Titel: | Bemerkungen über den Ultramarin; von J. G. Gentele. |
Autor: | Johan G. Gentele [GND] |
Fundstelle: | Band 160, Jahrgang 1861, Nr. CXXXIV., S. 454 |
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CXXXIV.
Bemerkungen über den Ultramarin; von J. G. Gentele.
Gentele, über den Ultramarin.
Ich habe in meinen früheren Abhandlungen über die Constitution des grünen und des
blauen Ultramarins (in Bd. CXL S. 223 und Bd. CXLI S. 116 dieses Journals) der
Wirkung einer kochenden Salmiaklösung auf den grünen Ultramarin erwähnt, welche
darin besteht, daß derselbe nach mehreren Tagen fortgesetzten Kochens mit
Salmiaklösung eine blaßblaue Farbe annimmt, obwohl der Schwefelgehalt sich nicht
mehr vermindert zeigt, als die Differenz zweier Analysen beträgt, und obwohl dabei
ein schwacher Geruch nach Schwefelammonium sich kund gibt. Hiebei werden
hauptsächlich Eisenoxyd und Manganoxyd mit sehr wenig Thonerde und Natrium
ausgezogen. Ich habe seitdem durch Vergleichung der Producte gefunden, daß ein so behandelter grüner Ultramarin nach dem Bläuen eine
weit reinere, weniger in Grün stechende Farbe besitzt, als derjenige, welcher
dieser Behandlung vorher nicht unterzogen wurde.
Ich habe früher behauptet, daß die grüne Farbe des Ultramarins von vorhandenem
Einfach-Schwefelnatrium abzuleiten ist. Dieser Satz wird sich dahin
modificiren lassen, daß sie von den Verbindungen desselben mit Einfach-Schwefeleisen
und Schwefelmangan, hauptsächlich mit letzterm, herzuleiten ist, welche durch Kochen
mit Salmiaklösung zersetzt werden. Es bleibt dabei eine blaßblaue Verbindung zurück,
welche ihre Farbe offenbar einer geringen Menge vorhandenen blauen Ultramarins
verdankt. Ich habe auch angeführt, daß dieser von den letzten Spuren von Salmiak
nicht zu befreiende Rückstand durch bloßes Glühen für sich einen ebenso dunkeln
Ultramarin liefert, als der nicht mit Salmiak behandelte Ultramarin. In ihm ist also
neben dem blauen Ultramarin eine ungefärbte, mittelst Salmiaklösung nicht
zersetzbare Verbindung enthalten, die ohne Zweifel der von Dr. Ritter
Ueber den Ultramarin, von Dr. H. Ritter, Göttingen 1860. entdeckte weiße Ultramarin ist, welcher in blauen Ultramarin übergehen
kann.Zur Darstellung des Ultramarins wird ein inniges Gemenge von Thon
(Porzellanthon) mit Glaubersalz und Kohle in einen hessischen Tiegel
eingedrückt und längere Zeit einer ziemlich starken Rothgluth ausgesetzt.
„Man findet bis jetzt allgemein angegeben, bemerkt Dr. Ritter, daß
man auf diese Weise eine grüne Masse erhalte, die nach dem Auswaschen
ein grünes Pulver – den sogenannten grünen Ultramarin –
hinterlasse. Diese grüne Färbung entsteht jedoch nur durch die
Einwirkung des Sauerstoffs auf die Schmelze. Wenn man dagegen die
letztere vollständig vor Luftzutritt bewahrt, und namentlich wenn man
dabei einen Ueberschuß von Kohle angewendet hat, so ist sie nicht grün,
sondern gelb oder braun gefärbt, und das Pulver, welches man in diesem
Falle erhält, ist, wenn das Auswaschen mit der genügenden Sorgfalt
geschah, wobei fast der ganze Eisengehalt des Thons als hydratisches
Schwefeleisen in Verbindung mit Schwefelnatrium sich löst, fast vollständig weiß, namentlich im
trockenen und fein zerriebenen Zustande; beim Befeuchten mit Wasser hat
es eine schwach graugelbliche Färbung, die wahrscheinlich von einem
geringen Rückhalte an Schwefeleisen herrührt.“ A. d. Red.
Um zu ermitteln, ob diese weiße Verbindung in dem blaßblauen Rückstand, welchen man
durch Behandlung des grünen Ultramarins mit Salmiaklösung erhält, durch bloßes
Glühen in blauen Ultramarin übergehen kann, wurden einige Versuche angestellt,
welche zeigten, daß dieß nicht der Fall ist, sondern daß das Blauwerden dieses
blaßblauen Rückstandes darauf beruht, daß ihm einige Procente Salmiak hartnäckig
anhängen.
Glüht man nämlich ein Gemisch von grünem Ultramarin mit Salmiak, so entwickelt sich
eine Spur Ammoniak und derselbe nimmt ebendieselbe Farbe an, wie durch andere
Bläuungsmethoden. Beim Glühen sublimirt etwas Eisenchlorid, und aus dem Rückstand
kann man Chlornatrium, Eisenchlorid und Manganchlorür mit Spuren von Thonerde
auslaugen. Hieraus kann man mit Sicherheit schließen, daß trocknes salzsaures Gas
dieselben Dienste wie der Salmiak leisten werde.
Der Salmiak (und wahrscheinlich auch trocknes salzsaures
Gas) gewährt unter allen Bläuungsmitteln den wichtigen
Vortheil,
daß er, selbst im größten Uebermaaß angewendet, den gebildeten
blauen Ultramarin nicht weiter beeinflußt. Man kann vom blauen und grünen
Ultramarin jede beliebige Menge Salmiak bei Luftabschluß wegsublimiren, ohne daß
eine weitere Veränderung an denselben wahrzunehmen ist, als die vollständige
Bläuung.
Dessenungeachtet gelingt es nicht, die darin enthaltene Schwefelverbindung so weit zu
reduciren, daß man annehmen könnte, der Schwefel befinde sich in derselben als
bloßer freier Schwefel, denn mehreremale mit Salmiak im Ueberschuß geglühter
Ultramarin entwickelt mit Säuren immer noch Schwefelwasserstoff.
Ritter's Resultate über die Zusammensetzung des blauen
Ultramarins, in welchem er entweder schwefligsaures oder unterschwefligsaures Natron
gefunden hat, veranlaßten mich in dieser Hinsicht abermals Versuche anzustellen. Es
scheint mit ungereimt zu seyn, unterschwefligsaure Salze
in einer geglühten, und zwar bei Luftzutritt geglühten
Verbindung anzunehmen, obgleich dieß in neuerer Zeit häufig, sogar für die
eben geschmolzene rohe Soda geschehen ist, während sich unterschwefligsaures Natron
höchstens beim Auflösen derselben bilden kann. Ritter
erhielt beim Behandeln des blauen Ultramarins mit Chlorblei und Salzsäure nur
Spuren, aber beim Behandeln sowohl mit arseniger Säure, als mit Antimonoxyd und
Salzsäure ziemliche Mengen schwefliger Säure, welche er
der Zersetzung von unterschwefligsaurem Natron im Ultramarin zuschreibt. Wenn man
aber im Ultramarin die Gegenwart eines Mehrfach-Schwefelnatriums, nämlich NaS⁵, annimmt, wofür die Ergebnisse der meisten
Analysen passen, so bleibt es fraglich, ob die bei seiner Zersetzung mittelst
arseniger Säure gefundene schweflige Säure Educt oder
Product ist. Die bezüglichen Gleichungen sind:
1) NaS⁵ + 2AsO³ = NaO, AsO³ + AsS⁵ + O², oder
2) NaS⁵ + 2AsO³ = NaO, AsO⁵ + AsS⁵;
nach neueren Versuchen (von Ludwig
und H. Rose) existirt aber ein
Fünffach-Schwefelarsen nicht, man hat daher:
1) NaS⁵ + 2AsO³ = NaO, AsO³ + AsS³ + 2SO, oder
2) NaS⁵ + 2AsO³ = NaO, AsO⁵ + AsS³ + 2S.
Nimmt man im blauen Ultramarin statt Fünffach-Schwefelnatrium das Sulfuret
NaS³ an, so hat man:
NaS³ + 2AsO³ = NaO, AsO³ + AsS³ + 2O oder
NaS³ + 2AsO³ = NaO, AsO⁵ + AsS³.
Im ersten Falle, bei der Annahme von Fünffach-Schwefelnatrium im blauen
Ultramarin, ist es nicht glaublich, daß die Zersetzung, statt nach Gleichung 1, welche NaO,
AsO³ + AsS³ + 2SO liefert, nach der Gleichung 2 eintritt, denn sonst
müßte arsenige Säure die unterschwefligsauren Salze unter Bildung von Arsensäure
reduciren. Dagegen zersetzt sich bekanntlich die schweflige Säure mit Arsensäure in
Schwefelsäure und arsenige Säure, und ähnlich wirkt auch die unterschweflige Säure,
daher der nach Gleichung 1 verfügbare Sauerstoff zur
Oxydation von Schwefel verwendet werden muß.Nach Vohl fällt unterschwefligsaures Natron aus
einer Auflösung von arseniger Säure in Salzsäure allen Arsenik als
Dreifach-Schwefelarsen und die Flüssigkeit enthält Schwefelsäure.
Behandelt man dagegen Arsensäure bei Gegenwart überschüssiger Salzsäure in
der Wärme mit unterschwefligsaurem Natron, so wird zuerst die Arsensäure in
arsenige Säure verwandelt und dann schlägt sich der Arsenik als
Dreifach-Schwefelarsen, mit beigemengtem Schwefel, nieder. (Annalen
der Chemie und Pharmacie, Bd. XCVI S. 237.) – Nach Wöhler setzt die wässerige Arsensäure, mit
schwefliger Säure gemischt, bald große Oktaeder von arseniger Säure ab. Nach
Himly fällt unterschwefligsaures Natron aus
der wässerigen Arsensäure Fünffach-Schwefelarsen, d.h. AsS³ +
2S, und bildet schwefelsaures Natron. (Gmelin's
Handbuch der Chemie, vierte Auflage, Bd. II S. 686.)
Auch wird Ritter's Annahme durch das Verhalten des
Ultramarins beim Glühen mit Salmiak nicht im geringsten unterstützt. Allerdings
sollte man glauben, daß der blaue Ultramarin, wenn er nur ein höheres Sulfuret
enthält, durch Glühen des grünen Ultramarins mit Schwefel erhalten werden könne; bei
der Annahme einer unterschwefligsauren Verbindung in dem blauen Ultramarin bleibt es
aber eben so auffallend, daß diese das Glühen mit Schwefel verträgt, denn man kann
vom blauen Ultramarin allen beigemischten Schwefel ohne Veränderung der Farbe
abdestilliren.
Bei dieser Gelegenheit bemerke ich noch einmal, daß beim Glühen von Ultramarin in
Wasserstoffgas keineswegs Schwefelwasserstoff gebildet wird, wie Ritter in seiner Abhandlung wieder anführt. Hierbei
entweicht nur in Wasserstoffgas verdampfter Schwefel. Kohlensaures Gas wirkt wie das
Wasserstoffgas, es befördert ebenfalls die Verdampfung des Schwefels.