Titel: | Untersuchungen über den Zucker; von A. Gélis. |
Fundstelle: | Band 162, Jahrgang 1861, Nr. XXII., S. 69 |
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XXII.
Untersuchungen über den Zucker; von A. Gélis.
Aus den Comptes rendus, t. LI p. 331.
Gélis' Untersuchungen über den Zucker.
In einer früheren MittheilungPolytechn. Journal Bd. CLIV S.
438. habe ich nachgewiesen, daß der Zucker sich beim Schmelzen in rechtsdrehende
Glykose und einen neuen Körper C¹² H¹⁰ O¹⁰
spaltet. Dieser Körper ist nicht direct gährungsfähig, wird aber durch verdünnte
Säuren in unkrystallisirbare, gährungsfähige Glykose umgesetzt, welche dann sehr
stark, selbst stärker als umgesetzter Zucker, linksdrehend ist. Hiernach und nach
der Ansicht Dubrunsaut's, daß der krystallisirbare Zucker
ein zusammengesetzter ist, schien es, als ob der neue von mir dargestellte Körper
aus dem linksdrehenden Elemente dieses Zuckers entstanden sey. Indessen hat der
Verfolg meiner Versuche bewiesen, daß die Zersetzungsproducte sich mit der Dauer des
Schmelzens veränderen. So behält die durch Säuren wieder erzeugte Glykose stets ihr
Drehungsvermögen nach rechts, aber die Stärke desselben nimmt bedeutend ab, je
länger der Versuch fortgesetzt wird. Dieß schien mir darauf hinzudeuten, daß die
einfachen Zucker oder Glykosen vielleicht durch Wasserentziehung eine isomere Reihe
von Körpern von der Formel C¹² H¹⁰ O¹⁰
liefern; ich habe daher statt des krystallisirbaren Zuckers, dessen zusammengesetzte
Natur das Resultat der Versuche beirren muß, die zwei bestimmt charakterisirten Glykosen weiter
untersucht, deren Existenz im krystallisirten Zucker anzunehmen ist, nämlich die
gewöhnliche Glykose, welche durch Schwefelsäure und Stärkemehl erhalten oder aus
Honig dargestellt wird und die unkrystallisirbare, welche aus Inulin erhalten werden
kann. Aus diesen beiden Körpern sind zwei neue hervorgegangen, welche dem Gummi und
dem Dextrin nach Formel und Zusammensetzung sehr nahe stehen.
Wenn man gewöhnliche Glykose auf 100–110° C. erhitzt, so werden ihr,
ohne bemerkliche Schwärzung, 2 Aequivalente oder 9 Procent Wasser entzogen. Wenn man
nun weiter auf 170° erhitzt und abermals 2 Aequivalente Wasser verjagt, so
erhält man eine mehr oder weniger gefärbte Masse, je nachdem geringere oder größere
Vorsicht angewandt worden ist. Diese Masse enthält verschiedene Substanzen. Den
größten Theil derselben bildet ein farbloser kaum süßer Stoff, der sich vom Zucker
durch den Mangel an Gährungsfähigkeit unterscheidet, welche er jedoch durch
Behandlung mit verdünnten Säuren wieder erlangt. Außerdem befinden sich darin
verschiedene Körper in geringer Menge, welche zusammen den Caramel bilden, und
endlich wechselnde Mengen unzersetzten Zuckers.
So leicht es ist, mittelst der Anwendung von Fermenten die Anwesenheit des neuen
Körpers nachzuweisen, so schwer ist es, denselben isolirt darzustellen, indem zwar
die Gährung den ihn begleitenden Zucker zerstört, der Caramel aber nur unvollkommen
durch Kohle entfernt werden kann. Indessen führen alle Umstände der Entstehung, so
wie die Resultate einer Analyse, welche ich hier nicht weiter anführen kann, auf die
Formel C¹² H¹⁰ O¹⁰.
Diese Substanz entspricht also in ihrer Zusammensetzung dem Dextrin, und die
Festsetzung ihres Drehungsvermögens war daher von Interesse. Mittelst ziemlich
entfärbter Lösungen gelang mir dieß wenigstens annähernd, indem ich fand, daß sie
rechtsdrehend ist, aber etwas weniger als die Glykose, woraus sie entstand, also
bedeutend weniger als das Dextrin, wovon sie folglich nur eine neue isomere
Modification darstellt.
Die Inulin-Glykose gibt unter denselben Umständen ähnliche Producte, allein die
leichte Zersetzbarkeit macht die Reaction weniger scharf und die Untersuchung
schwieriger. Indessen läßt sich die Reihenfolge der Erscheinungen doch deutlich
beobachten.
Hiernach ist die Erklärung der während der ersten Einwirkung der Hitze auf den
krystallisirbaren Zucker stattfindenden Veränderungen leicht.
Der früher von mir dem neuen Körper beigelegte Name Saccharid kann nun nicht
beibehalten werden, da es bereits eine Reihe von Körpern gibt, die den Namen
Glykosid tragen.
Nach dem Vorgang Berthelot's, der einige aus Mannit und
Dulcit erzeugte Körper Mannitan und Dulcitan genannt hat, und wenn man mit Dubrunfaut die Identität der Inulin-Glykose mit der
linksdrehenden Glykose des umgesetzten Zuckers annimmt, würden die neuen Körper, in
der Aussicht auf die entsprechenden, ohne Zweifel zu entdeckenden, Glykosane und
LevulosaneBerthelot hat die Inulin-Glykose: Levulose genannt. heißen müssen. Schon hat nur die Milchzucker-Glykose unter ähnlichen
Verhältnissen einen Körper derselben Art geliefert, den ich jedoch zum Gegenstand
einer besonderen Mittheilung machen werde; ich erwähne nur, daß derselbe noch
schärfer charakterisirt ist als die beiden anderen Glykosen.
Schließlich bemerke ich, daß die angeführten Thatsachen meiner Ansicht nach nicht
allein von rein wissenschaftlichem Werthe sind, sondern daß sie auch zur Erklärung
einiger noch dunklen Erscheinungen führen können, die in der Zuckerfabrication und
der Melassenbrennerei auftreten und worauf ich später zurückkommen werde.