Titel: | Dampfüberhitzung durch die abziehenden Verbrennungsproducte; Resultate aus der Praxis, von R. Jacobi, Techniker in Hettstädt. |
Autor: | Robert Jacobi |
Fundstelle: | Band 161, Jahrgang 1861, Nr. LXVIII., S. 241 |
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LXVIII.
Dampfüberhitzung durch die abziehenden
Verbrennungsproducte; Resultate aus der Praxis, von R. Jacobi, Techniker in Hettstädt.
Mit einer Abbildung auf Tab. IV.
Jacobi, über Dampfüberhitzung durch die abziehenden
Verbrennungsproducte.
Schon vor mehreren Jahren wurde, wenn ich nicht irre, zuerst von englischen
Mechanikern empfohlen, den Dampf, bevor er aus den Dampfentwicklern zu seiner
Verwendung nach der Maschine u.s.w. gelangt, durch ein Rohrsystem zu führen, welches
von den Verbrennungsproducten umspielt wird, bevor diese nach dem Schornsteine
abziehen.Man sehe Wethered's Abhandlung über gemischten
Dampf im polytechn. Journal Bd. CLI S. 403, und Ryder's Abhandlung über die Anwendung des überhitzten Dampfes in
Bd. CLVIII S. 97. A. d. Red. Es leuchtet ein, daß bei den Differenzen, welche zwischen den Temperaturen
des eingeschlossenen Dampfes und der die Röhre umgebenden Verbrennungsproducte
bestehen, und die im Minimum wohl selten unter 150° C. betragen, im Maximum
aber auf 250° C. steigen können, dem im Kessel gebildeten Dampfe auf Kosten
der Verbrennungsproducte noch weitere Mengen kostenloser Wärme zugeführt werden
müssen, wodurch in erster Reihe nothwendig eine entsprechende Ersparung an
Brennstoff bedungen werden muß.
Bei der Wichtigkeit der letzteren für alle größeren, technischen Gewerbe, welche
durch Dampf betrieben werden, dürfte eine Mittheilung des Nachstehenden an dieser
Stelle gerechtfertigt seyn, um so mehr, da die Resultate unmittelbar als Thatsachen
aus vergleichenden Versuchen hervorgingen. Letztere wurden abgeführt an einem
Cornwallkessel von beiläufig 16' Länge und 5 1/2' Durchmesser, mit einem Feuerrohre
von 3 1/4' Durchmesser und einem, in letzterem lagernden Sieder von 1 3/4'
Durchmesser und 14 3/4' Länge. Der Dom, von dem aus die Ableitung des Dampfes
erfolgt, ist an dem hinteren, der Feuerung entgegengesetzten Ende des Kessels
angebracht; der Rost liegt zu 1/3 seiner Länge vor, zu 2/3 derselben aber in dem Kessel. Letzterer
versorgt eine liegende Maschine und wird, wie diese, nur bei Wassermangel zum
Betriebe von Mahlgängen gebraucht.
Wie bei vielen anderen Dampfkesselanlagen, reicht auch hier die Dampfproduction nicht
immer zur Deckung des oft gesteigerten Verbrauches aus, wodurch Uebelstände
herbeigeführt wurden, die eine Vergrößerung der Dampfproduction dringend wünschen
ließen. Eine Vergrößerung des Kessels war aber wegen localer Verhältnisse nicht
thunlich; der weite Transport der Steinkohle machte deren Anwendung für die Heizung
unstatthaft – Ueberhitzung des Dampfes blieb daher, wenn nicht das einzige,
so doch leichteste Auskunftsmittel und wurde sonach die Aufstellung eines
entsprechenden Apparates bewirkt. Er bildet ein Schlangenrohrsystem von Gußeisen,
welches bei 4'' lichtem und 4 7/8'' äußerem Durchmesser und einer effectiven Länge
von 71' den Verbrennungsproducten eine Heizfläche von circa 92 Quadratfuß darbietet. Die Feuerluft durchströmt, resp. umspielt
zunächst Feuerrohr und Sieder, kehrt zu beiden Seiten des Kessels nach vorn zurück
und gelangt dann zwischen der unteren Mantelfläche des letzteren und der
Mauerwerksohle hindurch nach dem Schornsteine. In diesem, also dem letzten Zuge,
wurde die Aufstellung des Apparates vorgenommen, nachdem der Kessel circa 6'' höher gelegt war.
Die frühere, directe Rohrleitung nach der Maschine wurde beibehalten; der Eintritt
des Dampfes in das Ueberhitzungssystem wurde durch ein besonderes Ventil ebenfalls
von: Dom aus vermittelt; zwischen das Ausgangsrohr des Ueberhitzers und das directe
Verbindungsrohr wurde ein besonderes Ventil eingeschaltet, so daß der Dampf entweder
durch den Ueberhitzungsapparat, oder direct nach der Maschine geleitet werden
konnte, ohne in die nicht zugehörigen Rohrtouren zurücktreten zu können. Um die
Temperaturen des Dampfes vor und nach dem passiren des Ueberhitzers beobachten zu
können, wurden an geeigneter Stelle zwei hunderttheilige Thermometer angebracht,
deren Kugeln in das Innere der Rohre ragten.
Nachdem das Mauerwerk genügend ausgewärmt, und Kessel und Maschine schon über eine
Woche in unausgesetztem Betriebe waren, wurden die Versuche begonnen und acht Tage
hintereinander in der Weise fortgesetzt, daß zweimal wechselnd, je 48 Stunden ohne,
und je 48 Stunden mit Ueberhitzung gearbeitet wurde. Während der Dauer der Versuche
wurde die Spannung des Dampfes möglichst constant auf 3 Atmosphären gehalten; die
Stellung des Absperrschiebers am Schieberkasten der Maschine war schon vor Beginn
der Versuche den Bedürfnissen angepaßt und blieb durch Fixirung während ihrer Dauer
constant. Die Drosselklappe wurde außer Dienst gesetzt. – Die Sandsteine der
Mahlgänge wurden jedesmal vor Beginn eines neuen Versuches geschärft, so daß jeder Versuch mit
voller Schärfe begann und mit abgestumpften Steinen endete. Das vermahlene Korn
blieb stets dasselbe. Schwankungen in der (heißen und trockenen) Witterung traten
nicht ein. – Für gleiche Zeiten wurden, so weit möglich, gleiche Quantitäten
Korn verarbeitet, in gleicher Weise angegriffen und ausgemahlen. Das Heizmaterial,
eine erdige Braunkohle mit wenigen Knorpeln, von mittlerem Brennwerthe, wurde jeden
Tag frisch von der Grube angefahren, die Tonnenzahl notirt und nach Verlauf der
einzelnen Versuche das nicht verbrauchte Quantum zurückgemessen. Eine Verwiegung der
Kohlen fand nicht statt, da sie für die pecuniäre Frage (die Kohlen wurden nach
Tonnen bezahlt) oder für die rein praktische Seite der Versuche kein Interesse
bot.
Die Regulirung und Fixirung des Absperrschiebers vorn erfolgte so, daß der Kessel bei
normaler Arbeit und Geschwindigkeit der Mahlgänge sein Maximum an Dampf von 3
Atmosphären Spannung lieferte; die Drosselklappe war außer Thätigkeit gesetzt, um
Schwankungen im Dampfverbrauch möglichst zu beseitigen. – Das constante
Erhalten der Spannung erforderte ohne Ueberhitzung die ganze Aufmerksamkeit des
Heizers; mit Ueberhitzung erfolgte es ohne Schwierigkeit, und neigte der Druck im
Kessel leicht zu Ueberschreitungen, während er ohne Ueberhitzung zum Sinken geneigt
war.
Da bei vorstehend erläuterten Vorkehrungen und
Vorsichtsmaßregeln die Versuche mit dauernder Aufmerksamkeit betrieben wurden,
so sind Beobachtungsfehler, soweit sie auf die praktische Richtigkeit der
Resultate Einfluß haben könnten, jedenfalls ausgeschlossen.
Im Mittel der vier je entsprechenden Versuchstage betrug der Brennmaterialverbrauch
pro 100 preußische Scheffel vermahlenen Kornes 24
2/3 Tonnen wenn ohne, und 21 Tonnen, wenn mit Ueberhitzung gearbeitet wurde. Es berechnet sich aus diesen Zahlen für die gleichen
Quantitäten des aufgewendeten Brennstoffes mithin eine Mehrleistung von 18
Proc., oder für gleiche Leistungen eine Brennstoffersparniß von 15 Procent zu
Gunsten der Dampfüberhitzung!
Dabei zeigten sich in den Temperaturen des Dampfes am Eingange und Ausgange des
Ueberhitzungsapparates im Allgemeinen kaum Differenzen; das Thermometer an letzterem
stieg nur, wenn die frische Beschickung des Rostes in der größten Flammenbildung
begriffen war, gewöhnlich um 1°, seltener um 2°, sank aber, sobald
sich die Flammen verminderten, wieder nahezu oder ganz auf die gleiche Höhe des am Eingange
befindlichen Thermometers zurück. Es kann daher, trotz der verhältnißmäßig großen
Heizfläche der Ueberhitzungsrohre, nur für eine sehr kurze Zeit und auch für diese
nur in sehr geringem Grade, von einer eigentlichen Dampfüberhitzung die Rede seyn. Die Hauptwirkung des Apparates beschränkte sich
auf die Nachverdampfung des aus dem Kessel im Dampfstrome mit übergerissenem
Wassers, welche aber in jedem Stadium der Verbrennung vollständig erfolgt seyn muß,
da die Condensations-Wasserhähne am Cylinder während der Thätigkeit des
Apparates vollkommen geschlossen bleiben konnten, ohne daß unruhiger Gang oder
Wasserstöße eintraten; bei directer Verwendung des Dampfes mußten zur Vermeidung der
letzteren die Hähne dauernd etwas geöffnet seyn. – Die Bezeichnung
„Dampfüberhitzungsapparat“ erweist sich für diesen und wohl
auch für jeden anderen in ähnlicher Weise im letzten Zuge eines Kessels
functionirenden Apparat nach Vorstehendem als zu weit gehend; es dürfte ihr daher,
richtiger bezeichnend, der Ausdruck „Nachverdampfapparat“ zu
substituiren seyn. Als solcher empfiehlt er sich, ganz abgesehen von dem
ökonomischen Vortheile, besonders in den Fällen, wo die Verwendung eines nicht, oder
nur sehr wenig überhitzten wasserfreien Dampfes vortheilhaft oder Bedingung ist, wie
z.B. bei Destillationen.
Da man während des Betriebes den Apparat nur schwierig beobachten kann, und da
etwaige Reparaturen bei der Beschaffenheit des Raumes worin er sich befindet, mit
großen Umständlichkeiten und Zeitverlusten verknüpft sind, so ist auf möglichste
Dichte und Dauer der Materialien, so wie auf größte Solidität der Verbindungen ganz
besonders zu achten. Schmiedeeiserne Rohre dürften sich wegen ihrer geringeren
Dauer, besonders da, wo der Betrieb periodisch längere Unterbrechungen erfährt,
weniger eignen als Rohre von Gußeisen, die ich sowohl bei diesem, als auch bei vier
später ausgeführten Apparaten (zu Kesseln von 28 und 32' Länge bei 3 1/2 resp. 4'
Durchmesser) anwandte. Sie bewährten sich seit resp. 5 1/2, 3 und 3/4 Jahren recht
gut, ohne irgend welche Reparatur zu veranlassen. – Die einzelnen Rohre sind
durch Manischen und Schrauben verbunden, und greifen, wie Fig. 15 im Durchschnitt
darstellt, ineinander ein; die eingreifenden und sich deckenden Theile sind genau
nach Schablone gedreht. Die Verpackung ist durch den Serbat'schen Kitt hergestellt. Flantschen und Schrauben wurden bei der
Verbindung der Rohre auf circa 100° C. erwärmt
und die letzteren dann, gut geölt, möglichst fest angezogen.