Titel: | Lemercier's Schuhmaschine für Handarbeit. |
Fundstelle: | Band 161, Jahrgang 1861, Nr. LII., S. 180 |
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LII.
Lemercier's
Schuhmaschine für Handarbeit.
Aus der sächsischen Industrie-Zeitung,
1861, Nr. 27.
Mit einer Abbildung auf Tab. III.
Lemercier's Schuhmaschine für Handarbeit.
Die Methode, bei Anfertigung des Schuhwerkes für Männer und Frauen, die Verbindung
des Oberleders mit der Brandsohle und der äußeren Sohle nicht mittelst der Naht oder
durch Holzstifte, sondern durch Schrauben und zwar
mittelst Maschinen zu bewerkstelligen, ist schon alt, in
Paris bereits seit 1847 in Anwendung und soll
gegenwärtig daselbst in einer großartigen Ausdehnung von einer
Actien-Schuhfabrik, welche 200 Personen beschäftigt und einen Umsatz von
einer Million Frcs. macht, ausgebeutet werden. Die angezogene Fabrik arbeitet mit
durch Dampf getriebenen Maschinen, während in neuerer
Zeit von dem Lederhändler Lemercier eine vom
Militär-Schuhmacher Sellier zu Paris erfundene Schuhmaschine für
Handarbeit bedeutend verbessert worden ist. Da die Leistungen dieser Lemercier'schen Maschinen nach einer Mittheilung des Dr. v. Schwarz in Paris im
österreichischen Gewerbeblatte hinsichtlich ihrer Leistungen nichts mehr zu wünschen
übrig lassen sollen, so verfehlen wir nicht, auf diese Maschine aufmerksam zu machen
und erläutern die nachstehende Beschreibung durch die, jener Mittheilung beigegebene
Abbildung.
Bei der ältern mit Dampf getriebenen Maschine wird die auf einer gewöhnlichen
Schraubenschneid-Maschine besonders verfertigte Schraube in die Schuhmaschine
und mittelst dieser in die Sohle eingeführt, nachdem die Maschine vorher noch
mittelst einer rotirend auf- und niedersteigenden Ahle in das Leder ein Loch
vorgestochen hat. Bei der Lemercier'schen Maschine fällt
diese letztere Arbeit weg, auch schneidet diese Maschine unmittelbar aus einem
Messingdrahte ohne Ende die Schraube selbst. Sie bedarf zu ihrer Handhabung
keinerlei bewegender Kraft, und ein nur einigermaßen geübter Arbeiter kann in 10
Arbeitsstunden 30 bis 35 Paar Schuhsohlen aufschrauben. Fig. 22 gibt eine Ansicht
der Lemercier'schen Maschine
in ihrer gegenwärtigen Construction. Auf einem gewöhnlichen, aus hartem Holze
gefertigten Arbeitstische A befindet sich der Tragbaum
a der Maschine aufgeschraubt, in dessen Achse eine
mittelst einer Schraubenspindel b höher oder niedriger
zu stellende Hebelstange d befestigt ist. An dem einen
Ende dieses Hebels befindet sich eine Schraubenkluppe e,
an dem andern ein
Gegengewicht f. Der Messingdraht g läuft in einer Führung h, h, wird von einer
Zange i erfaßt, mittelst der Kurbel J in rotirende Bewegung gebracht, und in die Backen der
Schraubenkluppe eingeführt. Der Gang der Arbeit durch die Maschine ist nun
folgender: Der Arbeiter befestigt zunächst den Leisten, auf welchem der Schuh,
dessen Sohle angeschraubt werden soll, aufgezogen ist, auf den verstellbaren Träger
B, drückt sodann mit dem Fuße den Hebel C, C, wodurch sich die Hebelstange d hebt und der die Schraubenkluppe e enthaltende Schnabel auf die aufzuschraubende Sohle
fest aufgedrückt wird. Der Arbeiter dreht nunmehr mit der rechten Hand die Kurbel
J, führt dadurch den Messingdraht g, g durch die Schraubenkluppe, wo die Schraube
geschnitten wird, und durch weitere Drehung in die äußere und innere Sohle, zwischen
welcher das Oberleder eingebogen ist. Der Holzleisten ist an seiner Basis mit einer
Eisenschiene beschlagen, so daß die Schraube nicht in den Leisten einzudringen
vermag, sondern sich gleichsam vernietet. Ist die Schraube dergestalt eingeführt, so
schneidet der Arbeiter dieselbe ab, indem er mittelst der linken Hand eine
Schienenschere k in Bewegung setzt. Diese Operationen
werden so oft wiederholt, bis die Sohle vollständig aufgeschraubt ist. Die
Messingspäne, welche sich beim Schneiden der Schraube in der Schraubenkluppe bilden,
fallen in die als Reservoir dienende hohle Kugel l. Die
Stärke des Messingdrahtes sowohl, als die Tiefe des Gewindes, welche durch Stellen
der Backen der Schraubenkluppen verändert wird, richtet sich nach der Größe und
Beschaffenheit des Schuhwerkes (ob schweres oder leichtes). Das Gegengewicht f am Hebel d dient
gleichzeitig dazu, einen größeren Druck auf die aufzuschraubende Sohle auszuüben,
welcher so stark ist und die Sohle so fest an das Oberleder anlegt, daß jedes
Eindringen von Nässe in den Schuh unmöglich wird. Die Schräubchen stehen übrigens in
so vielfacher Berührung mit dem Leder, daß sie unmöglich herausfallen können.
Hr. Lemercier soll in einem (dem letzten) Jahre 178
solcher Maschinen verkauft haben, wovon u.a. 4 nach Frankfurt a. M., 1 nach Berlin und 1 nach Königsberg, die übrigen nach Frankreich, England, die
Schweiz, Spanien etc. gekommen sind. Der Schuhmachermeister G. W. Bauer in Frankfurt a. M., der selbst mit Lemercier'schen Maschinen arbeitet, hat sich erboten,
seine Handwerksgenossen in Deutschland in der Handhabung der Maschine zu
unterrichten. Die Maschine, welche in Paris 1000 Frcs. kostet, kann auch zum
Zusammenfügen von Lederriemen benutzt werden und setzt einen geübten Arbeiter in den
Stand, in 10 Minuten 80 bis 90 Schrauben zu setzen, so daß er das Drei- bis
Vierfache der Arbeit leisten kann, die ein Arbeiter bei der jetzt gebräuchlichen Methode
des Zusammennähens der Riemen fertigt. Möge hiermit zur eingehenden Prüfung dieser
vielgepriesenen Maschine angeregt seyn!