Titel: | M. Winkler's Sicherheitsschlösser. |
Fundstelle: | Band 161, Jahrgang 1861, Nr. XLVIII., S. 171 |
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XLVIII.
M. Winkler's
Sicherheitsschlösser.
Patentirt in Deutschland, England und
Frankreich.
Winkler's Sicherheitsschlösser.
Die Sicherheit des Eigenthums und werthvoller Gegenstände gegen Diebstahl ist eine so
wichtige und schwierige Aufgabe, daß sie fortwährend das Nachdenken und den
Erfindungsgeist der Sachverständigen beschäftigt,. und vielfach Veranlassung zur
Erfindung von neuen Schloßconstructionen gibt, die mehr oder weniger ihrem Zwecke
entsprechen. Leider findet dieser Gegenstand beim großen Publicum noch immer wenig
Theilnahme, und man findet sehr oft den elegantesten Schreibtisch oder kostbaren
Schrank mit einem so erbärmlichen Schlosse versehen, daß jeder Laie es mit einem
krumm gebogenen Nagel öffnen kann. Die Ursache hiervon liegt jedoch keineswegs in
dem Nichtvorhandenseyn guter und zweckmäßiger Schloßconstructionen, sondern
größtentheils in der Sorglosigkeit des Publicums, theilweise aber auch in dem hohen
Preise verläßlicher Sicherheitsschlösser.
Die am häufigsten vorkommenden Sicherheitsschlösser sind noch immer die nach dem
Principe von Brahma und Chubb,
und die unendlich mannichfaltigen Erfindungen und Verbesserungen von Schlössern sind größtentheils
nur Modificationen und Vervollkommnungen der genannten Principien. In neuester Zeit
ist es jedoch einem Wiener Fabrikanten Hrn. M. Winkler
gelungen ein ganz neues Schloßprincip aufzustellen, welches in jeder Beziehung die
allgemeine Aufmerksamkeit verdient. Bei den Winkler'schen
Schlössern, welche zu den Combinations-Schlössern gehören, sind, ähnlich wie
bei dem Brahma-Schlosse, zwei in einander
steckende hohle Cylinder vorhanden, von denen der innere die Führung des Riegels
bewerkstelligt. In dem innern Cylinder befinden sich mehrere (3, 5, bis 7)
horizontal über einander liegende eiserne runde Scheiben, welche an ihrer Peripherie
mit zwei gegenüberliegenden kleinen Ansätzen versehen sind, die über die Peripherie
des inneren Cylinders, welcher an zwei entgegengesetzten Seiten der Länge nach
aufgeschlitzt ist, hinausreichen, und in dem äußeren Cylinder in zwei Längennuthen
auf und abgeschoben werden können; auf diese Art kann der innere Cylinder nicht
gedreht werden, weil die Vorsprünge der Scheiben, welche sich in den Längennuthen
des äußeren Cylinders befinden, die Drehung verhindern. Nun befinden sich aber in
der inneren Höhlung des äußeren Cylinders außer den beiden Längennuthen noch mehrere
rund herum laufende Quernuthen in verschiedenen Entfernungen. Wird nun eine von den
Scheiben, welche durch eine Spiralfeder fortwährend nach aufwärts gedrückt werden,
durch eine passende Vorrichtung so weit nach abwärts gedrückt, bis die beiden
Ansätze der Scheibe mit einer Quernuthe des äußeren Cylinders correspondiren, so ist
die Drehung des inneren Cylinders und dadurch die Schiebung des Riegels möglich,
weil die Ansätze der Scheibe, vorausgesetzt daß nur eine vorhanden wäre, in der
Quernuthe des äußeren Cylinders frei herumgedreht werden können, ohne einen
Widerstand zu finden.
Dasselbe, was nun mit der ersten Scheibe geschieht, muß auch mit der zweiten und
dritten etc. geschehen, sie müssen nämlich alle so tief nach abwärts gedrückt
werden, bis sie mit der ihnen entsprechenden Quernuthe an der inneren Peripherie des
äußeren Cylinders correspondiren, in welchem Falle die Drehung des inneren Cylinders
erfolgen kann. Diese Aufgabe hat nun der Schlüssel, welcher die Gestalt eines
kleinen mit mehreren Abstufungen, je nach der Anzahl der Scheiben, versehenen
Cylinders hat, und mit diesen Abstufungen in entsprechende Oeffnungen der Scheiben
hineinpaßt, um sie erfassen und nach abwärts drücken zu können; ein am Schlüssel
befindlicher kleiner Bart bewirkt zugleich die Drehung des inneren Cylinders.
Ist bei einem Schlüssel eine Abstufung auch nur um ein Haar länger oder kürzer, so
wird er das Schloß nicht mehr öffnen, weil die entsprechende Scheibe entweder zu tief oder
nicht bis zur gehörigen Tiefe hinabgedrückt wird. Man kann daher eine Unzahl von
Schlössern verfertigen, deren Schlüssel sich alle ähnlich sehen, wovon aber keiner
ein anderes Schloß sperrt. Außerdem ist durch diese Einrichtung die Möglichkeit
geboten, die Schlüssel in sehr kleinen Dimensionen anzufertigen, so daß ein
Schlüssel für ein großes Hausthorschloß sehr bequem als Joujou an der Uhrkette
getragen wird, was gewiß ein schätzbarer Vortheil ist.
Das unbefugte Oeffnen, welches bei dieser sinnreichen Einrichtung ohnedem sehr
erschwert wird durch den Umstand, daß sich bei Versuchen die Scheiben sehr leicht
schiefstellen, und jedesmal in eine oder mehrere falsche Ruthen gerathen, ehe sie
die ihnen zukömmliche erreicht haben, ist noch durch angebrachte irreleitende
Einschnitte beinahe zur Unmöglichkeit gemacht. Diese Schlösser lassen sich mit
Leichtigkeit in allen erdenklichen Formen und Größen, vom kleinen Schatullen-
und Vorhängschlosse, bis zum größten Hausthor- und Cassenschlosse anfertigen,
und da sie nicht nur alle Anforderungen, die man an ein sicheres Schloß stellt,
vollkommen vereinigen, sondern auch vermöge der Einfachheit ihrer Construction eine
fabrikmäßige Erzeugung zu sehr billigen Preisen zulassen, so verdanken wir dem Hrn.
Winkler eine sehr schätzbare Erfindung, über deren
Werth Hr. Director C. Karmarsch in Hannover in einem uns
vorliegenden Zeugnisse sich auf die schmeichelhafteste Weise ausdrückt. Auch
erfreuten sich diese Schlösser ungetheilten Beifalls der Engländer und Franzosen, so
zwar, daß der Fabrikant Hr. Greenway in Birmingham sich
die Patentrechte des Hrn. Winkler erworben hat, um diese
Erfindung in einem großartigen Maaßstabe in England auszuüben. Es ist gewiß ein sehr
erfreuliches Ereigniß, daß sich wieder einmal eine deutsche Erfindung Bahn gebrochen
hat, und dieselbe wird sich gewiß wegen ihrer Zweckmäßigkeit und allgemeinen
Anwendbarkeit in kürzester Zeit des größten Beifalls zu erfreuen haben.
H. Kessels, Professor der Technologie am polytechnischen Institute in
Prag.