Titel: | Neue Methode, zwischen zwei Stationen auf einem Drahte zwei Depeschen zugleich zu befördern, in gleicher oder in entgegengesetzter Richtung; von Dr. Eduard Schreder in Wien. |
Fundstelle: | Band 161, Jahrgang 1861, Nr. LXXVII., S. 260 |
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LXXVII.
Neue Methode, zwischen zwei Stationen auf einem Drahte zwei Depeschen zugleich zu befördern, in
gleicher oder in entgegengesetzter Richtung; von Dr. Eduard Schreder in Wien.
Aus der Zeitschrift des
deutsch-österreichischen Telegraphenvereins, VIIter Jahrgang S. 258; durch das
polytechnische Centralblatt, 1861 S. 989.
Mit Abbildungen auf Tab.
IV.
Neue Methode, telegraphische Depeschen zu befördern.
I. Zwei Depeschen in gleicher
Richtung.
Wenn in einem Drahte von einer Station nach einer andern zwei Depeschen zugleich
gesendet werden sollen, so müssen die Apparate so eingerichtet seyn, daß sie in den
vier verschiedenen Fällen, welche möglich sind, vier verschiedene Wirkungen
hervorbringen. Während nämlich bei einfacher Correspondenz entweder ein Zeichen zu
befördern ist, oder keins, können bei der gleichzeitigen Beförderung von zwei
Depeschen in gleicher Richtung (beim Doppeltsprechen)
entweder zwei Zeichen, oder nur ein Zeichen der ersten, oder ein Zeichen der zweiten
Depesche allein, oder endlich gar kein Zeichen zu befördern seyn. Diese vier Fälle
müssen auf der
sprechenden Station sowohl, als auch und ganz besonders auf der Empfangsstation sich
von einander unterscheiden lassen.
AAuf der sprechenden StationA wendet Dr. Schreder zwei gewöhnliche Morsetaster I und II, Fig. 4, an; die
Tasterachse 2 des Tasters I ist mit der Luftleitung L,
die des Tasters II mit der Erde E verbunden. Der
Arbeitscontact 3 des ersten Tasters ist mit dem Ruhecontact 1 des zweiten Tasters
leitend verbunden, und zwar ist in diese Verbindung die aus zwei gleichen Hälften
a und b bestehende
Linienbatterie eingeschaltet. Der Ruhecontact des Tasters I ist mit dem Ruhecontact
1 des Tasters II, also auch mit dem Zinkpol 2 der Linienbatteriehälfte a in leitender Verbindung, und endlich ist ein
Leitungsdraht von dem Ruhecontact 3 des Tasters II nach dem Verbindungsdraht
zwischen dem Kupferpol K der Batteriehälfte a und dem Zinkpol Z der
Batteriehälfte b geführt. Wird nun auf jedem der beiden
Taster eine Depesche abtelegraphirt, so können folgende vier Fälle vorkommen:
1) Zwei Zeichen zugleich zu telegraphiren; dann sind beide Taster niedergedrückt und es ist dadurch nur die
Batteriehälfte b geschlossen; dieselbe sendet einen (positiven) Strom vom Kupferpol K über 3 und 2 des Tasters I in die Leitung L
nach der Empfangsstation B, dort geht er in die Erde und
kehrt aus E über 2 und 3 des Tasters I nach dem Zinkpol
Z der Batterie b
zurück.
2) Ein Zeichen der zweiten Depesche allein zu
telegraphiren.; dann ist nur der Taster II niedergedrückt und dadurch die Batteriehälfte a geschlossen; diese sendet jetzt zwar einen eben so
kräftigen, aber entgegengesetzten (negativen) Strom in
die Leitung L, welcher vom Zinkpol Z in a über 1 und 2 des
Tasters I durch L, nach der Empfangsstation geht und aus
E über 2 und 3 des Tasters II zum Kupferpol K in a zurückkehrt.
3) Ein Zeichen der ersten Depesche allein zu
telegraphiren; dann ist nur der Taster I niedergedrückt und dadurch die ganze Batterie
geschlossen; dieselbe sendet einen doppelt so kräftigen
(positiven) Strom in die Leitung, als wenn beide
Taster niedergedrückt sind; dieser kräftigere Strom läuft vom Kupferpol K in der Batteriehälfte b
über 3 und 2 des Tasters I durch L nach der
Empfangsstation, in die Erde und von E über 2 und 1 des
Tasters I und nach dem Zinkpol Z der Batteriehälfte a.
4) Kein Zeichen zu telegraphiren; dann ist kein Taster niedergedrückt und somit weder eine
Batteriehälfte, noch die ganze Batterie geschlossen; daher wird auch kein Strom in die Linie gesendet.
Die vier verschiedenen Fälle des Zeichengebens sind also:
Einfacher
positiver
Strom,
„
negativer
„
Doppelter
positiver
„
Gar kein
„
B. Auf der EmpfangsstationB wendet Dr. Schreder dem entsprechend auch drei verschiedene
Empfangsapparate an; einen, welcher nur auf negative, einen zweiten, welcher auf
alle positiven, und einen dritten, welcher nur auf die doppelt starken positiven
Ströme anspricht. Der letztere Apparat ist ein gewöhnliches Translationsrelais R₂, Fig. 5, dessen beide
Contacte m und n sind,
während der Punkt c beständig mit dem Relaishebel
leitend verbunden ist; für gewöhnlich liegt der Relaishebel an dem Contactpunkt m und legt sich nur dann an n an, wenn der doppelt starke Strom die Linie durchläuft. Der erste und
zweite Apparat dagegen sind in ein (Stöhrer'sches)
Doppelrelais R₁ vereinigt, welches zwei
Relaishebel r und l hat, von
denen jedoch l nur auf negative, dagegen r nur auf positive Ströme, aber von jeder Stärke,
anspricht; die Multiplicationsrollen dieses Relais sind in der Zeichnung der
Einfachheit halber weggelassen. Die weitere Einrichtung der Empfangsstation ist
leicht zu übersehen; M₁ und M₂ sind die beiden Morseschreibapparate, I und II
zwei Localbatterien, von denen der Kupferpol K der
ersten mit dem Relaishebel r, der Zinkpol Z aber mit dem einen Ende der Multiplicationsrollen des
Schreibapparats M₁ verbunden sind, während das
andere Ende dieser Rollen durch den Draht f mit dem
ersten Ende der Rollen in M₂ und das zweite Ende
der letzteren mit dem Kupferpol der Localbatterie II in Verbindung steht, deren
Zinkpol endlich mit dem Contactpunkt m des Relais R₂ verbunden ist; der Contactpunkt n ferner dieses Relais ist mit dem Drahte f zwischen M₁ und M₂ verbunden, der Relaishebel dagegen über c durch den Draht g mit den
Kernen des Relais R₁, und endlich der Relaishebel
l in R₁ ebenfalls
mit deren Drähte f zwischen M₁ und M₂ verbunden. Das Relais
R₁ ist also so eingeschaltet, daß der
Localstrom stets durch die Kerne des Elektromagnets in R₁ und durch den Draht g hindurchläuft; der
Linienstrom hingegen umkreist stets die Kerne des Relais R₁ und R₂ zugleich
hintereinander. Die Feder des Relais R₂ ist
stärker gespannt als die Feder an R₁; damit aber
bei eintretenden Variationen der Stromstärke, welche eine Aenderung in der Spannung
der Relaisfedern nöthig machen, das Verhältniß der zur Anziehung nöthigen Kräfte
unverändert bleibe, ist die Feder des Translationsrelais R₂ und eine Feder des Stöhrer'schen
Relais R₁ an derselben Schraubenmutter zu
befestigen, welche nun je nach der Stärke des Stromes höher oder niedriger gestellt
wird.
Die vier verschiedenen Fälle der Zeichengebung bringen nun auf der Empfangsstation
folgende verschiedene Wirkungen hervor:
1) Zwei Zeichen gegeben, d.h.
einfacher positiver Strom in der Linie. Durch diesen Strom wird der Hebel
r auf den Kern gelegt, während der Hebel in R₂ an m liegen
bleibt; dadurch sind beide Localbatterien geschlossen,
sie bilden ein Ganzes und ihr Strom läuft von K in I
durch r und g nach c, über m nach Z und K in II, durch M₂, f und M₁ nach Z in I. Beide Schreibapparate sprechen an und verzeichnen also
das gegebene Zeichen auf den Papierstreifen. Da beide Localbatterien geschlossen
sind, so ist der Localstrom kräftig genug, beide Schreibapparate zu bewegen.
2) Ein Zeichen der zweiten Depesche gegeben, d.h. einfacher negativer Strom in der Linie. Durch diesen
Strom wird der Hebel l des Relais R₁ auf die Eisenkerne gelegt und der Hebel in R₂ bleibt wiederum an m liegen; jetzt ist aber bloß die Localbatterie
II geschlossen, deren Strom von K durch M₂ und f über l nach g und über c und m nach Z in II zurückgelangt. Das Zeichen vom Taster II
erscheint also bloß auf dem Schreibapparat
M₂.
3) Ein Zeichen der ersten Depesche gegeben, d.h. doppelter positiver Strom in der Linie. Dieser Strom
legt den Hebel des Relais R₂ von m nach n, und außerdem wird
der Hebel r des Relais R₁ auf den Eisenkern herabgezogen; dadurch ist bloß die Localbatterie I geschlossen
und ihr Strom geht von K über r und g nach c,
nach n und über h und f, durch M₁ nach dem
Zinkpol Z in I zurück. Das Zeichen vom Taster I
erscheint also bloß auf dem Schreibapparat
M₁.
4) Kein Zeichen gegeben, d.h. kein Strom in der Linie. Dann ist weder die Localbatterie I, noch II
geschlossen, da weder das Relais R₁, noch R₂ anspricht, es erscheint also auch kein Zeichen auf den Schreibapparaten.
Diese Einschaltung leidet nun an dem bereits in unserer Quelle gerügten Fehler, daß
die Linie vollständig unterbrochen ist, sobald ein Taster niedergedrückt wird, und
zwar so lange, als er den Ruhecontact verlassen, den Arbeitscontact aber noch nicht
erreicht hat. Dieß ist zwar bei einfacher Correspondenz kein Nachtheil, beim
Doppeltsprechen aber können dadurch Punkte ausbleiben, oder wenigstens Striche in
Punkte aufgelöst werden. Eine ähnliche Unterbrechung des Localstroms findet in dem
Relaissystem der Empfangsstation statt, während sich der Hebel des Relais R₂ von m nach n, und umgekehrt bewegt. Außerdem dürfte auch auf der sprechenden Station
die Verbindung der Empfangsapparate, die auch während der Correspondenz nicht gut
ausgeschaltet seyn können, mit den Tastern ziemlich complicirt ausfallen, und auf
der sprechenden Station alle gegebenen Zeichen ebenfalls mit erscheinen.
II. Zwei Depeschen in entgegengesetzter
Richtung.
Auch wenn zwei Depeschen zugleich auf demselben Drahte in entgegengesetzter Richtung
befördert werden (beim Gegensprechen), sind die vier
unter I. aufgeführten Fälle möglich, nur mit dem Unterschiede, daß beim
Gegensprechen nicht die beiden Apparate zum Zeichengeben auf einer, und die Apparate
zum Zeichenempfangen auf der andern Station sind, wie es beim Doppeltsprechen der
Fall war, sondern daß auf jeder der beiden Stationen Zeichen zu geben und Zeichen zu
empfangen sind. Die beiden Empfangsapparate bleiben beständig in die Leitung
eingeschaltet, die Einschaltung muß aber so seyn, daß der von jeder Station
ausgesendete Strom auf dem Empfangsapparat dieser Station kein Zeichen erscheinen
läßt, wohl aber auf dem Empfangsapparat der anderen Stationen. Um dieß zu erreichen,
benutzt Dr. Schreder zwei
Ströme von verschiedener Richtung und die Spannkraft einer Feder. Die auf allen
Stationen gleiche Einschaltung einer Station zeigt Fig. 6. Das zum Empfangen
der Zeichen bestimmte Relais in dem Kästchen N ist dem
sonst gebräuchlichen Bain'schen Indicator nachgebildet;
seine beiden halbkreisförmigen, permanenten Stahlmagnete b stehen vertical, sind an dem metallenen Hebel a befestigt und mit diesem um die horizontale Achse C drehbar, jedoch nur innerhalb der beiden Contactpunkte m und n; am hinteren Ende
des Hebels a sind zwei Spiralfedern p und f angebracht, von
denen p für gewöhnlich den Hebel auf den Contactpunkt
n auflegt. Das eine Ende der Elektromagnetspulen ist
mit der Luftleitung L, das andere mit der Achse 2 des
Tasters verbunden, welcher in Fig. 6 um 90°
verwendet gezeichnet wurde, da er in Wirklichkeit mit der Seitenwand des Kästchens
N parallel liegt. Der Contactpunkt 1 des Tasters und
der Zinkpol Z der Linienbatterie B₁ sind mit der Erde E verbunden, der
Kupferpol dieser Batterie dagegen mit dem um c
beweglichen Hebel c, i, o, welcher den Arbeitscontact
des Tasters bildet, und an welchem innerhalb des Kästchens N die Spiralfeder f befestigt ist. Die Achse
C des Relaishebels a ist
mit den Multiplicationsrollen des Schreibapparats M₁, dadurch mit dem Kupferpol K der
Localbatterie B₂ und deren Zinkpol mit dem
Contacte m leitend verbunden.
Das Spiel der Apparate ist nun folgendes:
1) Kein Zeichen zu telegraphiren; dann ist kein Taster
niedergedrückt, kein Strom circulirt, kein Schreibapparat
spricht an.
2) Eine Station gibt ein Zeichen; dann drückt sie ihren
Taster auf c, i, o nieder und der Linienstrom geht von
K in B₁ über c, i, 2 und d durch die
Elektromagnetrollen in die Luftleitung; dabei legt sich wegen der entsprechenden
Einschaltung des Relais der Hebel a nur um so fester auf
n, so daß er selbst durch die beim Niederdrücken des
Hebels c, i, o etwas angespannte Spiralfeder f nicht von n losgerissen
wird; daher wird auf der gebenden Station die Localbatterie nicht geschlossen und es
erscheint auf dieser Station das gegebene Zeichen nicht; auf
der Empfangsstation dagegen erscheint das
Zeichen und zwar genau in derselben Weise, wie es sogleich in 3 beschrieben
wird.
3) Eine Station empfängt ein Zeichen; der von der gebenden
Station in die Leitung gesendete Strom tritt aus L in
die Rollen des Relais, durchläuft sie aber in entgegengesetzter Richtung als in 2,
und geht dann durch d über 2 und 1 des nicht
niedergedrückten Tasters der Empfangsstation zur Erde E.
In diesem Falle legt also der Strom den Hebel a an den
Contactpunkt m, schließt dadurch die Localbatterie B₂ und das Zeichen
erscheint auf dem Schreibapparat der Empfangsstation.
4) Beide Stationen geben Zeichen. Dann sind in beiden
Stationen die Taster niedergedrückt und beide Linienbatterien senden Ströme in die
Leitung; auf jeder Station aber wird die Wirkung des von ihr ausgehenden Stroms auf
die Elektromagnetspulen durch die Wirkung der Spiralfeder f genau so aufgehoben, wie in 2 angegeben wurde; daher bleibt auf jeder
Station nur die Wirkung des von der andern Station kommenden Stroms in den
Elektromagnetspulen übrig; dieser Strom nimmt aber jetzt seinen Weg von d über 2, i, c, K und Z der Linienbatterie B₁ zur Erde E, legt den Relaishebel a an die Contactschraube m,
schließt die Localbatterie und auf jeder Station erscheint das
von der andern gegebene Zeichen.
Auch hierbei ist die Linie gänzlich unterbrochen, während der Tasterhebel den Contact
1 verlassen und den Hebel c, i, o noch nicht erreicht
hat; doch kann man sich hier dadurch helfen, daß man den Contact 1 federnd macht, so
daß er den Tasterhebel erst verläßt, wenn dieser den Hebel c,
i, o schon berührt, denn der dabei eintretende momentane kurze Schluß der
Linienbatterie ist ohne Bedeutung.