem Licht einen gewissen Glanz.
Verschiedene andere reducirende Gemische reagiren ebenfalls auf das Binitronaphtalin
und erzeugen rothe, oder violette, oder blaue Farbstoffe.
Die bisher zur Darstellung des Binitronaphtalins angewendeten Verfahrungsarten
liefern nur eine geringe Ausbeute, oder complicirte Gemische, welche eine
umständliche Reinigung erheischen. Es mußte also eine einfache und schnell
ausführbare Methode zur Bereitung dieser Substanz ausfindig gemacht werden, was mit
auch gelungen ist. Ich stelle 3 bis 4 Theile Salpetersäurehydrat, welches nach dem
gewöhnlichen Verfahren bereitet ist, unter einen gut ziehenden Kamin und bringe
unter beständigem Umrühren nach und nach 1 Th. Naphtalin hinein. Jeder Zusatz von
Naphtalin verursacht ein Geräusch wie beim Eintauchen eines glühenden Eisens in
Wasser. Am Ende der Operation, besonders wenn die Flüssigkeit sich zu sehr erhitzt,
entstehen röthliche Dämpfe, welche aber leicht zu vermeiden sind. Beim Erkalten
gesteht die ganze Flüssigkeit zu einer krystallinischen Masse. Diese Masse zertheilt
man, läßt sie abtropfen, wascht sie, bis alle Säure ausgezogen ist, und trocknet sie
dann in einem geheizten Raume. Das so erhaltene Binitronaphtalin ist fast
vollständig rein. Statt des Salpetersäurehydrats kann man auch ein Gemisch von
gewöhnlicher Salpetersäure und concentrirter Schwefelsäure anwenden.
Aus meiner früheren MittheilungS. 221 in diesem Bande des polytechn.
Journals. ist bekannt, daß man die Faserstoffe roth färben kann, indem man sie in eine
warme Auflösung von salpetersaurem Naphtylamin und nach dem Auswinden dann in eine
Auflösung von salpetrigsaurem Kali taucht. Ich habe daselbst angeführt, daß die so
erzeugte rothe Farbe durch die starken Säuren in Violett umgeändert wird. Falls man
flüchtige Säuren angewandt hat, reicht das Waschen der Faserstoffe in Wasser oder
das bloße Austrocknen derselben hin, um die anfängliche rothe Farbe wieder
herzustellen. Man kann die violette Farbe auf den Geweben dauerhafter befestigen,
wenn man nicht flüchtige organische Säuren anwendet, welche kräftig genug sind, um
die rothe Farbe in Violett zu verwandeln und die Gewebe selbst nicht
benachtheiligen; solche sind Weinsteinsäure, Citronensäure, Oxalsäure etc.
Schließlich bemerke ich bezüglich meiner früheren Mittheilung, daß ich die zu Gunsten
des Hrn. Perkin, dessen Arbeit ich nicht kannte, von E.
Kopp in den Comptes rendus
t. LII p. 860 beanspruchte Priorität als
vollkommen begründet anerkenne.Derselbe bemerkte, daß die auffallendste von Roussin angegebene Reaction, nämlich die Erzeugung eines schönen
rothen Farbstoffs durch Einwirkung von salpetrigsaurem Kali auf ein Salz des
Naphtylamins, schon seit fünf Jahren bekannt ist. Der rothe Körper, welcher
hierbei entsteht, ist das Nitrosonaphtylin C²⁰ H⁸
N² O², dessen Bildung und Eigenschaften von W. Perkin und A. Church
gründlich untersucht wurden (The Quart. Journal of
Chem. Soc, April 1856; Jahresbericht von Liebig und Kopp für 1856, S. 607).