Titel: | Verfahren zur genauen Bestimmung des Stickstoffs im Schmiedeeisen und Stahl; von Boussingault. |
Fundstelle: | Band 161, Jahrgang 1861, Nr. CIII., S. 365 |
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CIII.
Verfahren zur genauen Bestimmung des Stickstoffs
im Schmiedeeisen und Stahl; von Boussingault.
Aus den Comptes
rendus, Juli 1861, t. LIII p. 5.
Boussingault's Verfahren zur genauen Bestimmung des Stickstoffs im
Stahl etc.
In meiner früheren Abhandlung habe ich mein Verfahren beschrieben, den Stickstoff im
Schmiedeeisen und Stahl durch Verbrennen des Metalls im Dampfe des
Schwefelquecksilbers (Zinnobers) zu bestimmen; man erhält so den Stickstoff im
gasförmigen Zustande, wie beim Verbrennen des Eisens im Sauerstoffgas. In derselben
Abhandlung habe ich erwähnt, daß ich den Stickstoffgehalt des Eisens und Stahls auf
einem sehr einfachen Wege ermitteln zu können hoffte, nämlich durch maaßanalytische
Bestimmung des Ammoniaks, in welches sich beim Auflösen des Eisens in einer Säure
die in demselben enthaltene Stickstoffverbindung umwandelt. Hierbei stieß ich aber
auf unerwartete Schwierigkeiten, denn obgleich die von mir angewendeten Reagentien
vollkommen ammoniakfrei waren, erhielt ich öfter Ammoniak aus Eisen, welches seinem
Ursprung nach keinen Stickstoff enthalten konnte.
Es ist mir jetzt gelungen, bei diesem Verfahren alle Fehlerquellen auszuschließen, so
daß es ganz scharfe Resultate liefert; hierzu gelangte ich auf folgendem Wege.
Ich löste das Schmiedeeisen oder den Stahl in Schwefelsäure oder Salzsäure auf,
verdünnte die saure Auflösung mit Wasser und brachte sie in einen Glaskolben;
nachdem ich dann das Eisenoxydul durch in Ueberschuß zugesetztes Aetzkali gefällt
hatte, verband ich den Kolben durch eine Röhre mit einem Kühlapparat und unterwarf
die Flüssigkeit der fractionirten Destillation. Das Ammoniak wurde in den auf
einander folgenden Destillationsproducten von je 50 Kub. Cent. mittelst titrirter
Flüssigkeiten bestimmt. Obgleich sich nach dieser Methode das Ammoniak mit der
größten Genauigkeit bestimmen läßt, so stimmten doch die mit demselben Metall
erhaltenen Resultate unter einander nicht überein, und man fand immer mehr
Stickstoff, als bei der Umwandlung des Eisens in Schwefeleisen durch Verbrennung im
Zinnoberdampf. Es handelte sich also darum, die Quelle des anormal gebildeten
Ammoniaks zu ermitteln. Die angewendeten Reagentien schienen ammoniakfrei zu seyn.
Als der Schwefelsäure oder Salzsäure durch Indigolösung eine kaum sichtbare blaue
Färbung ertheilt wurde, behielten sie dieselbe nach andauerndem Kochen bei; man
hatte also die Gewißheit, daß in diesen Säuren nicht die geringste Spur von
Salpetersäure vorhanden war, eine wesentliche Bedingung, weil letztere Säure während
der Auflösung des Eisens in Ammoniak umgewandelt wird. Das Wasser war frei von
Ammoniak und wurde zu größerer Sicherheit unmittelbar vor der Anwendung noch
gekocht. Das zum Zersetzen des gebildeten Eisensalzes verwendete Aetzkali hatte man
in einem Silbertiegel zum Rothglühen erhitzt, um die gewöhnlich darin enthaltenen
organischen Substanzen zu zerstören, und man löste es zum Gebrauch in vorher
gekochtem Wasser auf; als eine Portion dieser Auflösung in einem Destillirapparat
abgedampft und das verflüchtigte Wasser condensirt wurde, erwies es sich
ammoniakfrei. Nachdem sich somit bei der Untersuchung jedes einzelnen Reagens kein
Ammoniak entdecken ließ, sättigte man die verdünnte Säure mit einem großen
Ueberschuß von Aetzkali und unterzog das Gemisch der Destillation, aber auch das
hierbei condensirte Wasser zeigte keine Spur von Ammoniak. Ferner löste man einige
Gramme Zink in der Säure auf, übersättigte dann die Lösung mit Kali und destillirte
sie, wobei sich das erhaltene Wasser eben so frei von Ammoniak erwies. Ein ganz
anderes Resultat ergab sich jedoch, als man das Zink durch Eisen ersetzte, welches
nach seinem Ursprung als stickstofffrei zu betrachten war; das condensirte Wasser
enthielt stets Ammoniak, welches manchmal ein Tausendtel vom Gewichte des Metalls an
Stickstoff repräsentirte.
Es war nun klar, daß sich bei dem von mir eingeschlagenen Verfahren aus einem
unbekannten Grunde Ammoniak bildete, wenn man Eisen behandelte, hingegen nicht, wenn man dieses
Verfahren auf Zink anwandte.
Mein erster Gedanke, um diese anormale Ammoniakbildung zu erklären, war die
Dazwischenkunft der Luft, weil der gasförmige Stickstoff in Berührung mit einer
Eisenfläche, an welcher sich Wasserstoff entbindet, Ammoniak erzeugen könnte. Eine
Reihe von Versuchen, welche ich ausführte, bestätigte aber diese Annahme nicht. Dann
änderte ich mein Verfahren dahin ab, daß ich das Auflösen des Eisens, das Fällen des
Oxyduls und die Destillation des Gemisches außer Berührung mit der Luft, nämlich in
einer Atmosphäre von kohlensaurem Gase vornahm. Die angewandten Flüssigkeiten, die
Säure, das Wasser, die Kalilösung, wurden in vollem Kochen in diese Atmosphäre
eingeführt; aber auch bei dieser vollständigen Ausschließung der atmosphärischen
Luft waren die Resultate nicht genügender, man erhielt immer Ammoniak mit einem als
stickstofffrei zu betrachtenden Eisen, und der Stahl sowohl als das Schmiedeeisen
ergaben einen offenbar zu großen Stickstoffgehalt, gerade so wie beim Auflösen der
Metalle an freier Luft. (Der so gefundene Stickstoffgehalt wurde nämlich durch das
Resultat controlirt, welches die Verbrennung des Metalls im Zinnoberdampf
lieferte.)
Endlich gelang es mir, den Ursprung des anormal gebildeten Ammoniaks durch
Vergleichung von etwa hundert Resultaten zu entdecken, welche ich nach dem Datum in
einer Tabelle zusammengestellt hatte. Aus dieser Tabelle war nämlich ersichtlich,
daß der gefundene Stickstoffgehalt während einer gewissen Anzahl von Tagen constant
blieb, dann während der folgenden Tage zu- oder abnahm. Da nun von den
angewendeten Reagentien das Kali am häufigsten erneuert wurde, so mußte ich
vermuthen, daß in demselben die Fehlerquelle aufzufinden sey. Eine sorgfältige
Untersuchung dieses Alkalis ergab, daß es salpetersaures und salpetrigsaures Salz
enthielt, deren Menge nach der Temperatur bei welcher es geglüht worden war,
nothwendig variiren mußte. Wie konnte nun dieses salpetersaure Alkali eine
Ammoniakbildung veranlassen? Nie wir gesehen haben, zeigt bei Anwendung meines
Verfahrens auf Zink das Aetzkali keine Wirkung auf das gefällte Oxyd, ganz anders
konnte es aber bei dem Eisen seyn, dessen Oxydul bekanntlich den Sauerstoff sehr
begierig anzieht. Versuche zeigten bald, daß dasselbe wirklich auf das vorhandene
salpetersaure Alkali reducirend wirkt; ich begnüge mich, von denselben bloß einen
mitzutheilen.
Es wurde für Schmiedeeisen eine Stickstoffbestimmung nach dem beschriebenen Verfahren
ausgeführt. Die ersten 50 Kub. Cent. überdestillirter Flüssigkeit enthielten
sämmtliches Ammoniak zur Bestimmung des Stickstoffs. Die zweite Portion
überdestillirter Flüssigkeit, welche ebenfalls 50 Kub. Cent. betrug, enthielt kein
Ammoniak mehr. Ohne die Operation zu unterbrechen, brachte man in den Kolben, worin
das Gemisch kochte, 1 Decigramm reines salpetersaures
Kali. In den ersten 50 Kub. Cent. Flüssigkeit, welche sich nach diesem Zusatz bei
fortgesetzter Destillation im Kühlapparat verdichteten, fand man 0,004 Grm.
Ammoniak.
Krystallisirtes schwefelsaures Eisenoxydul, durch ein von salpetersaurem Salze freies
Alkali gefällt, gab bei der Destillation eine Flüssigkeit, welche nicht im
geringsten alkalisch war; sobald man aber dem kochenden Gemisch salpetersaures
Alkali zusetzte, enthielt die condensirte Flüssigkeit Ammoniak.
Nur bei einem Versuch lieferte 1 Decigramm reines salpetersaures Kali durch
Einwirkung auf das Eisenoxydulhydrat in Gegenwart eines großen Ueberschusses von
Kali fast das Aequivalent seiner Säure an Ammoniak, nämlich 0,016 Grm. statt 0,017
Grm.; in den meisten Fällen lieferte hingegen das salpetersaure Kali nur den vierten
oder fünften Theil der Ammoniakmenge, welche es hätte geben sollen. Es ist nicht zu
bezweifeln, daß das Ammoniak durch Einwirkung des Eisenoxyduls auf das salpetersaure
Salz gebildet wird, denn wenn man Eisenchlorid durch ein Alkali zersetzt, welches
salpetersaures Kali enthält, so erzeugt das ausgeschiedene Eisenoxyd kein
Ammoniak.
Um die bezeichnete Fehlerquelle zu beseitigen, habe ich das Aetzkali zum Zersetzen
des Eisenoxydulsalzes und Ausscheiden des Ammoniaks durch Kalk ersetzt. Man löscht gebrannten Kalk ab, wascht das Hydrat mit viel
Wasser aus, und glüht es dann, um wieder gebrannten Kalk zu erhalten.
Seitdem ich das Kali, welches fast immer Stickstoffverbindungen enthältWie Chevreul in der französischen Akademie
bemerkte, enthält das Aetzkali, welches die Fabrikanten chemischer Producte
als rein verkaufen, sehr oft Salpetersäure; denn anstatt das von
Salpetersäure freie einfach-kohlensaure Kali mit reinem Kalk zu
behandeln (wie man ihn durch Brennen von Austerschalen, dann Auswaschen mit
viel Wasser zur Abscheidung des Chlorcalciums erhält), und das so erhaltene
Aetzkali mit Alkohol zu reinigen, wie es geschehen sollte, begnügen sich
viele Fabrikanten das durch Verpuffen von Weinstein mit Salpeter
dargestellte einfach-kohlensaure Kali bloß mit Kalk zu behandeln.
– Chevreul machte auch darauf aufmerksam,
daß die Aetzkalilösung beim Aufbewahren in bleihaltigem Glase demselben
Bleioxyd entzieht. (Comptes rendus, t. LIII p. 10.), durch Kalk ersetzt habe, lieferten die Stickstoffbestimmungen für gleiches
Material vollkommen übereinstimmende Resultate; das stickstofffreie Eisen lieferte
kein Ammoniak mehr, und der im Schmiedeeisen oder Stahl gefundene Stickstoffgehalt
stimmte mit dem beim Verbrennen des Metalls im Zinnoberdampf erhaltenen überein.
Nach der Methode von Despretz
dargestelltes stickstoffhaltiges Eisen gab:
Stickstoff.
nach meinem Verfahren auf
nassem Wege
0,02655
durch Verbrennen im
Zinnoberdampf
0,02660
Gußstahl, zwei verschiedene Proben
von derselben Fabrik, gab:
nach meinem Verfahren auf
nassem Wege
0,00042
durch Verbrennen im
Zinnoberdampf
0,00057
Nach meiner Methode auf nassem Wege gaben:
stickstofffreies Eisen, von Peligot
durch Einwirkung
von Zinkdampf
auf Eisenchlorür in der Hitze dargestellt
0,00000
Kratzendraht (hart gezogener Eisendraht), von Bouis der
Einwirkung des
feuchten Wasserstoffgases bei der Rothglühhitze unterzogen
0,00000
Kratzendraht, vor der Behandlung mit feuchtem Wasserstoff
0,000045
weicher
Eisendraht, von Caron der Einwirkung des
feuchten Wasserstoffgases
bei der Rothglühhitze unterzogen
0,000050
weicher
Eisendraht
0,000075
Klaviersaite (Stahldraht), von Berlin
0,000070
Klaviersaite
0,000086
Stahl, welcher zu den Bohrschneiden für die Kanonen angewendet
wird
0,000070
Wie schon der Titel dieser Abhandlung anzeigt, hat das beschriebene Verfahren auf
nassem Wege nur den Zweck, den Stickstoff der im Schmiedeeisen und im Stahl
enthaltenen Stickstoffverbindungen zu bestimmen. Um den Stickstoffgehalt des nach
dem Auflösen des Metalls in den Säuren verbleibenden kohligen Rückstandes zu
bestimmen, muß man nothwendig die Methode mit Natronkalk anwenden. Die Bestimmung
der im Schmiedeeisen, Stahl und Roheisen enthaltenen absoluten Stickstoffmenge
erfordert daher zwei Analysen: 1) die Bestimmung des in den Stickstoffverbindungen
enthaltenen Stickstoffs, und 2) die Bestimmung des Stickstoffs der kohligen
Substanzen.