Titel: | Ueber die Bereitung der Orseille; von Gaultier de Claubry. |
Fundstelle: | Band 161, Jahrgang 1861, Nr. CXXX., S. 453 |
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CXXX.
Ueber die Bereitung der Orseille; von Gaultier de Claubry.
Aus den Comptes
rendus, 1861, t. LII p. 1252 et t. LIII p. 22.
Gaultier de Claubry, über die Bereitung der Orseille.
Durch die Entdeckung des Orcins von Robiquet wurde in den
Orseilleflechten eine farblose Substanz nachgewiesen, welche sich unter dem
gemeinschaftlichen Einfluß von Luft und Ammoniak in eine schöne violette Farbe
verwandelt. Verschiedene andere Flechtenstoffe, z.B. die Lecanorsäure, liefern unter
gewissen Umständen Orcin, welches vielleicht nur ein secundäres Product ist. Die
Orseille des Handels besteht nicht aus einem einzigen Farbstoff, sondern es sind
mehrere von ähnlicher Nüance darin enthalten, welche der Einwirkung verschiedener
Agentien in verschiedenem Maaße widerstehen und durch ihre Zahl und relative Menge
die Eigenschaften der verschiedenen Orseillesorten bedingen.
Die Orseilleflechten liefern höchstens 10 bis 12 Proc. benutzbare Producte; indem man
diese durch Ausziehen mittelst einer geeigneten Flüssigkeit von der Masse des
Zellgewebes etc. trennt und dann für sich dem Einfluß der Luft und des Ammoniaks
unterzieht, kann man die Orseille unter weit günstigeren Bedingungen erzeugen, als
nach dem gewöhnlichen Verfahren. Stenhouse hat bei seinen
in dieser Hinsicht angestellten Versuchen zum Ausziehen der Orseilleflechten Kalk,
Heeren Ammoniak benutzt. Man kann dieses Verfahren
anwenden, erhält aber je nach der Art seiner Anwendung Ergebnisse, welche in Bezug auf den
Zustand, in welchem die Flechtenstoffe sich nachher befinden, sehr verschieden sind.
Stenhouse bemerkt, es genüge, die Flechten zu
zerschneiden, mit Kalkmilch zu maceriren und den Auszug nachher mit Salzsäure oder
Essigsäure zu sättigen, um alle farbegebenden Stoffe zu gewinnen. Diese Angabe ist
richtig, aber bloß für den Fall, daß die Maceration nur ganz kurze Zeit fortgesetzt
wird. Der Kalk zieht nämlich, mag die Maceration kürzere oder längere Zeit dauern,
die farbegebenden Stoffe aus, es findet aber der Unterschied statt, daß bei kurzer
Dauer der Maceration die farbegebenden Stoffe durch die Säure vollständig
niedergeschlagen werden, so daß man sie nachher für sich durch eine besondere
Operation in Orseille verwandeln kann, daß dagegen, wenn die Maceration länger
dauert, die farbegebenden Stoffe nicht mehr durch Säure niedergeschlagen werden,
sondern aufgelöst bleiben, so daß man nachher behufs der Orseilleerzeugung mit der
Flüssigkeit operiren müßte, wodurch die beabsichtigten Vortheile verloren gehen
würden.
Die nachstehenden Versuche liefern hiefür den Beweis. Ich brachte je 100 Grm.
Orseilleflechte von Madagascar in 600 Grm. Kalkmilch, welche 30 Grm. Kalk enthielt.
Nach den bemerkten Zeiten wurde die Masse auf ein Haarsieb gebracht und der
Rückstand gewaschen, worauf man die Flüssigkeit mit überschüssiger Salzsäure
versetzte. Jeder so erhaltene Niederschlag wurde auf einem Tuch gesammelt, gewaschen
und getrocknet. Die abgelaufene Flüssigkeit wurde mit Ammoniak gesättigt,
concentrirt und darauf wieder mit überschüssigem Ammoniak vermischt; die Flüssigkeit
ließ man sodann theils bei gewöhnlicher Temperatur, theils bei 50 bis 60° C.
an der Luft stehen.
Fester
Theil.
Flüssigkeiten.
Nach 15 Minuten
12
Grm. Viel Orseille liefernd.
Kaum eine Erzeugung von Farbstoff.
„ 1
Stunde
12,5
„
Deßgl.
Sehr merkliche Orseillefarbe.
„ 2 „
9,3
„ Weniger.
Lebhafte Orseillefarbe.
„ 3 „
8
„ Noch
weniger.
Lebhaftere „
„ 4 „
4
„ Weniger.
Orseillefarbe mehr hervortretend.
„ 6 „
2,7
„ Weniger.
Noch reichere Orseillefarbe.
„ 8 „
2
„ Sehr
wenig.
Schöne Orseille.
„ 12 „
1,1
„ Kaum.
Deßgl.
„ 24 „ „ 48 „
0,5 0,5
„ Sich nicht
merklich
färbend.
„ „
Bei einer Wiederholung des Versuchs mit der doppelten Menge Kalk zeigte sich, daß der
Niederschlag von der zweiten Stunde an schwächer wurde und die Flüssigkeit dagegen
viel Orseille lieferte. Die Zahlen können natürlich nicht als absolut gelten, zeigen aber, daß man,
indem man die Flechten der Einwirkung von Kalk aussetzt, je nach Umständen die ganze
farbegebende Substanz durch eine Säure niederschlagen oder in der Lösung behalten
kann. Das Wasser allein bringt eine ähnliche Wirkung hervor, aber viel langsamer,
macht nämlich bei längerer Berührung mit den Flechten die farbegebenden Stoffe
löslich.
Nachtrag.
Nach dem Vorstehenden kann die Kalkmilch durch bloße Berührung den Orseilleflechten
alle farbegebenden Stoffe entziehen, jedoch mit dem wichtigen Unterschied daß, je
nachdem die Berührung mehr oder weniger lange andauert, diese Stoffe aus der
Auflösung durch eine Säure gefällt werden können, oder nicht.
Wenn man, anstatt mit Kalk bei der gewöhnlichen Temperatur zu operiren, die
Flüssigkeit bloß drei bis vier Minuten lang zum Sieden erhitzt, so wird auf Zusatz
einer Säure nur noch eine braune Substanz abgesondert, deren Farbe durch die
Berührung mit Ammoniak dunkler wird, ohne weder bei gewöhnlicher, noch bei höherer
Temperatur die geringste Menge Orseille zu liefern.
Wendet man anstatt Kalkmilch verschiedene lösliche Salze an, wie phosphorsaures
Natron, Kali oder Ammoniak, Borax, kohlensaures Kali oder Natron etc., so verändern
sich die farbegebenden Stoffe schon in der Kälte sehr rasch, und ein nur einige
Minuten dauerndes Sieden reicht hin, damit die Säuren gar keinen Niederschlag mehr
geben.
Die kräftigen Alkalien, wie Kali, Natron, Baryt, Strontian, bewirken die erwähnte
Veränderung noch rascher als der Kalk.
Wie ich im Vorstehenden bemerkt habe, enthält die Orseille mehrere Farbstoffe, welche
der Einwirkung verschiedener Agentien in ungleichem Grade widerstehen. Wenn sie
durch Einwirkung des Ammoniaks bei einer Temperatur von 60° C. erzeugt wurde,
so enthält sie von dem am wenigsten veränderlichen Farbstoff eine größere Menge. Man
hat schon längst die Wärme bei der Orseilleerzeugung angewandt; man erhält so dieses
Product rascher und wohlfeiler.