Titel: | Ueber die Arbeitsverluste bei Drahtseil-Transmissionen. |
Fundstelle: | Band 161, Jahrgang 1861, Nr. XCI., S. 332 |
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XCI.
Ueber die Arbeitsverluste bei
Drahtseil-Transmissionen.
Ueber die Arbeitsverluste bei
Drahtseil-Transmissionen.
Seit ungefähr zwei Jahren hat diese einfache und wohlfeile Art der Transmission einer
bewegenden Kraft auf größere Entfernungen eine vielfache Verbreitung gefunden. Das
erste, von Hirn in Logelbach etablirte Seil hatte 11
Pferdekräfte auf eine Distanz von 235 Meter zu übertragen. Der dabei entstehende
Arbeitsverlust wurde approximativ geschätzt und von Hirn
so gering gefunden, daß er glaubte, sich nicht weiter mit der Untersuchung und
genaueren Bestimmung desselben aufhalten zu müssen.Man sehe Hirn's Notiz über Anwendung der
Drahtseile zur Bewegungsübertragung, im polytechn. Journal Bd. CXXXVIII S.
435; ferner den Bericht von E. Dollfuß über die
von Stein und Comp. in
Mülhausen fabricirten Drahtseile zur Bewegungsübertragung, im polytechn.
Journal Bd. CXLVIII S. 177. Allein man ging in den, mit dem Seile zu überspannenden Strecken immer
weiter und projectirte sogar einen Seiltrieb, mittelst welchem eine Arbeit von über
100 Pferdekräften auf eine Distanz von 2000 Meter übertragen werden sollte.
Gegenüber solchen Verhältnissen wurde es nothwendig, sich genaue Rechenschaft geben
zu können über die dabei entstehende Kraftverminderung und über die vortheilhafteste
Herstellungsweise solcher Seiltriebe. Ueber den ersten Punkt hat Hr. Professor Reuleaux im I. Bande S. 623 u. ff. seiner
„Constructionslehre für den Maschinenbau“ eine gründliche
Abhandlung gegeben; die Resultate der praktischen Untersuchungen, welche von einer
Commission der Société industrielle de
Mulhouse zu dem gleichen Zwecke angestellt worden sind, sollen nun in
Folgendem mitgetheilt werden.
In Bezug auf das bei diesen Versuchen einzuhaltende Verfahren wurde festgesetzt:
1) einen Bremshebel an die Treibwelle zu legen und die unter
bestimmten Bedingungen durch diese Welle geleistete Arbeit zu messen, wobei das
Drahtseil von den Rollen entfernt werden soll;
2) an der getriebenen Welle einen zweiten Bremshebel anzubringen
und hier die, durch das Seil übertragene Arbeit ebenfalls zu messen, und zwar
während der Motor unter den, bei dem ersten Experiment stattgefundenen
Bedingungen functionirt.
Die Differenz der aus den beiden Versuchen erhaltenen Resultate mußte dann offenbar
gleich seyn der Summe der Arbeitsverluste.
Zur Vornahme dieser Versuche wurde der Drahtseiltrieb zu Emmendingen (Großh. Baden) gewählt, welcher eine Turbine von 40
Pferdekräften mit einer 540 Meter entfernten Flachsspinnerei in Verbindung setzt.
Eine zweite Reihe von Versuchen wurde an einem Seiltriebe von 234,15 Metern in
Logelbach vorgenommen. Während verschiedene ungünstige Umstände es unmöglich
machten, die Versuche in Emmendingen mit der gewünschten
Vollständigkeit anzustellen, sind dagegen diejenigen zu Logelbach insofern als maaßgebend zu betrachten, als eben die sämmtlichen
Versuche auf die gleichen allgemeinen Schlüsse, die unten näher angeführt werden,
geleitet haben. Wollte man eine, auf alle zu übertragenden Kräfte und Distanzen
anwendbare empirische Formel aufstellen, so wäre zu deren Ermittelung eine weit
ausgedehntere Reihe von Versuchen erforderlich, die bei sehr verschiedenen
Kraft- und Distanzverhältnissen angestellt werden müßten.
Die Ergebnisse der angestellten Untersuchungen wurden nun von der genannten
Commission in folgende Sätze zusammengefaßt:
1) Die bei Drahtseiltrieben entstehenden Arbeitsverluste sind
sehr gering im Vergleiche mit denjenigen, welche bei
Wellen-Transmissionen vorkommen.
2) Sie entstehen hauptsächlich durch die Zapfenreibungen bei
den verschiedenen Achsen.
3) Die Verluste bei einem gegebenen Seiltriebe sind den
Geschwindigkeiten proportional und unabhängig von der übertragenen
Kraft.
4) Die Arbeitsverluste sind der Seillänge nicht proportional,
und die Vermehrung derselben bei größeren Distanzen entsteht lediglich durch die
Reibung der Achsen der Zwischen- oder Tragrollen.
Zum Schlusse fügen wir diesen Bemerkungen noch einige Angaben über die, seit drei
Jahren entstandenen Drahtseil-Transmissionen und über deren
Herstellungskosten bei, und erwähnen mit Anerkennung, daß die Fabrik von M. Stein u. Comp. in Mülhausen
durch ihre vortrefflich fabricirten Drahtseile wesentlich zur Verbreitung dieses,
für die Industrie so wichtigen Transmissionsmittels beigetragen hat.
Diese Fabrik hat bis jetzt im Ganzen 56,000 Meter Drahtseile geliefert, was einer
Länge von ungefähr 28,000 Meter entspricht, auf welche Triebkräfte fortgepflanzt
werden. Diese Länge theilt sich in 274 Transmissionen, von welchen 205 in
Frankreich, die übrigen 69 in Deutschland, Belgien, der Schweiz, Rußland und Spanien
sich befinden. Darunter sind:
13 Seile
auf
20 Met. u. weniger
zwischen
den
Seilrollenachsen;
25 „
zwischen
20 und 30 Met.
„
„
„
45 „
„
30
„ 50 „
„
„
„
87 „
„
50
„ 100 „
„
„
„
86 „
„
100 „ 200
„
„
„
„
14 „
„
200 „ 300
„
„
„
„
2 „
„
300 „ 500
„
„
„
„
1 „
auf
1025 Met.
„
„
„
1 „
„
1150
„ „
„
„
„
Die von sämmtlichen 274 übertragene Kraft ist ungefähr zu 3000 Pferde anzunehmen und
dabei zu bemerken, daß gewöhnlich die transmittirte Kraft 4 bis 8 Pferde beträgt auf
Distanzen unter 50 Meter, 10 bis 15 Pferde auf 50 bis 100 Meter, und größere Kräfte
auf Distanzen von 100 bis 200 Meter vorkommen. Gegenwärtig wird ein Seiltrieb für
100 Pferde auf 954 Meter etablirt.
Die Kostenpreise können nur hinsichtlich der Seile und der Rollen angegeben werden.
Was die ersteren betrifft, so werden sie gegenwärtig nicht nur besser, sondern auch
um 15 bis 25 Proc. billiger hergestellt, als im Anfange, und der Preis derselben
stellt sich jetzt auf ein Minimum von 45 Cent. für den laufenden Meter für Seile von
kleinem Durchmesser, und auf ein Maximum von 1 Frc. 25 Cent. für solche von größter
Dicke und größter Drähtezahl.
Auch die Seilrollen sind in neuester Zeit durch Hrn. Hirn
wesentlich verbessert worden. Während die ersten Rollen an der Sohle ihrer Kehle mit
einem durch Querkeile festgehaltenen Ledergürtel bekleidet waren, ersetzte man den
letztern später durch ein Band aus Gutta-percha. Die Kehlen der Tragrollen
wurden ebenfalls mit Leder oder mit Pockholz ausgefüttert und gaben zu beständigen
Reparaturen Anlaß. Auch die Drahtseile, welche auf dem Boden der Kehle etwas
hin- und Herrutschen konnten, nutzten sich dadurch nicht unwesentlich ab.
Herr Hirn suchte nun diesen Uebelständen durch folgende
Einrichtung abzuhelfen. Er läßt die Rollen aus Gußeisen so leicht als möglich
anfertigen; in den Umfang des Kranzes wird eine schwalbenschwanzförmige Rinne
eingedreht und in diese mittelst Hammerschlägen ein Band aus Gutta-percha
eingetrieben. Dieses letztere hat quadratischen Querschnitt, dessen Größe sich nach
den Dimensionen jener Vertiefung richtet; das Band wird hierauf nach einer leichten
kreisförmigen Vertiefung ausgedreht.
Auf solchen Rollen laufen Drahtseile ausgezeichnet gut, und die Abnutzung der
Gutta-percha ist äußerst unbedeutend, wovon eine seit acht Monaten in Logelbach gehende Transmission hinlänglichen Beweis gegeben hat.
Eine
Rolle
von
0,9 Met.
Durchm.
wiegt
80 Kilogr.
„
„
„
1,5 „
„
„
190 „
„
„
„
1,8 „
„
„
330 „
„
„
„
2,0 „
„
„
450 „
„
„
„
3,5 „
„
„
650 „
Der Preis derselben, das Gutta-percha-Band inbegriffen, stellt sich auf
70 bis 90 Frs. per 100 Kilogramme. (Schweizerische
polytechnische Zeitschrift.)