Titel: | Notizen über Telegraphie. |
Fundstelle: | Band 161, Jahrgang 1861, Nr. LXXVIII., S. 266 |
Download: | XML |
LXXVIII.
Notizen über Telegraphie.
Nach dem Artizan, 1861
Heft 1 und 2, bearbeitet; aus der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, Bd. V S.
154.
Ueber Telegraphie.
Die Institution of Civil Engineers beschäftigte sich
während zweier Abende mit den Erfolgen der unterseeischen
Telegraphenverbindungen und besprach die Ergebnisse verschiedener Linien.
Das Channel Island Cable liegt zwischen Weymouth,
Alderney, Guernsey und Jersey, ist im unterseeischen Theile 93 1/4, im
unterirdischen 26 Meilen lang, etwa 27 Monate lang im Gebrauch und wurde während
dieser kurzen Zeit im unterseeischen Theile 11mal gebrochen, davon 5mal durch
Schiffsanker und 6mal durch Felsen, Fluth und Stürme. Die Regierung hat 6 Proc.
Dividende auf 30,000 Pfd. St. garantirt, aber die Subscriptionen sind erschöpft und
die Linie trägt keine Rente. Wenn dieß das Resultat der unterseeischen
Telegraphen-Unternehmungen an den Grenzen Englands ist, was kann man von
Kabeln erwarten, die 10- oder 12mal so lang sind und 5000 bis 12,000 Meilen
von Europa entfernt liegen.
Alle langen elektrischen Leitungen haben sich als vollständig verfehlte Speculationen
bewiesen. So das atlantische Kabel, nicht weniger die
Rothe-Meer-Leitung, die den Nil und Indus verbinden sollte. Gleiche
Erfolge erzielten die Holländer in ihren Leitungen; sie verbanden Java mit der
englischen Colonie Singapore. Die Entfernung beträgt 600 Meilen, das Kabel passirt
enge Wasserstraßen und hat heftiger Fluth zu widerstehen. Nur in den ersten Tagen
entsprach es den Anforderungen, seitdem nie wieder, denn durch die Reibung auf
Corallenfelsen ist es mehr als ein Dutzend Mal gerissen und befindet sich jetzt in
hoffnungsloser Lage. Selbst die Kabel im Mittelländischen Meere, die nur für kurze
Entfernungen dienen, kommen beständig außer Betrieb. Auf Kosten der engl. Regierung
wurde zwischen Malta und Gibraltar ein Kabel projectirt; doch fand man in der Tiefe
des Mittelmeeres ein zu großes Hinderniß und bestimmte das Kabel für Indien, um
Rangoon und Singapore zu verbinden, welche Orte etwa 1100 Meilen von einander
liegen, von denen auf 800 eine Kette unzähliger Inseln liegt mit Corallen und
Granitspitzen, und mit heftiger Fluth, gar nicht der Temperatur des Wassers zu
erwähnen, die mindestens 20° F. höher ist, als die des Mittelmeeres, wofür
das Kabel fabricirt ist. Natürlich wird das Legen eine nutzlose Mühe seyn, und die
Summe der Herstellungskosten, etwa 400,000 Pfd. St., könnte man mit demselben Rechte
in die Bengalische Bay oder in die Straße von Malacca versenken.
Das Nord-Atlantische Kabel soll in Angriff genommen werden, und man hat so
eben die Linien von Groß-Britannien nach den Orkneys, Island, Grönland und
Labrador untersucht und gemessen. Außer Felsen und Strömungen wird man hier mit
Gletschern und Eisbergen zu kämpfen haben. Nur das Verunglücken unserer ehrgeizigen
Pläne auf einem andern Gebiete (sagt der Artizan) wird
uns von dem Verlust bei diesem Unternehmen retten.
Selbst in den engen Meeren, die England von dem Continent trennen, erfordern die
kurzen Kabel beständige Aufmerksamkeit und Reparaturen, und in der That dauern sie
nur 3 oder 4 Jahre. Nicht allein ist der äußerste Schutzdraht der Zerstörung durch
Felsen und durch Oxydation unterworfen, auch die Gutta-percha wird zersetzt.
Der Ehrgeiz, den Ocean durch eine geistige Brücke zu überspannen, muß aufgegeben
werden. Der Stolz der Wissenschaft hat einen harten Schlag erhalten, und die Idee,
Indien mit dem Pol sprechen zu lassen, kann nur den Dichtern überlassen bleiben. Die
Regierung, gedrängt von Projectemachern, ermuthigt durch das Publicum, kann kaum für
die Tausende, die es in die Tiefe gesenkt hat, getadelt werden; sie haben dazu
gedient, die Nation zur Vernunft zu bringen, und so waren die kostspieligen
Unternehmungen vielleicht unvermeidlich.
––––––––––
Von 12,000 Meilen unterseeischer Leitung, die bis jetzt gelegt wurden, sind nicht
1200 im betriebsfähigen Zustande.
Die Telegraphen-Linien Rußlands sind bis in Asien
vorgeschritten, ihre Legung wird mit außerordentlicher Schnelligkeit betrieben. Bald
wird Sibirien nach dem Project der russischen Regierung mit Amerika durch eine
unterseeische Leitung längs den Aleuten-Inseln verbunden seyn, und so mag
England vielleicht bald seine amerikanischen und chinesischen Nachrichten durch
russische Vermittlung erhalten. (Unsere berühmten Landsleute Siemens und Halske werden also vermuthlich den
Lorbeer des Sieges, Amerika und Europa zu verbinden, davontragen, denn sie sind es,
die Rußland mit dem Telegraphen-Netze überspannen.)
Die Herren Platt, Bros u. Comp.
in Oldham bei Manchester haben eine Privat-Linie zu ihrem eigenen Gebrauche,
von etwas eigenthümlichem Charakter eingerichtet, die dazu dienen soll, die zwei
bedeutenden Etablissements dieser Firma, die etwa 1 1/2 Meilen (engl.) von einander entfernt
liegen, auf elektrischem Wege zu verbinden. Der Draht, der aus Stahl besteht, hat
2/10 Zoll Durchmesser und ist auf seiner Länge durch 6 große Fabrikschornsteine der
naheliegenden Etablissements in einer Höhe von etwa 180 Fuß unterstützt, indem er
Spannweiten von 1000 bis 2000 Fuß hat. Die niedrigsten Punkte der Curve des Drahtes
liegen in einer Höhe von 70 bis 120 Fuß über dem Terrain. Einem Beschauer, der an
einem Schornstein steht, erscheint ein Draht wie ein Faden, der etwa in der Mitte
verschwindet, lange bevor er seinen nächsten Unterstützungspunkt erreicht. Da die
Schornsteine, woran der Draht befestigt, beständig im Gebrauch sind, so sind sie
sehr trocken und machen eine Isolirung unnöthig. Die Besteigung der Schornsteine
(access to the tops of the shafts) geschah
vermittelst Seile, die durch Drachenschnüre
herübergezogen waren.
E. Becker.