Titel: | Ueber die Dampfmaschinen mit Corliß' Expansionssteuerung. |
Fundstelle: | Band 161, Jahrgang 1861, Nr. LXXXIX., S. 321 |
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LXXXIX.
Ueber die Dampfmaschinen mit Corliß' Expansionssteuerung.
Mit Abbildungen auf Tab.
V.
Ueber Dampfmaschinen mit Corliß' Expansionssteuerung.
Es ist auffallend, wie oft wichtige Erfindungen und Verbesserungen sich nur langsam
Eingang verschaffen. Gewiß ist die Dampfmaschine eine jener Maschinen, welchen die
meisten Techniker ihre specielle Aufmerksamkeit widmen. Es ist in der That
erstaunenswerth, welche Veränderungen in der Construction der Dampfmaschine seit
ihrem Bestehen gemacht worden sind. Dessen ungeachtet sind die meisten
Dampfmaschinen in ihrer Wirkung sehr unvollkommen und obgleich die Theorie längst
nachgewiesen hat, wie der Dampf am besten zur Verwendung kommt und der guten
Beispiele in der Praxis genug waren, so hat sich doch die Technik im Allgemeinen
nicht über die gewöhnliche Routine erheben können.
England namentlich macht darin keine Ausnahme. Man bleibt z.B. bei Schiffsmaschinen
immer bei den alten Gebräuchen den Dampf zu verwenden, wenn auch die Construction
der Maschine selbst einfacher und besser geworden ist.
Erst jetzt haben es Randolph, Elder und Comp. in Glasgow gewagt, die Expansionskraft des Dampfes
in Marinemaschinen mehr zur Geltung zu bringen und durch ihre Maschinen in den
Schiffen „Valparaiso“, „Lima“,
„Bogota“ – siehe Artisan, Juni und December 1859, Heft 59 – die ausgezeichnetsten
Resultate erlangt.
Die von denselben angewandten Maschinen sind nach dem System von Woolf, welches als stationäre Maschine längst angewendet
wird und dessen Anwendung bei Schiffsmaschinen man sich öfters, wenn auch nicht mit
dem besten Erfolge gekrönt, einzuführen bestrebte.
Die Woolf'sche Maschine ist aber keineswegs in ihren
Leistungen die beste, das beweisen Indicator-Curven solcher Maschinen im
Vergleich mit denjenigen der Corliß-Maschinen,
welche wir im Jahrgang 1854 des polytechn. Journals, Bd. CXXXII S. 321, mitgetheilt
haben. Bei Vergleichung dieser Indicator-Curven ist die zweckmäßigere
Verwendung des Dampfes in Corliß-Maschinen
unverkennbar, aber auch schon für den den Laien muß es einleuchtend seyn, daß die vielen langen
Dampfcanäle einer Woolf'schen Maschine zu wesentlichen
Dampfverlusten beitragen. Ist die Woolf'sche Maschine
eine stationäre mit einem gewöhnlichen Regulator und Drosselventil, so kann, wie in
der Curve Bd. CXXXII Tafel V, Fig. 2 angedeutet, bei
geringer Belastung der Fall eintreten, daß von den hier beispielsweise 29 1/2 Pfd.
Dampf im Kessel nur etwa 5 Pfd. zur Verwendung kommen.
Bei Schiffsmaschinen, wo in der Regel aller Dampf, der erzeugt werden kann, zur
Verwendung kommt, ist das Verhältniß natürlich nicht so ungünstig.
Die Richtigkeit der Steuerung einer Dampfmaschine läßt sich nur durch die
Indicator-Curve prüfen. Man wird nach der Betrachtung derselben finden, daß
eine Schiebersteuerung mit gewöhnlichem rundem Excentric oder gar Coulissensteuerung
keinen Anspruch auf Richtigkeit hat.
Wie es sich mit der vielgepriesenen Ventilsteuerung, die namentlich in Amerika am
meisten zur Anwendung kommt und dort wirklich ausgezeichnet gemacht wird, verhält,
haben wir durch die oben erwähnteewähnte Indicator-Curve auf Tafel V, Fig. 2, in Bd. CXXXII
dieses Journals nachgewiesen.
Nach unserer Ansicht ist die Richtigkeit der Dampfvertheilung, wie sie die Curven der
Corliß'schen Maschinen darthun, von keiner anderen
Maschinen-Construction erreicht worden.
Zur Erläuterung theilen wir zwei Indicator-Curven von Corliß-Maschinen in amerikanischen Fabriken mit.
Die Indicator-Curve Fig. 6 ist von der
stehenden Hochdruckmaschine mit Balancier in der Weberei für schwere Druckkattune
(Globe Steam mills) zu Newburyport in Massach.
– Der Dampfcylinder hat 26 Zoll Durchmesser; der Kolbenhub ist 7 Fuß. Die
Krummzapfenwelle macht 36 1/2 Umdrehungen in der Minute. Maaßstab am Indicator: 20
Pfd. Druck auf den Quadratzoll.
Die Indicator-Curve Fig. 7 ist von der
stehenden Condensationsmaschine in einer Weberei (Washington
Manufacturing Co's mills) zu Gloucester, N. J. – Der Dampfcylinder
hat 32 Zoll Durchmesser; der Kolbenhub ist 7 Fuß. Die Kolbengeschwindigkeit ist 462
Fuß in der Minute; die Krummzapfenwelle macht 33 Umdrehungen in der Minute. Maaßstab
am Indicator: 20 Pfd. Druck auf den Quadratzoll.
Daß es rathsamer ist, statt zweier Dampfcylinder wie in der Woolf'schen Maschine, nur einen zu haben und die Expansionskraft des
Dampfes gleich darin zur Anwendung zu bringen, anstatt den Dampf welcher im Hochdruck-Cylinder gewirkt hat, durch allerlei enge Dampfcanäle und
Schiebventile durchzuzwängen, ist einleuchtend.
Betrachtet man alle diese Nachtheile der Woolf'schen
Maschine, so wird man sich leicht überzeugen, daß eine Maschine mit Expansion und
nur einem Cylinder und mathematisch richtiger Dampfvertheilung, wie die von Corliß erfundene, den Vorzug verdient; namentlich wenn
man erfährt, daß die Regelmäßigkeit ihres Ganges so groß ist, daß man z.B. in
Amerika zum Betriebe von Spinnereien nur eine einzige Corliß-Maschine anwendet, wo man in England zwei gekuppelte Woolf'sche Maschinen anwenden würde.
Hinsichtlich der Kohlenersparniß ist es überhaupt ein entschiedener Mißgriff,
gekuppelte Maschinen anzuwenden. Nichtgekuppelte Maschinen geben immer einen
besseren Effect.
Es bleibt noch zu bemerken, daß im Allgemeinen ein höherer Dampfdruck und größere
Kolbengeschwindigkeit vortheilhaft wären. Die Amerikaner haben uns diesen Weg längst
gezeigt, auch nachgewiesen, daß in vielen Fällen für Spinnereien etc.,
Betriebsmaschinen ohne Condensation mit Anwendung von höherem Druck vortheilhafter
oder eben so vortheilhaft als Maschinen mit Condensation sind, da der Dampf noch zum
Heizen etc. verwendet wird.
Wir in Deutschland sowohl wie unsere Nachbarn, die Engländer, kleben aber an unserem
alt hergebrachten 3 Atmosphären-Druck für Hochdruckmaschinen und können uns
nicht gut von 200 Fuß Kolbengeschwindigkeit per Minute
lossagen, während in Amerika 500 Fuß Kolbengeschwindigkeit gar nichts Ungewöhnliches
ist. Allerdings sind unsere Kesselgesetze der Anwendung höheren Druckes bei der
gewöhnlichen Kesselconstruction nachtheilig, aber größtentheils existirt eine
gewisse Scheu oder Aengstlichkeit höheren Druck anzuwenden, während unsere
Locomotiven tagtäglich mit 100 Pfd. Druck durch unsere Städte brausen.
Wie viel wohlfeiler eine Maschine mit großer Kolbengeschwindigkeit und wie viel
leichter die einzelnen Theile werden, ist selbstredend. Es soll aber hier weniger
auf Ersparniß von Anlage-Capital als auf die sehr bedeutenden Ersparnisse an
Brennmaterial hingewiesen werden, welche durch die Einführung von Corliß-Maschinen erzielt werden könnten.
Es wird wenig Woolf'sche Dampfmaschinen geben, welche,
wenn richtig berechnet und mit dem Prony'schen Zaum
gemessen, weniger als 5 Pfd. beste Kohlen pro Stunde und
Pferdekraft verbrauchen. Wir besitzen aber viele, selbst ganz neue prächtige
englische Dampfmaschinen in inländischen Spinnereien, welche 8 Pfd. Kohlen
verbrauchen. Daß sie von England kommen, erhebt sie in unseren Augen auf die Stufe
der größten Vollendung.
Es ist aber nachgewiesen, daß größere Corliß-Maschinen mit 3 Pfd. Kohlen ausreichen, man würde also bei einer
Maschine von 200 Pferdekräften pro Tag (12 Stunden
Arbeitszeit) im Jahre gegen Woolf'sche Maschinen 200 . 12
. 300 . 2 = 14,400 Centner Kohlen ersparen. Durch solche Ersparnisse wären die
Anlagekosten einer neuen Maschine bald gedeckt und würde es für Fabrikbesitzer gut
seyn, diese Angaben genau zu prüfen und so wie in Amerika seit dem Bestehen der Corliß-Maschinen, die alten Maschinen abzuschaffen
und durch Corliß-Maschinen zu ersetzen.
Nach einer uns vorliegenden BroschüreBrochüre
The Steam engine, as it was, and as it is; by
theCorliss Steam Engine Comp. 1857. Knowles, Anthony and Comp., printers, No. 5 Washington buildings, Providence, R. J.
sind in Amerika vom Jahre 1851 bis 1856 durch Corliß über 200 Dampfmaschinen gebaut worden, wovon die meisten statt
schon vorhandener Maschinen (insbesondere in Spinnereien und mechanischen Webereien)
zum größten Vortheil für ihre Besitzer angeschafft wurden.
Es gereicht uns zum Vergnügen, mittheilen zu können, daß Corliß-Maschinen in Deutschland seit einigen Jahren durch die Maschinen-Fabrik der vereinigten
Hamburg-Magdeburger Dampfschifffahrts-Compagnie zu Buckau bei
Magdeburg mit bestem Erfolge gebaut werden. In dem bezüglichen Preiscourant
dieser Maschinenfabrik sind horizontale Hochdruckmaschinen ohne Condensation von 10
bis 50 Pferdekräften und solche mit Condensation von 25 bis 60 Pferdekräften
aufgeführt; ferner gekuppelte Maschinen mit zwei horizontalen Cylindern, ohne
Condensation von 60 bis 150, mit Condensation von 76 bis 180 Pferdekräften; endlich
Balancier-Maschinen, ohne Condensation von 72 bis 130, mit Condensation von
90 bis 160 Pferdekräften. Tab. V enthält die Zeichnung einer solchen Maschine
horizontaler Construction von 60 Pferdekräften mit Condensation.
Fig. 1 ist ein
Längendurchschnitt derselben,
Fig. 2 die
hintere Ansicht,
Fig. 3 ein
Querdurchschnitt nach der Linie AB.
a ist die Grundplatte der Maschine. Sie besteht aus
einem hohlen gußeisernen Balken; in demselben ist das Lager b der Krummzapfenwelle c angebracht. Der
Dampfcylinder d und die Coulissenführung e sind seitlich an demselben angebracht. Es ist nicht zu
verkennen, daß bei dieser Anordnung die Grundplatte den ganzen Druck der Maschine
auszuhalten hat. Sie
verbindet das Krummzapfenlager auf das allersolideste mit dem Cylinder und ist nur
ein Fundament nöthig, um die Maschine überhaupt an ihrem Orte zu erhalten, nicht
etwa, wie es bei vielen Maschinen der Fall ist, um einen Theil des Druckes in sich
aufzunehmen. Deßwegen kann auch, wie in der perspectivischen Ansicht Fig. 5, bei Maschinen von
geringerer Kraft der Theil des Gestelles, an welchem der Cylinder befestigt ist,
ganz frei hängen, ohne die Solidität der Maschine im geringsten zu beeinträchtigen.
An dem Krummzapfen f ist eine Zugstange g angebracht, welche mittelst des Kunstkreuzes h die Luftpumpe i,
Kaltwasserpumpe k und Speisepumpe l in Bewegung setzt. Luft- und Kaltwasserpumpe sind doppeltwirkend.
Alle drei Pumpen bilden, verbunden durch die Grundplatte m, mit dem Kunstkreuze h ein festes System und
befinden sich in einem leicht zugänglichen Souterrain.
Der Dampfcylinder d hat vier getrennte
Kreisschiebventile; die zwei oberen n, n dienen zum
Einlassen, die unteren o, o zum Auslassen des Dampfes.
Sie erhalten durch die Zugstangen p, p, p, p eine
hin- und hergehende Bewegung mittelst der Scheibe g, welche ihrerseits durch ein gewöhnliches Excentric bewegt, wird. Die
Angriffspunkte der Zugstangen p, p an der Scheibe g sind auf sehr sinnreiche Weise so angeordnet, daß
sämmtliche Kreisschiebventile schnell geöffnet und ebenso schnell wieder geschlossen
werden. Während des größten Theiles des Hubes bleiben, wenn einstweilen auf die
Expansion nicht Rücksicht genommen wird, die Dampfschiebventile fast ganz offen.
Die Expansion wird durch ein momentanes Auskuppeln der Zugstangen p, p von den Winkelhebeln der Dampfeinlaßventile,
wodurch die Gegengewichte r, r die Ventile schnell
zumachen, bewirkt. Die Gegengewichte bewegen sich in Luftcylindern s, s und wird das langsamere oder schnellere Fallen der
Gewichte durch die zwischen Gegengewicht und Cylinder befindliche Luft, deren
Ausströmung durch ein Ventil zu reguliren ist, bewirkt.
Der Zeitpunkt, wann die Expansion eintreten soll, wird durch den Regulator t indicirt. Derselbe bewegt nämlich die beiden Conusse
u, u in horizontaler Richtung hin und her. Gegen
dieselben wird durch die Zugstangen p, p der Riegel v gedrückt, der dann seinerseits je nach dem Stande der
Conusse u, u die Zugstange auslöst, indem er den durch
die Feder x in Eingriff gehaltenen, mit Nase versehenen
Angriffspunkt w (Fig. 4) ausrückt.
Die Anordnung dieser Expansions-Vorrichtung ist der Art, daß die Veränderung
derselben zwischen 0 und nahezu 1/2 des Hubes durch den Regulator indicirt wird. Die
Expansion tritt aber in Wirklichkeit erst ein, wenn das Gewicht im Luftcylinder das
Expansions- oder Einlaßschiebventil geschlossen hat. Da die Zeit des
Herabfallens je nach Belieben regulirt werden kann, so ist es auch möglich, die
Expansion erst bei 3/4 des Hubes eintreten zu lassen.
Der Regulator hat demnach eine eigentliche Arbeit nicht zu verrichten, es existirt
keine Stopfbüchse, wie bei gewöhnlichen Drosselventilen, deren Reibung vom Regulator
überwunden werden muß und die den gleichmäßigen Gang der Maschine in der Regel durch
die verschiedenen dabei vorkommenden Widerstände beeinflußt.
Dessen ungeachtet ist der Corliß'sche Regulator bedeutend
empfindlicher als der gewöhnliche Regulator construirt. Er hat nämlich das Gewicht
der Stange y zu heben, braucht dazu eine gewisse Kraft
und erlangt dadurch ein Moment, welches ihn fähig macht, seine Leistungen schneller
und sicherer zu verrichten.
Der Regulator wird bei jeder Umdrehung der Maschine nur zweimal durch das Anstoßen
des Riegels v an dem Conus u
etwas gehemmt; damit nun diese Arbeit nur einen ganz geringen Theil des eigentlichen
Moments des Regulators ausmacht und der Gang des letzteren nicht durch seine momentanmometan eintretende Leistung alterirt werde, stellt man dem Momente des Regulators
eine beständige Arbeit entgegen. Dieselbe besteht darin, einen im Cylinder z befindlichen, nicht dichten Kolben durch das im
Cylinder befindliche Wasser hin- und herzuziehen, wobei das Wasser
abwechselnd über und unter den Kolben tritt.